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Nr. Mittwoch, den 2V Juli 1S04. 3. Jahrgang. 163. Erscheint tästlich nachm, uül Ausiuibme der Edim- ui d Festtage. «vezuasPrrtS: Vierleljkhrl. I Mk. 50 Pt- lohne Bestellgeld). Ä.-i auhersenlschen Postanslall lt. ZeittingSriets!. Einzelnummer lv Ps RedaltionL-Sdrechstunde: II —12 Nbr. llnabkängige; Tageblatt für Aaklkeü, steckt u. freikeil . Inserate werde» die «'geil'rltene Peiüzeile oder deren Kaum in 15 Pf. dereMuei. dei Wiederkolmig iedeuteuder Nedall. iUnchdrulterei. .Itedaltio» »iid tttcschästestcllr: Dresden Pillniver «»raste t i. — Fernilneeier Ami I Kr. l»6«>. Z»m Tllltt'stlM Sr. Aeiligkeit des Papstes Leo XIII. IW». 20. Juki I!»<»4. M, stört ihn nicht! Ls ruht öer Gottesstreiter, Nach langer, schweren- Mallfahrt aus. M, stört öeu müöeu Lröe««pilger nicht, Lr rrlht in Gott, er kam nach Haus. O, stört ihn nicht! O, stört ihn nickst! TOie heilig ist sein schleif, Lin s?atriarch, ein Helö aus alter .Feil, So lebt' er «mter »ns öer Seelen Hirt, So rnht er nnn in eig'ner Livigkeit. O, stört ihn nicht! O, stört ihn nicht! TTach reichen Segenstagen Aonnt' ruhig er öer Scheiöestlinöe harre««, Ikonnt' er umstrahlt »onr ewigen Gotteslicht, Lrbaulich, selig noch im Toö erstarren. M, stört iln« nicht! O, stört ihn nicht! Gott selbst half ihm uolleuöen IX'r Lröe I«au«ps nnö sebweren Streit, Lin Liigel trng öes sronnnen Dulöers Seele Fn's einige tlanö öer Seligkeit. M, stört ihn nicht! Zur änsrcren Weltlage. „Fesst steht und tren die Warbt am Rhein", sa««gen in eincin Theater zu Plyinonth die deutschen Blaujacken. Ein dreifaches Hoch aus König Eduard aus deutschem Munde folgte und tosenden Beifall spendeten die Engländer. Ter Londoner „Daily Telegraph". dein seine bissigen Bemerkmi- gen über Deutschland noch im Halse stecken, schrieb ans An laß des Flottenbesuches in Plyinonth: „Die Deutschen baden alle Ursache, ans ihre junge Flotte stolz zu sein. Heil den so gcniigsanien, geistig und körperlich gleich tüchtigen, schnei digen Offizieren und Mannschaften des deutschen Geschwa ders in Plyinonth!" Welche Wendung durch Eduards Fü gung! Nur schade, das; das die Deutschen kalt läs;t! Eng land bleibt England und Ebamberla.» "erststgt unansgeient seine den kontinenta'en Staaten nach:«, il me Wirtschastsvoli- tik. Stolz wie ein alter Römer rief er erst in diewn Tagen - „Ich bin ein fiskalischer Reformer, weil ich ein Imperialist bin" und bon neuem wies er, der Dentichbasser, darauf hin, das; Deutschland ein gros;es Weltreich werde, weil sich der deutsche Bund ans eine kommerzielle Vercinignng stütze. Ter „Daily Telegraph" tutet ganz so wie Ebamberlain flötet. Er schrieb trauernd: „Wenn sich das Mutterland und die Ko lonien nicht gegenseitig ans substantiellerem Wege nnter stützen, als durch das Gesicht allein, so wird unsere Sonne in das Meer versinken, ans dem sie ansstieg." Anderer Meinung ist der „Standard". Dieser schrieb: „Soviel stebt fest, das;, ob nnn die offenen Mächte »ns alle propbezeite Glückseligkeit brachten oder nicht .... unser Land jedenfalls im ganzen genommen in woblbabenderen und gesünderen Berbältnissen lebt, als die Länder, in denen das Schutzzoll system vorherrscht." England ist immer noch das kapit.-ilträit'gsi? Land, wie leicht bat es die kolossalen .kosten des Bnrentrieges ansge bracht, und so kann man es den Ebamlnrl.nnichen Gegnern nicht verargen, wenn sie an dem guten alten, das England reich und mächtig machte, in Treue bangen, wenn sie einen gewissen Schauder vor dem Schutzzoll baben. Ein Sieg ist den freiheitlich gesonnenen Engländern ge worden. Tie Gesetzvorlage über die Fremdeneinwanderung ist in der Versenkung verschwunden. Natürlich gibt es Leute, denen dies höchst nnangenebm ist. So schrieb „Dailp Mail": „Wir müssen nach dem Wunsche der neuen Liberalen für den Abschaum von ganz Europa unsere Tür offen Hai te», für die Einbrecher und Fälscher, für die Armen, für die Schwachen und.Kranken, die nicht imstande sind, in Rußland, Rumänien und Polen ihr Leben zu fristen. Wir müssen sie in England willkommen heißen, damit sie auch sernerbi» englische Leute ans ihren Heimstätte» vertreiben, sie ans ihrer Arbeit verdrängen und unsere Hospitäler, Arbeits häuser und Gefängnisse füllen." Die gegen alles Fremde eifernde „Daily Mail" bat dabei aber nur vergessen, das; auch andere Leute als verkommene Eristenze», andere als Bilse ans Forbach nach England gegangen sind und es ist erfreulich, das; die königliche Kommission zur Untersuchung der Fremdensrage ausdrücklich zugegeben hat, «.das; die ein- gewanderte» Fremden England eher zum Nutzen als zum Schaden gereichten. Mebr denn je ist es erfordmlich, das; die Europäer sich im Anslande nicht entgegenwirken, das; sie nicht den Anders farbigen gegen einen Weiyen unterstützen, das; sie vielmehr gege» Andersfarbige stets Hand in Hand geben. Es war sragelos das Verderblichste, das England tat, als es den Japanesen zum Kriege gegen den Russen betzte, ihm seine Unterstützung znsagte und es ist sragelos das Verderblichste, wenn auch jetzt noch Japan direkt oder indirekt Ermunte rung findet, wenn die Ansregnng in Rußlands Innerem ge schürt wird. Tie Zahl der arbeitslosen Indnstriearbeiter wächst infolge der Stockung des Absatzes nach Sibirien und Ostasien und infolge des allgemeinen Geldmangels von Tag zu Tag, Agitatoren betzten erfolgreich die Arbeitslosen gegen die Besitzenden, das Beamtentum. Rußlands innere Zustände durch die furchtbare Mißwirtschaft, durch die weit gehendste Korruption, die fast den Zaren als den einzig eb renhaste» Russen erscheinen läßt, sind schreckenerregend und der Besuch des Präsidenten des russischen Ministertomilees. des ehemaligen Finanzministers von Witte in Berlin und Norder neu beim--deutschen Reichskanzler ist sicher auch noch ans anderen Gründen als ans Anlaß des Handelsvertrages erfolgt. Tie Regelung der Handelsverbältnisse mit Deutsch land ist allerdings wobl die Hanptnrsache, denn Rußlands auswärtige Lage macht ibm die Ausfuhr nach Deutschland doppelt wichtig und ein dentsch.russischer Zollkrieg kann tanm obne bochpolitische Folgen bleiben. Somit ist auch anznnebmen, das; beide Staaten leicht zu einem gegenseitig befriedigenden Abkommen gelangen inerden. Nach russi scher Berechnung entfielen von Rußlands Eininbr ans Deutschland 225 Millionen und von seiner AnSsnbr gingen 222 Millionen in die deutschen Staaten. Erwägt man, daß nach deutscher Berechnung die deutsche Anssnbr von 218 Millionen im Iabre 1!>0l ans 278 Millionen im Iabre IR>2 stieg, das; sie noch ganz bedenkend gesteigert werden kann, so wird man begreifen, wie sebr der deutschen Indu strie und dem deutschen Handel daran liegt, das; ein günsti ger Vertrag zustande kommt. In Frankreich bat der Mi nisterpräsident und Minister des Inneren Eombes ans Grund des promulgierten Gesetzes über die Abschannng des kongreganislisckien Unterrichts bereits alle Vorkehrungen ge troffen. um den Verfügungen des Gesetzes gemäß, minde stens I I Tage vor Schluß des Schuljahres die Schließung einer Reibe von kongreganislischen Anstalten anznordnen. In den letzten Tagen wurden in 22 Tepartenients allein 722 Kongregationsschnlen geschlossen. So wenig erbaut von dem Vorgeben der französischen Regierung der Vatikan im ewigen Rom ist. so wenig erbaut sind in demselben Rom die Frankophilen über die jüngste Ausspioniernng. .Recht nnangenebm ist diele Spionage natürlich der regierungs freundlichen „Tribnna" und so suchte sie, »veil der Spion ans Pesaro und seine mittätige Gattin ans Venetien stammte, den Glauben zu erwecken, als sei der Hochverrat zu Gunsten Oesterreichs begangen worden. Dies gelang ihr indessen nicht und es ist beut uubeslriltene Tatsache, das; der neue Freund, ans den man sieb in gewissen italienischen Kreisen viel einbildete, in denen man ans den Dreibund in allen Tonarten schimpft, nicht gerade schön bandelte, indem er für schweres Geld das Geheimnis der Befestigung von Messina erkaufte und damit bewies, daß er nach wie vor seine Erpan- sionsbestrebnngen an der afrikanischen Mitkelmeerküsle zu fördern sucht, was ja nur ans Kosten Italiens geschehen kann. Doch auch dieser Streich wird die italieninsten Fra» zosensrennde nicht ainbören lassen >iir Frankreich zu schwär men, weil sonst kein französisches Gold mebr in ibre Tasche fließen würde, und nicht ansbören lassen gegen das Tent'ck«- tnin vorzugeben. Gerade jetzt bat man wieder im österrei chischen Trient gebrüllt „Nieder mit Koerber! Nieder mit Harte!! Hoch Italien!" und nun noch etwas. Peter von Serbien laßt sich in Paris eine Krone bauen. Innen nnr Bronze und nur von außen herum etwas Gold. Sebr ver nünftig, denn in Serbien, in dem noch vor kurzem Alerander ermordet wurde, ist eine ganz goldene Krone nicht reckst sicher. Die süddeutsche Sozialdemokratie neqeii die norddeutsche ans Gründen der — Reinlichkeit. Gegenwärtig verbreitet die Berliner Parteileitung der Sozialdemokratie ein Sndelwerk schmutzigster Art unter dem Aushängeschild der Geschichtswissenschaft. Nachdem die ka tholische Presse in diese Kloake bincingelenchtet und zu gleich betont bat, das; die sozialdemokratische Parteileitung für das allerbeste Agitatiousmaterial gesorgt habe zur rich tigen Beleuchtung des Grundsatzes „Religion ii't Privat sache", fühlt sich die süddeutsche Sozialdemokratie, welche ja ebeu iu katholischen Volkskreisen vorankommen will, bewo gen, das Machwerk der norddeutschen Genossen abzuschüt teln. Wenn es auch eine recht dursickstige Taktik ist, welcher dieses Vorgehen cutspringt, so ist es doch mehr als bezeich nend, daß Gründe der Reinlichkeit geltend gemacht werden. Ta das sicherlich nicht geschehen würde, wenn es sich halb wegs anders machen ließe, so bedeutet schon diese Entschul digung eine Kritik der Berliner Sudelei, wie sie vernichten der nicht sein kann. Das Urteil der „Münchener Post" «Nr. l 19 v. li. Juli 1901), das anscheinend der Hauptsache nach aus der Fedcr des „Pilatus"-Mannes «N.t stammt, bat folgenden Wort laut: „Es ist kein neuer Gedanke, der in dem Buch zum Ausdruck kommt. Scho» im 1kl., im „philosophischen" Jahr hundert, sind zahlreiche Schriften mit der gleichen Tendenz erschienen, im 19. griff der Liberalismus, dem alle Natio nalisten huldigten, natürlich begierig die Idee auf. Hein rich Eschcr, Ellcndorf beginnen die Attacke, die Otto Eorvin fortsetzt, die die Henne am Nhyu, die Graßmanu und ähn liche „Größen" bis in unsere Tage verlängern. Ter poli tische Gegensatz gegen die katholische Partei wurde aus das wissenschaftliche Gebiet herübergespült. Statt objektiver Wahrheitserforschuug griff haßerfüll tes, einseitiges, tendenziöses Arbeiten immer mehr um sich. Nicht mehr galt es, den historischen Zusammenhang der Dinge, die notwendige Entwickelung der Kulturtatsachen nachzuweisen, es kam vielmehr darauf an, durch mehr oder weniger geschickte Häufung einzelner, von unserem Stand- -milkt aus verwerflicher Handlungen, durch Herausreißen einiger Sätze aus dem Zusammenhang, mitunter sogar durch direkte Fälschungen die Gegner als :«>» <>«-ip>m- von der Wurzel aus> verkommene Gesellen hinzustellen. welche von jeber Feinde höherer Gesittung, Feinde der Freiheit, Feinde des Volkes gewesen seien. Solches tendenziöses Arbeiten blieb leider nicht nur auf die Pampbletisten beschränkt', da der Erfolg anfänglich ibr sicber war, io drang die gekennzeichnete Methode auch in die Reiben der Männer ein. die vom Universitätskatbeder herab die Jugend lebren, die Wissenschaft bereichern sollen. Es war ja auch ungemein beguem, io zu arbeiten, viel Mübe und Nachdenken erforderte es nicht, nur einen kräftigen Stil und eine hanebüchene Grobbeit. Waren solche vorbanden, so konnte die „Leuchte der Wissenschaft" gewiß sein, von alle» Liberalen als eine gar vornehme Gelebrtennatur ge feiert zu werden, und auch der materielle Erfolg blieb nie mals aus! Trotz alledem ist das Endresultat für den Liberalis »ins ein klägliches gewesen, einmal trat eine Verflachung der historischen Wissenschaft nicht nur ans dem Gebiete der Kirchengcschichte ein, die bejammernswert ist: die Väter zeit, die mittelalterlich-scholastische Zeit sind den liberalen Gelehrten, obwohl sie darüber mit souveränem Hochmut ur teilen, eine vollkommene tm-i-n i»«-«mui<:, «„unbekannte Welt"); solche Männer wie Harnack, Haase und älmlickw konnte» sich nicht von dem liberalen Gedankenbann befreien. Zum zweiten aber wnrden diese beständigen Angrisse schließ lich weiten liberalen Kreisen zum Ekel. Das katholische Bürgertum, ursprünglich viel demokratischer gesinnt, als das > norddeutsche protestantische, konnte die Hetze nicht mebr mit machen, wandte sich voll Entrüstung ab und verfiel dem po litiscben Indifserentismus -- oder dem Zentrum: selbst pro tesrantische Liberale kehrten der Partei aus dem gleichen Grunde den Rücken. Diese Tatsache sollte jeden Sozialisten stutzig machen, sollte ilm wie auch seine Persönliche Anschauung sein mag — warnen, das heikle Gebiet zu betreten. Durch provokatorische Hetzschriften wird die große ka tholische Arbeiterschaft direkt verhindert, sich dem Sozialis- ums zu nähern, sich ihm anzuschließcn, und viele Genossen in der Partei werden durch die Methode abgestoßen und au- gewidert. Der Sozialismus bekämpft die Tumuihcit, bekämpft den Gewissenszwang, aber nimmermehr den Glauben. Ehri- slentnm und Sozialismus 'ckstießen sich nickst ans, wie sie sich nickst decken. < NN> Ferner aber betrachtet der Sozialismus die historische Vergangenheit vom Ltandpnnkte der inaterialisii'chen Ge schichtsauffassung ans. Wer also eine Frage, wie das Uebergewickst der Kirche im Mittelalter und wieder in der späteren Renais'ancezeit behandeln will, muß verstellen, gerecht, objektiv und los getrennt von den Empsindnngen der bentigen Zeit die Tat sache» zu beurteile»: er muß ferner befähigt sein, an den Onellen selbst zu schöpfen, bistorisch kritisch die Onelle be urteilen zu können. Kurz, er muß ninsasiendes Wiste» mit überlegenem Denke«« in sich vereinigen. Emil Rosenow war wobl der letzte, der diese Onalitäten be«aß. Tas soll gegen den Toten kein Vorwurf sein. Ro- ienow war Kaufmann und seine ganze Bildung daher eine derartige, das; von vornherein ausgeschlossen war, daß Ro- senow imstande sei, selbst zu forschen oder auch mir das vor handene Material richtig zu werten. Es liegt eine man verzeihe das Wort Anmaßung darin, z» glaube», durch Lesen und Turchblättern von etlichen Büchern in den Stand gesetzt zu sein, ohne sonstige Vorarbeiten ans dem Gebiet der Wissenschast etwas zu leisten. Viele Iabre unablässigen, eifrige«« Studiums gehören dazu, sich zunächst die allgemeine wissenschaftliche Befähi gung zu»« historischen Arbeiten zu erwerben. Ist diese er worben, io beginnt das langwierige und schwierige Spezial- slndinm. Um die Geschichte des Einslnsses der mittelalter lichen Kirche aus die gesamte Kultnreniwickelung darzu stellen, dazu genügt kaum ei» Menschenleben und seine Ar beit. Rosenow aber meinte, io nebenbei zwischen Agita tionsreisen, Reickistagssitzniigen. journalistischen Arbeiten die Ausgabe spielend zu bewältigen. Er hatte keine Idee von der Verantwortung, die er aus sich »ahm, keine Ahnung von der ausopfernngsvolle», mühsamen Tätigkeit der Ge lehrten. Denn veraniwortungsvoll im höchsten Grad ist der Mann, der die deutsche Arbeiterschaft über den historischen Werdegang auskläreu will: er säet in Hnnderttansende von Geistern seine Gedanke», ist die Aussaat schlecht, so werden die Früchte noch schlechter sein! Rosenow ist nun von vornherein, wie schon der Titel