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Sächsische Volkszeitung : 15.12.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192512155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19251215
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19251215
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-12
- Tag 1925-12-15
-
Monat
1925-12
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 15.12.1925
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Dienstag. den IS. Dezember iv-w. Sas SslnMische Vrobleni Die Europäische Revue, eine unserer führenden politischen Zeitschriften, oerössentUcht im Dezcmbe'hest einen Aussatz von Altbundeskanzler Seipel über die Zukunft Ocsterreichs. Der Kanzler hebt darin klar die Gegebenheit und Möglichkeit der öster reichische» Politik von heute hervor. Zu den Eigentümlichkeiten -es ne" u »ach dem Weltkrieg geschajsencn Oesterreich gehört es, dich n sich ununterbrochen über seine Zukunft den Kopf zerbrich, Cs geschieht dies ke- merkensivcrtermcise außerhalb Oesterreich- mehr als in Oester reich selbst. Wenigstens dieser Einseitigkeit in der Beschäftigung mit unserer Zukunft ein Ende zu machen, haben wir im Jahre 1922 versucht. Tie vielbesprochene „Aufrollung der österreichi schen Frage" durch die Kanzlerreisen nach Prag. Berlin »nd Verona halte wesentlich den Sinn, daß Oesterreich seinen Nach barn klar machte es werde von nun an nicht mehr b'sß Objekt der Politik der anderen sein, sondern seine Zukunst, natürlich im Nahmen des unter den gegebenen Verhältnissen Möglichen, selbst milbefllmmen. Dazu forderte und erhielt es die politische Unterstützung des Völkerbundes, die die Voraussetzung der sinauziclien Aktion für Oesterreich war. an der sich in irgend einer Form fast die ganze Welt beteiligte. Der Umstand, daß Oesterreich selbstverständlich auf dem Boden der Vertrage stehen bleiben mußte, die nicht nur es selbst, sondern auch den Völkerbund geschaffen l-atten, wenn es dessen Hilfe erlange» wollte, und daß dies im ersten der Genfer Proto kolle »on 1022 ausdrücklich ausaesprocl^en wurde, war der Oppo sition gegen die damalige Regierung und manchen Leuten im Ausland eine willkommene Gelegenheit, um von einem Ausgeben der österreichischen Freiheit zu sprecken. Das österreichische Volk s löst dachte durchaus anders. Es Hot den Zustand, in oe» cs di: Veränderungen gebracht hatten, die gleich nach dein Kriegc- e-de faktisch vollzogen und in der Folge durch den Vertrag von Ct. Germain formell sanktioniert wurden, niemals al- Freiheit lnipsunden. Aber es hatte sich der größeren Gewalt g b> ,gt und von Anfang an die Unterschrift, die seine Vertreter utcr den erwähnten Staatsvert-ag gefetzt hatten, ernst genommen und ols bindend anerkannt Dazu hat dieses Volk einen großen Abscheu no-dem Krieg in sich, eine» geringen oder eigentlich gar keinen Glaub-m an einen möglichen Erfolg beim Hasardspiel r.nes neuen Krieges, mochte er auch von anderen, Mächtigeren angefangen werden können, dafür aber eit. unerschütterliches Vertrauen daß sich früher oder später die politische und ökono mische Vernunft durchsetzen werde. Daher konnte es sich ihm im Fahre 1922 — und kann es sieb ihm jetzt — um nichts andrres bandeln, als leben zu können und die geliebte Heimat nicht zu verlieren. Mit diesen Feststellungen habe ich das Wesentlich: unserer Politik gekennzeichnet. Wir tre'ben kenie Politik der Nett.Iini- nalianen. Zu erörtern, ob uns durch die Bestimmungen- der Verträge, die den Weltkrieg beendeten, ei» „Unrecht" z.gesügt worden sei. wäre Zeitverlust. Unbestritten ist zweierlei: erstens, daß das „Selbstbestinmungsrecht der Völker" uns gegenüber nicht cmeekannt oder — wie selbst die eifrigsten Verteidiger der Frieden-'-verträoe zugebe» — eingeschränkt werden ist: zweitens, daß das heutige Oesterreich weder nationalen, noch geographi schen, noch ökonomischen, noch historischen Talsaclpn. sondern ausschließlich politischen Erwägungen zuliebe geschossen w:»'de: daß wir keine eig-me, von der deu'schen verschiedene Nation sind: daß Oesterreich keine natürliche geog>. .phische Einheit, kein in sich abgescklosscnes Wirtschaftsgebiet ist. darüber braucht »an Kein Wart zu verlieren. Die deutschen AlpcnlHnd"r des alten Oesterreich waren im Unterschied non Böhmen und Ungarn nie mals eine staatliche Einheit, sondern stets Teil eines größeren Ganeen, die längste Zeit 'ogor gleichwitig Dell zweier großer politischer Gebilde, des Römischen Reiches Deutscher Nation und später seines Er'ntzes, des Deutschen B"»des einerseits und des die Länder um die mittlere Dono» zusammcnfaslenden hobs- burgiscven Erbreiches anderseits. Wir machen diese Tatsachen nicht zum Ausgangspunkt von Forderungen. Wir erinnern nur nn sic. damit man nickt etwa die anders Tatsache übersehe oder zu verlckleie'ii »ersuche. Laß Oesterreich rein aus Gründen der europäischen Volitik geschaffen werde. Die logische Folgerung aus der Erkenntnis und Nverk-nnnng dieser Taisache ist. daß Oesterreichs Zukunft mehr als die irgendeines anderen Staates van den Interessen und der Entwicklung der gesamten euro päischen Politik abhängig sein wird. Ein Besuch des Ford Die Eindrücke, die Professor Dr. !ng. W. Müller bei einem Niindgang durch die Fordwerke erhalten hat, schildert er in einem An'satz der sehr empfehlenswerten technischen Wochenschrift „Die Umschau": Wer kennt nicht den Namen des industriell erfolg reichsten Mannes der Welt. Henry Ford'? Jenes Aniec>- kaners, der nicht nur ein Ingenieur, sondern zugleich auch Kau'inan» mit einem feinen Spürsinn für die kommen den Notwendigkeiten ist? Ist es ein Wunder, wenn alle Amerikarc! senden Detroit ani Ec-esee als einen wichtigen Haltepunkt betrachten, um den gvrdwerken einen Besuch abznstatte»? Fords Verdienst liegt darin, daß er das Auto mobil zum allgemeinen Gebr a u ch s g e g e n st a n d aller Bevölkerungsgruppen gemocht hat. indem »e durch größte Mo senanscrtigung dis Herstellungskosten derart verminderre. das; heute das billigste Auto nur noch 260 Dollar gleich 1092 Mark kostet. Dieses Auto läßt sich auch durch Aü- zahluiigskauf erwerben, wobei eine kleine Summe an« gezahlt und der Rest in Rate» getilgt wird. Bequemer und leichter kann daher der Erwerb eines Autos einem Amerikaner nicht gemacht werden Zur Verminderung der Unkosten hat Ford zwei Wege «ungeschlagen. Einmal fertigt er alles selbst an, was er für seine Wagen braucht und er hat s-'nem Kon zern daher den vertikalen A u > b n u gegeben, d. h. von der Kohlengewinnung über die Stahlerzeugung zum fer tigen Wagen. Er besitzt Kohlengruben, eine E-enba.hu, eine Glaö'abrik, ein Hochofenwerk, Zementwerk, Stahlwerk (im Bau begriffen): eine Papierfabrik usw. und endlich die Auto- und Traktorenwerke selbst. Insgesamt beichästigt de Firma in den USA. rund 150 OOv Menschen und über 40 000 Veakau ssteUc». Entsprechend den täglich rund 7000 sertigzusiellenden Wage» ist alles in dauerndem Fluß. Kommen wir »ach River Rouge, so sehen wir de» Dauerbetrieb an den Hoch- ü'en und Koksösen, und im Glaswerk läuft der Glas strom ununterbrochen tagein. tagaus aus dem Schmelz.'sen »nd erstarrt zu einer großen dicken Platte: di.'e wird nach ihrer Abkühlung in Tafeln z.nnchniltei'., auf einer zwelren, sich dauernd wcitervewegendc» Tischb ihn unter s.ch drehen den Platten geschliffen und poliert. Jährlich fließen so an? den Oc'en GlaSbändcr von rund insgesamt 1.5 M'luviien Meter Länge bei »»ge'ühr 1 M'ter Breite, oaS ist ein Elasband von der rund dreifachen Länge Frank furt—Berlin — Und so wie hier der Betrieb ein laufen der und nie rastender ist, sehen wir ihn auch in de» anderen WerkSabteiluiigen. Uebcrall finden wir die Endlosigkeit der Herstellung durch das lausende endlose Band oder de» Eonveyor. In d-r H a u p t a i e ß e r e i. in der 97 Kupol- ö'en uebmiemander stehen > - wo täglich ungefähr 100» Tonnen Roheisen verarbeite« »erden, die Formen mittels Ma ehinen ange-ertigt, die durch Preßluft in Bewegung ge- 'ekt werden. Die Formen kommen dann so'ort aus das tarnende Band, fahren am Kupolofen vorüber, werden Kort mit flüssigem Gußeisen gesüstt und laufen zwecks Abkühlung dann ein gewiste Strecke weiter. Sobald sic an die vorgs'ehens Stelle kommen, werden Sie noch glühen den Gußtcile entormt. Die leeren Jor "kästen laufen wieder zu den Formmafchinen zwecks Neusülliuig und die Gußteile eilen zur Putzerei. 1'nd ganz äbnl'ch ist das Lasten, des Transportes in den übrigen Aüte'l'ingen. In der Halle, in tvelcher die Werkzengma'chinen zur Herstellung der Motorteile stehen, gehen die Conveyor von einer Maschine zur anderen und mach.n alle menschliche Transporiarbeit überflüssig. Jede Arbeitsoperation ist vorher genau festaestellt und die sür sie notwendige Zeit mit der Stoppuhr gemessen. Jeder Arbeiter hat eine oft nur ganz geringfügige Nebenarbeit zu leisten, aber immer die gleiche Tätigkeit, tage'», tagaus, und von einem Mann rollt das Werkstück zum anderen. So bohrt der eine In ein Gehäuse vielleicht Löcher, aber wenn möglich alle auf einmal und wenn es 60 Stück sind, und der nächste versteht die Xidcher MN Gewinden, wieder alle aus eininal. uni Zeit zu ,par-^r.. Zeitersparnis ist also das oberste Prinzip, t-enn Zeit ist Geld, und jeder Zeitaufwand verteuert das Anca. Au? dem gleichen Grunde wird nicht jede Fläche der M-uvr» aehäuie einzeln geiräsk. sonder» möglichst viele zu gl-vche, Zeit und wenn es deren 6 sind. Nun zum Zusainn, e » ba u der Motoren und Wa-,»r». Auch dieser geht am laufenden Bande vor sich. Alle Schritte stehen ein oder zwei Arbektcr und haben an der Seit-' neben sich ein Gestell mit Einzelteilen, die sr- einbanen mü'seii. Sobald der Motor oder der Wagen u«-> kommt, begeben sie sich an die Arbeit, wobei sie langjam bei gleicher Geschwindigkeit mitgehen und zugleich d», Arbeit verrichten. Es ist dieses nicht so schwierig w-e der Laie denken könnte, da das Band genügend langmm geht: die Hauptsache ist ober, daß es überhauvt läult. weil dadurch al'c Transportkosten durch Menschenhand er spart werden und zugleich jedem Arbeiter die Arbeit auto matisch zugetragen wird. Wenn auch die Arbeiter aus diese Weise dauernd im Arbeiten geholten werde», i« ist die Geschwindigkeit wenigstens bei Ford doch io gering, daß eine lleberansi-engiing kaum einrreren kann. Außer- dem kann jeder das Band anhallen, fall? er aus irgend einem Grunde nicht rechtzeitig fertig wird. Der Zusammenbau der Wagen geschieht !n wenige» Minuten, und am Enoe de» Bandes verläßt dann der fertig» Wagen die Moniagehal!» mit eigener Kraft. Kein Au«» wird mit der Bahn befördert, sondern cnie fahren selbst an den Bestimmungsort, falls er im Detraste- Be-'-k Hegt. V,-o»de> er s'ch fern von Delroil. so komm! ein A zur Ablieierung, das in der nächsten Ser 3 5 M o u ! a p e st e:! e u !m Lande zu- samrnengebaut wird. Zu diesem Zm»ck geben täglich 400 Eilen, bahnivaggons mit d>n scrtigen Einzelteilen nach diesen Stelle«», lind alle diese Teile palten überall gut und genau zuio.nmen: lie können alz neue Teile sür neu zusammciiznsttzende -prägen oder als Ersatzteile für zerbrochene nn al.en Wage» benutzt werden. Stets palten sie. ein Zeichen sür eine außero-d mlich iveit getriebene Normalisierung und zugleich Genauigkei- j„ per Herstellung. Uekerblicken wir diesen Fordschcn Riesenbetrieb nn! iciner glänzenden Organisation, so müssen wir über das gewaltig» Talent des Mannes staunen, und selbst Amerika, dem nickis sc- leicht eine Hochachtung abaewinnt, mell es in diesen. Laase so viel Großartige-^ an menschlichen Schöppingen iv>e an Natur- wunde-m gibt spricht mit einer gewissen Ehrkurcht und zualeich mit Stolz von jenem Manne, der der Schövier dieser leck: ät schen Großtat ist Henry Ford, der dieses Wer» in nur iO Fahren aufgebaut hat und der -uaieich der Menlckbei! -n dem Volksauto ein segensreiches Gelchci>n von geb'-ter Bedeutung gegeben hat. wird für lange Zeit auch in Amerika al» einzig- artiger Geist bleiben, bis vielleicht im Flugwesen später rin neues Genie anstancht, um dieses zu einem allgemeinen Ver kehrsmittel zu gestalten, wenn es nicht vorher schon dahin gebracht wird von — Henry Ford. kiekt b!o8 in 8t. Ugnit? „nlj 3uck kn l.onöon un i Hntv/snj. trinkt msv nur cksn Tag mit oeb's«-' .1s sie--s'»«n, olsr Hstsvis ö>rr»o. Ei-w pmto bkrms. äsOn i°« Hnnanst«- Ke 9 kriutrrie'- 9 6^Ier:esti-r'Ke 6 VsrlktvAvv Ais prsislistv — ^Visäsrvorltüulk!« Ilskstt v. WeillMi». WU li.üiiüHIH sssiwen-lllLtsi' llnü -?s!sto!§ in gnolZsi' Huswatil uncl bOsokicjöcs peeiswep^ Die drei gerechken Kammacher Eine Erzählung von Gottfried ttcUer. sl. Fortsetzung.) Entschloß »r sich aber zu einem Spaziergang, so putzte er sich eine oder zwei Stunden lang peinlich heraus, nahm sein Spazierst'ckchcn »nd wandelte steif ein wenig vors Tor, wo er demütig und langweilig Herumstand und hier nun unendlich langweilige Gespräche führte mit andern Heriimständern, die auch nichts Besseres zu tun wuß.eii, etwa alte arme Seldwyler, welche nicht mehr ins Wirtshaus gehen konnte». Mit solche» stellte er sich dann gern vor ein inr Ban begriffenes Haus, vor e:n Saatfeld, vor einen wetterbeschädigte» Apfclvanin oder vor eine neue Zwirnsabrik und tüftelte auf das angrlegentl-chste über diese Dinge, deren Zweckmäßigkeit und den Kosten punkt, über die Jahrshosfnungen und den Stand der Fcldsrüchtc, von was allem er nicht den Teufel verstand. Es war ihm auch nicht darum zu tun; aber die Zeit ver ging ihm so auf die billigste und kurzweiligste We-se nach seiner Art und di« alten Leute nannten ihn nur den artigen und vernünftigen Sachsen, denn sie verstanden auch nichts. Als di« Seldwyler eine große Akticnbrauerei an legten, von der sie sich ein gewaltiges Leben versprachen, und die weitläufigen Fundament; aus den Boden ragten, stöckerte er manchen Sonntagab»nd darin herum, m't Kennerblicken und mit dem sche'ubar lebendigsten Inter esse die Fortschritte des Baues untersuchend, wie wenn er ein alter Bauverständiger und der grüßte Biertrinker wäre. „Aber nein!" rief er einmal und das andere, „des kr ein fameses Wergg! des gibt eine großartigte An stalt! Aber Geld kosten duht'S, na das Geld! Aber schade, hier mißte mir des Gewehlbe doch cn bißgcn dieser >e>n und die Mauer um eine Idee stärger!" Be! alledem dachte «r sich gar nichts, als daß er nvch rechtzeitig zum Abend essen wolle, eh' «s dunkel werde: denn dieses war der einzige Tort, den er seiner Frau Meisterin antat, daß er nie daS Abendbrot versäumte am Sonntag, wie etwa die anderem Gesellen, sondern daß sie seinetwegen «Nein zu Lause bleiben oder sonstwie Bedacht aus Hn ikehmen mußte. Hatte er sein Stückchen Braten oder Wurst oeriorat. so wurminerte er noch ein We lcken in der Kammer herum und ging dann zu Bett; dies war daun ein vergnügter Sein">ü - -hu gewesen Bei all diesem anspruchslosen sausten und ehrbaren Wese» ging ihm aber nicht ein leiser Zug von innerlicher Iron-.e ab. wie wenn er sich heimlich über die Leichtsinnig keit und Eitelkeit der Welt.lustig machte, und er ichisn die Größe und Erheblichkeit der Dinge nicht undeutlich zu be zweifeln und sich eines viel tieferen Gedankenplanes be wußt zu sein. In der Tat machte er auch zuweilen ein so kluges Gesicht, besonders wenn er die sachverständigen ionntäglichen Reden führte, daß mau ihm wohl ansah, w.e er heimlich viel wichtigere Dinge im Sinne trage, wogegen alles, was andere llnternabnien, bauten und aus- richteten, nur ein Kinderspiel wäre. Der große Plan, welchen er Tag und Nacht mit sich henuntrug und welcher se:n stiller Leitstern war die ganze» Jahre lang, während er ln Seldwyl Geselle war, bestand darin, sich so lange seinen Arbeitslohn aluzuspare», dis er hinreich:, «.ines ichönen Morgens das Gescbäst. wenn es gerade vakant würde, anzukaufen und ihn selb'' znm Inhaber und Meister zu machen. Dies lag all seinem Tun »nd Trachten zu grunde, da er wohl bemerkt hatte, wie ein fleißiger und sparsamer Mann allhier wohl gedeihen müßte, ein Mann, welcher seinen eigenen Weg ginge und von der Sorglosigkeit der andern nur den Nutzen, aber nicht die Nachteil: zu ziehen wüßte. Wenn er aber erst M-'ster wäre, dann wollte er bald so viel erworben Hab:'., um sich anch cinzubürgcrn. und dann erst gedachte er so klug und zweck mäßig zu leben, wie noch nie «in Bürger in Seldwyl, sich um gar nichts zu kümmern, was nicht seinen Wohl stand mehre, nicht einen Deut auszugeben, aber deren io viele als möglich an sich zn ziehen in dem leichtsinnigen Strudel dieser Stadt. Dieser Plan war ebenso einfach als richtig und begreiflich, besonders da er ihn anch ganz gut und ausdauernd durch'ührte; denn er hatte schon ein hübsches Sümmchen zurückgelcgt, welches er ,orgsält:g verwahrte und sicherer Berechnung nach mit der Zeit groß genug werden mußte zur Erreichung dieses Zieles. Aber das Unmenschliche an diesem so stillen und friedfer tigen Plane war nur. daß Jobst ihn überhaupt gefaßt hatte; denn nichts in seinem Herzen zwang ihn, gerade in S.-ld. whla zu bleiben, weder eine Vorliebe für die Gegend, noch sür die Leute, weder für die politische Verfassung dieses Landes, noch für seine Sitten. Dies alles war ihm so gleichgültig, wie seine eigene Heimat, nach welcher er sich gar nicht zurücksehntc: an hundert Orten in der Welt konnte er sich' mit seinem Fleiß und mit seiner Gerechtig keit eben'owchl festhalten, wie hier: aber er Hane keine sre-.e Wahl und ergriff in seinem öden Sinne die erste zu'ällige Hoffnungssafer. die sich ihm bot, um iich darin zu hängen und sich daran groß zu saugen. Wo cs mir wohlacht, da ist nie.n Vaterland! heißt es ,onsk und d:e,es Sprichwort soll unnngetestet bleiben für diejenige!:, weiche «nick wirklich eine bessere und notwendige Urstiche ihres Wolilergehens !m ne->en Vatcrlande an strnvei st» haben, welche in freiem Entschlüsse in die Welt hi"au:-g.gange», um sich rüstig einen Vorteil zn erniiaen und als gebor gene Leute zurückznkeyren. oder welche einem uinvoo i heben Zustande in Schare» entstiekeu und dem Zug- der Zeit gehorchend, die neue Völkerwanderung über die Meere mitwandern: oder welche irgendwo treu re Freunde ge funden haben «als daheim, oder ihren erg nisten Neigun gen mehr entckrende Bernältn ste oder durch irgendein schönere* menschliches Band 'esiaebunde» wurde». Ader auch das neue Land ihres Wohlergehens werden alle dien: wenigstens lieben müssen, wo sie immerhin sind, und auch da zur Not einen Men'ckeii vorstelle». Aber Jobst wußte kaum, wo er war: die Einrichtungen und Gebräuche der Schwerer waren ihm iinverständl «y. und er tagte bloß zuweilen: „Ja. ja. die Schweizer sind politische Leute! Es ist gewißlich, wie ich glaube, eine schöne Sache um die Politik, wenn man Liebhaber davon ist! Ich sür iiis'.ie» Teil bin kein Kenner davon, wo ich zu Haus bin, da ist es nicht der Brauch gelvestn." Die Sitten der Seld wyler waren ihm zuwider und machten ihn ängstlich, und wenn sie einen Tumult oder Zug vorhatten, hockte er zit ternd zuhinterst in der Werkstatt und fürchtete Mord und Totschlag. Und dennoch war es lein einziges Denken und sein großes Geheimnis, hier zu bleiben bis an das Ende seiner Tage Auf alle Punkte der Erde sind solche Gerechte h n- gestreut, die a»S keinem anderen Grunde sich dnh:n ver krümelten. als weil sie zu'ällig an ein Saugeröhrche» des guten Auskommens gerieten, und sie saugen still dar an ohne Heimweh nach dein alten, ohne Liebe zu vcm neue» Lande, ohne einen Blick in die Weite und chne einen 'ür die Nähe, und gl'ichen daher weniger dem freien Menschen, als jenen niederen Organismen, wunderlicher T'erchen und P lanzeniame», die durch Luft und Wassei an die zusällige Glätte ihres Gedeihens getragen worden (Fort-etzung folgt.)
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