Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 05.04.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192904057
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19290405
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19290405
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-04
- Tag 1929-04-05
-
Monat
1929-04
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 05.04.1929
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Religionshetze eines Lehrervereins Dresden, 4. April. Der Landesverband der christliche» Eltern, vereine Sachsens wendet sich mit folgender Erklärung gegen den Dresdner Lehrerverein. ..Der Dresdner Lehrerverein versendet an die Eltern der jenigen Kinder, die erstmalig zur Schule kommen, ein gedruck tes Rundschreiben, in dem gegen den R e l ig i o n s u » t e r - richt und die evangelisch-lutherische Landes kirche agitiert und für Beteiligung der Kinder an der Lebens kunde geworben wird. Dem Rundschreiben ist ein Vordruck zur Abmeldung der Kinder vom Religionsunterricht beigegeben. s!s Der Religionsunterricht wird als Karikatur gezeichnet. Aus den, Wesen des Religionsunterrichtes wie auch den Grund sätzen der evangelisch-lutherischen Landeskirche werden nur Bruchstücke wiedergegebe». Ter Religionsunterricht wird als ein Unterricht hingestellt, der den persönlichen Willensentsckpttd des Glaubenden beeinträchtige und die Persönlichkeitsbildung behindere Tie Lebenskund« wird aber i» schillernden Farben gemalt. Dabei wird aber verschwiegen, dass auch sie, wie jeder Unterricht, bestimmter Grundsätze bedarf, aus denen aufgebaut werden mus;. Dieses Vorgehen des Dresdner Lehrervereins hat unter den Eltern der Schulneulinge ganz erhebliche Unruhe er zeugt, um so mehr, als ja dem Dresdner Lehrerverein auch Lehrer angehörcn, die Religionsunterricht erteilen, die i» Kir- chenvorständcn. Kirchgemeindevertretungen und kirchlichen Ver einigungen mitarbeite». In einer Zeit, da die Eltern keinen Einfluß darauf haben, welchem Lehrer sie gern ihre Kinder Zufuhren möchten, wo die Elter,, gezwungen sind, ihre Kinder in de» Unterricht solcher Lehrer zu schicken, die gegen die Glaubensslcllung der Eltern und deren Weltanschauung sich wenden, wird von den Eltern immer wieder die Forderung erhoben, dass nun endlich einmal d'ese Lehrer von Amts wegen angewiesen werden möchten. auf die Gefühle Andersdenkender Rücksicht z> nehmen. Der dem Rundschreiben beigegebene Vordruck verstoßt außerdem gegen die Bestimmungen des Reichsgesetzes scher religiöse Kindererziehung. Denn in dem Vordruck wird die Unterschrift eines Elternteiles als genügend angesehen, während über die Teilnahme oder Nichtteilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht beide Elternteile zu entscheiden haben. Die Eltern der Schulneulinge seien darauf hiugewiefen, dass sie keinerlei Verpflichtungen haben den Vordruck zu unter- schreiben, und das; ihre Kinder, wenn der Vordruck nicht unter, schrieben wild, unbedingt Religionsunterricht erhalten müssen. Der Dresdner Lehrerverein hat mit seinem Vorgehe» in das Dresdner Schulwesen «ine schwere Beunruhigung hineingetrage n." G Dieses Vorgehen des Dresdner Lehrervereins, der bekannt lich eine Zivciggruppe des Sächsischen Lehrervereins ist, mutz allerdings die größte Entrüstung auslösen. Wir l>aben schon oft darauf hingewiesen, dass es nicht Sache einer Lehrerorganisation sein kann und darf, in dieser Weise störeiid und Unfrieden stiftend in das öffentliche Schulwesen einzugreisen. Es handelt sich hier zweifellos um Uebergriff«, die auf das Vertrauens verhältnis zwischen Schule und Elternhaus verhängnisvoll zu. rückwirken müssen. Man ersieht aus diesem Vorgehen des Dresdner Lehrervereins wieder einmal, wo man letzten Endes mit der allgemeinen Forderung der Gemeinschaftsschule hinaus will. Leider hat man in der Oefsentlichkeit noch nicht gehört, das; die Kreise im Dresdner Lehrerverein, die mit diesem Vorgehen sicher nichts zu tun haben wollen, mit allem Nachdruck gegen die Uebergriffe ihrer Standesorganisation protestiert hätten. Die Oefsentlichkeit würde sicher Wert darauf legen, wenn zumindest durch eine öffentlich;« Stellungnahme hier Klar heit geschaffen würde. »eranstallet un Sonntag, den 7. April, vormittags tO Uhr. auf der Radrennbahn in Dresden-Reick eine groß angelegte Sama- riterübung. Zu dieser Veranstaltung werden folgende Sama riter Bereine eingesetzt werden: Heidenau, Pirna. Dresden. Baa Schandau. Pappritz, Slaüt Wehlen. Großenhain. Liebstadt. Vühlau- Wkitzer-Hirsch, sowie die Samariterabteilung des Sächsischen Bergsteigerbundes und die Fabrikseuerwehr der Firnia Seidel u. Naumann, Drceden. Die Kritik der Hebung liegt in der Hand des Vorsitzenden des Landesverbandes Herr» Dr. Taupe. Leipzig, während die Uebungsleilung Herr Dr. med. Honecke r, Dresden, übernommen lutt. — Durch die Uebersichtlichkcit des Geländes dürste diese Veranstaltung auch für Zuschauer hoch interessant werden. d. Ein schreckenerregender Vorgang. Ein Vorgang, der allen Zeugen ein Schaudern über de» Rücken jagte, spielte sich, wie die Meißner Volkszeilung berichte!, am 1. Osterseiertag am rechtsufrigen Brückenkopse der Meißner Straßenbrücke ab Ein Autobus mit Anhänger der Linie Meißen—Niederwartlw kam nicht durch die Kurve und fuhr mit dem rechten Vorderrad durch das Geländer, neigte sich sckon über den hoch angeschwol- lenen Strom, als die Bremsen in letzter Sekunde faßten und der Wagen '.uni Stehe» kam. Die zahlreichen Insassen stürzten angsterfüllt aus dem Wagen. Ware der Wagen auch nur etwas rascizer gefahren und Hütte der Fahrer nickt geistesoegenwärlig die Bremse» mit oller Kraft gezogen, so wäre der Wagen samt Anhänger in den Strom gestürzt Dabei wäre wohl kaum ein Insasse mit dem Leben üavongekommen. l-eipria unri Umgebung Neue Ausschlüsse aus -er kommunistischen Partei Leipzig, 4 April Die erweiterte Bezirksleitung Wcslsachsens der KPD. bat weitere 15 Mitglieder wegen parteischädigende» Verlialiens ausgeschlossen. Zwei dieser Ausgeschlossenen sind, wie die „SAZ." meldet, „wegen der besonnten Vorgänge in der roten Hilfe, bei denen diese Genossen sich nicht scheuten, die Polizei gegen Partei genossen z» rufen", qemaßrcgels worden. ) Der Haushaltsplan des Kreises Delitzsch schließt in Ein nahme »i d Ausgabe mit 2 835 000 Mark. Die Schulden des Kreises betragen 070 000 Mark. Der am 12. April tagende Kreistag wird sich u. a. auch mit einem Antrag der Allgemeinen Ortskrankenkasse zu befassen Haren, der di« Uebernahme «iner Kreisbürgschaft von 70 000 Mark >ür die Allgemeine Ortskran- kenkasse zum Gegenstand hat. Der Neubau der Allgemeinen Ortskrankcnkasse, der mit 142 000 Mark veranschlagt ist, wir» erheblich mehr erfordern. ) Leipzig als Tagungsort. Der Ingenieurverband Höherer Lehranstalten sowie die Slanöesvcrtretung der Besucher uno Absolventen staatlicher und gleichberechtigter städtischer höherer Lchrmaschinenbauschulen hält vom 3. bis 0. Mai in Leipzig seine Hauptversammlung ab. ; Selbstmord e'nes Untersuchungsgesangenen. Der im Leipziger Tchlachthofskandol hauptbcschuldi zier Großschlüchter Apthsch hat sich im Untersuchungsgcsängnis das Leben genommen. ) Ein Aiitozug aufs Bahnglcis gestürzt. Mittwoch morgen stürzte ein Lastkraslwagenzug von der Mockauer Uebersührung über die Bahnstrecke Leipzig-Berlin acht Meter ties aus die Gleise hinab. Obwohl der Triebwagen de» Anprall des nach folgenden Anhängers ausznhalren halte und beide Wagen schwer beschädigt wurden, kamen Führer und Beifahrer doch wie ein Wunder unverletzt davon. Die Bahngleise wurden erheblich beschädigt, und die Berliner Strecke mußte geraume Zeit für den Verkehr gesperrt werden, so daß sich einige Umleitungen erforderlich machten. ) Die Leipziger Nletallarbciter lehnen die vorgeschlagcnc Lohn- rcgclung ab. Wie gemeldet wurde, haben am 28. März 1020 Mi schen dein Verband der Metallindustricttcn im Bezirk Leipzig und den Vertreter» des Deutschen Mctallarbeitcrverbanbcs für das Taris- gebiet Leipzig Lohnvcrhandlungcn statt gesunden. Die Mindcstlöbne und die Mittellöbne wurden >nn je vier Pfennig die Stunde zu er höben beschlossen, lieber dieses Ergebnis war in den Leipziger Be trieben eine Urabstimmung dnrchzusnbrcn. 70 Prozent der Arbeiter stimmten gegen die Annahme der vorgcstblagcncn Regelung. Ambau -es Bahnhofes Bitterfelü Bitterfeld, 4. April. Die ReickSbahiidirettwn Halle hat sich zu einem großzügigen Umbau des Münchoses BMerseld entschlossen. Die Ausgaben für diesen Umbau werden sich ans 30 Millionen belaufen. Die gesamte Der arme Spielmann Eine Erzählung von Franz Grillparzer. '3. Fortsetzung.» Ich iveiß nickt, wie lange das gedauert haben mochte „nd wie arg cs geworsen war, als plötzlich die Tür des Hauses aufging, ein Mann, nur mit dem Hemde und lose eingeknöpftcn Beinkleidern angetan, von der Schwei!« bis in die Mite der Straße trat und zu dem Gicbclscnster emporrief: „Soll das beute eimnal wieder gar kein Ende nehmen?" Der To» der Stimme tvar dabei unwillig, aber nicht hart oder beleidigend. Die Violine verstummte, ehe die Rede noch zu Ende tvar Der Mann ging ins Haus zurück, das Gicbelsciister schloß sich, und bald herrschte eine durch nichts untcr- brocln'ne Toicnstill« um mich her. Ich trat, mühsam in den mir unbckannlen Gassen mich zurcchtsindend, den Heimweg an, wobei ich auch piianlasicrtc. ober, niemand störend, für mich, im Kopfe. Tie Morgenstunden haben für niich immer einen eigenen Wert gelabt. Es ist, als ob cs mir Bedürfnis wäre, durch di« Beschäfti gung mit etwas Erhebendem. Bedeutendem in de» ersten Stunden des Tages mir den Kiest derselben gewissermaßen zu lpülige». Ich M um fuhr zusammen, seine Knie zitterten, tanm konnte er die zum kann mich daher nur schwer entschließen, am frühen Morgen mein' Zimmer zu verlassen, und wen» ich ohne vollgültige Ursache mich einmal dazu nötige, so habe ich für den übrigen Tag nur die Wahl Mischen gedankenloser Zerstreuung oder selbstquälerischem Trübsinn. So kam cs. dost ich durch einige Tag« den Besuch bei dem alten Minne, der vcrabredclermaßcn in de,, Morgenstunden stattsindcn sgs'Ie, versthob. Endlich war die Ungeduld meiner Herr, und ich ging. Die Gärtnergasse niar leicht gesunden, ebenso das Haus. Di« Töne der Violine ließen sich auch diesmal hören, aber durch dis ge schlossene Fenster bis zum Ununterscheidbaren gedämpft. Ich trat ins Haus. Eine vor Erstaunen halb sprachlose Gärlnersfrau wies z mich eine Bodentreppe lnnaus. Ich stand vor einer nieder» und halb schließenden Tür«, pochte erhielt keine Antwort, drückte endlich . die Klinke und trat ein. Ich befand mich in einer ziemlich geräu migen, sonst aber höchst elenden Kammer, deren Wände von allen Seiten den Umrissen des spitz znlausenben Daches folgten. Hart neben der Tür ein schmutziges, widerlich verstörtes Bett, von allen - Zutaten der Unordenttichkeit umgeben; »nr gegenüber, hart neben dem schmalen Fenster ein« zweit« Lagerstätte, dürftig, aber reinlich, und höchst sorgfältig gebettet und bedeckt. Am Fenster ein kleines Gleisanlage soll um 80 Zentimeter gehoben und ein vierter Bahn steig hinzugesügt werde». Auch das Bahnhofsgebäude soll eine Er weiterung erfahren. Der Güterbahnhos wird an die entgegengesetzte Seite der Bahnliossanlagc» verlegt werde». Die zu diesem Umbau nötigen Mittel weiden gänzlich von der Reichsbahn aufgebracht wer den. Der Bau wird, wenn irgend möglich, schon im kommenden Frübsabr begonnen werden. (üiemnitr, rvicstsu, ?Isuen Grubenbrand Lugau, 4. April. Im Derlraucnsschocht der Geiverkschaft Gottessegen ivar var einigen Tagen ein Brand ansgebrochen, der noch immer wütet. Die Bekämpfung des Feuers ist so schwierig, daß das Personal der Unfallhilfsstelle eingesetzt und das Revier ab- gcsperrt werde» mußte. — In der gleichen Grube ereignete sich durch hercinbrechonde Gesteinsmasscn ein schwerer Unfall. Zwei Bergarbeiter wurden verschüttet; einer von ihnen trug eine schwere Gehirnerschütterung davon. tz. Schiedsspruch im Chcmnituir Großhandel. Für die kauf männischen Angestellten im Ehemnitzer Grvßlxmdel ist ein Schieds spruch gefällt worden, der die bisherige Regelung der tariflichen Gehälter mit einigen Aenderungen vom 1. Januar 1920 ab ver längert. Die Neuregelung gilt bis zum 30. Juni 1930 und ist erst mals zu diesem Termin unter Einhallung einer Kündigungsfrist von drei Wochen kündbar. tz. Lchrertagung in Chemnitz. Der Nene Sächsische Lebrcrvcr- cin hält in C h e m »i tz vom 3. bis 0. d. M. seine diesjährige Haupt versammlung ab. Die Tagung wurde gestern vom Vorsitzenden der Gaugruppe Chemnitz Mischte mit einem Vortragsabend eröffnet. Siudicnrat P c tz o l d-Dresden sprach über das Thema Die vaterländisch-christliche Erziehung unserer Jugend eine Schicksals frage der deutschen Zukunft". tz. Vergebliche Tuche nach einer Vermißten. Wie gemeldet, wird seit Neujahr die Chemnitzer Tclcgraphenassistentin Marie Ottilie Friedrich vermißt. In den letzten Tagen nmstoe auf Anord nung der Polizeidirektion Zwickern das nnwegsame Waldgelände um den Auersberg systematisch abgesucht, um nach der Leiche der Ver mißten zu forschen. Obwohl die Nachforschungen sich weit über die sächsischen Grenzen ansvehnlcn. tvaren alle Bemühungen, Licht in die dunkle Angelegenheit zn bringen, völlig vergebens. Tischchen mit Notenpapier und Schreibgeräte, im Fenster ein paar Blumentöpfe. Die Milt« des Zimmers von Wand zun Wand tvar am Boden mit einem dicken Kreidestrich bezeichnet, und man kann sich kaum einen grelleren Abstich von Schmutz und Reinlichkeit den ken, als diesseits und jenseits der gezogenen Linie, dieses Aequax tors einer Welt im kleinen herrschte. Hart an dem Gleicher hatte der alte Mann sein Notenpult hingestellt und stand, völlig und sorgfältig gekleidet, davor und — ercrzierte. Es ist schon bis zum Uebclklang so viel von den Miß klängen meines und ich fürchte beinahe, nur meines Lieblings die Rede gewesen, daß ich den Leser mit der Beschreibung dieses hölli schen Kon.zertes verschonen will. Da di« Übung größtenteils aus Passagen befand, so war an ei» Erkennen der gespielten Stücke nicht zu denken, >vas übrigens auch sonst nicht leicht getvese» sein möchte. Einig« Zeit Zuhörens ließ mich endlich den Faden durch dieses La. byrinth erkennen, gleichsam di« Methode in der Tollheit. Der Mt« genoß, indem er spielte. Sein« Auffassung unterschied hierbei aber schlechthin mir zweierlei, den Wohlklang und den Uebclklang, von denen der erster« ihn erfreute, ja entzückte, indes er dem letzteren, auch dein harmonisch begründeten, nach Möglichkeit aus dein Wege ging. Satt nun ln inem Musikstücke nach Sinn und Rhythmus zu betonen, hob er heraus, verlängerte er die dem Gehör wohltuenden Noten und Intervalle, ja nahm keinen Anstand, sie willkürlich zu wiederholen, wobei sein Gesicht oft geradezu den Ausdruck der Ver zückung annahm. Da er nun zugleich die Dissonanzen so gut als möglich abtat, überdies die für ihn zu schweren Passagen, von denen er ans Ctewisse »Hastigkeit nicht eine Note fallen ließ, in einem gegen das Ganze viel zu langsamen Zeitmaß« vortrug, so kann man sich wohl leicht ei,re Idee von der Verwirrung inachen, di« daraus her vorging. Mir ivard es nachgerade selbst zu viel. Um ihn aus seiner Abtvesenheit zurückzubringe», ließ ich absichtlich den Hut fallen, nach dem ich mehrere Mittel schon fruchtlos versucht hatte. Der alt« Boden gesenkt« Violine halten. Ich trat hinzu. „O, Sie find es, gnädiger Herr!" sagte er, gleichsam zu sich selbst kommend. „Ich hatte nicht auf Erfüllung Ihres hohen Versprechens gerechnet." Er nötigt« niich, zu sitzen, räumte auf, legt« hin. sah einigemal verlegen im Zimmer herum, ergriff dann plötzlich einen auf einem Visch« neben der Stubentüre stehenden Teller und ging demselben zu jener hinaus. Ich hörte ihn draußen mit -er Gärtnersfrau sprechen. Bald darauf kam er wieder verlegen zur Tür« herein.'wobei er den Teller hinter dem Rücken verbarg und heimlich wieder hinstclltr. Er hatte ossenbar Obst verlangt, um mich zu bewirten, es aber nicht erhalten können. „Sie wohnen hier ganz hübsch", sagte ich, um seiner Ver legenheit ein Ende zu machen. „Die Unordnung ist verwiese». Si« Die Sla-l ohne Pferde Gera. 4. April. Seitdem die Linksincisorität ihr Regiment Im Siadtrat «m- gc treten hat, bemächtigt sich der gesamten bürgerlichen Ein- wöhnerschaft eine verständliche Mißstimmung über die neuen Siadtväier, die neue Steuern erfinden, die ihre Anhänger nicht zu zahlen brauchen. So wird sich zunächst die Luxuspferde- steucr als unimrbsain erweisen. Die ehemalige fürstliche Kammer hat die meisten Pferde abgesclprfft und die übrigen nach Ebersdors und Schleiz übergesührt, wo keine Pferdesteuer besteht. Der Oleracr Reitklub bringt seine Pferde und die Reit bahn nach Bad Köstritz, um der Steuer zu entgehen. Andere hiesige Slencrzahler haben ihre Pferde ans Güter nach aus wärts gebracht, so daß nur noch sehr wenig Steuerpferüe vor« lzonden sind. Die Stadtvernwltung braucht erber bei de» un überlegten Beschlüsse» des Stadiratcs viel Geld. -Es wird des halb überall versucht. Geld zu mackzen, und so hat jetzt die Stadt verwaltung auch das Geraer Plakat- und Anschlagsinstitut nicht wieder verpachtet, sondern in eigene Regie genommen. Der artige Unternehmungen können die Finanzlöcher nicht ver stopfen. Wird die vom Sladtrat beschlossene Anleihe von etiva 4 Millionen Mark durchgeführt, dann würde die Siadt Gera in absehbarer Zeit rund 12 Millionen Schulden besitzen. Leipziger Sender Freitag, 5. April: 12.00 Uhr: Schallplattenkonzert. 14.00 Uhr: Filnkiverbenachrichlen. 15.00 Uhr: Frosimeldungen. 15.15 Uhr: Stunde der Hausfrau mit Funkwerbung. 16.30 Uhr: Klaviertrios. (Von 16.30—17.30 Uhr: Uebertragung auf den Deulschlandsender.) 17.45 Uhr: Funkwer'oenachrichten. 18.05 Uhr: Prof. Dr. Dietterle, Leipzig: „Labora kaj ideoj de D ro Zainenhof". (Esperanto.) 18.20 Uhr: Wettervoraussage und Zeitangabe. 18.30 Uhr: Studienrat Friede!, Lektor Mann: Englisch für Fort geschrittene. sDeutsche Welle, Berlin.) 1855 Uhr: Arbeitsnachiveis. 19 00 Uhr: Dr. Felix Zimmermann. Dresden: „Sprache als Lebensausdruck". V.: „Musik der Spracipni". 19.30 Uhr: Prof. Dr. Stäbe, Leipzig: „Die Technik des Alter tums." 20.06 Uhr: Das Klavierkonzert ln drei Jahrhunderten. XII. 21.00 Uhr: Ninon de Lenclos (1020—1705). die einflußreichst« Frau ihrer Zeit. Dazu Musik aus der Zeit. »inimt ihren Rückzug durch die Türe, wenn sie auch herczit noch nicht ganz über die Schwelle ist." — „Meine Wohnung reicht nur bis zu dem Striche", sagte der Alte, wobei er aus die Kreidelim« In der Mitte des Zimmers zeigte. „Dort drüben wohnen zwei Handwerks, gesellen." — „Und respektieren diese Ihre Bezeichnung?" — „Sie nicht, a/ber ich", sagt« er- „Rur die Türe ist gemeinschaftlich." — „Uitd werden Sie nicht gestört von Ihrer Nachbarschaft?" — „Kaum", meinte er. „Die kommen des Nachts spät »ach Hause, und wenn sie inich da auch ein wenig im Bett« ausschreckcn. so ist dafür di« Lust des Medereinschlafens um so größer. Des Morgens aber tvecke ich sie, wenn ich mein Zimmer in Ordnung bringe. Da schelten sie wohl ein tvenig und gehen." Ich hatte ihn »vährenddessen betrachtet. Er nar höchst rein, lich gekleidet, die Gestalt gut genug für seine Jahre, nur di« Beine etums zu kurz. Hand und Fuß von ausfallender Zartheit. — „Sie sehen mich an", sagt« er, „und haben dabei Ihre Gedanken?" — „Daß ich nach Ihrer Geschichte lüstern bin", versetzte ich — „Geschichte?" wiederholte er. „Ich habe keine Geschichte. Heute wie gestern, und morgen wie heute. Uebermorgcn freilich und weiter hinaus, wer kann das wissen? Doch Gott wird sorgen, der weiß eS." — „Ihr jetziges Leben mag wohl einförmig genug sein", fuhr ich fort; „aber Ihr« früheren Schicksale. Wie es sich fügte" — „daß ich unter di« Musiklcule kam?" siel er i» die Panse ein, die ich un willkürlich gemacht hatte. Ich erzählte ihm nun, wie er mi rbeim ersten Anblick ausgefallen; den Eindruck, den die von ihm gesproche ne» lateinische» Worte aus mich gemacht hätten. „Lateinisch", tönte er nach. „Lateinisch? das habe ich freilich auch einmal gelernt »der vielmehr hätte es lernen sollen »der können Logueris laline?" (Sprichst du lateinisch?) ivandte er sich gegen mich, „aber ich könnt« es nicht sortsctzen. Es ist gar zu lange her. Das also nennen Sie meine Geschichte? Wie es kam? — Ja so! da ist denn freilich allerlei geschehen; nichts Besonderes, aber doch allerlei. Möchte ich mir e- doch selbst wieder einmal erzählen- Ob ich es nicht gar vergessen habe. Es ist noch früh am Morgen", fubr er fort, wobei er in die Uhriosche griff, in der sich freilich keine Mr befand. — Ich zog di« meine, es >var kaum neun Uhr. — „Wir haben Zeit, und fast kommt mich die Lust zu schtvatzen a». Er war während des letzten zusehends ungezwungener gewor den. Sein« Gestalt verlängert« sich. Er na tun ohne große Um stände den Hut aus der Hand und legte ihn aufs Bett; schlug sitzend ein Bein über das ander« und nahm überhaupt die Lage eines »nt Bequemlichkeit Erzählenden an. lForlsehun, folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)