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Sächsische Volkszeitung : 30.12.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192512307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19251230
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19251230
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-12
- Tag 1925-12-30
-
Monat
1925-12
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 30.12.1925
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Sozialpolitische Umschau Die Arbeilslosen-Dersichenmg Eine große soziale Gefahr neuzeitlicher Äirlsä-aslsenl'vick- lung ist zweifellos die Arbeitslosigkeit. In Fälle» der Krank heit, des Berufsunsalles und der Invalidität ist bereits seit Jahrzehnten, wenn auch noch in unvollkommener Form, eine bescheidene gesetzliche Hilfe vorhanden. Für Enverbslose fehlt sie. Wer in Vorkriegszeiten unverschuldet arbeitslos wurde, verlor bald den wirtsä)astlichen Rückhalt und muhte Armcn- unlerstützung in Anspruch nehmen. In der Nachkriegszeit wurde die Erwerbslosenfürsorge geschrssen. Arbeitslose wurden au,> Mitteln der Allgemeinheit nach dein Krade ihrer Bedürftigkeit nntcrskützt. Dabei erfuhr das Prinzip der Bedürftigkeit eine solch verschiedenartige Auslegung, daß gar bald die Einsicht vor herrschte, an Stelle des Fürsorgecharaktcrs den Versicherungs- churakter auch sür diesen Zweig der Sozialpolitik zu wählen. Gestützt auf den Artikel 16!! der Reicksverfassung: «Jede:-., Deutschen soll die Möglichkeit gegeben Eden, durch wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt Z» erwerben. So weit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht .rachgcwiosen werden kann, wird für seinen Unterhalt gesorgt", forderten die Eewerksä)asten und politischen 'starte!«» mit allem Nachdruck die Einführung der gesetzlichen Arbeitslosenversicl)«- rung. Am 10. Juni 1922 stimmte die Ncichsregierung bereits dem Entwurf einer vorläufigen Arbeitslosenversicherung zu Dieser Entwurf fand die Billigung des Roichswirtschaitsrates und des Reichsrales und wurde dann dem Sozialen Ausschuß des Reichstages überwiesen. Eine Beratung machte aber die Inflation hinfällig. Schließlich ordnete die Ncichsregierung durch das Ermächtigungsgesetz Ende 1923 die Erlsebung von Beiträgen für die Unterstützungszwecke der Erwerbslosensür- sorg? an, betonte aber gleichzeitig, baß diese Maßnahme nur ein Provisorium bis zur endgültigen Regelung r irstellen könnte. Mit dem in Nr. 34 des „Reichsarbeitsblattes" veröffent lichten Entwurf eines Gesetzes über Arbeitslosenversicherung wird nun die endgültige gesetzliche Regelung angestrebt. Dieser Entwurf cnlhält gegenüber de» Vorcntwürfcn mancherlei Ver besserungen. Das soll nicht geleugnet werden. Daneben bleiben aber berechtigte Forderungen der Arbeitnehmer unberücksichtigt. Der Aufbau der Arbeitslosenversicherung soll mit Unter stützung der Laudesämter für Arbeitsvermittlung und der Ar beitsnachweise vor sich gehen. Die vorgesehenen Landesarbelts- losenkassen erhalten je einen Ausschuß und einen Vorstand. In diesen Körperschaften ist den Versick>erten und den Arbeit gebern eine ausschlaggebende Mitwirkung gesichert. Eine Spruchkammer, die außerdem bei den Londesarbeitsämtern ein gerichtet wird, soll i» auftauchenden Streitfällen entscheiden. Als höchste Spruchkammer ist beim ReiciMiersicherungsamt ein Spruchsenat vorgesehen. - Die Bersichernngspflicht soll sich auf alle Personen er strecken, die auf Grund der Reichsversicherungsordnung gegen Krankheit pflichtversichert sind. Darunter fallen zunächst alle Stunden-, Tage- und Wochenlöhner ohne Rücksicht aus ihr Ein kommen und sämtliche Angestellten, sofern ihr Einkommen »ich! den Betrag von 226 Mark monatlich übersteigt, versicherungs frei sind sämtliche Angestellte mit einem höheren Einkommen. Hier wird eine Aenderung des Gesetzentwurfes nach der Rich tung zu erstreben sein, daß pflichtversichert alle Angestellte sind, die der Angestelltenoersicherung unterliegen. Eine Beschäftigung auf Grund eines schriftlichen Lehrvertrages von mindestens zwei- jähriger Dauer soll veriicherungssrei sein. Di« Versicherungs- frciheit erlischt aber in diesen Fällen sechs Monate vor Beend,, gung der Lehre. Einen Anspruch aus Unterstützung soll haben, wer arbeits fähig, arbeitswillig, aber unfreiwillig arbeitslos geworden ist. Die Wartezeit beträgt 2« Wochen. Dies« Zeit muß innerhalb eines Jahres liege». Wer sich ohne berechtigten Grund nnügert, eine ALeit anzunehmen, auch wenn diese außerhalb seines Wohn- ortev zu verrichten ist, soll für die Dauer der auf die Weigerung Bahnbrecher -er Sozialpolitik Joseph Schlags Im Jahre 1877 starb in Aachen im Alter von 3V Jahren -er Theologe Joseph Schlags, der Gründer der ehemaligen «Christlich-sozialen Blätter". Er stammte aus Echerrberg bei Aachen, studierte in Bonn Theologie und wurde 1855 vom Bi schof in Limburg zum Priester geweiht. Nach kurzer Wirksam- kcit in dieser Diözese -our-e er zum Rektor der neuerbauten Kapelle des Klosters, der Carmeltterinnen in Aachen bestellt. Hier hatte er nur geringe Pflichten, und er verwendete seine freie Zeit min hauptsächlich zum Studium der sozialen Frage. Di« Ursachen, die ihn aus dieses, damals noch wenig be kannte Gebiet führten, sind in seinem Leben zu suchen. Er selbst ivar der Sohn eines Arbeiters, der mühsam für die Fa milie das tägliche Brot erwarb. Einen älteren Bruder hatten schwere Fabrikarbeit und schlechte Fabrikcinrichtuugen in den besten Jahren ins Grab gebracht. Was Wunder, daß I» dem Theologen Echings der heiße Wunsch entbrannte, „ähnliche Schicksale von anderen Arbeitern abzuwenden". Mer auch äußere Umstünde interessierten ihn für das Studium der sozialen Frage. In den sechziger Jahren gingen die Wogen der Arbeiterbewegung hoch. Schulze-Delitzsch und La falle suchten die Arbeiter für sich zu gewinnen. Jeder legte die sozialen Verhältnisse der Arbeiter klar, jeder behauptete, das rechte Mittel Zur Lösung der sozialen Probleme zu besitzen. Schulze wollte sie für den Liberalismus begeistern — Lasoll« entfaltete das rote Banner des religiösen und politischen Radi kalismus. Damals schrieb auch Bischof Ketteier 'ein berühmtes Werk über «Die Arbeiterfrage und das Christentum", das eine Widerlegung der Theorien Schulze« und Lasalles darstellte und zeigte, wie der Abfall vom Christentum auf allen Gebieten die sozialen Mißverhältnisse geschaffen habe, und wie allein die Rückkehr zum Christentum wieder gesunde Verhältnisse herbei- sühren könne. Bald darauf erschien das damals ebenfalls be deutsame Werk von Jörg: «Geschichte der sozial-politischen Par teien in Deutschland". Den in diesen Werken niedergelegten folgenden vier Wochen keine Arbeitslosenumerstntzung erhalten. Ein berechtigter Grund, solche Arbeit zu verweigern, liegt vor, wenn 1. sür die Arbeit der tarisliw "er, soweit ein solcher nicht besteht, der im Beruf ortsübliche Loh» nicht gezahlt wird: 2. die Arbeit dem Arbeitslosen nach seiner Vorbildung oder frü heren Tätigkeit oder seinem körperlichen Zustand nicht zuge- mulet werden kann: 8- wenn die Arbeitsstelle durch Ausstand oder Aussperrung sreigeivoröen ist: 4. wenn di« Unterkunft gesundheitlich oder sittlich bedenklich erscheint und endlich 5. die Versorgung der Angehörigen unmöglich wird Der Entwurf bestimmt weiter, daß nach Ablauf von sechs Wochen seit Bc- ginn der Unterstützung -er Arbeitslose die Annahme einer Arbeit nicht inehr aus dem Grunde veriveigern kann, weil sie ihnt nach seiner Vorbildung oder seiner früheren Tätigkeit nicki zu gemutet werden könne, e<-> bi denn, daß ihm ein : solche Arbeit Arbeit erhebliche Nachteile für sein späteres Fortkommen brin gen würde. Der Nachdruck wird hier aus die Deutung „erheb liche Nachteile" zu legen sein. Aber darüber hinaus erscheint die Frist von sechs Wochen doch zu kurz. Zur Pslichtarbeit sol len nur Jugendliche unter 21 Jahren und ?. igsristig Arbeits lose Herauge,chgeu werden. Bedenklich erscheint die Bestimmung, daß solchen Arbeitslosen, deren Arbeitslosigkeit durch Ausstaad oder Aussperrung ganz oder überwiegend verursacht ist, für die Dauer des Ausstaades oder der Aussperrung keine Unterstüt zung gegeben werden soll. Gegen die heutige Form dieser Schutz- niaßnahmen werden die Geiverkscfzaften aller Richtungen an- kompsen. Denn die Fassung ist zu ausdehnungsfü'rig und ent zieht auch solclzen Arbeitnehmern die Arbeitslose - - erstützung, die indirekt Opfer von Streiks oder Aussperrungen wurden. Die Höhe der Arbeitslosenunterstützung setzt sich aus der Hauptunicrstützung uud den Familienzuschlägen für Angehörige zusammen. Es bestehen fünf Lohnklassen. Der Enihcitslohn, nach dem di« Unterstützung bemessen wird, beträgt in Klasse 1 10 Mk., Klasse 2 15 Mk.. Klasse 3 25 Mk.. Klasse 4 35 Mk. und Klasse 6 40 Mk. Die Hanptunterstützung soll jeweils 40 vom Hundert dieses Einheitslohnes betragen. Für jeden unter- haltsbercchtigten Angehörigen kommen noch 5 v. H. des Cin- heitslohnes. Einschließlich der Familienzuschläge darf die Ar beitslosenunterstützung in keinem Falle 05 v. H. des Einheits lohnes übersteigen. Ein verheirateter Arbeitsloser mit vier und mehr Kindern, der seine Beiträge in der höchsten Klasse ent richtet hat, käme sonach in der Woche auf einen Unterstützungs satz von 26 Mark. Das ist der höchste Betrag, den ein Er werbsloser überhaupt erhallen könnte. Zu beachten bleibt dabei, daß der sogenannte Einheitslohn, nach dem die Unterstützungen bemessen werden, vielfach erheblich unter dem tatsächlichen Ver di ust bleiben wird. Aus diesen Gründen erscheint die unterste Sluse von 40 v. H. zu niedrig, flieber die Erhöhung der Haupl- unterstützung — um 20 Prozent — schweben zurzeit Verhand lungen unter den Parteien. Die Schr.j Aus welchen Gründen die Regierung die Beschränkung der Familienzuschläge gesetzlich verankert hat, wind in den Beratungen des Reichstages zu er klären sein. Hier scheint nämlich ein starker Widerspruch mit der staatlichen Besoldungsordnung offensichtlich. Di« Besol dungsordnung kennt mit Recht keine Beschränkung der Fami- Iienzuiagen. In der Arbeitslosenversicherung sollen die Zu schläge für das fünfte und die folgenden Kinder fortsallen. Die Vorwürfe, die wir wegen dieses unsozialen Prinzips in der Er-werbslosenfürsorge gegenüber dem Reiei>sarbeitsministeriuin erhoben, such!« dieses durch den Hinweis zu entkräftigen, dich eine Grenze gezogen werden müsse, damit nicht unter Um- ständen die Unterstützung über den eigentlichen Lohn hinaus geht. Solche Befürchtungen können auf keinen Fall entscheidend sein. Treten sie wirklich ein. dann ist ein soicl-er Fall nur ein Beweis für die Bedeutung der immer und immer wieder er hobenen Forderung, kinderreichen Familien die Kinderaufzucht zu erleichtern. Eine Kurzarbeiterunterstützung sieht der Regie rungsentwurf nicht vor. Es muß aber erivartet werden, daß das endgültige Gesetz die Kurzorbetterfrage in irgendeiner Form regelt. Grundsätzen galt es nun Verbreitung zu oersck-affen und die christliche Sozialpolitik gegen di« Gegner »m liberalen und rodi- Kalen Lager zu verteidigen. Da unternahm Echings tm Jahr« 1868 die Gründung der «Thristlich-sozialen Blätter". Ntehrcre Jahr« muhte er mit Schwierigkeiten um die Existenz seiner Blätter ringen und selbst Opfer dringen, gab es doch damals noch selbst gutgesinnte Männer, di« di« Existenz einer sozialen Frage überhaupt in Abrede stellten. Anfangs erschienen di« Blätter monatlich, dann 14tüg>g und wöchentlich Auf den katholischen General Versammlungen wurde das Blatt bald lobend empfohlen. Ehristlich-soziale Vereine wählten es zu ihrem Bereinsorgan Di« Bischöfe sprachen wie derholt einzeln und aus der Fuldaer Konferenz ihre Freude über die Blätter und ihre Haltung aus, und selbst der Papst Pius IX. segnete das Unternehmen, ein Beiveis, daß die katho lische Kirche immer der sozialen Frage ihre Aufmerksamkeit schenkte. Anläßlich eines Erholungsaufenthaltes in Rom wurde Eckings vom Papste in Privataudienz empfangen. Bei aller Entschiedenheit und Wärme, mit der Echings für das Wohl des darbenden Volkes eintrat, hat er sich niemals zu ungerechten Forderungen und zu Radikalismus Hinreißen lassen. Gar manchem Geistlichen und Laien gab er durch sein Blatt die erste Anregung zum Studium der sozialen Frage, gar manche zum Wähle der lohnarbeitenden Klassen eingericytete Anstalt verdankt seinem Impuls« ihr Dasein. Echings -hat seine Zeitgenossen zwar mit keinem neuen sozialpolitischen System beglückt: sein Verdienst besteht einfach dorm, daß er, der ersten einer, vor allen, sür die Rückkehr zu den christlichen Grundsätzen, in ivelchen er allein dos soziale Heilmittel erkannte, kämpfte und wirkte, und erkannte, daß dazu eine christlich-soziale Presse erforderlich ist. Alle jene, welche für di« sozial gedrückten Massen ein empfindsames Herz haben, werden diesem edlen Vorkämpfer der sozialen Frage »in dankbares Andenken bewahren. (Nach einem Gedenkblatt von 1877 bearbeitet von M. Grütze.) Adolf Slörker Am 11. Dezember 1925 wurden es 90 Jahre, oaß der bekannte christlich-soziale Borkämpstr M evangelischen Lager, Ans der SoziaNehre 6eos X!!!. In oer von I. Frohberger herausgegedenen Sammlung „Rüstzeug der Gegemvari" erscheint ei» Buch von Professor Dr. Otto Schilling, „Die Staats- und Soziallehrc des Papstes Leo Xlll." Für Schillings handelt es sich nicht darum: die Aus lassungen des Papstes in ihrer Entwicklung vorzn- sühren und darzustellen, sondern darum, die An schauungen des großen Sozialpolitikers in ihrer end gültigen Formung festzuhalten. Als Beispiel dieser Darstellung teilen wir die zwei Abschnitte mit, aus denen die Meinung Leos XIII. über die Wertung des Irdische» und des Reichtums hervorgeht. Nicht entschieden genug kann dem Irrtum entgegengetreten werden, als ob durch den Bedanken an oie ünftlgen ^ t->r die Liebe zum irdischen Vaterland erschüttert und das ö, ,.ck des Staates zerstört werde: man kann sich nichts Gehässigeres vor stellen, als diese Beurteilung, nichts Ungorcimieres Ist doch die Natur der künftigen Güter nicht so beschaffen, daß sie den mensch lichen Geist in einer Weise in Anspruch nähmen, wodurch dieser von der Sorge für das Irdische gänzlich abgezogen würde Auch Christus verlangt ja wohl, daß nian zuerst das Reich suche, aber nicht in dem Sinne, als ob wir das übrige außer acht lassen soll ten. Den» wenn der Gebrauch der irdischen Dinge und die sich daraus ergebenden sittlich erlaubte» Freuden zur Mehrung oder Belohnung der Tugenden dienlich sind, desgleichen, wenn der Glanz und die Pflege des irdischen Staates, die das Gemein wesen der Sterblichen mit Ehre und Erhabenheit umkleiden, Glanz und Pflege des himmlischen Staates nachahm!, so liegt sür vernunftbegabte Menschen nichts Ungeziemendes oder den göttlichen Ratschlüssen Widerstreitendes vor. Denn Gott ist Schöpfer ebenso der Natur wie der Gnade: die eine soll dur- anderen nicht hinderlich sein und wider die andere streiten, son dern sie sollen in einem gewissen sreundschasllichen Bunde Zu sammengehen. damit wir unter Führung beider einst jene unver gängliche Glückseligkeit, wozu wir Sterbliche geboren sind, sozu sagen auf einem bequemeren Wege erlangen. Verwerflich ist also nicht die vernünftige Schätzung der irdischen Güter und ebensowenig das geordnete Streben danach, sondern nur der Egoismus, die volle Hingabe an die irdische Freude, di, Gesinnung und das Treiben jener, die alles Sinnen und Trach ten auf die vergänglichen Güter in niedriger Denkweise richten und einer Erhebung zu Höherem nicht fähig und weit cnt'ernt sind, vom Genüsse der sichtbaren Güter sich zum Verlangen nach den ewigen auszuschwingen: sie verlieren den Sinn für das Ewige und versinken in schmählichem Materialismus, Gesinnun gen, gegen welche die christliche Religion d>e sichersten Schurz, mittel in die Hand gibt. Die materiellen Güter sind nicht Selbst zweck, haben aber doch ihre nicht gering zu schützende Bedeutung, Allerdings ist Gut und Ziel des Gemeinwesens sicherlich vor allem in der Tugend zu sticken, denn die soziale Wohlfahrt muß von der Art sein, daß die Menschen dadurch bester werden: nichtsdesto weniger gehört zu einem gut eingerichteten Staat auch dis Beschas- snng der körperlichen und äußeren Güter, deren Gebrauch not wendig ist zur Betätigung der Tugend, wie Thomas sestslellr. Hieraus ergeben sich die letzten Maßltäbe sür die christliche Wer- tung der Erdengüter von selbst, ahne weiteres ergibt sich dar aus aber auch, daß das Streben danach sür die in der Welt Lebenden nicht Sache der Willkür, sondern Pflicht ist: daher wird in der Enzyklika Rerum novnrum den Arbeitern eingeschärst, nach Kräften sür die Zukunft zu sorgen und einen bescheidenen Wohlstand zu erstreben. Ganz im Sinne der Heiligen Schrift und der gesamten christlichen Tradition erinnert Leo an die sittlichen Gefahren des Reichtums, ohne seine Erlaubtheit in Frage zu stellen. Nur wenn wir das Gegenwärtige im Hinblick auf das Ewige würdi gen. vermögen wir es richtig zu werten. Ob man Reichtum und Ueberslnß an den anderen sogenannten „Gütern" besitz: oder daran Mangel leidet, darauf kommt es für die ewige Seligkeit nicht an, über sehr viel kommt aus den Gebrauch dieser Dinge an. Im Sinne der Schrist mahnt daher die Kirche die Wohl habenden. daß der Reichtum für das ewige Leben nichts nütze, vielmehr eher ein Hemmnis bilde und daß Reichtum »ich: von Lei- befreie,- dir ausfallenden Drohungen Jesu müssen oie Ncl- chen mit Furcht erfüllen: der weise Richter wird einst strengste Rechenschast über den Gebrauch der Glücksgüter fordern Dabei ist niemand, um.mit Thomas zu sprechen, auf ungemcsscne Weise zu leben verpachtet." Adolf Stöcker, als Sohn eine« Wachtmeisters das Licht der Welt erblickte. Mit seltener Unerschrockenheit hat er als Pfar rer und Parlamentarier sich dem kapitalistischen Mammonskult entgegengestemmt und im Kamps um die politisch«, wirtschaft liche und gesellschastliche Achtung und Gleichberechtigung des vterten Standes sein christlich-soziales Banner vorwärts getva- gen Um den Haß und die Verfolgung der hohen und höchsten Machthaber l)at er sich nie gekümmert aus der ehrliche» Erkennt nis hiraus, daß nur di« von ihm vertretenen Ideen eine Be friedung des deutschen Volkes, in dessen Mitte es brodelt« und gärte. herbciführen konnten. Bekannt ist. daß sein mächtigster und einflußreichster Gegner, der saarländische Industriell« Frei- Herr von Stumm, durch seinen unheilvollen Einslnh das Tele- grainm des Kaisers vom 28. Februar 1896 verschuldete, worin dieser unter anderem schrieb: „Christlich-sozial ist Unsinn und führt zur Selbstüberhebung und Unduldsamkeit, beides dem Christentum schnurstracks zumiderlauscnd." Trotzdem ging Stöcker unbeirrbar seinen Weg weiter, kämpft« für den freien Sonntag, sür das Verbot der Kinderarbeit, der Frauenarbeit in den Fabriken, für kürzere Arbeitszeit und techuUci-en Ar beitsschutz. In seinen! nüchternen Dirklichkeitssinn erkannte er von Anfang an die Notwendigkeit christlicher Gewerkschaften, zu deren eifrigsten Befürwortern er zählte. Die kirchlich-sozial« Konferenz fahl« bereits im Jahr, 1900 auf seine Inialive hin folgenden Beschluß: „Die dritte Kommission sicht es als Aus gabe -er Kirche an. dahin zu wirken, daß auch in den Geiru-rk- schosten christlicher Geist vertreten iverden könne: die Kommission hält für das Ziel die Bildung interkonsessioneller, unzxrrteüscher, rechtsfähiger, einheitlicher Gewerkschaften." Aus der christlich-sozialen Schule Stöckers sind dann auch tüchtige und bekannte Führerpersönlichkeiten der christlichen Gewerk schaften hcrvorgegangen, unter anderen Margarete Behm, Behrens und Baltrusch. Am 13. Februar 1909 wurde Stöcker, begleitet von einem mnabsehbaren Trauergcfolge. zu Grabe getragen und «ns dem alten Dreisaitigkeitskirchhof in Berlin beigesetzt. Sei» Name aber bleibt unausgelöscht in den Herzen aller derjenigen, denen das Wort christlich kein leeres Ansbä-noeichilü. sondern den Willen zur sozialen Tat bedeutet
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