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Sächsische Volkszeitung : 03.08.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192008032
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19200803
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19200803
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-08
- Tag 1920-08-03
-
Monat
1920-08
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 03.08.1920
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MoMa-, de» 8. Auguff «21». ZsHUtH» Vs», «L »?», k.it, , Der internationale Kongreß in Genf Der Sozialifieukonkrß wer di« Schuldsragt Senf, 2. August. Di« Kommission für die Verantwottlichleits» frage des internationalen So»ialistenkon grosse» nahm nach schwierigen Verhandlungen unter Vorbehalt der mung der deutschen Delegation, die noch nicht vollzählig in Gens er schienen ist, einstimmig folgende Entschließung zur Kriegs, schuld frage an: In Erwägung, daß die deutschen Sozialdemokraten in ihrer Denkschrift über die Frage der Verantwortlichkeit anerkannt haven, daß sie den Fehler begangen haben, nicht frühzeitig und nicht ener gisch genug das System des Militarismus und deS Imperialismus bekämpft zu haben, vor allem hinsichtlich der Leitung der auswär tigen Angelegenheiten, die der Kontrolle der Volksvertretung ent zogen war, in weiterer Erwägung, daß die deutschen Sozialdemo kratie selbst sagt, daß die deutsche Revolution zum Unglück der gan zen Welt und besonders auch d«S deutschen Volkes selbst um fünf Jahre zu spät gekommen sei, und daß darin, daß sie nicht schon früher den Weg gebahnt habe, die Schuld lieg«, deren sich die deut sche Sozialdemokratie anllagen müsse, in weiterer Erwägung, daß der Vertreter der deutschen Sozialdemokratie in der Kommission über die Schuldfrage die nachstehende Erklärung abgegeben hat: 1. das BiSmarcksche^Deutschland hat, wie schon Marx und Engels erklärt haben, den Weltfrieden auss schwerste er» fchüttert. indem es Elsaß-Lothringen im Jahre 1870 mit Gewalt annektiert hat. Für die deutsche Sozialdemokratie gibt eS Pin« elsaß-lothringische Frage mehr, 2. das kaiserliche Deutschland hat ein neuerliches Verbrechen gegen das Völkerrecht begangen, als eS im Jahre 1914 die Neutralität und Unabhängigkeit Belgiens ver letzte, S. das republikanische Deutschland selbst fühlt sich verpflichtet zur Wiedergutmachung für den Angriff, den das kaiserlich« Deutsch land ausgelöst hat, nachdem eS das noch am Vorabend deS Kon flikte» mögliche Schiedsgericht abaelehnt hatte; nimmt der Kongreß diese Erklärung zur Kenntnis und er neuert die Erklärung der alliierten Sozialisien vom Jahre 1918, daß da» kapitalistische System durch die Uebertreibung seiner Maffsucht eine der tiefsten Ursachen des Krieges ist, und erklärt gleichzeitig mit denselben Ausdrücken wie die deutsche Denkschrift, daß sein unmittelbarer Anlaß hauptsächlich und nicht ausschließlich bei der mit Kopflosigkeit gepaarten Gewissenlosigkeit der setzt gestürzten deutschen und österreichischen Machthaber lag. Den Verhandlungen der Kommission, welche dies« Entschließung einstimmig faßte, wohnte deutscherseits der Reichstagsabgeordnrte Braun bei. Die Entschließung soll in einer Vollsitzung des Kon gresses zur Verhandlung kommen. Für die Frage der Abrüstung hat bi« Kommission einen Unterausschuß gebildet. Erklärung der deutschen Sozialisten Genf, 2. August. Der Vorstand der sozialdemokrati schen Partei Deutschlands hat dem internattonalen sozia listischen Kongreß zur Frage der Verantwortlichkeit am Weltkriege «ine Denkschrift überwiesen. Diese erörtert die politische Lage Europa» vor dem Kriege und erklärt, daß «S vielleicht ein Fehler war, daß die deutsche Eozialdemokratte das deutsche Bündnis mit Oesterreich- Ungarn nicht ebenso als eine Kriegsgefahr anerkannte wie das russi sche französische Bündnis Die Hoffnung, daß der Dreibund ein Hort des Friedens sei, gehörte zum festen Bestand der öffentlichen Meinung. Rach der Auffassung der deutschen Sozialdemokratie war der Friede EuopaS allerdings erst gesichert, wenn der Zarismus gestürzt war, und wenn es gelang, die Kluft zwischen Deutschland und den West- mäHtea zu überbrücken. Diesem Ziele war die Tätigkeit der deutschen Sozialdemokratie mit Eifer gewidmet. Die Denkschrift gibt dann zu, daß die deutsche Sozialdemokratie nicht genügend beachtete, daß die Führung der auswärtigen Politik in Deutschland ohne Kontrolle deS Reichstages eine Gefahr bilden mußte. Diese Gefahr nicht rechtzeitig genug erkannt zu haben, ist die Schuld, zu der sich die sozialdemokra tische Partei vor aller Welt freimütig bekennt. Die deutsche Revolution ist zum Unglück der Welt und besonders auch des deutschen Volke» selbst, um fünf Jahre zu spät gekommen. Ihr nicht schon früher den Weg gebahnt zu haben, ist die Schuld, deren sich die deutsche Sozial demokratie anllagen muß. Konnte der internationale Sozialismus den Ausbruch de« Krieges nicht verhindern, so wurde er, wie immer «r sich verhielt, gegen seinen Willen ein Diener feindlicher Macht. Die Denkschrift erörtert sodann die Vorkommnisse unmittelbar vor Aus bruch des Krieges und schildert die Haltung der deutschen sozialdemo kratischen Partei beim Ausbruche. Sie stellt fest, daß nach der russi schen Gesamtmobilmachung jede Hoffnung auf eine Lokalisierung deS Krieges geschwunden war. Auf diese Weise war das ganze deutsche Voll ein willfährige« Instrument in der Hand der politischen und mili tärisch» Reichsleitung. Die deutsche Sozialdemokratie schätzt sich heute glücklich, daß sie sich von jeder Schuld an der Niederlage deS deutschen Volke» frei weiß. Das Ziel ihrer Politik war während deS Krieges, dessen Beendigung mit einer militärischen Lage, die es keinem der beiden Teile ermöglichte, diktatorische Forderungen zu stellen. Der Frieden der Entente von der Entente «st ihrem angeblichen den -er Völler zu sicher», nicht ernst war. ttbr die deutsche KrigSschuld war eben nur scheu Zwecke». Eine Feststellung der Sch folgen, wen» einem von " sämtliche Staatsarchive , tn Rußland, Österreich und e< den Staatsmänner« WBHeir und de» Frie- Die «araltsche Enttckstu k» poli kan» erst emwaudsrei ew . U rsachen des Weltkrieges liegen In den imperalistischen Strömungen aller Län der und in der unglücklichen MSchtekonstellation, der unmittelbare An laß !keit chi. hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, die mit Kopflo arte Gewissenlosigkeit der jetzt geschützten deutschen und öfter: . . n Machthaber. Durch das Bekenntnis zur LandeSvarteidigüng wollte die deutsche Sozialdemokratie sich keineswegs der Militärpakte» unterwerfen, sondem im Gegenteil die Kraft finden, sie zu bekämpfen. Die deutschen Sozialdemokraten können nicht als Fehler betrachten, daß sie den Watten der EntenteftaatSmänner nicht trauten. Die Entente» staatsmänner mögen nicht schlechter gewesen sein, als die deutschen Machthaber. Aber besser waren sie ganz gewiß nicht. Die Denkschrift schließt: Wir Sozialisten sollten aufrichtig genug sein zu sagen, daß diese» beiderseitige Versagen darauf zurückzufahren ist, daß unsere Kräfte der Kraft, die den Krieg entfesselte, nicht gewachsen waren. Wenn unsere Kritik und Selbstkritik einig sind, so ist uns vor Allem' eine« nötig, statt zu werden, so statt, daß leine Macht da« nun ge. schlossen« KrieyStor jemals wieder öffnen kann. Diese Kraft werden wir nicht gewinnen durch Selbstzerfleischung und Zersplitterung, son- dern durch die nationale und internationale Einigkeit der Sozial demokratie. Für dies« einzutreten sind wir bereit. Der „BorwSrtS" zur Schuldfrage Berit», 2. August. Zum ResolutionSentwurfe de« inter nattonalen SozialistenkongresseS in Genf, betreffend die Kriegsschuld, ftage, bemrttt der „Vorwärts": Die Resolution enthält trotz aller vemlihungen. objektiv zu sein, immer noch eine so einseitige Be urteilung der Deutschen, daß wir glauben möchten, die deutsche Gesamtdelegatton werde der Resolution in dieser Fassung ihre Zu stimmung nicht geben. Don un» au» müssen wir schon letzt Ein spruch dagegen erheben, daß die Resolutton einzelne Sätze au» der Denkschrift des deutschen Parteivorstande» herauSgreift, um da raus eine deutsche Selbstanklage zu konstruieren, dagegen andere ebenso wichtige Sätze, wie z. B. diejenigen über die russischen KriegS- treibereien und die deutsche Begründung, warum die Revolution vor stinf Jahren unmöglich war, einfach unter den Tisch sollen läßt. Internationaler Bergarbeiterkongretz Genf, 2. August. Der Internationale Vergarbeiterkvugreß wurde heute vormittag eröffnet. Präsident Smillie (England) betonte, daß da» Ziel der Bergarbrfterinteruattonal« di« Befreiung der Bergarbeiter vom Kapitalismus sein müsse. Der Internationale veraarbeiterkonareß müsse sich jetzt nicht »nr gegen jeden Krieg aussprrchen, sondern dir Verhinderung eine» solche» durch de» internationale» Streik ins Auge fasse». Dann ergriff H « 6 das Wort und dankte namens der deutschen Bergarbeiter de» britische» Kollege« für die Art und Weise, in der sie währeud d«S Kriege» die Geschäfte der Bergarbeiterinleruatio- nal« geführt hätte«. Weiterhin «rllärte er im Namen der deutschen Bergarbeiter, daß da» internationale Sekretariat weiter in England bleiben soll. Zum neuen Sekretär der Internationale wnrd« des britische Bergarbeitersekretär Hodge gewählt. Die Belgier schlugen zum Statutenenitvurf der Bergarbeiter- International« al» Ziel der Organisation vor: Beschränkung der täglichen Arbeitszeit auf acht »tundeu, Festsetzung de« Miudeplvbne» und Verstaatlichung aller Bergwerksbetriebe zugunsten der Allge meinheit. Da» äußerste Mittel zur Herbeiführung der Verstaat- lichung sei im Not all der Generalstreik. Weiter müsse gegru eine Nation der Streik erklärt werden, die verbrecherisch genug sein sollt«, einen neuen brudermürderischen VSttettiieg zu entfesseln. Der französische Bericht beantragt, daß die tägliche ArbeitS- »it für all» Bergarbeiter der ganzen Welt einheitlich acht Stunden betragen solle. Für gewiss« Arbeiten «utex Tag» soll die Arbeits zeit nur sechs, tu besonderen Fällen nur vier Stunden betragen. Der englische Bericht ist der Ansicht, daß ein« Verbesserung der Lage der Bergarbeiter nur durch Nationalisierung der Berg werke erzielt werden könne. Ferner soll vom 1. Juli 1921 ab de« Bergleuten eine verkürzt« Arbeitszeit gewährt werden. Der Bericht der deutschen Bergarbeiter weist darauf hin, daß >eute di« Beseitigung der Kohlennot da» Wichti,ste sei. Di« Forderung auf Sinlührung der Sechsstundenschicht für die unter Tage Arbeitenden sei von der deutsche« Regierung unter Hinweis auf die Kohlenuot abgelehnt worden- Di« Arbeiter hätte« von der deutschen Regierung gefordert, sie solle sich mit den Regierungen der anderen Staate« verstäudigeu »weck» international«! Ei«» ühruug der Sechsstundenschicht. Gewerkschaftlich organisiert eien in Deutschland im Dezember 1919 insgesamt 4SÜ627 Arbeiter gewesen gegen 46460 im Jahre 1918 und lOlSSK im Jahr« 1914. Der fortschreitend« Z«sa«menbruch Polens ^ Di« Lage an der polnischen Fron» Franffutt a. M., 2. August. Aus Warschau meldet man „Frankfutter Zeitung": Die Lage an der Front war bei Beginn du Verhandlungen wegen de» Waffenstillstandes folgende: Am reche« Flügel drangen die Bolschewisten bis an die oslpreußdsche Grenze vor. vffowicze wurde von ihnen besetzt. Ihre Patrouillen stehen vor Lom- za. Die russische 4. Armee, die am Mittwoch Bialystok besetzte, sieht am Narew. Weiter östlich steht beim Eisenbahnknotenpunlt Tsche» remcha die Rote Armee SO Kilometer vom Bug entfernt, bei Bresl- Litowsl unmittelbar vor der Stadt. In Ostgalizicn finden seit Anfang dieser Woche Kämpfe an der Serethlinie statt. Hier stehen die Volsche- «isten auf kongreßpolnischem Gebiet. In Warschau wurde eine Ver ordnung übr das Verhalten bei Fliegerangriffen veröffentlicht. Bis her find aber keine solchen Angriffe erfolgt. DaS „Journal de« Döbats" meldet: Obgleich die russische kla- vallerie Bialystok schon 40 Kilometer hinter sich gelassen ha», haben heute amtliche Kreise in Warschau die Lage für noch nicht verzweifelt erklärt. Viele Sachverständige glauben, daß die Front wieder her- fftellt werden könnte. Tie Truppen behalten trotz der Ermüdung sre Kriegslust, und der Etappendienst, der durch den Rückzug des organisiert wurde, wird von französischen Offizieren wieder herpeslellt. Oie Grenze entlang ist russische Kavallerie sichtbar, koch sind nirgend« Grenzverletzungen vorgekommen. Die Truppen ver sichern der Bevölkerung immer wieder, daß sie die Grenze respektieren würden. Der polnische Rückzug ist noch im Gange, Die letzten Regentage haben die Rote Armee in der Verfolgung e,wo< aufgehalten. Don einem Wassenstillsland wissen die Truppen nicht», Unser Grenzschutz braucht dringend Verstärkung, An manchen Teilen der Grenze find keine 400 Mann anwesend, während drüben Tausende flüchtender bewaffneter Polen sind. Die deutsche Bevölkerung erwartet daher dringend den Einmarsch der Reichswehr, von dem man sich wenigstens eine moralische be ruhigende Wirkung verspricht. Der Eindruck der polnischen Katastrophe auf die VolkSslimmnnz der deutschen und prodeittschen Bevölkerung de« ehemaligen Ach- Preußens und Posen» ist außerordentlich tiefgehend. Der Gedanke, die augenblickliche politische Situation für eine auch ge waltsame Korrektur der politischen Zugehörigkeit»- bestimmungen zu benutzen, glimmt unter der Oberfläche mb droht zur Flamme zu werden. Deutsche und auch weite polnisch« Kreise Westpreußen» sind der Mißwirtschaft galizischer und kongreß- wlnischer Beamten müde. Die Wehrpflichtigen denken nicht daran, em Ausrufe der polnischen Heeresleitung zu folgen. Die Bauern bereiten auch einen LieferungS- und Steuerstreik vor. Die deutschen Organisationen in Pomerellen haben an die polnische Regierung und' an di Entente das Ersuchen gerichtet, sofort eine Volksabstim mung für dieses Gebiet in die Wege zu leiten. Fall« Polen »nb die Entente diesem Ersuchen nicht entsprechen sollte, soll mit dem Generalstreik geantwortet werden. Um diese Gefahr nieder,» drücken, fehlen der polnischen Regierung die ihr sonst zur Verfügung stehenden Gewaltmittel. Sir hofft, durch das Eingreifen von Entente- hilsStruppen in Danzig genügend Kräfte frem'bekommen, um eine türm" eiserne Diktat Pomerellen aufzurichten. Brest-Ltto»-k gefalle« Ropenstage«, 2. August. D»r russische Funkspruch meldet, baß Breft-LitowSk von den Russen besetzt wurde. Die Russen haben die Narew-Linie durchbrochen und die Bolen bei Kowel aus den Stochod znrückgeworfen. Sie sieben bet Brody im Kumpfe mit großen polnischen Kavallerirmnssen, dir dort den russischen Vor marsch aufhalten sollen. Hingegen muß der russisch» Heeresbericht ben, daß General Wrangel dank der englischen Unterstützung bei AlexandrowSk einen großen Erfolg hatte und 80 km Vordringen konnte. Die Waffenstillstand«»Verhandlungen Warschau« 2. Airguss. Da« Oberkommando der Roten Armee teilte den polnischen Unterhändlern mit, daß da« russische Heer seinen Bormarsch nicht eher «instellt, bi« der Waffenftikkstonds- vertrag unterzeichnet sein wird. Der russische General erklärte, daß der Beginn der Verhandlungen nicht da» Aufhören der Feind- seligkeiten bedeute und daß nur die Annahme aller russischen Be dingungen, die heute oder morgen bekannt gemacht würden, da« Rote Heer in den Stellungen, in denen eS sich gegenwärtig befindet, aufhalten kann. Amsterdam, 2. August Der Vizepräsident de« polnischen Ministerium» erklärte dem Berichterstatter der Time» in Warschau; Polen könne «inen Waffenstillstand nur unter drei Voraussetzungen zustimmen: 1. Unabhängigkeit de» polnischen Staate« ohne Ein mischung der Bolschewisten in die inneren Angelegenheiten,' 8. Keine Entwaffnung de« polnischen Heere«: 8- Die alte olntsch« Grenze wird Demarkationslinie. Nötigenfalls wird ölen bereit sein, die bei Abschluß de» Waffenstillstandes bestehend« ontlinie als Demarkationslinie anzuerkennen. Die sechr Matties Roman von Fß« Rk»,k» (45. Fortsetzung) „Sei still," Sibyll hiel sich in komischer Verzweiflung die Ohren „Gegen Künstler habe ich waS, die brauchen immer Stimmung, solche Stimmungsmenschen den ganzen Lag genießen — Künstler immer nervös und haben nur ihre Kompositionen im Kops. Mein kann soll aber an mich denkenl Ich will in seinem Denken und dile erste Stelle emnehmen " Ihm sozusagen auf dem Kopf heromtanzen," vollendete Han», ich dein Bruder nicht wäre, wollte ich dein Mann sein. Ich . aube, wenn ich hundert Jahre mit dir verheiratet wäre, kennte ich »ich »och nicht m dir aus." «4 Ratm kennen zu kernen. Seit ich mich . Hagen „Problematische Naturen" durchgelesen habe. Und nun bin ich selbst eine, aber ich werde achtgebtzn. wo denn eigentlich da« Pro- dkematischr in mir steckt. Ich werde gleichsam eine Seelenanalyse vov- »ehmen müssen, um deS PudelS Kern, ich meine natürlich da« Pro» »lematische, herauszuschälen." „St« redet wie rin alter UniversitätSprofessor- Der alte Haber» «ann, der hoffentlich zu den himmlischen Gefilden abbtzrufen ist zum Helle der Jugend, würde in diesem Falle sagen: Setzen Eie sich, MattieSl I du Schockschwerenot, was soll dies Geschwafel? Seev.-n» rmalyse und sonstige Allotria wollen Sie treiben. Kakelei und kein Ende, studieren Sie lieber Gramatik. Segnen»!" „Daß du bet dem Jugendsührer so lange auSgehasten hast," sagte Sibyll, „ich wäre bestimmt schon im ersten Jahre ausgekniffen. § Marita hat immer gesagt, der Hans ist kein MattieS, ein Matties kann keine Freude am Lehrberuf haben. Gott sei Dank, hast du deine Unfähigkeit noch früh genug eingesehen." „Ach Hans, wo bleibt denn nun da» versprochene Lehrerschwein .vnd die bunte Kuh, die ich mellen sollte — Hühner wollten wir ja Auch ballen, damit wir unser Geld nicht zum Krämer tragen brauch te». Um die frische Butter und die Buttermilch bin ich nun auch be» «ogen. Und du wach damals so böse, als ich dich auslachttl" -dttr war eS mit diesen herrlichen Zukunststräumen durchaus lernst. Theres. ES wurmt« mich, daß ich, als Junge, nicht der Aelteste don uns Kindern war, unk daß ich noch keine Stelle hatte, die un« Alle ernährte. Ich hatte nämlich damals ein lehrreiche« Buch gelesen, worin ein Keiner Junge sein Schwesterchen durch Straßenhandel er fährt und später zu ungeahnten Reichstümern gelangt. Es war rin sehr schönes Buch mit vielen bunten Bildern." „Stehst du, man soll nie Pläne schmieden," lachte Sibyll, „eS kommt ersten- immer anders, und zweiten«, als man denktt Ich habe nie Zukunftsmusik in Lindau komponiert, ich habe bloß immer ge betet: Lieber Gott, laß mich eine Dame werden, damit ich nicht immer den Hof fegen muß, Davor hat er mich denn auch glücklich bewahrt." „Dein Jugendtraum ist also in Erfüllung gegangen." »Ihr spillt woll hier verstecken«?" Marita schattete die Beleuch tung ein. „Habbt ihr denn keine Hunger, meine Äibben, dann iß ich alle» allein. Es gibt ja, Sibyll, mach nur runde Augen »- Hummermayonaise." »Darf ich mir gestatten, mein Fräulein," Sibyll bot ihr den Arm, „meine Herrschaften folgen Sie mir. Ich möchte unsere all- verehrte Marita Venerjella, den guten Stern de» Hause» Mattie». um jeden Preis vor einer Magenverftauchung bewahren." ,,O, du sein eine Keine Schelmk Unser Sibyll hat so goldige Humor, daß man muß habben ihr libb —" ^>b man will oder nicht!" vollendet« Sibyll schalkhaft und küßte Marita auf die Wange. Der goldene, jauchzende Frühling war über Nacht ln Hilde-- heim eingezogen, sein Atem hatte die alten Bäume der Wälle sich hochzeitlich schmücken lassen und die Sonne hüllte mit ihren Strahlen da« alt« Städtchen ein und machte Blut und He^n rebellisch. Fra« Minni Lernemann zog gerade die Türe ihres Elternhauses in der Eckemeckerstraße hinter sich zu. Da» Keine Marieche» hatte dem Großvater zu Geburtstag gratuliert. Das war heute ein Tagt Frühling lag in der Lust. Frau Minni atmete in vollen Zügen. Wie bald, dann würden Syringen strauch und Goldregen blühen. In ihrem Gatten am Kehrwiederwall standen schon die dicken Knospen in den Büschen. Sie nahm die Rich tung auf die Kreuzstraße, in Franz Borgmeyer« Buchhandlung ge dachte sie einige Ansichtskarten mitzunehmen. „Jetzt darf Maricchen bald kurze Strümpfe tragen," bettelte da« Dreijährige, „die langen kratzen so." „Ja Mariechen, morgen früh ziehen wir Söckchen an." Marie chen war ganz MutterS Ebenbild mit goldblondem Lockengeringel und einem kecken Stumpfnäschen. Theodor Lernemann saß als wohlbe stallter Lehrer seit einigen Jahren im schönen HildeSheim. Al» er seine feste Anstellung in der Tasche trug, hatte er in der Eckemecker straße um de« ehrsamen Johanne« Meiner Tochter in aller Form ange- halten, ein halbes Jahr später trat er mit seiner jungen Frau sein« Stelle in HildeSheim an. „Was wünscht die Dam«," srug da» kleine Lehrfräulekn dienst eifrig. „Ansichtskarten!" „Am Ständer bitte." Minni LernemannS Augen schienen plötzlich ein begehrens werte« Objett erspäht zu haben. Wie hypnotisiert schaut« sie auf di« Bücherauslage, ein schmale» Buch in gelbem Leinen: .Frühling«- kieker". Hell leuchtete das Streifband eine» bedeutenden Berlin« Verlages: Han« MattieS neuer Gedichtbandl Eine Fülle von Poesie und zartem lyrischen Empfinden! DaS Berliner Tageblatt schreibt: .. Mit raschem Griff nahm Minni das Buch, mechanisch zahlte sie und ging den Weg zurück in die alte Straße, deren Gärten an den Kehrwiedenvall stießen. Eie hört« Klein-Mariechen« Geplauder gar nicht. HanS Mattie» neue» Buch! Also war er doch «in berühmter Dichter geworden! Theodor Lernemann hatte noch Dienst, sein Zim mer war leer. Eilig legte Minni ihren Hut ab und setzte sich mit dem Buch in die Fliederlaube. Mariechen spielte im warmen Sand mit seinen Kuchenförmchen. Und die junge Frau in der Laube la» mit Köpfendem HerzG die „FrühlingSlieder" und vergaß, daß sie Minni Lernemann, und daß eben der, der von Jugend, Frühling und Liebe sang, sie verlassen hatte ohne Abschied. Eie war wieder Minni Reimer und sah ihn an der Endstation der Straßenbahn warten. Und sie gingen miteinander zum Berghölzchen hinauf und die Linden blühtenl Ein Haar hatte sie ihm geschenkt, rin lange«, goldflimmernd'k Mädchenhaar an jenem Abend. Und doch war er ihr nicht treu ge blieben «nd hatte ihre Jugend und ihre kiffte heiße Liebe mit sich ge- »ommen und gab sie nicht wieder zurück. >,— — Isolde, du mit deinem blonden Haare ---» " Minni LernemannS Kopf sank vornüber und heiße, wehe Tränen rannen aus HanS Matties FrühlingSlieder. „Papa, Mama ist bös, Mama weint," Mariechen kippelte den» Vater entgegen. „Mama weint," wiederholte «S und verzog selbst da« Mündchen zum Weinen. „Nein Mariechen, Mama weint nicht," wiedersprach Theodor Lernemann sanft. „Du bist mein liebes, Keine« Mädchen, nun baue mal eine schöne Burg, dann schenk dk Papa auch was Schönes, wenn sie fein ist." Mariechen gab sich eifrig ans Werk. Theodor Lernemann schritt auf die Laube zu, sollte irgend eine Nachricht sein« Minni erschreckt haben? „Minni," zart strich er über ihre Fkechtenkrone, „liebe Minni, ist etwas geschehen?" Verwirrt blickte Minni hoch. „Dn bist- Theo? — WaS denkst dn denn, geschlafen habe ich," aber die Tränen hingen noch in den Wimpern. Theodor sah das Buch liegen, dessen aufgeschlagene Seiten von den Tränen anfquollen. Sr schlug den Titel auf: „FrühlingSlieder" — Han« Mattie«. „Das laß nur gut sein, liebe Minni," er zog sie an sich, „daß lass mnc gut sein, deshalb mußt du dich nicht schämen. Ich habe Ihn ja auch geliebt und habe mit ihm meinen besten Freund verloren." Da warf Minni Lernemann die Arme um feinen Hals ms küßte ihren Mann mitten aus den Mund . (Fortsetzung folgt)
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