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Re. «4L Donnerstag den »2 Oktober Lvv». 7. Jahrgang. KchWeMksMimg ! NmlbhiMMs Nugedlatt für WaMkch Recht Freiheit z LZZLZWZMM r: > <x a/ »- ex > cx (^7 r: > v m ^ V c?i ^ Q. L c/l s s o s^I ^ o Z o» . cx cx —'- L LI X L: s ^ O ^ rn— cx. XI f-) N2 ^^ H- H 4.' -L D (D> 6teliec süc ßünbtleciLcsie I^siologcapliie »i-escjeti. Frager 5tr. 30. 6öcbste ^urreicboungro uo<t d1e4ai»en. gneckeonuo^ Lc. kmineor <I«L Narrtinsl; fürrt-ki-rbiscliotL von k'i'ag. Für die Monate November u. verember abonniert man auf die „Sächsische Bolkszeitung"rnit der täglich?« Roman- beilage sowie der wöchentlich rrjchei.,enden Beilage „Feierabend" zun, Preise von L 20 AliL. ^ohnk Kestkllgkld) durch den Boten ins Haus t.-RO Uft. Altes und Neues zur Reichsfittanzreform Dresden, d?n 21. Oktober 1„0^ Je näher die Tage des Reichstagszusammentrittcs komnien, um so lebhafter wird die Debatte über die Spar samkeit im Haushalte ventiliert. Herr Gothein schreibt zu dem Thema im „Berl. Tagebl.": .Es gibt eben im ganzen Neichshaushaltsetat nur einen Posten, wo wirksam gespart werden kann, das sind die Landesverteidignugsausgaben, deren unerhörte Steigerung auch neben der Schutzzollpolitik allein an der schlechten Finanzlage schuld ist. Nun wird natürlich von fachmänni scher Seite erklärt, daß eine Verringerung der Ausgaben die Qualität von Heer und Flotte beeinträchtigen würde. Es kann aber nicht die Aufgabe sein, die denkbar vorzüg lichste und stärkste Armee und Flotte zu haben, sondern nur, beide in ein gesundes Verhältnis zu den Streitkräften unse rer eventuellen Gegner zu bringen. Das war ja auch das Motiv in früheren Jahrzehnten, wenn es sich um Verstär kungen handelte, um nicht hinter Frankreich und Rußland zurückzubleiben. Merkwürdig, daß so etwas immer nur gelten soll, um die Lasten zu vermehren, nie aber, wenn deren Verminderung dadurch erlaubt wird. Wenn Frank reich zwei Pferde pro Geschütz mehr hat, so ist das nach die sen Leuten eine furchtbare Gefahr für Deutschland, aber daß wir pro Armeekorps 141 Geschütze haben, Frankreich nur 92, das wird dabei nicht gewürdigt: daß unsere Kavalle rie der französischen auch an Zahl enorm überlegen ist, wird verschwiegen. Wenn bei uns irgend ein Kriegsschiff nicht mehr- absolut modern ist,so ist es ein nationales Unglück: daß in den Flotten der anderen Staaten auch ältere Schiffe vorhanden sind, darf man aber nicht erwähnen, ohne eines bedauerlichen Mangels an Patriotismus geziehen zu wer den. Der Wunsch nach Abrüstung ist heute Wohl bei allen Völkern und bei den meisten Negierungen vorhanden; seinen Harrptwiderstand findet er bei der Regierung des deutschen Reiches. — Unabhängig von derartiger vertraglicher Ab rüstung vermöchte Deutschland, ohne seine Verteidigungs stellung irgendwie zu schädigen, sehr erhebliche Ersparnisse zu machen. Mau vermindere die Zahl der fürstlichen und priuzlichen Adjutanten von 120 auf 60 oder 40; man schaffe die 260 Aggregierten ab, vermindere die Zahl der Offiziere und Unteroffiziere um 10 Prozent. Wenn man den Pa rademarsch, diese antiquierte Lächerlichkeit, die das An sehen unserer Armee in den Augen dos militärischen Aus landes nur herabsetzen kann, abschafft, so würde die übrige Ausbildung des Heeres nur gewinnen, trotz der verminder ten Zahl der Lehrmeister, die auch dann noch höher als in irgend einem Heere der Welt sein würde. Auch bei der Flotte ließen sich ohne vertragliche gegenseitige Abrüstung erhebliche Ersparnisse machen. Wie hier aus dem Vollen ^wirtschaftet wird, habe unter anderem die Beratung des Etats für Kiautschou dargctan. Auch ließe sich sehr wohl das Flottenbautempo etwas verlangsamen. Wenn es an Geld fehlt, schränkt man sich eben ein. Wenn die Aufwen dungen für die Landesverteidigung richtig eingeschätzt wer- den sollen, müßte außer den Beträgen des Etats noch der Wert in Rechnung gesetzt werden, den die Einziehung so vieler Menschen von einer wirtschaftlich nutzbringenden Be schäftigung besitzt. Durchschnittlich werden das rund 700 000 Männer im kräftigsten Lebensalter sein. Rechnet man den Wert dessen, was sie in anderen Berufen an Arbeitswerten schäften könnten, gering nur mit 1800 Mark pro Kopf, so gehen dem Nationalwohlstand dadurch jährlich 1260 Millio nen Mark verloren; mit den 1033 Millionen Mark Etats- ausgaben zusammen kostet uns die Landesverteidigung also im Jahre 2600 Millionen Mark und in den nächsten Jahren wird diese Summe auf 3 Milliarden Mark angewachsen sein. Nun denke man einmal zurück, welchen ungeheuren Eindruck es machte, als uns Frankreich 1871 eine Kriegsent schädigung von 4 Milliarden Mark bezahlen mußte. Heute kostet uns der bewaffnete Frieden in 1i/„ Jahren so viel." So der freisinnige Abg. Gothein im „Berl. Tageblatt". Diese Aufstellungen sind verständlich, wenn man sich das Anwachsen der Allsgabezahlen fiir die Landesverteidi gung in deil letzten Jahren vor Augen hält. Man kommt da zu folgenden Zahlen: 1878: 486 Millionen Mark; 1888. 811 Millionen Mark: 1898: 976 Millionen Mark; 1908: 1561 Millionen Mark. In 30 Jahren ist somit diese Alls gabe um mehr als 300 Prozent gestiegen, während die Be völkerung noch nicht um 50 Prozent zunahm. Das letzte Jahrzehnt allein weist eine Zunahme von iiber 60 Prozent auf. Wohin führt dieser Weg, der immer mit Friedcns- reden garniert ist? Schließlich nur zur Aussaugung der Völker im Frieden! Der bewaffnete Friede gestaltet sich zu einer unerträglichen Last. Die konservative lind teilweise die nationallibcrale Presse will freilich sehr wenig von dieser Sparsamkeit wissen: sie erblickt in der Festlegung der Matriknlarbciträge das Ziel, mit anderen Worten: das Budgetrccht soll in fei nem Einnahmeteile beseitigt werden. Man halte sich ein mal vor Allgen, was das besagen will: 500 Millioneil Mark neuer Einnahmen soll der Reichstag gut heißen, dann aber soll er sich den Mund verbinden lassen, denn die Ausgaben geschehen nach den Angaben der Negierung immer nur zu „nationalen" Zwecken und hierfür hat man eine gefügige Mehrheit im Block. Eine solche Zumutung muß auch beim heutigen Tiefstände des Parlamentes empören. Sieht man denn das Volk nur als ein Objekt der Auspressung an? Weiß man nicht, was 500 Millionen Mark neuer Steuern bedeuten? Man berechnet die Zunahme unseres Volksver- mögens im Jahre auf rund 2000 Millionen Mark und hier von soll der vierte Teil, 25 Prozent, förmlich weggenommen werden in der Form von Steuern! Man halte sich vor Allgen, tvas das bedeutet! Danil wird man nicht mehr wagen, Vorschläge zu machen, welche die heiligeil Rechte dcS Reichstages einengen wollen. Auf konservativer Seite trat in der letzten Woche der Anschein hervor, als sei inan geneigt, eine Reichsvermögens- steuer anznnehmen. Tie „Kreuzzeitg." hat null bereits ge sagt, daß sie höchstens der von uns zuerst erwähnten Stem pelsteuer auf Ziilsscheine zustimmen könne. Jetzt erklärt die „Kons. Korresp." selbst sehr bestimmt: „Die linksstehende Presse ist auf Grund mißverstandener, zum Teil auch miß deuteter Zeitungsauslassungen zu der Ansicht gelangt, die konservative Partei sei bereit, von ihrem Grundsätze, daß direkte Steuern im Reiche nicht zur Einführung gelangen dürften, abzugehen. Die Freude der Linken über dieses angebliche Zugeständnis ist begreiflicherweise groß. Wir müssen jedoch dieser freudigen Stimmung einen kräftigen Dämpfer aufsetzen und die Hoffnung darauf, daß die Kon servativen ein Zugeständnis nach dieser Richtung machen könnten, zerstöreil. Klar und entschieden hat am 28. No vember v. I. Freiherr von Nichthofen-Dahmsdorf im Na men der konservativen Fraktion im Reichstage erklärt: „Meine politischen Freunde sind fest entschlossen, unter Fest stellung ihres von jeher eingehaltencn Standpunktes gegen jede direkte Neichssieuer zu stimmen, wenn solche ettva von einer Partei dieses Hauses beantragt werden sollte. Und zwar würden wir uns, wenn etwa im Laufe der Verhand lungen der Vorschlag auftauchen sollte, die letzte Abstim mung über eine solche Steuer mit derjenige« über andere Finanz- oder Steuergesetze zu verbinden, zu unserem Be dauern genötigt sehen, -auch gegen ein solches Mantelgesetz zu stimmen." Das ist der prinzipielle Standpunkt, auf dem die konservative Partei auch heute noch steht und von dem abzngehen sie keinesfalls gewillt ist." Wir haben es nie anders angenommen; es kann sich somit nur darum handeln, daß in Form einer Stempelsteuer das mobile Kapital mehr herangezogen wird; das ist dann keine direkte Steuer und sic schont den Mittelstand sehr. Wie nlan sieht, ist alles in Fluß. Bevor der Reichstag an die Schaffung der neuen Steuern herangcht, sollte er den Etat streng durchberaten und fcststellen, wie viel er an Ersparnissen erzielen kann; dann kommt er zu einem kleine- rcn Steuerbedarf und schont so das Volk. Man suche die sem nichts einzureden! Nur durch strengste Sparsamkeit kann eine Besserung cintretcn und zwar eine dauernde. Wer hier die Hand anscht, der arbeitet fiir das Gedeihen des Reiches! Politische Rundschau. Dresden, den 21. Oktober IE. — Kultusminister Dr. Holle ist am Tage der Land- tagSeröffnung nach Meran abgereist. Offiziell versichert man. daß e« aus Gesundheitsrücksichten geschehe. Wie wir au» befier Quelle erfahren, wird Dr. Holle jedoch auf feinen Ministervosten nicht zurückkehren, lieber die Gründe de» plötzlichen Sturze» hört man verschiedene» sage,', doch konnten wir nicht» authentische» bisher erfahren. — Der frühere Ministerialdirektor im Kultusministe rium Tr. Althoss ist am 20. d. M. abends in Steglitz bei Berlin gestorben. — Tie Bankcnquetckommission hat die Erörterungen über die das Bankn>escn betreffenden Fragen zum Abschluß gebracht. Fast einstimmig waren die Gutachten bei den Maßnahmen, welck>e eine Verstärkung des Barvorrates der Reichsbank bezwecken. — Der Entwurf zu einem Gcsellschaftösteuergeseh ent hält folgende hervorzuhebende Hauptpunkte: Der Gesell schaftssteuer unterliegen 1) Aktiengesellschaften und Kom manditgesellschaften auf Aktien, 2) Bcrgwcrksgesellschaften, 3) diejenigen eingetragenen Genossenschaften, deren Ge schäftsbetrieb iiber den Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht, 4) Vereine, einschließlich eingetragener Genossenschaften, zum gemeinsamen Einkauf von Lebens- und Hauswirtschaft lichen Bedürfnissen im großen und Absatz in, kleinen. Steuerpflichtig ist der Bctriebsgewinn. — Der Reichstag nimmt am 4. November bekanntlich seine Verhandlungen wieder ans Am 5. November findet eine Sitzung des Seniorenkonvents statt, in dieser soll darüber Beschluß gefaßt werden, wie d'e Arbeiten vor Weihnachten zu verteilen sind. Mau nimmt an. daß bereits am 3. November dein Reichstag die Steuervoclagen unter breitet werden können. In den ersten Sitzungslagen sollen dann beraten werden: das Hastpflichtgesetz für Automobil- fayrer, das Weiugesetz und die Zivilprozeßordnung. Die Plenarsitzungen dürften nur immer von 1—4 llbr dauern, s die Kommissionssitzuugcn dürften zunächst ganz ausfallen, so daß die Fraktionen vor- und nachmittags- Zeit zur Be ratung der Lteuergesetze haben. Mau hofft, daß die erst? Lesung der Slcuergesetze daun am 11. November beginnen wird. Der Etat und die Beamtengehaltsvorlage we d m dem Reichstag erst Ende November zugebev. — Die Eröffnung des preußischen Landtages vollzog sich am Dienstag in der üblichen Weise. Die Thronrede brachte keine Ueberraschungeu, sie war sehr kurz und knapp Einleitend wurde der vor 100 Jahren verliehenen Städte ordnung gedacht, der heutige Nahmen zu derselben, der Fall Schückiug, wurde natürlich nicht erwähnt; zum Tröste de, Freisinnigen und Liberalen enthielt dann die Thronrede einen Passus über umfassende Vorarbeiten zur Aenderung des Landtagswahlrechtes, jedoch eine Andeutung derart, wie mau sich die Reform denke, wurde nicht gemacht. We, zwischen den Zeilen zu lesen versteht, kann allerdings zu de- Ansicht kommen, daß die Vorarbeiten sich in der Richtung des Vierklassei,Wahlrechtes der Nationalliberalen betvegen werden. Es bleibt abzuwarten, ob nun aus dem Hause heraus durch Anfragen mehr Klarheit geschaffen ,verden wird. Der größte Teil der Thronrede befaßte sich dann mit der Vealntenanfbesserung und der schlechten Finanzlage. Es wurde ein Fehlbetrag von 200 Millionen Mark konsta tiert. Dieser soll „ach der Thronrede gedeckt werden durch stärkere Heranziehung der Einkommen und Vermögen in l den höheren Stufen. Recht lebhafte Befriedigung wird es in, ganzen Reiche Hervorrufen, mit welch warmen Worten ^ der Kaiser versicherte, daß das Reich treu zu seine», Verbün dctcn stehe. Tie Thronrede wurde mit lebhaften, Beifall ausgenommen, im unmittelbaren Anschluß au dieselbe fand die erste Sitzung des Abgeordneten- und Herrenhauses statt. Finanz,„inister Freiherr von Rheinbabeu unterbreitete dem Landtage nicht weniger als sechs Gesetzentwürfe, welche sich allesamt mit der Verbesserung der Bezüge der Beamten. Lehrer und Geistlichen befassen. Der Gesetzentwurf bringt insgesamt eine Mebrbelastung von 111 Millionen Mark. Die Gehalte der llnterbeamten sollen um mindestens 200 Mark aufgebcssert werden, die mittleren und oberen Be amten erhalten ebenfalls Aufbesserung (die Schutzleute von 1400 bis 2100 Mark Gehalt, die Assistenten von 1650 bis > 3300 Mark), die Gerichtsschreiber werden den Regierungs - § sekretärcn gleichgestellt, die Oberlehrer den Richtern, die Lokalbeainten mit voller akademischer Vorbildung (§2reis- schillinspektore» Vaninspcktorcn, Oberförster den entsvre- chendcn Regiernngsbeamten), die Teuerungszulagen hören ans. Das Grundgehalt der Lehrer wird auf 1350 Marl sestgestcllt, wozu eine gleiche Alterszulage von 200 Mark tritt, so daß die Lehrer aus 3150 Mark Höchstgehalt kommen. In größeren Gemeinden mit mehr als 25 000 Seelen soll eine pensionsfähige Ortszulage von 200 bis 750 Mark ae- geben werden. Die Lehreraufbesserung kostet insgesamt 35 Millionen Mark, wovon der Staat 30 Millionen Marl trägt. Die Gehalte der katholischen Geistlichen sollen von 3200 ans 4000 Mark, die der evangelischen von 4800 auf 6000 Mark erhöht werden. Die Regierung schlägt also leider keine volle Gleichberechtigung vor: sic vermehrt viel mehr die schon bestehende Ungerechtigkeit, indem künftig iw Höchstgehalte eine Differenz von 2000 Mark vorhanden sein soll. Es lvird Sache des Landtags und des Zentrums sein, dafür zu sorgen, daß Preußen auf diesem Gebiete ein pari tätischer Staat wird. Der Minister sprach sich daun mft auffallender Schärfe gegen eine Neichseiukommen- uni Vermögenssteuer aus und betonte, daß diese beiden Steuern unbedingt den Etnzelstaaten Vorbehalten bleiben müßten Die Rechte und das Zentrum spendeten ihm hierzu Beifall Soweit man nach den Mitteilungen des Ministers die neu, Gehaltsvorlage überblicken kann, bringt diese für unsere Beamtenschaft recht erfreuliche Aufbesserungen. Auf Einzel heiten werden wir später eingehen, müssen aber beute schon erklären, daß wir nicht anncbmcn können, daß die katboli- scheu Geistlichen allein so schlecht behandelt werden sollen.