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Nummer 4 — 25. Jahrgang S:»al wöch, Bezugspreis: silr Januar 3,— einschl. Bestellgeld, Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile SOL« Eieilengesuche 20 Die Petitreklamezeile. 8S Milli meter breit, l Osfertengebühren für Selbstabholer LO .Z. bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 Z, Sonntags-Nr. 15 L. Geschäftlicher Teil: Io^efFohmann.Dresden. SöckMe Mlltwoch, 0. Juimnr 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz, Für undeutl. u, d. Fern^ ruf übermitt, Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte wers nicht aufbewahrt« Sprechstunde d. Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags, Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden) voirsmiung zprschiiftcstell«, Druck und Verlag > Saronia- Buchdrucker,i GmbH.. Dresden-«. IS. HoibeinsiraheSS. gcrunif 38722. PoINcheckkonto Dresden I47S7 Bankkonto: Bafsenge S Artus»«, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Boliszettnng Dresden-Allst. 18, Holbeinstraho 16, gernnv 62781 und 33533. Eine Regierungskrise in Oesterreich? Haltlose Gerüchte über die christlichsoziale Partei. — Umbildung des Kabinetts. — Wirtschaftsprogramm. — Kommen Neuwahlen? (Von unserem Zg.-Korrespondenten) Wien, 3. Januar. Sieht inan von den christlichsozialen Zeitungen ab, so hat die gegenwärtige Regierung Rameck keine Presse, die ihm wohlgesinnt wäre. Besonders kann man das wahrnehmen, wenn die Regierung vor entschetdungsvol- len Schritten steht. Die sogenannte „bürgerliche" llies „liberale") Presse, die bisher als ernst galt, fand sicb besonders neuerdings am Tummelplätze der poli tischen Sensationsgier ein. (Ganz wie bei uns in Deutschland. D. Red.) Das Rennen und Haschen nach Gerüchten war noch nie so in Erscheinung getreten wie in diesen Tagen. Wer diese Blätter las, mußte glauben, daß wir stündlich Dinge erleben können, die an die Um sturztage erinnern. Allenthalben waren Totengräber am Werke. Die Stunden her Regierung schienen gezählt, ein neues Kabinett war in Sicht. Man kannte die neuen Männer schon. Der ehemalige Finanzminister Dr. K ienböck wurde u. a. als kommender Bundeskanzler bezeichnet. Andere wiederum bezeichneten Nationalrat Dr. Gürtler als solchen, der mit einer schwarz-roten Koalition auf dem Wege von Graz nach Wien sei. „Bes ser Informierte" wußten sogar von Neuwahlen zu erzählen. Staatsaffären wurden konstruiert, um zwischen die Christlichsozialen einen Keil zu treiben. Kleine Mei nungsverschiedenheiten unter christlichsozialen Politikern genügten, um glauben zu machen, daß die Partei eines Dr. Lueger sich spalte. Mit Spannung sah daher alles der christlich- sozialen Neichsparteileitungs - Sitzung entgegen, deren plötzliche Einberufung für den 29. De zember für Gerüchte neue Nahrung war und diese zu bekräftigen schien. Aber diese Parteisitzung brachte nichts Sensa tionelles, sondern es wurden in aller Ruhe und Sachlichkeit vor allem die Folgerungen beraten, die aus der Beendigung des Genfer Sanierungs werks hervorgehen. Das österreichische Problem gip felt nach der staatsfinanziellen Sanierung durch den Völkerbund in dem „Hilf dir selbst". Aus diesem Ge danken heraus hat die christlichsoziale Partei ein Wirt- schaftsprogram m entworfen, das der Sanierung der Privatwirtschaft dienen soll. Doch zuvor dürfte die Regierung bereits in den nächsten Tagen aus taktischen Gründen zu rück treten. Wir sagen aus taktischen Grün den und nicht etwa ob der berüchtigten Meinungs verschiedenheiten. Es wird hierbei eine kleine Umbildung erfolgen, vor allem dürfte Außenminister Dr. Mataja aus sch ei den. Chef des neuen Kabi netts wird aller Voraussicht nach wieder Dr. Rameck sein. Die neue Regierung wird als Regierungs erklärung das Wirtschaftsprogramm vorlegen, das nicht ein starres Dogma sein soll, sondern lediglich die Grundlage für weitere Verhandlungen bilden wird. So ist vor allem daran gedacht, um dem Kapitalsmangel entgegenziiarbeiten. die Banken zu verhalten, ihre in ausländischen Industrien und Unternehmungen angeleg ten Gelder zu rück zuziehen und sie im Inlande zu verwenden. Die Notenbank unter starke staatliche Kon trolle zu stellen, wie es die Steirer verlangten, wurde entschiedenst abgelehnt. Der Bezug ausländischer Koh le» soll zugunsten der inländischen auf das notwendige Mindestmaß herabgesetzt werden. Die Tarifpolitik der Bundesbahnen wird zur Entlastung der Verfrachtung der Güter eine Aenderung erfahren. Die Ausbeutung der Bodenschätze soll nach Kräften intensiviert werden. Fer ner ist eine Vereinfachung des Steuersvstems vorgesehen, wodurch Herabsetzungen der Steuern erzielt werden sollen. Schließlich wird danach getrachtet, soviel als möglich langfristige Auslands Kredite ins Land zu bekommen, England hat einen großzü gigen Plan für Hypothekarlrredite in Oesterreich der Regierung unterbreitet. Auch von bevorstehenden Neuwahlen wußte die Presse zu berichten. Auf der Reichsparteileitungssikung erklärte Dr. Seipel: „Neuwahlen werden wir haben, wenn wir schwach werden," Da Neuwahlen nicht vom Willen der Sozialdemokraten, sondern von dem der Christlichsozialen abhängen, so sind in Wirklichkeit keine Wahlen zu erwarten, zumal sie keine nennenswerten Kräftenersckiebungen brächten. Wer sich zur Jahreswende ein bißchen in der Welt umgesehen hat. wird gefunden haben, daß es im Lande der Barockkultur doch besser bestellt ist, als es etwa der Ruf dieses Landes verrät, das den Vergleich mit man chem Lande aushält. Freilich, der Wünsche bleiben viele unerfüllt, das Dasein der großen Masse ist ein recht küm merliches und noch kann man nicht frohgemut in die Zukunft blicken. Es wird Jahrzehnte bedürfen, ehe wir wieder ganz erträgliche Zustände und Verhältnisse bub»» Die Mission Amerikas Delegation für Genf Die natürliche Folge des Locarnooertrages London, 5. Januar. (Draht.) Wie der Korrespondknt der Times aus Washington berichtet, hat der Präsident (Loolidge die Absicht, den ameri kanischen Gesandten in London, Houghton, znm Führer der amerikanische» Delegation für die Abrüstungs konferenz zu ernennen. Es sek ivährscheknlich, daß der amerikanische Botschafter in Italien, Henry Fiel» l'cher, sowie der Gesandte in Bern, Gibson, ihn be gleiten werden. Nemiork, 5. Januar In einer Botschaft an den Kongreß crlilärt Coolidge, das; eine internationale Abrüstungskonferenz Abmachungen über die Beschränkungen der Rüstungen treffen müsse, denn sie sei die natürliche Folge der Loearno-Vcrträge. Die Regierung der Ver einigten Staaten sei offiziell zu den Genfer Vorbesprechun gen für die Entivaffnungslionferenz eingcladcn worden. Präsident Coolidge hebt jedoch ausdrücklich hervor, daß die Teilnahme Amerikas an diesen Vorbesprechungen nicht dazu verpflichte, auch an der endgültigen Entwassnungs- konserenz teilzunehmen. Es heißt dann wörtlich: „Hier ist weder Zeit noch Ort, um sich über die Möglichkeiten irgendeiner Entwaffnungskonserenz auszusprcchen. Es genügt die Feststel lung, daß die Regierung der Vereinigten Staaten zur Teilnahme an den Vorbesprechungen über eine allgemeine Abrüstungskon ferenz eingeladen ist, die die Wege für endgültige Abmachungen in der Abrüstungsfrage vorbereiten soll. Es braucht auch nicht erörtert zu werden, ob die Bedingungen und Umstände vorhan den sind, die es wünschenswert erscheinen lasse», daß die Ver einigten Staaten an der endgültigen Abrüstungskonferenz teil nehmen. Es ist meine Ueberzeugung. daß, soweit Vorbespre chungen in Frage kommen, wir unsere Hilfe und Mitarbeit nicht versagen dürfen. Ich bin ferner der Ansicht, daß das Wett rüsten der nichtigste Faktor für den Ausbruch von Kriegen ist. was sich jetzt offensichtlicher denn je zeigt. Die Notwendigkeit, die Steuern zu ermäßigen, wir- in allen Ländern immer dring licher, was jedoch nur dann möglich Ist, wenn die Rüstungen beschränkt werden." Dem Kongreß ist ferner eine Sonderbotschaft Coolidges zugegangen, in der die Bewilligung von 50 000 Dollar zur Dek- kung der Unkosten erbeten werden, die durch die Teilnahme an der vorbereitenden Abrüstungskonferenz in Genf entstehen. Da mit wir- gleichzeitig die Genehmigung zur Entsendung einer Delegation nach Genf nachgesucht. „Der unfruchtbare Zweig.. Die rumänische Kro » Prinzeu - A' faire Bukarest, 5. Januar Der Adjutant des bisherigen Kronprinzen Carol, Oberst Condeescu, hat das Kriogsministerium telegraphisch von seiner Demission in Kenntnis gesetzt und wird weiter als Pri vatsekretär beim Prinzen bleiben. Rach Andeutungen der rumä nischen Presse rechnete Prinz Ca>vl bereits seit einiger Zeit da mit. das; er z»m Verzicht ans die Thronfolge gezwungen werden würde, da von faschistischer Seite ein Komvlott gegen ihn angezettelt wurde. Als ein Abgeordneter der Opposition dem König erklärte, die Verbannung des Kronprinzen Earol sei ein Schaden für die Zukunft des Landes, antwortete der König Ferdinand: Der unfruchtbare Zweig muß voni Baume abgesagt werden. Weitere Meldungen besagen unzweideutig, daß der Kronprinz zum Verzicht auf die Thronfolge gezwungen worden ist. Er hat sich verpflichtet, während 10 Jahren nicht nach Ru mänien zurückzukehren. Berlin, 5. Januar Aus Bukarest wird gemeldet: Beide Häuser des Parlamcnts hielten am Montag eine Sitzung ab. um sich mit dem Thionoer- zicht des Kronprinzen Laröl zu befassen. Der Gesetzentwurf über den Thronverzicht und die Proklamier««»; des Prinzen Michael zum Thronfolger wurde von den beiden Häusern des Parlaments angenommen. Die Mitgueaer der Opposition enthielten sich der Abstimmung. Mitglieder -es Rcgentschafts- rates wurden Prinz Nikolaus, der Patriarch Crista Miron und der Präsident des Kassalianshofes Bupdugan sein. Wie das „Berliner Tageblatt aus Bukarest meldet, bleibt Prinzessin Helena (die Kronprinzessin und Fra» Carols) wei ter Mitglied des königlichen Hauses, behält das Palais des Kronprinzen und widmet ihr Leben der Erzie-n>"g ihres Sohnes Michael, der zum späteren König bestimm' ist. Sie hat be reits die bindende Erklärung abgegeben, daß sie n .ch einer Schei dung eine neue Ehe nicht eingehen werde. Während der Sitzungs dauer -cs Parlaments wurden sowohl in de: Hauptstadt als auch in der Provinz erhöhte militärische Vorsichts maßnahmen getroffen, da für den gewesenen Thronfolger Kundgebungen erfolgten. In Klausenburg halten die Demon stranten ein Manifest erlassen. General Hoiban hat einen zmei- nwnatigen Urlaub angetreten Koughlons Neue Vorschläge der franzöfischen Jnduslrietten Ein neuer Saniernngsplan zur Rettung der französischen Währung. Paris, 5. Januar. (Draht.) „Oeuvre" glaubt zu wissen, daß die n o rd franzö sischen Industriellen dein französischen Finanz minister heute eine neue Fassung ihrer Vorschläge überreichen werden. Die Industrielle» haben ihr ursprüng liches Angebot beträchtlich erweitert. Die Ver handlungen zwischen den einzelnen Industriezweigen haben dazu geführt, daß jetzt nahezu die gesamte französisch: Fn- dnstiic ocm Staate ihre Nnterstiitziilig anbictcii wird. TaS neue Moment fomint darin zum Ausdruck, daß ein Teil des Privatbesitzes an der Wiederainrichtiing der Finanzen Mitwirken wird. So lautet sowohl die Formel der Industrie wie die der Sozialisten. Interessant ist, daß die Sozialisten mit ihren! Vorschläge einer Umwandlung in eil! zwangs läufiges Gesetz zurückhalten wollen, wenn es sich herausstellt, daß die Private Initiative der Industrielle» zn Praktisch ausreichrndrn Resultaten führt. Dem „Oeuvre" zufolge wird es in dreier Angelegenheit zu einer große» Anssprache in der Kammer kommen, Vvn der eventuell schon eine be deutende Rückwirkung auf den Stand der französische» Währung zu erwarten sek, Die bulgarische Regierungsbildung Sofia, 5, Januar Der König Hai den bisherigen Ministerpräsidenten Zan. ko ff und den Abgeordneten und früheren Minister Lsabt- scheff in Audienz empfangen. Im Anschluß daran genehm'gie der König den Rücktritt der Regierung Zankofs »nd ernannte L > abtscheff zum Ministerpräsidenten. Das neue Kabine!! bat folgende endgültige Zusammensetzung: Vorsitz und Inneres: Ljabtschesf, Auswärtiges: Büro!!. Oefscnüicher Unterricht: Natdenoff. Finanzen: Wladimir Maivif. Justiz Ku- lefs. Krieg: General Walkoff. Handel: BobvschewN-i, Ackerbau: Ehristoff, Oeffentliche Arbeiten: Slavenko Wassilc' ''-neu.' Konwn Kcorgiesf. Landestrauer in Iiaiien Berlin, 5. Januar. Wie der „Lokalanzciger" ans Rom meldet, sind aus Anlaß des Todesder Königinmutter in ganz Italien die Schulen, Theater und Gerichte gcickl'">», Mussolini richtete eine Botschaft an die Ration, in der die Ver dienste der Verstorbenen um das Volk hervorgehoben werden. Die Beisetzung im Pantheon wird am Sonnabend erfolgen. Kleinliche Seelen „E i n Z c n t r u m s m a n n g c g e n d i e G r o ß« K v a l i t i o n" Der badische Zentrumsabgeordnete Ad, Schäfer brachte in der „Bvdeniee-Zeitung" einige Gedanken zur geg euwärtigen Regierungskrise, Er vertrat da bei'den Standpunkt, daß die Krist unbedingt so schnell wie möglich beendet werde» müsst, Ob dabei die Weg« der großen Koalition nvchmals versnckt werden soll ten und könnten, das könne fern vom Schauplatz nicht geragt werden, Hoffnungen nach der N chlung hin dürsten mehr als e:n Fragezeichen tragen. Ist nun an diesen Erklärungen Dr, Schv'ers etwas v e 1 v >1 o e r e s? Wir wüßten beim besten Willen nicht, was. Was Dr, Schoser zum Ausdruck bringt, hat die ge tarnte Zentrumspresst seit Wochen Wied- holt ackstigt. Daß eine sofortige Lösung erfolgen in "st, ist un? gar nichts- Neue?- mehr, und daß man d"- Zustandekommen der grasten Zvaknon, trotzdem man "ch von neuem um sie bemüht, mit Fragezeichen versehen müsse, ist eine eben solche Selbstverständlichkeit. Wo also der Widerspruch zwischen Dr. Schvsers Mei nung und dem übrigen Zentrum zu konstruiere» ist, und zwar in dem Sinne, daß SchoferS Stimme „als eine Zen- trumsstimme gegen die große Koalition" gewertet werde, das blieb anderen Vorbehalten, Es ist sehr interessant, wie sorgsam alle Regungen im Zentrum beobachtet werden und welch liebevolle Mühe aufgewandt wird, um sich über die Zcntrumöpolitik zu orientiere». , Natürlich nicht, um etwas, was man sonst politische Bildung oder Poli tischen Weitblick nennt, daraus zu lernen, sondern nm in diesem elend verhaßten Zentrum, über das die anderen Parteien mit ihren Programmen immer wieder zu stolpern gezwungen sind und sich in aller Oeifentlichkeit blamieren lassen müssen — um in diesem Zentrum einen gegen den anderen anszuspieleu. Einmal ist es Wirth. dann Stegerwald, dann Lammers und heute Schoser. Die Reihe wird in Zukunft noch ellenlang verlängert werde». Man überläßt solche Dinge gerne den „Trödlern" in der Politik, die kein besseres Ziel kennen als sich selbst und ihre Partei. Sie richten sich durch ihre eigene Ansdrucks- ideise. Und der Umstand, daß es auch in Zukunft iniiner- sort drcic 'reinlichen Seelen geben wird, läßt »ns er kennen, daß es überaus schwer ist. sich aus engem Ge knnkenkretfe zu be"reten.