Volltext Seite (XML)
Beilage zur Sächsischen Volkszeitung Nr. »VL Freitag, den 19. Dezember 1919 Jahrq Vorbildliches aus der katholischen Kirche Sachsens I ^ Unter dieser Spitzmarke schreibt das evan- gelische „Neue Sächsische Kirchenblatt" (Nr. bv vom 14. Dezember) folgendes: Am 23. November haben die katholischen Streife Sach, sens sich in Dresden zusammengefunden, nm sich über die -neuen Aufgaben, die die veränderten Verhältnisse mit sich bringen, auszusprechen und für ein einheitliches, zielbe wußtes Vorgehen die nötige Klarheit zu gewinnen. Daß in dem großen Weltarftchauungskampfe der Gegenwart die Presse eine bedeutsame Rolle spielt, ist unbestreitbar. Das gedruckte Wort erreicht viele, die das in der Kirche gespr ochene nicht hören, und veranlaßt sie, über das Gelesene nacl)- Andenken. Eine gut geleitete Zeitung, die die kirchlichen Interessen in der Öffentlichkeit vertritt, ist außerordent lich wichtig. Daß der Ausbau des katholischen Zeitungs wesens auf der Dresdner Tagung einen breiten Raum ein genommen hat, kann deshalb nicht überraschen. In der .„Sächsischen Volkszeitung" haben die Katholiken bereits seit 17 Jahren ein Presseorgan, das ein geistiges Einheitsband um sie schließt, >vährend es uns Evangelischen leider immer noch an einer großen führenden Tageszeitung fehlt, die in bewußt evangelischem Geiste die Fragen der Zeit vom kirch- lichen Standpunkte aus darstellt und beurteilt. Neben dieser Angelegenheit interessiert uns eine an dere, die rrns einen Einblick in die kirchliche Kleinarbeit tun läßt. Eine vom Caritasverband für Dresden und Um gebung einbcrufene Versammlung beschäftigte sich mit der Organisation des Vormundschaftswesens und der Notwen digkeit, sie über das ganze Land hin auszudehnen. Tie neue Reichsverfassung bestimmt in den 88 135 und 136, daß denr Vormundschaftsrichter kein Recht zusteht, nach dem Bekenntnis des einzusehenden Vormundes zu fragen. Es ist aber wünschenswert, »venu Vormund und Miindel derselben Konfession angehören. Da dies in Sachsen, wo die Katholiken nur einen geringen Bruchteil der Bevölke rung ausmachen, besondere Schwierigkeiten bereitet, will man eine einheitlich große Organisation für das ganze Land schfien, damit einzelne Gemeinden einen Rückhalt am Ganzen haben. Von da aus kann ihnen Rat auf Grund der anderwärts gesammelten Erfahrungen, Empfehlungen geeigneter Vormünder und auch finanzieller Beistand bei den unvermeidlichen Opfern gewährt werden. Diese Or ganisation soll u. a. auch den Verkehr mit Behörden er leichtern oder ganz abnehmen und die Unterbringung von Mündeln vermitteln, am besten bei kinderlosen katholischen Ehepaaren auf dem Lande. Um das Interesse am katholi- scheu Vormundschaftstvesen in oberen Kreisen, seien sie nun caritativ, gesellig oder politisch zusammengeschlossen, zu wecken und wachzühalten, sollen Vertrauensleute, Männer wie Frauen, durch Vorträge eine aufklärende Tätigkeit ent- falten. Im Männerverein Wurzen ist schon eine Zentrale für Vormundschaftsangelegenheiten geschaffen. Die Namen der Mündel rechtzeitig zu erfahren, ist eine Vorbedingung für das Weitere. Hier wurde der Vorschlag gemacht, neben der Mitwirkung der Lehrer auch die Totenbettmeister und die Leichenfrauen für diesen Zweck zu gewinnen und durch Gewährung von Provisionen sie dazu zu veranlassen, daß sie katholischen Vertrauensleuten die erforderlichen An gaben machen. Kontrollpersonen sollen dann über das Wohlergehen der Miindel wachen und Bericht erstatten. Wenn man vom evangelischen Standpunkte aus diese Sache durchdenkt, so kann man der Umsicht und dem prak tischen Geschick, mit dem sie angefaßt wird, nur Anerken nung zollen. Und daß die Katholiken für die Unterbrin gung ihrer Waisenkinder bei Glaubensgenossen sorgen, uw sie katholisch erzogen werden, ist im Interesse der Kinder und ihrer Angehörigen nur richtig. Wir wären glücklich wenn in der Diaspora, zum Beispiel in Böhmen, für deutsch-evangelftche Waisenkinder in gleichen Wei'e groß zügig gesorgt würde. Alles in allem kann dieses Vorgehen uns ein Antrieb werden: Gehe hin und tue desgleichen. Die Sparpriinrien-Anleihe Von einem unserer Berliner Politischen Mitarbeiter wi o uns geschrieben: Auf 3,8 Milliarden Marl beläuft sich das Ergebnis der Spa r p r ä m i e n - A n l e i h >v Mi, den noch ausstchen- den Zeichnungen darf man wohl mit einem Betrag von 4 Milliarden Mark rechnen. Die von vornherein bezifferte Anleihesumme betrug 5 Milliarden Mark. Das Ergebnis ift also um eine Milliarde Mark Himer deni Voranschlag zurückgeblieben. Aus dieser Tatiache konstruiert die Rechts presse ein Fiasko Erzbergers und einen Mißerfolg der von Erzberger wie von der gegenwärtigen Reichsregierung ge triebenen Finanzpolitik. Unter diesen Umständen wird es gut sein, die Dinge etwas näher bei Licht zu beleihen. Ein Betrag von viertausend Millionen Mark ist unter den heutigen Verhältnissen im höchsten Grade schätzenswert. Wir leben nicht mehr in einer Zeit der geradezu ins phantastische entwickelten kriegsgewinn, lerischen Hochkonjunktur. Besonders unter gesamtes Witt- schastsleben steht in dem Zeichen des tiefsten Niederganges. Die Bilanz des ersten Revolutionsjahres ift auf wirtschaft lichem Gebiete überaus traurig, die Dalutoentwertung läßt einen aktiven Schaffensgeist überhauvt nicht aufkoinmen. Es fehlt jeder Anreiz zu wirtschaftlichem Schaffen. Dazu kam die Sparprämienanleihe in die allerungünstigste Epoche, weil just in diesem Augenblick gehäufte Steuer- Vorlagen mit geradezu ungeheuerlichen Steuersätzen der Verabschiedung harren. Ein Ueberblick über die Höhe dev steuerlichen Mgaben ist weder dem einzelnen, noch den Ver tretern des Handels wie der Industrie möglich. Schon um deswillen war eine starke Zurückhaltung zu beobachten. Weiter kam aber noch hinzu, daß mit die reichsten und da her materiell am günstigsten stehenden Gebiete durch den Friedensvertrag entweder gänzlich von uns abgetrennt, oder aber unserer Einwirkung entzogen worden sind. Unter Be rücksichtigung all dieser Umstände ist ein Betrag von vier tausend Millionen Mark eine hoch achtbare Lei stung. Jedenfalls gibt sie Zeugnis dafür, daß trotz der fürchterlichsten finanziellen Anspannung und trotz einer un gewöhnlichen Unsicherheit in Beurteilung dessen, was die nächste Zukunft uns bringen wird, der inländische Anleihe- markt iimner noch aufnahmefähig ist. Man darf nicht die Erträge der Kriegsanleihen, sondern man muß schon den Friedensstab anlegen, und dabei muß man noch die völlige Zerrüttung und Unterhöhlung unserer wirtschaftlichen Basis in Betracht ziehen. Gegenüber den Erträgen der Friedensanleihen hat aber die jetzige Sparprämienanleihe einen um das acht- bis zehnfache höheren Betrag erbracht. Trotzdem geben wir zu, daß das Ergebnis hätte höher sein können. Die Schuld liegt aber bei denen, die nun heute über das „Fiasko" und den „Mißerfolg" ihre Scha denfreude nicht nur vor dem Inlands, sondern auch vor dem Auslande in die Welt schreien. Gerade von denffchnatio- i naler Sette wurde in der Oeffentlichkeit wie im Parlament ein schroffer Kampf gegen dis Spart» Prämien-Anleihe geführt. Nur um den Reichs- finanzministcr Erzberger persönlich zu diskreditieren, wurde zum Schaden der Gesamtheit eins Agitation ins Werk gesetzt, die nun jetzt, wie die Stimmen der deutsch- nationalen Presse zeigen, zu dem erhofften und erwarteten Ergebnis geführt hat Man stelle sich aber einmal vor. was von dieser selben Seite gesagt worden wäre, wenn früher einmal irgend jemand auch nur die leistest" Einwendung gegen die Kriegsanleihen erhoben hätte. Man hätte ihn als Vaterlandsverräter gebrandmarkt. Heute ist die Not lage des Volkes und des Vaterlandes noch viel schwieriger als das je der Fall war. Wenn nun durch eins freie An leihe dem Reich Mittel zu verschaffen gesucht wurden, um auf steuerlichem Gebiet Erleichterungen eintreten zu lassen, so lrätte man meinen sollen, daß sich hinter eine solche Aktion das Volk als Ganzes stelle. Das ist nun leider nicht der Fall gewesen, weil die Reclüopposition immer noch aus denr verblendeten Standpunkt beharrt, daß sie.dem Aufban des Landes diene, wenn sie die jetzige Regierung und alles, was diese tut, in negativer Kritik herunter reiß'. Die Folgen werden nicht ausbleiben. Wenn die für das Nein, notwen digen Mittel nicht auf freiem Wege aufgebracht werden können, so muß es eben ans dem Wege des staarlichen Zwanges geschehen. Wenn zu 'eichen Maßnahmen ge schritten werben muß dürfen diejenigen . w all" "wenigsten sich beklagen, und obendrein noch die Erträgnisse solcher Akttonen in ihrer Beurteilung vor dun Auslände herab- zerren, wodurch statt der erwarteten Valntabesserung eine neue Entwertung Platz greifen muß. Dies? Politik der Verblendung wird und mriß sich gerade an denjenigen am schwersten rächen, die heute nach ungemein gescheit sich Vorkommen, wenn sie alles, was von der Negierung kommt, schlecht machen. Tagung des Fr^edensbundes deutscher Katholiken In der zweiten Oktoberwoche hielt der Friedensbund deutscher Katholiken im katholischen Gesellschafts hause in München seine erste Tagung der Vorstände aller Ortsgruppen ab. Die Tagung war ein Beweis dafür, daß der katholiche Friedensgedanke marschiert und allen Hindernissen zum Trotz in immer weitere Kreise dringt. Unter dem Vorsitz des Leiters des Grazer „Weltfriodens- bundes", Dr. Metzger, wurde die endgültige Fassung der Satzungen des Bundes beschlossen und über die nächsten Aufgaben beraten. An der Diskussion nahmen außer dem Hcnlptgeschästsführer des Bundes, Magnus Jocham, regen Anteil Amtsgerichtspräsident Dr. Riß-München, Vorsitzender der deutschen Katholikentage, Professor Karl Muth, Herausgeber des „Hochland", Direktor Josef Kral, Herausgeber der „Deutschen Kirchen- und Katho likenzeitung", Dr. Ho mp sch und Dr. Otto Färber. Der Friedensbund, der auch die Katholiken Deutschöster reichs umfaßt, ist eine Teilorganifation des Grazer „Welt- friedensbundes" und ist in drei Verbände gegliedert: in erneu süddeutschen, norddeutschen und österrüchischen Ver band. Der norddeutsche Verband besitzt die größten Orts gruppen in Berlin, Breslau und Beuthen, der süddeutsche in München, Ehingen a. D., Tübingen a N. und Wangen i. A Dem Friedensbunde ist bereits ein; groß; Unzahl van Geistlichen beigetreten, deren Verl.-te" im Ausschuß der Hochwürdigste Herr Weihb'i'chof Dr Sprol! von Rottenbnrg rst. An der Aiwest des Bundes beteiligen Rosa- Martna Roman von Melali von Java Ans dem Holländischen übersetzt von Leo Tepe van Heemstede (8. Fanletzunp) „Das läßt sich leicht behaupten." „Ich glaube es aber wirklich. Ich würde mich an allen Dingen erfreuen. Die Sonne ist immer gleich schön, mag man gerade oder krumm sein. Dir lacht der nämliche blaue Himmel, und das Meer siegt so entzückend bei Tag und bei Nacht. Daran würde ich immer meine Freude haben und würde mich so viel als möglich zu besänftigen suchen." „Ich wollte, du könntest nur einmal einen Tag mit mir tauschen, dann würdest du bald anders reden. Was liegt mir an der Sonne und dem Meere! Das einzige, was mir Freude macht, ist gutes Essen und ein weiches Bett, aber das finde ich weder hier noch zu Hanie." „Könnte ich es dir nur verschaffen! Aber du siebst, wie wenig ich verdienen kann, mag ich noch so lang; auf- bleiben und noch so früh aufstehen. Wenn diese Arbeit fertig ist, bekomme ich wenigstens znxmzig Gulden dafür, dann sollst du etwas Gutes haben." „Zwanzig Gulden . . . damit reicht man nicht w-sit! Wären wir wenigstens reich, dann hätte ich doch einen klei nen Ersatz für meine unglückliche Figur!" Rose-Marie seufzte. „Könnte mein Wunsch den Reichtum nur herbeifüh- reu! Aber schau, Jans, ich habe schon wieder einen Stern fertig, es geht doch ziemlich rasch. Hast du nicht Lust, ein wenig zu stricken oder zu häkeln?" „Danke bestens; ich bin hier, um mich zu erholen, wie Lu sagst; da will ich mich mit dem Gefinger nicht abquälen, es kommt Loch nichts dabei heraus." „Du könntest aber die Strümpfe stopfen, dann brauchte ich es nicht zu tun und könnte um so mehr verdienen." „Nein, danke, ich habe keine Lust! Nach einer so mise rablen Nacht fühle ich mich noch viel elender, und da soll die Seeluft nur Besserung bringen? Ich glaube nichts davon. Aber sag mal, Rose, hast du den Herrn nicht wie dergesehen, der dich immer so angesehen hat und mir half?" „Nein, Jans." „Wirklich nicht?" „Gewiß nicht, weshalb sollte ich die Unwahrheit sagen?" „Ob er im Hotel wohnt?" ' „Ich weiß es nicht; vielleicht kam er nur auf einen Tag hierher." „Das glaube ich. nicht; er hatte eine große Reiietasche bei sich." „Darauf habe ich nicht geachtet." „Ich fand ihn sehr hübsch. Tm nicht?" „Er war recht artig." „Weil er dich immer so ansah?" „Nein, weil er dich trug." „Das tat er deinetwegen." „Nein, Jans, er hatte Mitleid mit dir." „Mitleid. Das ist es eben. Das ist das einzige, ivas man für mich übrig hat. Findest du das so angenehm? Ich finde es abscheulich. Ich wollte, ich iväre tot, dann brauchte man kein Mitleid mehr mit mir zu haben, dann würden alle sagen: Gott sei Dank, daß sie fort ist." „Pfui, Jans, wie häßlich du heute wieder redest! Wenn du wüßtest, wie wehe du mir damit tust!" „Dann weißt du auch, wie es schmeckt." Frank von Haeren hatte mehr als genug gehört. Die spitzigen Worte des bösartigen Geschöpfes, das seinen traurigen Zustand als Freibrief mißbrauchte, um leine Schwester forftvährend zu quälen, verletzten sein ästhetisches Gefühl. Das »väre eine Impression, die wehe tat; dergleichen liebte er nicht. Er entfernte sich geräuschlos, machte einen kleinen Umweg durch );n fteftn, trockenen Sand und kehrte von der anderen Seite zu den Stühlen zurück. Jans entd:ckte ihn zuerst -und zupfte ihre Schwester am Mantel. „Da ist er, da ist er!" flüsterte sie erregt. „Wer denn?" „Der Herr, der Mitleid mit mir hatte und dich be wunderte." Rose-Marie hatte gerade ein rotes, wollenes Tuch um den Kopf geschlagen: die zahllosen Löckchen drängten sich unter Len Fransen hervor. Nur, um die widerspenstigen ein wenig in Ordnung zu halten, hatte sic ihren Kopf be deckt. Die hochrote Farbe gab ihren etwas blassiertsn Wan gen einen wärmeren Ton, der an die Glut einer Purpur rose erinnerte. Frank konnte die Augen nicht von ihr abwenden, be sonders als er sah, wie bei der Ueberraschung des Wieder- erkennens ihr Auge strahlte und ein Lächeln wie Sonnen licht über ihr ganzes Gesicht sich ergoß. „Wie konnte ich sie mir einen Augenblick nicht schön finden! Sie ist prächtig .... Alles Farbe und Leben! Da, sie steht auf, wie von einer unsichtbaren Feder empor geschnellt." Höflich zog er den Hut, auch vor dem „kleinen Dra- chen", wie er in Gedanken Jans bezeichnte, die mit einem Grinsen dankte, das freundlich sein sollte. Er erkundigte sich, wie es dem Damen am Meer gefalle. Wie auf ein Zauberwort verschwand der Sonnenstrahl auf Rose-Maries Zügen, und sie schaute unruhig zu ihrer Sch»vester hinüber, die rasch mit der Antwort zur Hand war. „Miserabel! Wir haben es schlecht getroffen!" Frank mußte nun eine lange Erzählung anhören, vom schmalen Bett und einem Zimmerchen, vvorin nicht Platz für einen Stuhl, und das unmittelbar neben dem Stalle lag, worin die Hühner so laut wären, daß sie schon um 5 Uhr wach würden. Und nur altes Brot habe es gegebep, daß sie mit ihren schlechten Zähnen nicht beißen könne, und Zichorie statt des Kaffees und als Mittagessen nichts als Speck oder zähes Fleisch: von dem Fisch, den sie so gern esse, habe man nichts als den Geruch. (Fortsetzung folgt.) ,