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Nummer 294 — 24. Jahrgang bimst ivöch. Bezugspreis: fiir Dezbr. S.— elnschl. Bestellgetv. Anzeigenpreise: Die Igesp Petitzeile »vöj, Stellengesuche 20 L. Die Petitreklamezeik. 8S Milli meter dreit. 1 OffertengeLühren für Selbstabholer 2ü bei Übersendung durch di« Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L. Sonntogs«Nr. IS L. Geschäftlicher Teil: Iolef Fohmann.Dresden. SüÄMe Mittwoch, 25. Dezember 1925 gm Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lleserung smvie Erfüllung v. Anzelgenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u d. Fern ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingelandte u. m Rückporto nicht versehene Manuskripte wert» nicht aufbewahrt. Sprechstunde d Redaktion 5 bis 6 Uhr nacbmirtags. Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dressen. Prager 8<r. 34 »svirioduil« Stkvmpll volMeLmna tSetchiift.fteNe, Druck und Berlaai SaroiUa- vuchdr»cker-i GmbH.. Dresden-»!. 18, Hoibe>»slr»sie<8. Feninii MW. Pnstlcheckkonto Dresden I47iN BaiiNonI»: tvassenge L gkriusivr, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der LäckisNcheu Volks,eituu« Dresden-Alls«. 18, Hoibelnlirake <8. Zernrin M7A Ulld 3W8. Gefahren für Moskau Die Bauernfrage im Innern und die politische Lage in Europa Eine Rede Stnowjews Moskau, 22. Dezember. Auf dem kommunistischen Parteitag erklärte Sinow-> sew in einem Korreferat zn dem Berichte des Zentral komitees, er sei weit davon entfernt, die positiven Seiten der nenen W i r t s ch a f t s p v l i t ik, die zum raschen wirt schaftlichen Wiederaufbau führte, zu leugnen. Er wies auf die Erfolge des „sozialistischen" Aufbaues hin, drückte jedoch einen Zweifel an der Möglichkeit eines endgültigen Auf baues des Sozialismus in der wirtschaftlich zurückgebliebenen Sowsetunion bei der gegenwärtige» internationalen Lage aus. d'ie durch Verzögerung ver Weltrevolutlon und die verhältnismässige Stabilisierung des Kapitalis mus gekennzeichnet sei. Sinowjew erklärte, daß er nicht gegen die neue Wirtschaftspolitik, sondern gegen gewisse Tendenzen ihrer Erweiterung und gegen Versuche ihrer Idealisierung als angeblich sozialistische Wirtschaftsform an- kämpse. Sinowjew wies den Vorwurf der Unterschätzung der Nolle der Mittelbauernschaft zurück und erklärte seine Soli darität mit den Parteibeschlüssen in der B a uer n po li ci k. Er betonte die Notwendigkeit und Entwicklung der pro duktiven Kräfte des Dorfes, warte jedoch vor der Unter schätzung der Gefahren, die seitens der wirtschastü'ch er starkenden Grotzbauernschaft, wie überhaupt aus der Bauern- srage und aus den aus der gegenwärtigen Weltlage hervor gehenden Schwierigkeiten drohen. Rußlands EuropapolMK Tschitscherin über Rußlands Beziehungen zum Westen Berlin. 22. Dezember Der russische Volkskommissar des Aeußeren Tschitscherin, der, wie gemeldet, gegenwärtig in Berlin weilt, hat in Unter redungen mit einer Reihe Berliner Zeitungsvertreter bezüglich seiner Besprechungen mit Briand und anderen französischen Politikern erklärt, es set vereinbart worden, datz sofort »ach dem Eintreffen des neuen Sowjetbotschafters Nokowskl aus Moskau in Paris, also in -er ersten Hälfte des Januar, die offiziellen Verhandlungen zwischen Ruhla nd und Frank reich beginnen sollen. In seinen Unterredungen mit dem fran zösischen Ministerpräsidenten sei festgestellt worden, datz keiner lei erhebliche Gegensätze zwischen Frankreich und der Sowjet union beständen. Dagegen weitz Tschitscherin über ein angeb lich beabsichtigtes Zusammentreffen mit Chamberlain nichts. Die russische Regierung sei der Auffassung, datz für Rutz- land dasEintreten inden Völkerbund unmöglich sei, da die Gegensätze zwischen den Sowjetstaaten und den kapi talistischen Staaten Europas noch zu groh seien, als datz ein ge meinsames Arbeiten im Völkerbunde möglich wäre. Dagegen würde die russische Negierung Geivicht daraus legen, mit Eng land, ebenso ivie mit anderen Staaten präzise Abmachun gen über die Beziehungen Rußlands zu ihnen zu treffen. Schiedsverträge allerdings seien fiir Nutzland unan nehmbar. Eine sofortige E n t >v a f f n u n g s k o n f e r e n z würde die russische Regierung jedoch unterstützen und sich daran beteiligen. Zum Abschluß des Locarnovertrages bemerkte Tschitscherin, datz sich die Haltung Rußlands zu Deulschland dadurch nicht verändert habe. Reichsautzeiuuinister Dr. Stresemann gab heule zu Ehren Tschitscherins ein Frühstück, an dein Ministerpräsident Braun, die Reichsminister Dr. Gehler und Krahne, der Botschafter Graf Brockdorff-Rantzau und die Staatssekretäre von Schu bert. Weißmann, Kempner und Meißner teilnahmen. Am ver gangenen Sonnabend nahm Tschitscherin an einem Frühstück bei General von Seeckt teil. Der russische Autzenkommissar will heute Berlin über Riga verlassen und nach Moskau zu rückreisen. Russische Spione in Ungarn Budapest, 22. Dezember. Die Polizei hat in den letzlen Tagen «ine neue, kommunistische Verschwörung aufgedeckt. Vor läufig wurde» vier Personen verlostet. Unter de» Verhafteten befindet sich der frühere Sektianschef im Ministerium des Aeu- tzeru Marich, ein Journalist namens Kult scher und eine Frau. Die Verhafteten sind geständig und erklären, im Auftrag der Wiener Sowjetgesandtschaft militärische, politische und ivirt- scl>aftliche Spionage getrieben zu haben. Sie l>abcn ihre Nach richten Uber Wien, Bukarest nach Moskau weiiergeschickt. wobei meist die Frau des verliasieten Sektiouschess die Reise aus- sührte. Die Verhafteten gaben auch zu, von der Wiener Saw- jetgesandtsckM regelmäßige Bezüge erhalten zu i-aben. Verlützl Amerika Die Entwaffnungs-Konferenz Keine inoffiziellen Beobachter mehr? London, 22. Dezember Die „Times" berichtet aus Washington, es bestehe wenig Zweifel, daß die amerikanische Negierung die Einladung des Völkerbundes zur Teilnahme an der vorbereitenden Abrüstungs konferenz in Genf an nehmen werde. Man könne mit eini ger Sicherheit Voraussagen, daß bald nach dem Zusammentritt des Kongresses am 14. Januar dieser eine Mitteilung des Prä sidenten Coolidge erhalten werde, in der das formale Verlangen »ach der Zustimmung des Kongresses enthalten sei. Es scheine, datz die Delegation, die schließlich gewählt wird, ebenso voll beglaubigt wird, wie die Vertreter jedes anderen Landes. Dle Aera der inoffiziellen Beobachter" sei endgültig zu Ende. Denn an sehr hohen Stellen herrsche die Ansicht, datz diese Methode des Zusammenwirkens demütigend und unfruchtbar sei. Schulden und Anleihen Washington, 22. Dezember. Beamte des Schatzamtes wiederholten Ihre Erklärungen der leisten Woche hinsichtlich der Ausländsanleihen, wobei sie betonten, datz sie keinen Grund sähen, den Län dern, die aufrichtigen Sinnes Fundterungsabkommen mit den Vereinigten Staaten getroffen hätten, Schwierigkeiten zn bereiten. Sie fügten hinzu, diese Erweiterung der früheren Erklärung der Regiernngspolitik sei die Ant wort auf Anfragen, die durch das langsame Fortschreitcn der Natifl-ierungsdebatte im Kongretz hervorgcrufen seien. Es könne gesagt werden, datz das Schatzamt das Vertrauen habe, datz schließlich alle schivebenden Schnldenabkommen ratifiziert werden würden. Parker Gilbert ln Neuqork. Der Refmrationsagent Par ker Gibert, der gestern in Begleitung von Norman in Neugork elntraf, dementierte die Nachrichten über Päne einer Revision r»»« Dawesplanes oder einer neuen Dawesanleihe. seine Reserve? Um die Prohibition M i ld e r u n g s a n t r äg e im Senat Washington. 21. Dezember. (WTB.) Anläßlich einer Rede des Republikaners Ed ge im Senat, in der er gegen das Antiakkoholgesttz sciiarfe Angriffe richtete und die Herstellung von Bier mit einem Alkoholgehalt von 2.75 Prozent befürwortete, «röffneten verschiedene .Kongreßmit glieder im Repräsentantenhaus ein rednerisches Trommelfeuer auf die „Antialkoholsanattker". Die weitestgehende Vorlage zur Abänderung des Antialkoholgeset^s ist die des Kongreßmitglie des Berger, der sich für 4prozent!ges Bier und IJprozentigcn Wein einsetzt. Obwohl man der Ansicht ist, daß das Gesetz während des jetzigen Tagnngsabschniltes des Kongresses kaum «bgcändert werden wird, so hegen die Anhänger des strikten Alkoholverbotes doch infolge der hitzigen Redeschlachten im Kan gttß die Befürchtung einer starken Zunahme der gemäßigten Alkoholgegner bei de» nächsten Kongreßwahlen. Der Präsident der Columbia-llniversiiät, Bniier, erklärt in einem Schreiben, der Versuch, ein allgemeines Alkoholvcrbot durch Acnderung der Vundcsfassung herbeizuführen, habe sich als kolossaler Fehlschlag erwiesen. Das Prahibitionsgesetz sei angesichts seiner schädlichen Folgen die unmoralischste Maß nahme der Regierung gewesen. Die deutschen Farbslosspalente Washington. 21. Dezember. Die Negierung, die, wie be kannt, bestrebt ist.de» Verkauf der deutschen Färb st as ftp a teufe rückgängig zu machen, hat beim Obersten Gerichtshof einen neuen Schriftsatz angebracht, in dem behaup tet mir-, der Verkauf der Patente an die Chemical Foundation bedeut« eine Abweichung von dem Plan, den der Treulfünder für das feindliche Eigentum Wilson zur Billigung vargelegt habe. Weiter wird behauptet, es liege kein Beweis dafür vor, daß Wilson je erfahren Hain:, daß die Chemical Foundation Nicht die Verpflichtung ütxnnommen sznbe. an alle Hersteller Lizenzen abzugeben und der Regierung so Icke Lizenzen kosten frei einzuräumen. Mehr Verständnis! »»Zentrum und Sozial-emvluatte" Wir brachten in unserer gestrigen Nummer einen Artikel vom Abg. Sieger ivald über „Zentrumspar tei und Regierungskrise". Diesen Aufsatz nimmt der „Dresdener Anzeiger" in seiner heutigen Mor genausgabe zum Anlaß, einige ausführliche Bemerkun gen über die politische Einstellung unseres Blattes über haupt zu machen. Der Gedankengang des Anzeigers ist folgender: Das Erscheinen des Stegerwaldschen Artikels ln der „Sächsischen Volkszeitung" ist einigermaßen auf fallend, vertritt doch sonst dieses Blatt stets mit Nach- oruck die Auffassungen des am meisten linksstehenden Zentrumsflügels und gehört damit zu den treuesten An hängern Wirths. Wir möchten zunächst ganz allgemein sagen, daß wir einem Blatt, in dessen eigenen Spalten wir auch beim besten Willen eine Klarheit in der politi schen Linienführung nicht zu finden vermögen, auch absolut kein Urteil über die politische Linie einer anderen Zeitung Zutrauen. Und eine Kon segne nt durchgeführte klare Linksrichtung wäre, falls sie bei uns zuträfe, noch ganz entschieden besser als eine „Richtung", aus der man überhaupt nicht klug w ird. lins scheint der „Irrtum" des Anzeigers vor allem darin zu liegen, daß er den berichtenden Teil einer Zeitung nicht von dem kritischen Teil unterscheiden kann. Als vor einigen Monaten der „Fall Wirth" auf tauchte. war es ganz natürlich, daß gerade die Zentrums presse sich ausführlich damit beschäftigte. Um den Fall zu klären, wurden bekanntlich nicht nur auf dem Kasseler Parteitag, sondern auch in der Folge bis auf den heu tigen Tag von Wirth mancherlei Reden gehalten. Diese Reden haben wir selbstverständlich, genau wie alle an deren Reden, die irgendwo von Marx aber Fehrenbach oder Stegerwald gehalten wurden, wiedergegeben. Wie wäre denn überhaupt eine Stellungnahme der Zcntrums- wähl erschüft zn der ganzen Angelegenheit möglich, wenn man die Reden Wirths einfach unterdrückte. Die Zentrumswähler haben ein Recht darauf, zu erfahren, ivas beide sog. „Richtungen" innerhalb des Zentrums wollen. Dadurch, daß wir die Gedankengänge W-rths einfach totschwiegen, wäre dem Bolk, das Klarheit ha ben muß, nicht im geringsten gedient. Im Gegenteil, je ausführlicher wir Wirths Anschauungen wiedergeben, um so schneller und klarer wird man im Bolk erkennen, daß Wirth der Fraktion gar kein grund sätzliches Verlassen der Zentrumslinie vorzumerfen vermag, und daß all das. was er bean standet, nur die äußere Taktik der Fraktion angeht, und daß schließlich weiter auch in diesen takti schen Fragen die Situation in Kassel bereits so weit ge klärt wurde, daß Wirth keinen Grund mehr hat. sich außerhalb der Fraktion zn bewegen. Es wäre uns natürlich lei älter, einfach kurze Behauptungen auf zustellen wie etwa: „Wirth muß in die Fraktion zurück", oder „Wir können es nicht länger dulden, daß ein solcher Mann seine eigenen Wege geht". Aber das ist Scklagwort- politik. Dem Volk muß die Möglichkeit gegeben wer den, selbst zn entscheiden. Aus diesem Grunde haben wir allerdings der Angelegenbeit Wirth einen be deutenderen Raum gegeben als srüber. Aber mit diesem berichtenden Teil über den- Fall Wirth konnten wir es nicht bewenden lassen. Der Anzeiger hätte deshalb Gelegenheit gehabt, im kriti schen Teil unserer Zeitung unsere eigene Stellung nahme gründlich kennen zn lernen. Bereits im Rück blick aus den Kasseler Parteitag haben wir mit aller Schärfe verlangt, daß Wirth jetzt nur nach eine ganz bestimmte — nicht zu lang - bemessene Frist gegeben werden könnte bis zur Rückkehr in die Fraktion. Wir haben diese Haltung eines der einflußreichsten Männer als verhängnisvoll für die Parte! bezeichnet und hernor- gehaben, daß eine Arbeit i n der Fraktion das e i n z i g Mögliche und Erträgliche ist. Freilich haben wir — um das Bild vollständig zu mache» auch keine Bedenken gehabt, die wirklich vorhandenen rein äußerlichen und taktischen Mängel der Frak tion hervorznheben. Will man freie Bahn schaffen, so muß das nach allen Seiten hin geschehe». Wir haben es nicht nötig, »ach irgendeiner Seite hin Verbeugungen zu machen, und für uns ist jede Politik, die es „mit kei ner Seite verderben" möchte, schlechte Paiiiik. Und Blätter, die mit der Richtung des Morgenwindes segeln, haben überhaupt lrcinon Anspruch auf politische Geltung. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, daß nur mit derselben Deutlichkeit, mit der wir gegen rechts Vor gehen. auch gegen links uns wenden. Allerdings alles zu seiner Zeit. Alles im richtigen Augenblick. Es kommt nichi darauf an, daß man gegen einen Feind, der ans der linken oder rechten Seite steht, nach Belieben oder gar zn irgendeinem denk, bar ungünstigen Zeitpunkt irgendwelche Schlag worte schlendert oder ihn znm Kampfe herauslocht, ohm