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Nummer 287 — 24. Jahrgang Vmal ivöch. Bezugspreis: für Dczbr. 3.— einschk, Aestellgelo. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile Sll^> Stellengesuche 2» L. Die Petitreklamezeile. 89 Milli meter breit, l ^1, Offertengebühren für Selbstabholer Lü L. bei Ueüersenöung Surch sie Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 19 L. Sonmags-Nr. IS Geschäftlicher Teil: Iockes Fohmann. Dresden. Dienstag, 15. Dezember 1925 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. Anzeigenausträge.-» u. Leistung v. Lclmoenersag Für undeutl u. d. Fern» rul übeeinii:. Anzeigen übernehmen wir keine Ner^ niilluo-iuiig llnoerlangl eingesanüle u. m. Rückporto nick! versehene Manuskripte wero. nicht ausbewahrte Emcchsluiioe c>. Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags.^ Houpijcheiftleit.: Dr. Joseph Albert, Dresden,' LlkiVIsikl? /«Ulgo i» Lwnilcn'I >ji>I>g!ie^l: ?I klkMlg.Zgj Isis! IZ15Z „. resri ^Ml.7ncn. v o lrszeuung /No.Nitiiu» ouo krisdil svcll»8teli>»lr»li«l lMMlll« »tiei' ttrt tSefchät« stelle, 2r»ik n»d iverlag, Saroiua- !r uchdrucker-i GmbH.. Dresde»-A. >6. Howeinsiratze4S. gcnmui 32722. P^sischkcklonto Dresden I47!<7 Bnitttonio: Vnssenge L ptrinsNie, Dresden. Für christliche Politik und Kultur üicdakttoil der Sächsischen V»IkSzenn»a Dresden-Allst, lv, Holbeinsimue zeniru' "272 und 33533. Koch will das Kabine» bilden l Nur keine Ueberstürzimg Leute, die au und für sich sehr viel Geduld haben und die aus der Vergangenheit wissen, daß Regierungs krisen bei uns nicht in 5 Minuten erledigt werden, hät ten immerhin erwartet, daß endlich am vergangenen Sonnabend irgendeine Persönlichkeit mit der Bildung des neuen Kabinetts beauftragt morden wäre. Die ganze „Geschichte" dauert nun bereits wieder Wochen und mitt lerweile steigert sich die Zahl der Erwerbslosen, der Kurz arbeiter, die Geldnot der Wirtschaft und des gesamten Volkes nimmt erschreckend zu. Aber Berlin hat Zeit, viel Zeit, um mit allen Parteifinessen auch diese Krise so sich entwickeln zu lassen, wie es „Tradition" ist. Es ist bekannt, daß der Reichspräsident Hindenburg die Vermittlung zwischen den Parteien in gewissem Sinne und bis zu einem bestimmten Grade selbst über nommen hatte. Es war sein Wunsch, daß die große Koalition gebildet werde. Zu verschiedenen Malen hat er die Führer aller Parteien empfangen und ihnen eiudringlichst nahe gelegt, ihren ganzem Einfluß auszu- iiben, um die Bildung der Negierung auf breitester Basis zu ermöglichen. Das Resultat dieser Bemühun gen war, daß die Sozialdemokraten eine Reihe von Punkten aufstellten, die als Verhandlungsbasis dienen sollten. Es waren keine ultimativen Forde rungen, und selbst in der Deutschen Volks partei zweifelte man keinen Augenblick darüber, das; sich über diese Punkte reden lasse. Um dein Wunsche Hindenburgs nachzukommen, erklärte die Volkspartei auch ihrerseits, das; sie zu Verhandlungen bereit sei. Die übrigen Parteien. Zentrum und Demokraten, waren ja von Anfang an f ü r die große Koalition. Nachdem also formell die Verhandlungsbereitschaft sämtlicher für die Regierungsbildung in Frage kommen der Parteien vorhanden war, war der Zeitpunkt gekom men. das; eine Persönlichkeit mit der Kabinettsbildung beauftragt werde. Nunmehr hatte die reine Ver tu i t t l e r t ä t i g k e i t des Reichspräsidenten aufzu hören. Der Mann mußte in die Erscheinung treten, der offiziell als zukünftiger Kanzler seinerseits mit den bereitstehenden Parteien in Verbindung trat, um das Kabinett zu schaffen. Dieser Zeitpunkt war unbedingt am Sonnabend gegeben und alle Welt hielt das auch für selbstverständlich. Und was die Parteizugehörig keit des zukünftigen Kanzlers anbelangt, so hätte der Reichspräsident wissen müssen, das; es im Willen des Zentrums und der Demokraten läge, wenn keine Per sönlichkeit aus ihren Reihen beauftragt würde Warum nicht? Erstens weil es schließlich diese beiden Mittelpar teien nicht nötig haben, immer das wieder gut zu machen was andere heraufbeschworen haben, und zweitens weil die Deutsche Volkspartei, wenn s i e den Kanzler für die große Koalition stellt, viel enger an diese so notwen dige Koalition gebunden wird und dann vielleicht weniger Lust und Behagen verspürt, bei der ersten besten Gelegenheit wieder davonzulaufen. Es ist nun aber am Sonnabend nichts in der Frage der Berufung geschehen. Dagegen etwas anderes. Der Reichspräsident hat den Versuch gemacht, das Zentru in zu veranlassen, die Verhandlungen zwischen den Par teien noch weiterhin zu betreiben. Diese An regung wurde vom Zentrum gründlich abgelehnt. Ein solches fortdauerndes endloses Verhandeln seitens einer Partei lind nicht von seiten eines wirklich mit der Kabi nettsbildung beauftragten Kanzlers muß geradezu als Vergeudung jeder kostbaren Minute angesehen werden. Die Parteien haben lange genug inoffiziell herumdebattiert, jetzt kommt es auf die berufene Persönlichkeit an. die endlich offiziell handelt. Der Vorstand der Zentrumsfraktion hat in aller Form ztnn Ausdruck gebracht, daß ein Mitglied der Zentrums fraktion eine inoffizielle Vermittlerrolle nicht über nimmt. Wenn dann schließlich am gestrigen Sonntag der Abg. Fehrenbach vom Reichspräsidenten Hinden burg empfangen und ihm die Frage gestellt wurde, ob er in aller Form (also offiziell) bere" sei, die Bildung des Kabinetts zu übernehmen, so kam dadurch am besten zum Ausdruck, was man eigentlich beabsichtigte: Das Zentrum sollte wieder einmal während der schwierig- st e n Phase des Kampfes sich in den Mittelpunkt stellen, tagelang verhandeln und schließlich nach ein oder zwei Wochen wenn nichts erreicht wurde — unter einem „mitleidigen" Lächeln anderer von der Bühne zurücktreten. Man dachte also an ein neues Possenspiel. Oder falls dem Zentrum die Bildung des Kabinetts doch geglückt wäre, so brauchte dieses Kabinett ja noch längst keine ewige Dauer zu haben. Vielleicht Hütte diese bis zu dem Zeitpunkt gereicht, für welchen eine neue Dis kussion über die Wiederaufnahme der Deutschnationalen in die Regierung geplant ist. Also nach allen Seiten hin überlegt. Fehrenbach aber hat Gelegenheit genom men, dem Reichspräsidenten gründlich die Meinung seiner Fraktion zu sagen. Und zwar in dein Sinne, daß das Zentrum überhaupt nicht beabsichtige, die Führung bei der Regierungsbildung zu übernehmen oder auf den Kanzlervosien Ansprüche zu erheben. «erliu, 14. Dez. (Drahtbericht WTB) Der Herr Reichspräsident empfing l>eute vormittag de» Reichsministcr a. D. Dr. Koch <De»«.l zn einer Besprechung über die zurzeit gegebene politische Lage und die Regierungsbildung. Er richtete hierbei an Herr» Dr. Koch das Ersuchen, auf der Grundlage der Großen Koa lition die Regierungsbildung zn übernehme». Reichs- Minister a. D. Dr. Koch erklärte sich zur An nahme dieses AnftrageS bereit. Dr. Ko 6) hat die Verhandlungen »üt den Parteien sofort begonnen. Er denkt an eine Kabinettsbildung in intimer Zu sammenarbeit mit Dr. Luther und Dr. Stresema n n. Zu nächst empfing Dr. Koch die Abgeordneten Fehrenbach und Marx vom Zentrum. Weitere Empfänge sind zur Zeit noch nicht ange setzt. Um 2 Uhr beginnt die Sitzung der demokratischen Reichs tagsfraktion, in der Dr. Koch Bericht erstatten wird. Die Aus sichten für die sofortige Bildung der großen Koalition sind heule eher schlechter als besser zu nenne». Der Versuch könnte an der Personenfrage scheitern. Dann würde Hindenburg den gleichen Versuch erst noch mit einer anderen Persönlichkeit wiederhole». Falls aber Abg. Koch bei de» Verhandlungen erkennt, das; die Parteien noch nicht auf ein sachliches Regierungsprogramm ein gestellt sind, das heißt, daß die Zeit für die große Koalition noch nicht reif ist, würde Hindcnburg voraussichtlich Dr. Luther ersuchen ein Kabinett der Mitte zu bilden halb parlamentarischen, halb Beamiencharakters, das später, vielleicht im Frühjahr in ein solches der großen Koalition umgewandclt werden könnte. Vorher muß aber erst das Ergebnis des Versuches des Abg. Dr. Koch abgcwartet werden. » Dem Besuche de» Abg. Koch beim Reichspräsidenten sind im Lause des Sonuabeiidnachmittags andere Versuche des Reichspräsidenten die Regierung zu bilden voran gegangen. Schon am Freitagabend war der Reichs präsident an den Vorsitzenden der Zentrumssraktion, den Abg. Fehrenbach herangetreten mit dem Ersuchen, die Vermittlung zwischen den Parteien zn übernehmen, oie für die Große Koalition in Frage kommen. Im Ver laufe einer Unterredung, die der Reichspräsident am Sonn abend mit Fehrenbach hatte, richtete er an den Vor- Die Presse der Deutschen Volkspartei wußte seit her nichts lauter und deutlicher auszusprechen und iin- inerfort zu wiederholen, als daß s e l b st v e r st ä n d l i ch D r. Luther auch das zukünftige Kabinett führen iverde. Trotzdem ist keine Berufung Luthers erfolgt. Wer politische Zusammenhänge verfolgt, wird das leicht begreifen können. Ein erheblicher Teil der Deutschen Volkspartei intrigiert — trotz der offiziellen Partei erklärung, das; man bereit sei, in Verhandlungen cinzn- treten — gegen die große Koalition. Das ist eine feststehende Tatsache, und Stresemann hat seine Leute nicht so in der Hand, daß er sie wirklich zn prak tischer Arbeit begeistern könnte. Dieser Umsland, das; die Volkspartei immer noch nicht mit dem Herzen bei der Sache ist, ist überhaupt der e i g e n t l i ch st e Grund, das; die .Krise sich so überaus lange hinzieht. Man hat bei einem gewissen Teil der Volkspartei gar nicht den Willen, mit der Sozialdemokratie auf eine Linie zu kommen. Diese scharfen Widerstünde innerhalb der Deutschen Volkspartei werden natürlich auch der mit der Kabinettsbildung beauftragten P ersönlichkeit die größten Schwierigkeiten machen, so daß gegenwärtig noch wenig Hoffnung auf Erfolg besteht. So könnten wir sehr wohl verstehen, wenn Herr Dr. Luther gerade diese Per sönlichkeit, die vielleicht zum Scheitern verur teilt i st. nicht sei iMi ö ck t e. Via» hat das irgend wo auch schon anders ausgedrückt und die Vermutung ausgesprochen, das; Luther sich für eine bessere Situa tion bereit halte. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, sind aber der festen Meinung, daß Luther gerade jetzt in dieser Situation hätte beauftragt wer den müssen. Er hätte dann in aller Oeffentlichkeit be weisen können, das; er es ehrlich mit der großen Kooiition meint und er hätte Gelegenheit gehakt, darzutun, daß er heute mit demselben Eifer die wirklich staatserhal- tcnden Kräfte zu sammeln bestrebt ist, mit dem er vor Jahresfrist sich bemühte, die vermeintlichen vater ländischen Kräfte in einer Regierung zu vereinen. Aus der ganzen Entwicklung der Dinge können wir auch ohne weiteres schließen, daß jene Kreise, von denen Hinden burg schlecht beraten und veranlaßt wurde, dein Zentrum und den Demokraten die Führung zuzuschieben, sich in der Volkspartei befinden. Nachdenk das Zentrum dem Reichspräsidenten eine deutliche Antwort gegeben, blieben nur noch die Demo kraten übrig. Wie soeben von Berlin gedrahtet wird, hat Dr. K o 5), der Führer der Demokraten, der für heute inittag zum Reichspräsidenteik geladen war, den Auftrag zur Kabinettsbildung angenommen. Man kann darüber erstaunt sein und die Frage stellen, warum die Demokraten nicht geineinsam mit dem Zentrum die Ver antwortung auf die Volkspartei abgeschoben haben. Wir sind folgender Auffassung: Das Zentrum hatte Ursache abzulelmen. weil es in jeder Krise seither dazu aus- sitzenden der Zentrumssraktion die Frage, ob er bereit wäre, einen Auftrag zur Führung der Verhandlungen über die Regierungsbildung auf der Grundlage der Großen Koalition zu übernehme». Fehrenbach erwiderte, daß er sowohl aus persönlichen Gründen, wie auch ttn Hinblick auf die Auffassung der Zentrumssraktion nicht kn der Lage sei, einen solchen Auftrag anzunehmen. Das Zen trum beabsichtige nicht, die Führung bei der Regierungsbildung zn übernehmen, oder gar an; den Kanzlerpvsten Ansprüche zn erheben. Seine Ab lehnung gelte daher nicht nur für seine Person, wustum für das Zentrum überhaupt. Der Vorsta » d der Zentru m s fralti v n , der am Nachmittag eine Sitzung abhielt, unterstützte die S.el- lungnahme Fehrenbachs durch folgenden der Press: üoer gebenen Beschluß: „Tao Zentrum hält a» dem Gedanken der Großen Koalition fest. Das Zcntrnm ist nach wie vor gegen eine sogenannte Kleine Koalition der Mitte." Außerdem bekundete der Parteivorstand, Vas; er ..coucl, mit einer Betrauung des früheren Reichstanzl:rs M.: rr mit der Kabinettsbildung nicht eiuverslanden e. u/.m kvnnie, zumal Marx selbst zum Ausdruck gebrach! h.n. ras; er eine solche Berufung nicht an nehmen würde. Tau:.! wer den Gerüchten, die von einer Absicht des Re-.chsvrä . - Marx init der Kabinettsbildung zu beauftragen, von r .i herein jede Möglichleit der Wirkung entzogen. Die Deutsche Volks Par tri Hai bei den - hcrigen Verhandlungen eine vollkommen prn'ivr R : Ipielt. In parlamentarischen Kreisen hat mau d.m st - druck, daß der rechte Flügel der Deutschen Vollspa: . Frage der Bildung der Großen Koalition mir mir.sc. , m rückhaltung beurteilt. Es wird viel ttmimenttrr.-, c, e Auftragserteilung an D r. Luther, die am Anmn, : ganz selbstverständlich angenommen wnede, »ihr e - ist. Man bringt diesen Uinstand mit den Vorgänge... Deutschen Volkspartei in Zusammenhang. Die F. der Deutschen Volkspartei hält heure nachmittag Sitzung ab. — Auch die d e m o t raci s ch e F r a t i o n heute nachmittag zuiammen, ccm sich von ihrem Vom ersehen war, für andere die Wege zn re.eue.: es stets die Vermittlerrolle übernehmen mußte r-.. terher wahrhaftig nicht den Dank der Parteien e Es war in der Tat jene Zurückhaltung am Pia c wir auch schon bei früheren Gelegenheiten gern : Zentrumssraktion geübt gesehen hatten. Was die " braten angeht, so stehen diese wesentlich anders de l sie sich bei den seitherigen Krisen bezüglich der 5. frage mehr im Hintergründe halten konnten. Da e nun immerhin das Zentrum und die Demokrat«.'!' n zahlenmäßig einen ganz c r h ebliche n Teil der '. e große Koalition in Frage kommenden Parteien bi . ja das Zentrum allein schon stärker als die Polst:- ist, so k o nute man zn der Erwägung kommen, ob - t wenigstens ein Demokrat die Berufung zum Kan t annchmen solle. Und diese Annahme ist zue Tatst::, worden. Natürlich kann man auch der anderen Me: nnng sein, daß Koch hätte ablchnen sollen, wir die Partei und nicht zuletzt Dr. Luther zur Klarheit zu ob: gen. Wenn allerdings Dr. Koch ein gescheiter «?'---.n ist, so wird er schließlich auch aus dem jetzige,'. Weg- klarere Bahn zu schaffen in der Lage sein. Alan u e wünschen, daß er es mit aller Gründlichkeit tut Es ist wahrhaftig Zeit, dos; die gegenwärtig - P r- teiwirtschast endlich ein Ende findet. Wir haben : -b ä Erwerbslose und L Millionen Kurzarbeiter. Zu der aüernächsten Zeit werden die letztere» ans 3 Mi" eu entwachsen. Es wird noch eine ganze Reihe g.st öst licher Zusammenbrüche zn erwarten sein, die sinm Mle Not der Wirtschaft wird sich noch sehr erheblich v, st Ar sen und die Arbeiter werden noch mehr als beut. och Brot und Kleidung rufen. Müßte diese Schwere der Zeit nicht endlich die Parteien einen? Die gegenwärtig Ne gierung kann keine wichtigen Entscheidungen in gcst ben und so sehr die Dinge zur Lösung drängen, m ' u wer wieder alles verschoben werden, dis die R e rle rn ngs Krise gelöst ist. Wir möchten wünschen, das; das Zentrum seine Klare Linie unbedingt w.iter- verfolgt und nicht bei irgendeiner heiklen Gelege beit. — die bestimmt nicht ausbleiben wird — zur weitere» Verzögerung dieser unkerechtigsten aller Krisen beiträgt. F A. SN >tir vis grob enumm een un?rcer Leitung rvrdc; Neckung vei-senöen können, 5in<^ Vt/ll- ieciesreil >roch B?r:cht ersuuttil zu la'-c'.: