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genannten Welfenfrage überhaupt keine Verhandlungen ge führt worden sind oder geführt werden, weder mit noch geschweige ohne Kenntnis amtlicher Stellen." — Der Oberhsfweifter Mirbach hat für den engeren Kreis seiner Freunde eine umfangreiche Schrift ergehen lassen; über den Inhalt derselben ist in der Oeffentlichkeit »och nichts bekannt. — In den Verband der kathvlischeu Arbeitervereine (Sitz Berlin) wurden in der letzten Vorstandssitzung wieder 14 neue Vereine mit etwa 2200 Mitgliedern ausgenommen, und -war die Vereine: Schwarzenholz (Kreis SaarlouiS). Biesdorf (Saar). Dillingen (Kreis SaarlouiS). Baus (Saar). Differten «Kreis Saarlouis). Deutsch Lissa, Tilsit (Ostpreußen). Groß-Strehlitz (Oberschlesien). Sommelfeld (Bezirk Frank furt a. O.). Friedrichsthal (Bezirk Saarbrücken). Elbing (Westpreußen), Bliesransbach (Kreis Saarbrücken). Das Verbandsorgan ..Der Arbeiter" erscheint jetzt in einer Auf lage von 55 500 Exemplaren. — Die Handelskammer zu Krefeld beging am l!>. Sept. das 100jährige Jubiläum ihres Bestehens. Aus Anlatz der Jubelfeier schenkte Fabrikbesitzer Rudolf Erahnen der Kaufmannsschule zu Krefeld 20 000 Mk.. deren Zinsen für hilfsbedürftige Schüler und Schülerinnen verwendet werden sollen. — Die 70. Versammlung deutscher Naturforscher und Merzte wurde am 10. d. M. zu Breslau im Stadttheater er öffnet. Ter derzeitige (Geschäftsführer (Geheimer Medizinal rat Professor Uhthofs erössnete die Verhandlungen mit einem Hoch ans Se. Majestät den Kaiser, an welchen ein Hul- digungstelegramm abgesandt wurde. Namens der Regie rung sprach sodann Oberpräsident Graf von Zedlitz und Trützschler, namens der Universität Rektor Geheimrat No- sanes, namens der Stadt Bürgermeister Mnehl und namens der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur Ge heimrat Richard Förster. Zum Schluß dankte der Vorsitzende der Gesellsckmst. Professor Ehiari-Prag. den Rednern. Hieraus trat die Versammlung, an welcher 2400 Personen teilnalunen, in ihre Arbeiten ein. — Kommen die Handelsverträge erst nach Neujahr? Eine Aufsehen erregende Nachricht verbreitet ein Berliner Blatt, das sonst als gut informiert gelten darf: es schreibt, datz nm» in Regiernngskreisen bezweifle, das; es möglich sein werde, „die neuen Handelsverträge dem Reichstage schon beim Wiederbeginn seiner Sitzungen vorzulegen. Ab gesehen davon, das; die Verhandlungen mit mehreren Staa ten noch nicht abgeschlossen sind, wird auch die Abfassung der Begründungen bezw. Denkschriften zu de» einzelnen Ver tragen geraume Zeit beanspruchen. Das gesamte Material wird dann in den Ausschüssen des Bnndesrats zweifellos einer sehr eingehenden Prüfung unterworfen werden, und schließlich wird die Drucklegung eine Reihe von Tagen er fordern. Somit wird der Reichstag wahrscheinlich erst nach Neujahr mit der Beratung der neuen Verträge befaßt wer den." Wir möchten die Meldung doch mit einem Frage zeichen versehen. Nach Neujahr hat der Reichstag nicht ge nügend Zeit, um die Verträge eingehend beraten zu können: da steht der Etat und die Militärvorlnge zur dringenden Verabschiedung. Es muß eben jetzt von Berlin ans ans eine raschere Erledigung der Unterhandlungen hingearbeitet werden! — Vom neuen Reichshaushalt. Die Informationen der „Sachs. Volksztg." über den neuen Reichshaushalt, die wir schon vor einigen Tagen erteilen konnten, erfahren nun Be stätigung in der offiziösen Berliner Presse. So schreibt ein Blatt, das; der Etat mit einem Fehlbetrag von 80 Millionen abschließen werde. Uns ist eine ähnlich hohe Summe von ivohlinformierter Seite genannt worden. Nach der neuen lax Stengel ist dieser Fehlbetrag auf die Bundesstaaten um- zulegen, falls es diesen im Bnndesrat nicht gelingt, dieses Defizit zu beseitigen. Tie „Nat.-lib ..Korr." bestätigt unsere Meldung, das; es fraglich sei, ob die Militärpensions- gesetzc im nächsten Winter dem Reichstage zngehen werden. Die „Nat.-lib. Korr." kündigt ein Vorgehen der national- liberalen Fraktion an und meint, „das Geld muß einfach beschafft werden". Das ist sehr bald gesagt, aber deshalb ist das Geld noch nicht da. Es wäre uns angenehm gewesen, »nenn das Blatt gleich gesagt hätte, woher das Geld zu be schaffen sei: liier liegt der Stein des Anstoßes. Die Un gleichheiten und Härte» des bestehenden Militärpensionsge setzes wollen auch wir beseitigen, aber man sage uns, wo das Geld hierfür jetzt geholt werden kann! — Die „rote Hansa". Der sozialdemokratische Partei tag begann am Sonntag in Bremen. Der „Vorwärts" be grüßt denselben als die „rote Hansa". Darin tut er für seinen Teil gut, denn ob er in acht Tagen den Parteitag noch feiern wird, erscheint uns sehr fraglich. Das sozial- demokrati'che Blatt gibt sich zwar alle Mühe, um den Dele gierten znznreden, doch vernünftig zu sein: selbst für den Fall Schippel hat es jetzt beruhigende Worte. Da geht Klara Zetkin schon anders vor. sic warf in einer Stuttgarter Versammlung dem Abgeordneten Schippel „Feigheit und Charakterlosigkeit" vor. Der Anfang des Parteitages war auch ziemlich harmlos. Wohl klangen ans den Begrüßungs- Worten des Neichstagsabgcordneten Schmalfeldt die Besorg nis heraus, Bremen möchte ein zweites Dresden werden. Bebel sprach sodann im Namen des Parteivorstandes. Er betonte, daß, wenn auch bei den bevorstehenden Beratungen die Geister anfeinanderplatzen würden, so könne man doch der Ueberzengnng sein, daß die Beratungen der Partei zum Heil und zum Vorteil gereichen würden. Dann sagte er, daß die Kämpfe mit den anderen Parteien die sozialdemo- krati ck»e Partei stets zu'ammenhallen werden, wenn einmal eine Differenz von größerer Bedeutung vorliege. Nachdem er die Eröffung vollzogen hatte, schritt man zur Präsidenten wahl. Bebel teilte mit, das; Singer durch eine schwere Krankheit verhindert sei. das Präsidcntenamt auszuübeu. Der Genosse Dietz-Stnttgart wurde zum Präsidenten vor- geschlagen. An einen Widerspruch zu denken wurde nie mandem Gelegenheit gegeben, und so hatte denn das „Ar- beiterparlament" einen neuen Präsidenten. Es wurde so dann der Antrag gestellt, daß nur solche Wortmeldungen giltig sein sollten, die gemacht seien, nachdem der Gegen- stand zur Beratung gestellt »vorden sei. Damit wollen sich die Genossen vom Lande das Recht sichern, auch einmal reden zu können. Damit war der Präsident einverstanden. Als dann wurde die Tagesordnung festgestellt. Ein Antrag, die Alkoholfrage zum Gegenstand der Besprechung zu machen, fällt aus, da er nicht die nötige Unterstützung von 20 Dele gierten erhält. Ebenso wird die Besprechung des Themas ..Koalitionsrecht und Kartelle", sowie des Themas „Das Wahlrecht in den einzelnen Bundesstaaten" abgelehnt. Eine längere Debatte entspinnt sich über die Frage, ob die Schul- frage auf diesem Parteitage aufgerollt werden solle. Da gegen sprach insbesondere Bebel. Seine Ansicht drang bei der Mehrheit durch, so datz die Schulsrage nicht zur Er örterung gelangen wird. — Die Simultanschule in Preußen vermag keinen Auf schwung zu nehmen, trotz ihrer vielen liberalen Freunde. Als Falk 1872 Unterrichtsminister wurde, war die Zahl der Simultanschulen 442. Auf Falk folgte von Puttkamer als Unterrichtsminister. Neue Simultanschulen wurden nun nicht mehr begründet. Unter dem Minister von Goßler war in der Simultanschulfrage nur der Schutz der Minorität das leitende Motiv. 1891 gab es unter 30 756 öffentlichen Volksschulen nur 803 paritätische, die von 284 575 Schülern besucht wurden. — Eine interessante Erinnerung für den obstruktions- lüsternen Dr. Barth. Ter mandatlose Führer der freisinni gen Vereinigung, der im letzten Reichstage die Obstruktion so getreu als Singers Schildknappe mitmachte, kündigte bereits auch für die Handelsverträge die Obstruktion an: heute wollen wir ihn nur an ein Wort des Abgeordneten Dr. Bamberger erinnern: dieser führte in der achten Sitzung vom 19. Februar 1874 aus: „Meine Herren, es wäre ein schöner Triumph des deutschen Reichstages, wenn es uns gelänge, diese Debatte so zu führen, daß heute keine Leiden schaften hier entfesselt würden. Ich glaube wohl im Namen aller Anwesenden sagen zu dürfen, daß die Mehrheit dieses Hauses ernstlich durchdrungen ist auch von der Pflicht der Höflichkeit und Teferenz, die sie als Mehrheit einer Minder heit schuldig ist, und die sie einer Minderheit in so höherem Grade schuldig ist, als diese Minderheit an Zahl gering ist. Allein, meine Herren, wenn die Mehrheit diese Pflicht hat, so steht doch wohl auch eine Pflicht der Minderheit dem gegenüber, und jedenfalls ist eine Mehrheit, sie sei auch noch so groß, nicht verpflichtet, sich Ungebührlichkeiten sagen zu lassen. Wir sind in unserer Mehrheit hier vielleicht nahezu in der Lage eines Hausherrn; der Hausherr muß doppelt höflich sein auf seinem eigenen Boden, - aber sich Ohrfeigen geben zu lassen, dazu ist auch kein Hausherr verpflichtet, und ich glaube, wenn die Minderheit nur aus diese andere Seite der Sache Rücksicht nehmen wollte, so würde es uns gelingen, auch diese schwere Frage auf solche Weise zu Ende zu führen, wie es dieser hohen Versammlung gebührt." So Tr. Bam berger. der gerade für Dr. Barth keine Null ist; hat ihm doch der letztere in seiner „Nation" einen ganz überschweng lichen Nachruf gewidmet, er feiert ihn als einen vorzüglichen Parlamentarier, als Vertreter der Rechte des Volkes und des Parlamentarismus und schließlich gehört ja Bamberger selbst zu den engsten Parteifreunden Barths. 30 Jahre ist cs her, daß derselbe seine bedeutsamen Worte gegen die Minderheit des Reichstages richtete, aber sie gelten heute noch ebenso, und das möge sich Dr. Barth ins Stammbuch schreiben. Jedenfalls nimmt er von seinem verstorbenen Freunde diese Mahnung ans dem Grabe eher an, als von einem lebenden politischen Gegner. — Der Sszialistenftthrer Bcbkl als Anhänger der in direkten Steuern. Die Sozialdemokratie bekämpft das Zentrum stets mit der Behauptung, als habe dieses neue indirekte Steuern geschaffen oder die bestehenden erhöht, was bekanntlich allen Tatsachen widerspricht. Bestehende indirekte Steuern kann mau nicht abschaffeu, ohne datz man gleichzeitig auch den Ersatz für dieselben besorgt. Interessant ist aber nun. wie sich der Abg. Bebel bei der Schaffung der Verfassung des Norddeutschen Bundes benommen hat. Schon damals war die Forderung erhoben worden, die „in direkten Stenern" ans der Verfassung zu streichen und nur von Stenern zu reden. Aber gegen den Antrag, das Wort „indirekt" zu streichen, stimmte der Abgeordnete Bebel, der damals noch mehr Demokrat als Sozialdemokrat war. So geschehen in der 10. Sitzung vom 20. März 1807 im konstituierten Reichstag. Als Gegner der indirekten Stenern aber finden wir neben anderen die katholischen geistlick en Abgeordneten Dauzeuberg und Dr. Michelis, den späteren Zentrumsabgeordneten v. Keliler u. a. mehr. Bebel aber stimmte damals niit den „Junkern" an der Seite von Bismarck und doch fiel bei Schaffung des Norddeutschen Bundes die prinzipielle Entscheidung. Weibliche Streikposten. In der Weltfirma Siemens und Halske besteht ein Streik der Arbeiterinnen; diese haben nun Streikposten ausgestellt und damit das neue Institut »leiblicher Streikposten gesck-affen. Höchst befremdlich aber ist das Vorgehen der Polizei, welche diese Arbeiterinnen ein fach sistierte, angeblich aus Vcrkehrsgrüuden. Nun kennen wir selbst die Hclniholtzstraße, wo diese Mädchen patroullier ten: ein Verkehrshindernis können sie gar nicht bilden, weil dies die ruhigste und stillste aller Straßen ist. Eine Ver sammlung der Streikenden hat mit Recht daher folgende Re- solution angenommen: „Sie empfindet es als eine Ver höhnung der Sicherheitszustände in den Straßen, daß ruhig ihres Weges dahergehende junge Mädchen verhaftet werden, weil sic des öfteren auf- und abgehen, wohingegen abends nach 8 Uhr in der Helmholtzstraße ganz zweifelhafte Frauensleute ungehindert jeden anständigen seines Weges gehenden jungen Mann mit den schamlosesten Anerbieten belästigen dürfen. Die Versammlung erwartet, daß die zu- ständige Behörde hier ganz energisch gegen die Uebergriffe der untergeordneten Beamten einschreitet." Wir schließen uns dieser Erörterung an, zweifelhafte Frauenspersonen läßt die Polizei duhendmal auf- und abgehen und kümmert sich nicht um deren Schandtaten; aber ehrsame Arbeiterinnen verhaftet sie und führt sie ab. Diese Gegenüberstellung sagt inehr als genug! — Die Tochter eine- Fiuenzwiuister». In Kronprinzen, koog bei Marne (SchleSwig.Holstein) starb kürzlick» eine Arbeiterehefrau W. die dort bei ihrer Tochter ihr Dasein beschloß. Die Verstorbene hat ein recht dornenvolles L«ben hinter sich. Sie war die Tochter de» kranzöffchen Finanz. Ministers de Cdarle». der während der Revolution im Iabre 1830 Nntertchlagungen verübte und dann flüchtig wurde. Er wandte sich zunächst nach England und ließ sich später in der Provinz Schleswig-Holstein nieder. Die Gattin des Exminister» und 2 seiner Töchter wurden im Lause der Zeit irrsinnig, während die jetzt verstorbene einen Arbeiter ehelichte und längere Zeit in Schafstedt wohnte Die beiden anderen Schwestern sind noch gegenwärtig in Irrenanstalten von Schleswig und Leipzig interniert. Oefterrei«tz-U»gar»r. — Für die Arbeitsfähigkeit de» Reichsrates. Am Schlüsse des Tepliher deutsch-österreichischen Städtetags (der nicht autonomen Städte) hat am Sonnabend Abgeordneter Dr. Funke als Vorsitzender eine Erklärung abgegeben, die besonders bemerkt zu werden verdient. Er sagte, eine große Anzahl der Referenten und Redner des Städtetags habe die Notwendigkeit ausgedrllckt, daß die Arbeitsfähigkeit des Parlaments angestrebt werde; es werde das Bestreben der deutschen Abgeordneten sein, unentwegt für die Erreichung dieses Zieles einzutreteu. — Bekanntlich waren cs lange Zeit gerade die kleinstädtischen Vertreter, welche der Obstruk tionstaktik gehuldigt haben und der Reform der Geschäfts ordnung zur Beugung der Obstruktion widerstrebten. Die Stinimuug auf dem Teplitzer Städtetage beweist den gro ßen, inzwischen eingetrctenen Umschwung. — Die Erfah rungen, welche bei dieser Gelegenheit von verschiedenen Ab geordneten gesammelt wurden, werden sicherlich auch für das Ergebnis der kommenden Beratung des deutschen Voll zugsausschusses von Einfluß sein. — Der Gustav Adolf-Verein in Oesterreich hat 17 Zweigvereine, 380 Orts-, 41 Frauen-, 18 Jüngliugsvereine und 35 320 Mitglieder. Während die Gesamtleistung des Gustav Adolf-Vercins im letzten Jahre allein 1 591698 Mark beträgt, hat seit 1861, also in über 40 Jahre», der österreichische Gustav Adolf-Verein im ganzen nur 534 700 Mark aufgebracht, dagegen, wie es im Rechenschaftsbericht bei der soeben in Graz abgehaltenen Generalversammlung hieß, vom Zentralvorstande Millionen zurückerhalten. Der Eifer im Geldnehmen übertrifft also den Eifer im Geld geben bedeutend. Großen Eindruck machte die Fcstpredigt des Pfarrers Dr. Selle (Stadt Steyr), die eine richtige Hetzpredigt gewesen sein muß. Er sagte mit Bezug auf den Kampf zwischen den christlichen Bekenntnissen: „Die Bru derliebe ist unseren Gegnern gänzlich abhanden gekommen (!), und wir müßten selbstmörderisch Vorgehen, wenn wir uns nicht zur Abwehr rüsten wollten. Eine strenge O b - jektivität gegen solche Angriffe zu bewah ren, wäre Undankbarkeit gegen die Männer, welche für das Evangelium gelitten und gestritten haben. Es wäre falsch und von Unheil, solchen Frieden zu predigen." Bei dem Festbankett verwies dann auch Pfarrer Model (Bielitz) auf diese Predigt, von der er sagte, sie werde sicher dazu bei tragen, die Herzen aller Zuhörer im Kampfe um die evan gelische Sache zu stärken. Also die Angreifer sind die Katho liken, die ohne Objektivität bekämpft werden müssen! So etwas wird in einer protestantischen Festpredigt gesagt! — Der schlesische Landtag wurde am 19. d. M. er- öffnet. Nach Erledigung von Formalien wurde eine von 22 Abgeordneten Unterzeichnete Protesterklärung gegen die Errichtung von slawischen Parallelklassen an den schlesischen Lehrerbildungsanstalten verlesen, in welcher die Negierung aufgefordert wird, die betreffeudeVcrordnung zurückzunehmen. Auf Antrag wurde die Sitzung sodann geschloffen, um der Protesterklärung mehr Nachdruck zu geben. Schweiz. — Amtlich wird gemeldet: Der Bnndesrat bat. in der Absicht, die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Oesterreich-Ungarn auf neuer Grundlage zu regeln, den zwischen beiden Mächten am 10. Dezember 1891 ab geschlossenen Handelsvertrag durch den schweizerischen Ge schäftsträger in Wien am 19. d. M. gekündigt. Danach tritt der Vertrag mit dem 19. September 1905 außer Wirksamkeit. Der Bundesrat sprach den Wunsch aus, mit Oesterreich-Ungarn zum Abschluß eines neuen Handelsver trages in Unterhandlung zu treten. England. — Ein interessantes Interview. Der japanische Ge sandte in London Vicomte Hayashi erklärte in einem von» „Matin" veröffentlichten Interview, daß der Augenblick für Fricdensvorschläge noch nicht da sei. Wenn Rußland sich für eine Vermittelung nicht äußert, werden sich die Japaner weiter schlagen. — Auf die Frage: „Welche Bedingungen würde Japan stellen, um den Krieg zu beendigen? antwor- tete Hayashi: „Vor dem Kriege verlangten wir, daß Ruß land die Souveränität Chinas in der Mandschurei aner kenne; heute, nach unseren Siegen und Auslagen, können wir uns nicht mehr damit begnügen. Unsere Bedingungen werden von unseren Kriegsverlustcn und der Kriegsdaucr abhängen, falls wir Sieger bleiben." Nun fragte der Re dakteur des „Matin" „Und wenn Sie nicht Sieger bleiben?" Der Gesandte antwortete: „Das wird dann ein schonungs loser Krieg sein, welcher beide Länder derart erschöpfen wird, daß von Bedingungen kaum mehr die Rede sein wird. Japan wird lange stand halten können. Die nächste Schlacht wird in Tieling sein. Die Feindseligkeiten werden auch im Winter nicht aufhören. Port Arthur werden wir nicht im Sturme nehmen, sondern durch Aushungerung zur Kapitu- lation zwingen." R«hl«»»d. — Fehlende nutz unwillige russische Reserven. Dem Standard wird aus Odessa telegraphiert, datz die Mobil- machungsordre für die Reservisten der Gouvernement» Cherson. Bessarabien. Jekaterinoslaw und Taurien einen deprimierenden Eindruck hervorgerufen habe. In dem Distrikt Cherson sollen allein 8000 Reservisten fehlen. ES sind dies meistens Juden, die während der letzten vier oder fünf Monate auswanderten. In dem Gouvernement Iekaterinckklaw werden etwa 3000, in Bessarabien an nähernd ebensoviele und in Taurien weniger Reservisten al» abwesend gemeldet. Noch schlimmer sieht e» nach einem Bericht des Standard in Wolhynien. Podolien und in Kiew selbst au«. Die reservepflichtigen Bauern und Handwerker haben lärmende Versammlungen abgehalten, in denen sie erklären, der MobilmachungSordre keine Folge leisten, oder, zum Dienst gezwungen, keinen Schuß feuern zu wollen. Am bedenklichsten ist e». daß dieser Geist auch die Offiziere erfaßt. Im Militärdistrikt Kiew wurden 17 Offiziere der-