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Sächsische Volkszeitung : 11.08.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192308114
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19230811
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19230811
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-08
- Tag 1923-08-11
-
Monat
1923-08
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 11.08.1923
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Zar Moral dr» healigra WilWstoledm ?Von P. Dr. Chrvsvsioinus Schulte, O. M. Lat'., Münster i.W. Line Revolution im vollen und eigentlichen Sinne deS Wertes haben wir Deutsche bisher Gott Dank nicht zu erleben brauchen. Wir haben einen kleine» Geschmack davon bekommen. iraL cö ist um Putsche und Rätewesen. Aber das drohende Ge vatter hat sich nicht bullig über uns entladen. Am großen und ganzen sind wir in der Republik bis heute noch brav bürgerlich geblieben. llnd doch! Unsere gesamten bürgerlichen Verhältnisse haben sich innerlich unterdessen völlig verschoben. Wir haben und weit mehr verändert, als wir selber glauben möchten. Wir sehen das soforr, wenn wir die Bestimmungen dcS Bürgerlichen Gesetzbuches an" da? Gebaren im wirtschaftlichen Leben von heute anwende». Vor dein Kriege konnte man sich im allgemeinen mit ruhigem Gcwijicn an da? Bürgerliche Gesetzbuch halten, da cS in den meisten Fällen mit den Forderungen der christlichen Moral Lbelcinstimmte. ES gab eine brauchbare Basis und Grundlage ab inr die Regelung und Normierung der einzelnen l-ürgerlichen Llbcnsformen. Heute sind weite Partien des B. G.-B. nicht mehr haltbar und nicht mehr brauchbar, da sie ja ganz andere wirtschaftliche Bedingungen und Verhältnisse zur Voraussetzung habe». Ein Vormund, der sich in der Anlage des Vermögens seiner Mürdei an die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen AuSsüh- rnngSanweisnngen hält, kann die nichtsahnenden Kinder leicht rcstloS ums Vermögen bringen, für dessen Erhaltung und rechte Verwaltung er doch im Gewissen verantwortlich ist. Hat ein Hhpothckenschuldner seinerzeit 50 200 Goldmark erhalten, so kan» ec s,ch von dieser Schuld befreien durch eine Papiermarlsumme, welche dem Wert von ungefähr s-s Pfund Margarine entspricht. Eni Verkäufer bekommt noch inchc die Halite deS ehemaligen Friedenspreises für sein Grundstück; nichtsdestoweniger wird ihm eine fabelhafte Summe als WsrtzuirachSst'.uer herausgerechnet. Aehnliche Fälle, i» denen es sich um offenbare Nngercch- tigkeitcn, ja um direkte Unsinnigkeiten handelt, lassen sich i»4 Nngemessene häufen. Offenbarer Unsinn und klarliegende Un gerechtigkeit können aber trotz formaler GesetzregcluiN keine Ver pflichtung im Gewissen erzeuge». Die Folge davon ist. daß sich heute weiteste Kreise überhauvt um die gesetzliche Grundlage »nscrcS bürgerlich^:» Lebens nicht mehr kümmern, als höchstens dort, wo das Gesetz mit Unrecht z» ihren Gunsten spricht, wie z. B. bei Abstößen von Hvpotheken. Gewiß, wir leben in einer Zeit völliger De moral i» siernng, von der alle Stände uns Menschenklassen m?hr oder weniger ergriffen sind. Raub und Diebstahl, Wucher und Betrug machen sich breit in allen Formen und Arten und Gestalten. Schon während d-S Krieges waren Schieber und Spekulanten eärig an der Arb:it. die neue Konjunktur gründlich anSznnützen. Gelegenheit macht Diebe. Dazu kommt die Notlage. Für Geld und gute Worte, im offenen, ehrlichen Handel war oft das Lebenswichtigste nicht mehr zu beschaffen. ^DaS' staatlich« System der ZwaiigSbewirtsch-iftnng, die Tätigkeit der Reichswirt, schritsstellen usw.: all das mag noch so gut gemeint und rein technisch betrachtet noch so gut organisiert gewesen sein, in der Praxis haben diese Dinge völlig versagt. Wer sich streng an die Gesetze und Verordnungen bezüglich der NahrungSmittelstreckiing hielt, mußt? gesundheitlich zu Grunde gehen. Wer noch lebte, mußte wegen llebertretnng der ErnährnngSgesehe bestraft werden. Ein Kaufmann, der sich bis in? Kleinste nach der in den letzten Jahren maßgebenden Wuchergeletzgebiing richtete, bat sicher keine Steide dabei gesponnen, vielmehr ha: er die S » b st a n z seine? Vermögens angreife» müssen. Als man merkte, daß man ..sich arm verdiente", gr>sf man zur Selbstbilfe nach der Devise: Ne te sich, wer kann. DaS posit've Ergebnis solcher Gesetze: Verachtung jeglicher juristischen und moralischen Norm. Gegen Betrug und Ausbeutung, ungesundes Spekulanien- tnm und Schieberwesen kann gar nicht radikal und energisch genug vorgcgangen werden. Und doch hat es meines Erachtens wenig Zweck, sich über d>e trostlose wirtschaftliche Zcrrütiuung einfach z» entrüsten. Sonst würde man genau dort aufhören, wo da-? Problem ansängf. Es ist nämlich di? Frage: waS ist heute im einzelnen Betrug, Wucher, gerechter Preis, ge rechter Lohn? Die moralischen Forderungen deS christlichen Siilenlodcz decken sich augenblicklich in vielen Fällen nicht mehr mit den entsprechenden richterlichen Entscheidungen. Da haben die Vcvtrctcr der christlichen Moral ein schönes und wichtiges Feld der Betätigung, indem sie die christlichen Grundsätze und Forderungen auf die heutigen Verhältnisse anwenden. Di« kirchentrcuen Volkskrctse haben so viele Fragen ans den Livpen, die sic sich selber nicht beantworte» können. Sie wollen nicht wirtschaftlich mit offenen Augen zugrunde gehen, aber auch nichts Unrechtes tun. Schon um sich et» Ecwisten bilden zu können, richte» si? ihre fragenden Augen «ff die Vertreter der Kirche. Ahnen obliegt die Aufgabe, in positiver Auseinander setzung die Verhältnisse soweit zu klären, daß eine ethische Grundlage geschaffen wird für dt« gesetzliche Neuordnung der Dinge. Man braucht den leitenden Staatsmännern und den Vo'lS- bertrctern unserer Tage gewiß nicht betrügerische Absichten und Nr. 148, Seite > bewußtes Außerachtlassen der christlichen Moral zu unterschieben. Tie Verhältnisse waren eben stärkeralS der beste Wille. Wer hätte die zersetzenden Wirkungen so mancher an sich guter und ndtwcndiger Diaßnahmen vorauSgesrhen? Man suchd in ehrlicher Absicht die größten Löcher zu stopfen und machte das Elend regelmäßig noch schlimmer. Am Einzelfall ist es übrigens außerordentlich schwer, in der heutigen Zeit der Gärung and Zerrüttung das Rechte zu treffen. Manche Frage ist noch gar nicht spruchreif. Die Ver hältnisse sind so wenig stabil, daß sozusagen jeder einzelne Fall anders geartet und göagert ist So hat der Staat in nnser?l Zeit der WichnungSnot dafür zu sorgen, daß auch der wirtschaft lich Sckttvache irgendwo unterkomnit Aber nicht allein auf Kosten derer, die zufällig Hausbesitzer sind und nicht so schematisch wie heutel Da kann eS Vorkommen, daß eine Familie mit Ries?n- einkoimnen ein«» verarmten Hausbesitzer eine Miete zahlt, mit der dieser knapp daL eine oder andere Brot kaufen kan». Von Rechts wegen sagt der Richter sich beziehend auf den Wortlaut deS Gesetzes „Mark gleich Mark", lind von Gewissens wegen? Ist daS noch „gerechter Preis"? Auch das Problem deS gerechten Lohnes drängt, zumal in Wochen rapider Geldent wertung. Der Beamte bekommt wenigstens sein Gehalt t m voraus bezahlt, und er kann daS Papier bereits rechtzeitig verwerten. Außerdem erfolgen noch entsprechende Nachzahlungen. Ganz anders bei d?n Arbeitern. Ja, wenn man nur für die Dauer einer Woche richtig kalkulieren könnte! Gewisse Fiktionen müssen um jeden Preis schleunigst ans unserer Rechtsprechung verschwinde», Zollen nicht die Dinge immer schlimmer werden. So z. B. das Axiom' Mark ist Mark. Daran glaubt loch wohl im Ernst kein Richter mehr. Ja. aber die Konsequenzen! — Wenn der Staat seinen Verpflichtungen nicht mehr Nachkomme» kan», ist das Grund auch die privat, wirtschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr be stehen zu lassen, die Zerrüttung deS Wirtschaftslebens, ja WaS noch schlimmer ist, der wirtschaftlichen Mvral cjnrcißen zu lassen? Nur einige wenige Andeutungen konnte» hier gemuckt wer den, um zu zeigen, daß wir ohne die Grundsätze der christ lichen Moral, angewandt auf die qanz neuartigen Zustände und Verhältnisse immer mebr den Krebsgang gehen, bis schließ lich em namenloses Elend über unS kommt. Mit der Notenpresse wird daS Problem qanz bestimmt nicht gelöst „Wer da? Papier zuletzt hat. den beißen die Hunde". Der Staat muß den Anfang machen, wieder eine, der christlichen Moral entsprechende, auf Treu und Glauben begründete, bürger liche Rechtsgrundlage zu schas'en bezw. die derselben widersprechen den Kriegs- und NackkriegSgeletzs außer Kraft zu sehen. Wenn dies alsbald noch nicht möglich ist. sollten die Richter die ihnen zustehende Bewegungsfreiheit gebrauchen und die gesch lichen Bestimmungen nicht buchst ibe»q:mäß sondern sinngemäß auf de» Einzclfall anwcnden. Der Anfang ist bereits gemacht. ES ist eine GewistenSmche aller Vertreter der christlichen Grnnd- sähe, sich in dieser Richtung mit all:., Mitteln unerschrocken ci»- zusehen. Dann würden wir bald empfinden, wie arm und wie zrrsammeiiqebrocben wir sind: wir müssen furchtbare Opfer bringen, aber eS wird doh nicht weiter mit Eilzugsgeschwindmkeit bergab gehen, sondern es wird ein Anfang gemacht werden ; im Rufst'eg nach oben und zum Wü-Scn,iufbaii des völlig znsainn,en- gebrochenen wirtschaftlichen GefügeZ. Die Vermehr«- der 1«i>mirWstli>heii DiiWche Der furchtbare Ernst unserer Ernöhrnngskage erfüllt jeden von de» wcni'gen tiefer Nachdenkendeu mit Schaudern. Immer wieder legt er sich die Frage vor: Was werden wir essen? W.ie können wir den Hunger von 62 Millionen stille»? Was wird ein- treten, wenn das Ausland unser Papiergeld nicht mehr anniiiiint, für das es uns die fehlenden LcbenSmittelmengen lieferte? Daher gilt eS, alle Mittel z» suchen und anzuwcnde», die den Zusammenbruch der Volksernährung verhindern und den» Bettlervolke, das wir zu werden drohe», die nackte Existenz zu sichern. Unter dem Einsatz aller Kräfte, die der heimischen Landwirtschaft und den Industrie», von denen jene bei Durchfüh rung fortschrittlicher Wirtschaftsweise abhängig ist, z. B. Kunst dünger- und Maschinenfabriken, innewohnen, sind zwei Wege un verdrossen und unbeirrt durch sich entgegentürmcnde Schwierig keiten zu beschielten. Der erste Weg heißt: NohertragSsteigerung auf dem bisherigen Kulturland, der zweite heißt: Vermehrung der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche durch Urbarmachung der Moore und Oedslächen, die kultnrwürdig sind. Wenn auch für die nächsten Jahre der größere und sicherste Erfolg durch eine kapital- und arbeitsintensivere Bewirtschaftung tzes jetzt schon vorhandenen Ackerlandes zu erwarten ist, so ver lohnt es sich doch, dazu noch eine Erbreiterung der Bodengrnndlage anzustreben, und zwar aus folgenden Gründen: Zunächst sei angeführt, daß durch eine Erschließung des kulturwürdigen Oed« und Moorlandes es uns gelingen kann, den größten Teil der landwirtschaftlich genutzten Fläche zu er setzen, die wir durch den Versailler Vertrag, namentlich in Wcst- preußen und Posen, verloren haben. Letztere beträgt 4,06 Mil lionen Hektar oder 11,2 vom Hundert der gesamten landwirt schaftlichen Nutzfläche. Wir haben zwar kein« genaue Statistik über die Größe der kultnrsähige» Morr-, Heide- und Oedländereien. Die ein zelnen Berechnungen und Schätzungen weisen beoeutende Untev schiede ans, weil die Auffassungen über die Beschaffenheit de» Böden stark voneinander abweichen, und gering genutztes von völli» ungenutztem Oedland nicht leicht geschieden werden kann. Trotz, dem gehen wir ziemlich sicher, wenn wir unter Berücksichtigung der kritischen Prüfung der Oeolaiidsstatistike» durch Prosesso» Tacke, den anerkannten Fachmann auf diesem Gebiete, die Grase der in Betracht tommenden Fläche auf 3 bis 4 Millionen .Hektar schätzen. Diese Zahl müssen wir uns recht deutlich durch einen Vergleich veranschaulichen. Die z» kultivierende» Moor-, .<?ecoe- und Oedflächen sind ungesähr so gross wie die gesamte landwirt schaftliche Fläche der Freistaaten Hessen (127 206 Hektar), Baden (712 26!) Hektar), Württemberg (1 105 000 Hektar) und Sachsen (074 877 Hektar). Die Möglichkeit, unseren inländischen Nag- rungsspielranm zu erweitern und die durch Abtretung der land wirtschaftlichen Ueberschußgebiete insbesondere ei»getrct:»e Schmä lerung unserer Ernährungsgcundlage zum großen Teil wieder wett- znmachen, ist sonnt gegeben. Viele hnnderttanseno Tonnen Ge treide könnten aus oeu neukultivierten Flächen wachsen, besonders aber kann die Viehzucht »na oamit die Fleisch- und Fettproduk- ti'o» aus den neugeschafften Melden und Wiesen unter günstigen Bedingungen betriebe» werden und den nötigen Eiweißgehalt der Nährmnsse beschösse» helfe». Die letzte Erwägung liefert uns eine weitere Begründung dafür, oaß die energische Jnangrisfnahmc und Durchführung der Schaffung von Neuland ein großes nationales Nettungs- nnd Knlturwerk ist. Die Moorbesiedlung geschieht am zweck mäßigsten in Form der Bauernsiedluiig; denn die den Verhältnissen des kultivierten Moorgeländes bestangepaßte Be- triebsform ist die bäuerliche Viehzuchtwirtschaft mit starkem Fut ter- und Hackfruchtba». Diese hat reichlichen natürlichen Dünger zur Verfügung, und die Ergebnisse wissenschaftlicher und prak tischer Erfahrungen haben bewiesen, daß der Ackerbau ans Moor und Heide n rentabelsten bei ausgiebiger Düngung mit künst liche» und natürlichen Düngemitteln betrieben wird. Bei der Durchschnittsgröße einer Siedlung von 30 bis 40 Hektar könne» auf dem zu schaffenden Nenackerlano etwa lOOOOO Betriebe von dem Umfang ßiner selbständigen Ackernahrnng errichtet werden. Gegen diese Art der Neiisiedclnng würde wohl auch ein Ernäh- rungspolitiker, der fordert, daß die Siedlung haltzumachen hat, sobald ein Ertragsrückgang zu befürchten ist, wenig einzuwenden haben, denn es werden ja keine intensiv benutzte» Großgüter auf geteilt. Freilich erfordert eine großzügige Durchführung des Vor- Habens neben gewaltigen Geldmitteln Arbeitskräfte. Nun bedroht »ns neben den: Hnngergespenst das der A r b e i t s l o s i g- keit, und zwar nicht nur jetzt durch zeitweilige Wirrnisse .in In dustriegebiet, sondern erst recht daun, wenn die Ansfnhrniöglich- keiten durch Wegfall des Valutadumping beschnitten sind. Da gilt eS eine großzügige Politik der Beschäftigung Arbeitsloser ans den Oedländereie» zu betreiben, um Neuland zu schaffen. Wir verschließen uns nicht vor den Schwierigkeiten einer solchen Orga nisation. Die Arbeit auf nassem Boden, in Wina und Wetter wird vielen nicht behage». Doch die bittere Not, an deren tief stem Punkte wir nach nicht angelangt sind, wird der strenge Lehr meister sein. Dabei wäre für gute Wohngelegcnheiten Sorge zu tragen. Tie Ueberwindung der Arbeitslosigkeit wäre also der brüte Grund für eine deutsche Wiedcraufrichluugspvlitik, die Oedland- kultiviernng kräftig in Angriff zu nehmen. Freilich wird es nicht an Glimmen fehle», die bei Er örterung des Probleins über das Ja und Aber nicht hinaus kommen. Wir wollen die Schwierigkeiten nicht verkenne», aber doch allen Hindernissen zum Trotz Täler und Uebcrwinder sei». Maschinen zur Kultur der Moore sind leichter zu beicbaisen. Ei» anderer Punkt bereitet alleroings Kopfzerbrechen, uämtich die P» schassung des Kunstdüngers. Besonders sind die Böden an Phvs- phorsäure und Kali arm. Zu», Teil auch au Stickstoss. Mit „Kunst", so nennen, die Moorbewvhner abgekürzt die letzgenann ten Düngemittel, „kann man hier Wunder wirken. Hätten wir ihrer nur in genügender und preiswerter Menge". DaS hört der Reisende von fast allen Morrbauern, mit denen er über die Boden verhältnisse plaudert. Daher spielt die Mithilfe der Kimstdünge» industrie bei der Abwehr der HnngerSnvt durch Mehrproduktion eine unerläßliche Voraussetzung. Eine planmäßige Durchführung unserer Forderungen wird zwar erst in einigen Jahre nnachhaltige Wirkungen auSlöscn. Uni schon in kurzer Zeit Erfolge zu erzielen, ist das Augenmerk darauf zu richten, die ertragslose» Flächen irgendeiner NutzungSart zuzusühren, und wen» es nur eine Viehweide ist. Das wird durch eine Ent- oder Bewässerung in großen Zügen geschehen, die über haupt eine der grundlegenden Vorarbeiten für die Existcnzgründung aus Oedland ist. M «WA Ist MWM WA. tMM M MW sSk IM MlMM! Die Schwarzen und die Roten Von Kcmrcch von Bolanden. (29. Fortsetzung.) „D?m Volke mögen di« Belehrungen der „Bavaria" wenig «Ätzen," sagte Ferdinand „Wollte Dkax, der Erleuchtete, de» christlichen Aberglauben bekämpfen, dann halte er seine anfklä- renden Missionärs predigend unter sie Masten schicken sollen, wie er sie auf den Hochschulen m it:» unter die Studenten gesandt." „Das Möglichste gesckxah," cntgegnete Blendung. Die «Bavaria" wurde allen Gemeinden amtlich angeboten. Die Be zirksämter wurden angewiesen, allen Bürgermeistern daS könig liche Werk bringend zu empfehlen. Natürlich wurde die amt liche Empfehlung abhängigen Bürgermeistern gegenüber zum moralischen Ztvang. Die Regierung gab Erlaubnis, auf Ge- smeindekostcn das aufklärende Buch anzusckprsfen. Waren die Ge meind', mtttck erschöpft, so w esen eifrige Amtmänner auf ihren Kredit nn Gemeindebudget. Sie sehen, das Mögliche geschah zur Verbreitung der „Bavaria".*) — Für leselustige Bauern ist mit hin gesorgt. Manchem strebsamen Landbewohner dürfte cS schmeicl-elhast sein, über d:S Pfarrers Predigt zu stehen, durch einen Kreis bayerischer Gelehrt:n auf einen Standpunkt gehoben, von dem herab er Heiligen»:r>:hrnng, BilderkultnS nnd Dogma tisches im Lichte heidnckche» Wahnes betrachten, als christlich an- gcmalte Sage belächeln kann." „DaS ist alles namenlos traurig," sagte Schröter. „Ein König läßt solche Bücher schreib:», und solche Bücher werden amt lich unter das Volk geworfen! DaS ist unaussprechlich, da? schrei zun, Himmel und wird bös- Tage über Bayern bringen, Knm Beweise, daß Gottes Gerichte keine Sage sind." „Einverstanden, mein lieber Herr Nachbar, qanz einberstan- den! Sie sehen, wir in Baden sind glücklich. Niemals hat ein Großherzog dem Volke AehnlicheS geboten. Ich sage Ihnen, «in Kinderspiel ist unser Schulgesetz gegen die kirchlichen Anstände im katholischen Bayern." „Und der bayerische KleruS schweigt?" fuhr der Landwirt ims. „Der KleruS donnert nickt gegen die verderbliche Aussaat? Er hebt nicht den Hirtenstab verteidigend gegen einbrechende Wölfe? DaS ist noch daS Mertraurigste!" „Um Vergebung!" saate Ferdinand. «In Bayern kat die gemeint? WolfSrass« polizeilich visierte Passierscheine. An Bayern jwird nur gejagt ans schwarze« Hoch, nnd Kleinwild. Mit lautem *) Die Bemerkung ist kaum nötig daß eS sich hier um Tat sächliche? handelt. Halloh fällt die Meute her über die Mtramontanen. Sogar im Abgeortnetenhcmse wird grimmiger Jagdrns vernommen. «Wir setzen den Ultramontanen das Messer an den Hals," bat derselbe Herr Crämrr im bayerischen Landtage heroisch auSgerufen. der früher schon geford?rt: „Schlagt den Ultramontanen die Schädel einl" Die armen Schwarzen! Ganze Kreise gelehrter Männer. Gurgelabschneider und Schad-lzertrümmercr werden gegen sie ge hetzt. DaS ist doch ein trauriges Dasein!" „Der Klerus schweigt, mein lieber Herr Nachbar, weck er die Erfolglosigkeit des Kampf:s einsieht nnd weil er den Frieden lictt. *) Diese „Friedensliebe," erklärte einsichtsvoll der kluge Millionär, „ist ein Spiegelbild der göttlich?,, Langmut. Der Allmächtige könnte alle Feinde zerschmettern. Er tut eS nicht. Dem Bösen läßt er „„gestörte Entwicklung, wie dem Guten, weil er weiß, daß nach ewigen Gesetze» daS Böse sich selbst verzehrt und dar Gute schließlich immer licat durch die Muckt seines Wesens. Offenbar ist dies auch die Anschauung des bayerische» KleruS, darum widerstrebt er nur in streng begrenzten und ge fahrlosen Sphären."**) Der Landwirt sah in das vorgehaltene Spiegelbild, und seine g?drückte Seele fand flüchtigen Trost über eigen« Tatlojigkeit, sowie Berechtigung friedliebender Gesinnung der Schulreform gegenüber. Ferdinand hatte wiederholt den Sitz verkästen, durch daS HanS gelauscht und in den Hoi gesväht. Abermals trat er zum Fenster. Helena stand mitten unter dem Federvieh und str?»te Fruchlkörner. Aus de» Augen deS jungen Mensche» schossen Feuer funken, und kein hungriger Hahn d:S Dorfe« folgt« so rasch dem Lockrufe, wie der für Schönheit schwärmende Kunstfreund. Jetzt stand er unter d?r HauStüre, betrachtete die Vollendet« Form der harmonisch gegliederten Gestalt von der Rückseite, in gespannter Erwartung des Augenblickes, der ihm auch die Vorder seite zur Bewunderung überließ. Helena warf die letzten Körner unter die Schnatternden »nd trat dem Grüßenden entgegen. *) DaS Jahr 1869 bswl;S, daß der bayerische Klerus auch zu reden und ziu känipfen versteht, und die Folgen dieses rühmlichen KampscS waren die Niederlage d-S antichristlichen Schulgesetzes, sowie der Sturz der rcligiansfcindlichen FortschriitSvartei. (An merkung zur 2 Auslage.! **) Andrsten haben doch zwei Ordinariate bei den bctrcffcn- d?n Kreisrcgierungen „Protest erhoben gegen die amtliche Lmv- fehlung amd Vcrbreiiung der Bavaria" — aber erst, „nackchem sich di» Ordinariate zu dickem Schr'tte durch zahlreiche pfarramtliche B'.rickste, Klagen und Beschwerde» veranlaßt gesehen". und nach dem bereits der sechste Band dies:?- Werkes verbreitet war «Fräulein Helena, Abr gehorsamster Diener!" Si? ab-.r schürzte..finster die Livpen, des stolzen Schulkame raden Heinrichs gedenkend. „Wen» Sie mein gehorsamer Diener sind, dann gehen Sit gefällig beiseite, daircit ich hinein kam." «Sie sind grausam, men, Fränlein! Gestatten Sie wenig stens das Glück flüchtiger Unterhaltung. Mein Schule,enosse Heinrich Knapper hat mir so viel Ausgezeichnetes von Ahnen erzählt, daß ich Ihre Bekanntschaft für das höchste und An ziehendste in Waldhofen halte." Helenen? Züge wurden hell. „Haben Sie mit Heinrich gesvrochen? Neulich gingen Sie doch au ihm vorbei, als ob er Ihnen ganz unbekannt und weli- kremd sei." „Zürnen Sie der Sonne, weil ihr Glanz ein Menschenaiige geblendet hat, — oder zürnen Si: den: Menschenmige. daS nicht sehen konnte, weil eS Sonnenglanz geblendet?" „Wie paßt dies hierher? „Ganz genau, mein Fräulein! S,e waren die Sonne, deren leuchtende Erscheinung mein Auge so blendete, daß ich einen alten Schulzen osten nicht sah." „DaS ,st hoch und »iedr'g, wie man'S nimmt." .Warum hoch?" „Weil daS Wesen der Sänne Licht ist und Licht ein Bild der Hobeit und Reinheit." „Sehr gutl Und warum niedrig? ' „Weil die Sonne eine seelenlose Kugel, eine ewige Lampe ist, die Gott an den Himmel gehängt Ach aber bin mehr als die Sonne: ein Ebenbild GotteS dem Geiste nach." „Allerliebst! WaS indessen meine Augen gesündigt durch vermessenes Anschanen. wurde gesübnt. Gestern begegnete mir Heinrich. D'e alte Freundschaft wurde erneuert und im Ochsen 1 urch zwei Flaschen vom Beste» befestigt" „Am Ochsen? Ist Heinrich i», Ochsen gewesen?" „Fällt Ahnen das auf mein Fräulein?" „Natürlich! D?r Ochse ist ja ein rotes Wirtk-bauS!" „Ich habe den Schild nicht genau betrachtet und weiß nicht, ob der Ock>S schwarz oder rot ist," saate er, völlige llnkenntniS der Verhält,liste heuchelnd „Meinen Schnlgcnosten fand ich noch so treu und galt, wie vor Jahren in Mannheim. Schön Ist er ge worden auch kräftig, ein stattlicher junger Mann." Helenas Angesicht glänzte. Cie nahm die Schürze zwischen die Finger und sagte errötend: „Heinrich ist brav »nd fleißig." „Zwei Grll,idb?ding'.ing:n künftigen GInckeS. mein Fräu lein l" tFortsc-tzniig folgt.)
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