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— 81 — hundert abgelöst durch die Lautiermethode, das Werk eines bayrischen Schulrates Stephani, welcher verlangte, dass beim Lesen nur der Laut des Buchstabens, nicht aber der Name angegeben werde. 107 ) Obwohl Grünwald in seiner Schulordnung Cap. III § 5 sich energisch erklärt „gegen das unverständige Auswendig lernen, da das Kind das ABC alle Tage nach einander her plappert, aber der Bedeutung nach auch nicht einen Buchstaben von dem ändern zu unterscheiden weiss,“ so steht er doch völlig auf dem Boden der Buchstabiermethode. Die Kleinen sollen mit ihrem Abc-Buch in einer Reihe vor die Tafel treten, an welcher eine Wandtabelle hängen soll, und die Buchstaben an der Wand mit denen iu ihrem Buche ver gleichen, um sie so allmählich ins Gedächtnis zu fassen. Dann sollen sie die Buchstaben nach Form, Geltung und Aussprache unterscheiden lernen, wobei die Phantasie durch ein Bild angeregt werden soll, z. B. bei dem R: Wie spricht der Hund? Bei dem Q: Was giebt Milch? Bei dem W: Wie thut die Ruthe ? U. s. f. Ähnlich soll das Verfahren bei dem Buchstabieren sein, wozu wieder eine besondere Tabelle mit leichteren und schwereren Silben dienen soll, die der Lehrer im Zittauer Waisenhaus bekommen konnte. Dann folgen Wörter, Sätze und zusammenhängendes Lesen u.- zw. nach einerlei Büchern für alle Schüler, zuerst die Evangelien, dann die Psalmen, Sprüche Salomonis, Sirach, endlich das Neue Testament. Solches Lesen muss gründlich (öfteres Buchstabieren der schwierigen Wörter etc.), deutlich (reines Aussprechen der Vokale) und vernünftig (Beachtung des Sinnes und Accentes, der Interpunktion) sein. Die Oberlausitzer Schulordnung schliesst sich ganz dieser Methode an. (Ebenso die „Erneuerte Schulordnung für Chur sachsen“ 1773.) Sie verlangt, dass alle drei Abteilungen der Schüler beim Leseunterricht zugleich beschäftigt werden sollen. Haben die Grossen einen Satz gelesen, so müssen die Syl- labifanten buchstabieren, die Kleinen sitzen oder stehen währenddem vor der Wandtafel und vergleichen ihre Buch staben im Buche mit denen an der Tafel, wobei sie ab und zu „unvermutet“ vom Lehrer einmal gefragt werden. — Welcher Lehrer aber sollte dieses Kunststückchen fertig bringen ? Als Grundlage für den Leseunterricht diente das Abc- Buch , der Katechismus und die Bibel. Ob die Kinder auch 167 ) Schmid, a. a. 0., S. 629. 6