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Nummer 7S — 28. Jahrgang Wrudemi »ma> wd»»n«:.«» den Mulle, »eati»b»ila«en »D>« »r»' und Für »wer» Ilrinen ve«I»'. iowi» den renbetlanen .El. Bemio-PiaN' .llnierdainm» und wiNen" .DI» »eil der Frau' kleinlicher Ralaeder' Da» aule Buck' .Mlmruud« «da»'. MouaiNcher V,,ag»vret» S MI. elnlibl. Vellellaeld. Nnielnummer X» 4 Sonnabend- u. Sonntaanummei »0 HauvnchriMeiler- Le. <0. D«»r»dk. Dresden. Freilag, -en S. April 1S2- «»»>»,«,»», »»»«den «n,e>aeuvrrt«e, Die igeivailrne PeNNetie M» Z Nam«»» au,eigen u.Siclle»ar>uibr ÜN». DiePeilirellame,eile °>7nu»i beeil I stiür »ln,eigen auiierbalb de» »>erbre>iilug»nebi«t«> diePeiitreNamezeile!.!»<»-». Brie,aeb.NN 4 AmFaH« HSberer Sewaii erltichl ,ede BeevKubiung aui Lteierimg >»»i« Ertüllima d. An,eigen.Auiirbgeu u. VeiNung d. Eckadeneriatz» SelchSMicher Teil: Artur Len^ Dreiden. ««»x-nii-sieN» DruNu.Beriaa- »ermnnin «Sr «erlag und Druckerei. Filiale Dresden. Drerden.«. >. Volirrliras>«17. st»mri»swl2. Poiliebecklonlo Dresden k7<n Banklonio Etadibant DreSven Ar. «N7I» Für chrifkliche Politik LL ,, I * ^ Redaktion de» SächNIchro >v»Ik»,ei«uu, II n n Oo II I I II ^ Dre»den-AUliad, t. Polierslrabe 17. ilerunu 2Ml Seipel lritt zurück Um eine grundjätzliche parlamenlarische Klärung in Oesterreich herbeizuführen Slaalswohl oder Parleiwvhl? Die Pflichten der Parteien im Bolksstaat. Demokratie, soiveit man diesen Begriff auf die staat lichen Dinge beschränkt, ist nach wissenschaftlicher Defini tion „jene Staatsform, in welcher alle mündigen, zur eigenen Verantwortung ihrer Handlungen fähigen und verpflichteten, persönlich freien, im Staatsverband gebore nen oder in ihn aufgenommenen Menschen zu gleichem Recht Träger der Staatsgewalt sind". Dabei ist es zu nächst ganz gleiäsgültig, ob die Staatsgewalt so. wie es beispielsweise in einigen Schweizer Kantonen geschieht, von den gleichberechtigten Volksgenossen direkt ausgeübt wird, oder ob sie einer vom Volke bestellten Vertretungs- Körperschaft, einem nach geheimer und gleicher Wahl ge wählten Parlament übertragen wird. Da eine direkte Demokratie nur in Zwergstaaten möglich ist und alle grö- eren Staaten, das ist weitaus die Mehrzahl aller vor- andenen, zur mittelbaren oder repräsentativen Demo kratie gezwungen sind, soll hier nur von den Rechten und Pflichten die Rede sein, die dem Staatsbürger, in erster Linie natürlich dem mit der Vertretung der anderen be auftragten Staatsbürger, dem Abgeordneten in der Re- präsentativ-Temokratie gegeben sind. Das liegt um sq näher, weil sich jetzt ja besonders viele unserer Volks genossen mit der Frage beschäftigen, wieweit unser kon kreter deutscher Regierungsbetrieb mit den Anforderun gen der wahren Demokratie in Widerspruch steht und welche Mittel geeignet seln können, diesen Widerspruch zu mildern. Die ideale Demokratie setzt also in erster Linie voraus, daß jedem mündigen Staatsbürger die glei chen politischen Rechte, der ursprünglich gleiche Teil an der Macht, „welche die Handlungen zum gemein samen Ziele ordnet und leitet", eingeräumt ist. Wo die gleichen politischen Rechte nicht bestehen, wo eine Person, eine Clique, ein Stand oder eine Klasse die Dorherr- chaft hat, kann von Demokratie keine Rede sein. Die deale Demokratie setzt weiter voraus, daß alle die Meu chen, die sich unter der demokratischen Staatsform zu- ämmengeschlossen haben, die Förderung des Ge meinwohls zur alleinigen Richtschnur ihrer politi schen Betätigung machen. .Darüber, was unter Gemein wohl zu verstehen ist. wird auch in einer idealen Demo kratie nicht eine bis in die Einzelheiten einheitliche Mei nung herrschen. Dagegen besteht Einverständnis dar über. daß zum Gemeinwohl nicht nur die zuträgliche Re gelung der materiellen Dinge, sondern daneben und dar über auch die pflegliche Behandlung der geistig-kulturel len Belange gehört. Auch in der idealen Demokratie muß es also „Parteien" geben, Zusammenschlüsse von Menschen, die die Dinge aus ein und demselben Gesichtswinkel her aus sehen und sie nach ein und demselben Gesichtspunkte gestalten wollen. Da aber die Bürger einer guten Demo kratie zum Gemeinwohl beides, das Geistig-Kulturelle, wir das Ntaterielle rechnen, kann es dort keine einseitig wirtschaftlich orientierten Standesparteien geben, son dern nur solche, die. von weltanschaulichen Grund sätzen ausgehend, die Gesamtheit der einer politischen Regelung überhaupt zugänglichen Dinge erfassen wollen. Diese Parteien gruppieren sich in solche, die die Regie- .rung unterstützen und solche, die die Regierungsent schlüsse für unrichtig halten, die sie verbessern oder ab lehnen wollen. Das Vorhandensein einer Opposi tion ist also auch in einer guten Demokratie natürlich, ja darüber hinaus sogar notwendig. Wenigstens vom konkreten politischen Cinzelfall aus gesehen. Für den Außenminister eines Reiches kann es unter Umständen außerordentlich nützlich sein, seinen ausländischen Kon trahenten auf das Vorhandensein einer starken Oppo sition Hinweisen zu können, und auch innenpolitisch kann eine sachlich geführte Opposition je nachdem, als Hemm schuh oder als Antrieb, Nützliches leisten. Daß die Oppo sition sachlich geführt wird, nicht um ihrer selbst willen nicht wegen etwaiger parteipolitischer Vorteile, ist frei lich die unbedingte Voraussetzung dafür, daß sie die oben geschilderten, im gesamtpolitischen Interesse liegenden Wirkungen hat. Jede Partei, die grundsätzlich Opposi tion treibt, die dem Egoismus einen irgendwie gearteten Einfluß auf ihre Entschließungen einräumt, die nicht be reit wäre, das was sie in der Opposition verlangt hat, ver antwortlich durchzuführen, sobald sie dazu in der Lage ist, dient der Gesamtheit nicht nur nicht, sondern scha det ihr. Wir haben in der neueren Geschichte des Deutschen Reiches zahlreiche Beispiele von oppositionellen Haltun gen erlebt, die dem, was man vom Standpunkte des Ge- Wien, 1. April. Bundeskanzler Dr. Seipel unterbreitete dem BundcSprL- sidrntcn gestern nachmittag die Demission des ttabinettS. Der Bun- deSpriisidcnt nahm dir Demission an »nd beauftragte das Kabinett znniichst mit der Fortführung der Geschäfte. Im MinIsterraI. der die Demission der Gesamtregierung beschloß, führte Bundeskanzler Seipel zur Begründung sei nes Beschlusses aus: Die inneren Spannungen, welche der Ausdruck starker lebendiger Kräfte im Volke sind, haben ein hohes Maß erreicht. Gelegentliche Explosionen lprben keinen allzu- großen Schaden angerichlet, im Gegenteil hat sich das Antlitz des Staates ioesenttich znm Vorteil verändert. Die politische LetlMgie ist überwunden. Die Einschüchterung und Gleichgültigkeit bei einem großen Teil der Bevölkerung besteht nicht mehr. Die Erkenntnis, daß kein einseitiger Radikalismus Aussicht auf Erfolg hat, ist end lich allgemein geworden. Damit lenkt nach zehn Jahren des Be standes der Republik unser politisches Leben von den Bahnen der Revolution auf den Weg normaler Entwicklung ein- Die Gefahr, daß die bestehenden Spannungen ln innere» Krisen die Demokralie ernstlich bedrohen könnten, sehe ich nicht. Wohl aber besteht die Ge fahr, daß infolge der Spannungen einige für das Wirtschasts- und politische Lebe» ivtchtige Fragen wie Wohnbanfördrrung, Micten- rechtsreform, Justizresorm einschließlich der Polizeikomprtcnzfragen das BerhSltniü zwischen uns und den Ländern keine befriedigende Lösung finden, welche fachlich möglich wäre. Würden solche Streitpunkte beseitigt, könnten stch Regierung und Gesetzgebung verhältnismäßig ungestört mit den Sorgen des Wirtschaftslebens beschäftigen. Dies könnte umso eher geschehen, als die österreichische Außen Politik auf gutem Wege ist, da die Notwendigkeit ehrlicher Realpolitik, welche einseilige Butduir- gen nach irgendwelcher Seite vermeidet, gemeinsame Ausfassung aller Parteien ist. Die Verhandlungen zur Vorbereitung der Jn- vestitlonSanleihe sind mit gutem Erfolge so weit geführt, als es in diesem Zeitpunkt sein kann. Durch intensive Wirtschafts. Politik im Innern würde auch In die Handelszollpolitik wieder mehr Stetigkeit kommen, welche in jüngster Zeit infolge der inneren Schwierigkeiten etwas gestört wurde. Die Sozialpolitik ist ln Oesterreich soweit fortgeschritten, daß sie keine Erbitterung zwi schen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mehr zu erzeugen brauchte, wenn nur gründliche Abkehr von Rechthaberei und terroristischen Methoden erfolgte, wofür volle Sicherheit allerdings auch durch die Gesetzgebung wird geboten werden müssen. Die angeführten Spannungen werden zu erheblichen Teilen, wenn auch mit Unrecht, der gegenwärtigen Negierung zur Last ge legt. Durch beharrliche Agitation wurde viel Haß ongehäuft, wel- eher, soweit er die Person betrifft, zu ertragen wäre, obwohl er ohne jeglichen Schein eines inneren Grundes auf meinen Stand und auf die Kirche ausgedehnt wird. Aber eS soll weder den eine» ein Ausweg, auf dem sie zn rein sachlicher Arbeit für daS öffent liche Wohl znrülkkehren können, verschlossen noch den andere» eine Ausrede gelassen werden, wenn sie es nicht tun. Deswegen halte ich cs für richtig, den politischen Parteien dl« Möglichkeit zu geben, in anderer Weise als es unter meiner Führung geschehen könnte, die Zukunft sichcrzustellen. Zu diesem Behufe habe ich mich ent schlossen, die Demission zu geben. samtinteresses aus fordern muß, in keiner Weise entspro chen haken. Nicht nur die Radikalen rechts und links, von denen man nichts besseres erwartet, sondern auch staatsbejahende Mittelparteien habeil sich den Lockun gen einer unsachlichen Opposition vielfach nicht widersetzt. Selbst dann nicht, wenn ihre führenden Köpfe an der Regierung beteiligt waren, haben sie auf den Versuch verzichten können, sich durch quasi oppositio nelle Betätigung parteipolitische Sondervorteile zu er gattern. Wir denken dabei besonders an gewisse sozial politische Aktionen der Sozialdemokratie und an die Sparpropaganda der Deutschen Dolkspartei. Der einen mußten die eigenen Minister die Undurchführbarkeit ihrer Forderungen attestieren, die andere, die lange Zeit nicht dazu zu bringen war, die Einzelheiten ihres Spar programms anzugeben, mußte jetzt durch ihren Etatrefe renten Dr. Cromer einen Artikel schreiben lassen, der den Eindruck macht, als habe die Deutsche Volkspartei bezüg lich ihres laut angekündigten Sparprogramms Angst vor der eigenen Eourage bekommen. All diese Dinge, der Unterschied zwischen Versprochenem und Möglichem, das Auf Antrag des Vizekanzlers Hartlcb beschloß der Ministerra«, da die vom Bundeskanzler angeführten Gründe für die Demission in gleicher Weise alle Mitglieder der Bundesregierung h-treffen, de» Rücktritt -er Gesanitregiening. * Aus der Erklärung des Bundeskanzlers gehl deutlich hervor daß fein Schritt eine Klärung der va rla in c n ta r i s ch e n Lage herbeisühren soll. Dr Scivcl will mit seinem Rücktritt dl« Behauptung der Opposition widerlegen, daß nur an seiner Person die Behebung der inneren Schwierigkeiten Oesterreichs scheitere. Daß das Gesamlkabinett sich der Demission Seipels angeschloffen hat, ist als ein Vertrauensvotum für Dr. Selpel zu werten. Die Opposition ist durch den raschen Entschluß Dr. Seipel- völlig überrascht worden. Sie versucht — die nachstehend wieder, gegebene Acußerung der „Wiener Arbeiterzeitung" beweist das — krampfhaft, den Rücktritt Seipels als einen Erfolg der Opposition zu deuten. Sie muß aber gleichzeitig erklären, daß das Ausscheiden Dr. Seipels die Situation nicht grundsätzlich ändere. Mit diesem Zugeständnis ist dle gegen D r. Seipel persönlich ge. tri ebene Hetze z u so in m c ng eb r och e ». Welche Lösung die durch den Rücktritt Seipels entstanden« Krise finde» wird, steht noch dahin. Als sicher gilt, daß die be» stehende Koalition ein neues Kabinett unter anderer Führung bil. dct. Man darf an den Rücktritt Dr. Seipels Ende 1924 erinnern. Das damals folgende Kabinett Namek n>ar »ur der Uebergang zu einem neuen Kabinett Seipel. So ist sedenfalls auch diesmal zu erwarten, daß Dr. Seipel nach gemessener Frist wieder die Führung bei der Wiederanfbauarbcit in Oesterreich übernehmen muß. Stimmen -er Wiener Presse Wien. 4. April. M dem unerwarteten Rücktritt Seipels schreibt dl« chrisb lichsoziale R e i ch s p 0 st u. a.: Die parlamentarische Lag« kan» nicht so aufgefaßt iverden. als ob nun etwa die Zeit für lüg«»* welche neuen Koalitionen gekommen wäre, wohl aber kan» man daran denken, -aß die sozialistischen Führer die Situation erfassen uns die Opposition mit den Parteien der Mehrheit zu einer Verständigung gelangt. Bei gutem Willen wäre die ver, etnbarung eines Arbcitsprogramms möglich, welches für di» wichtigsten Staats- und WIrtschastsfragen »ine positive Erledi gung umschließt. Die sozialistische „Arbeiterzeitung" erklärt, die Negierung Seipel sei vor allem an dem Kampf um den Mieter schutz gefallen. Dieser entscheidende Grund sei durch ander« Gründe verstärkt worden. Seipels Hoffnungen, endlich die so lange gesuchte Anleihe zu bekommen, seien ergebnislos geblie« den. Das Verhältnis der Christlichsozialen zu den beiden anderen Koalitionspartcien. besonders zu den Landbllndlern habe sich empfindlich verschlechtert. Christliche Kreise seien be unruhigt durch die Abfallbewcgung. Die Geistlichkeit Klage, daß die Kirche das Regime Seipels mit dem Verlust von zehn- tausenden Seelen bezahle. So sei in Seipels Mehrheit selbst die Verstimmung gewachsen. Alles 1><kbe zusammengeivirkt. dar Regime Seipel zu unterhöhlen. Die Arbeiterzeitung erinnert dann an die Haltung Seipels bei verschiedenen Gelegenheiten Sich-stark-Machen für etwas, von dessen Realisierbarkeit man innerlich vielleicht selbst nicht überzeugt ist. dieses oppositionelle Gebaren trotz Regie, r u n g s b e t e i l i g u n g haben mehr als anderes den Widerspruch zwischen den Anfarderungen einer wahren Demokratie und unserem heutigen Regierungsbetricbe veranlaßt, von dem eingangs die Rede war. Da muß der Hebel ansetzen. Die Parteien müssen wieder lernen, was man in der Regierung zu tun und in der Opposition zu lassen hat. Die Haltung der Zentrumspartei, die sich nach zehnjähriger Regierungstätigkeit jetzt außerhalb dec Regierungsverantwortung befindet, war nach beiden Richtungen hin vorbildlich. Die Partei hat sich in der Regierung von aller Popularitätshascherei ferngehalten, sie tut es auch jetzt. Nicht der eigene Vorteil ist für das Zentrum stets maßgebend, sondern nur die sachliche Not wendigkeit. Das hat es während seiner Regierungszeit bewiesen, das beweist es auch jetzt. Der tiefste Sinn unserer jetzigen Haltung ist der. die ande. ren Parteien zu einer sachlichen verant« wortungsbe wußten Politik zu erziehen.