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öelraclilimKen über 6as Kaiser Mllielm Institut kür HirnkorscbunK Dem Gehirn kommt unter allen Teilen und Werk- Dengen unseres Organismus eine einzigartige Stellung zu. Nicht wegen seiner Lebenswichtigkeit, die es ja mit dem -erzen, der Lunge und anderen Organen teilt, sondern darum, weil es das unersetzliche Werkzeug der Eeistes- kätigkeit ist und weil daher allein das Gehirn den Men schen zum Herrn der Schöpfung erhoben und ihm die Erde «ntertan gemacht hat. Nirgends im ganzen Gebiet des menschlichen Organismus läßt sich die innige Verbunden heit von Leib und Seele so klar erkennen, wie am Gehirn, ja sie geht sogar so weit, daß sie uns den Gedanken, Ee- yirnleistung und Eeistestätigkeit sei ein und dasselbe, nur allzu nahelegt und mit fast zwingender Gewalt ausdrängt. Dennoch kann es, wie wir noch sehen werden, einer tieferen unbefangenen Betrachtung nicht verborgen bleiben, daß Gehirn und Seele keineswegs in eines zusammenfallen, sondern daß vielmehr beide trotz weitgehender Abhängig keit in ihren Wechselbeziehungen, wesensverschiedene Be griffe find. Das Gehirn liegt eingeschlossen in der knöchernen Kapsel des Schädels als weißlichgraue Masse, welche ein tiefer Einschnitt in der Mitte in zwei große Halbkugeln -e, Hemisphären" teilt. Seine Oberfläche erscheint nicht glatt und eben, sondern legt sich in eine große Zahl von Falten und Windungen, die durch mehr oder weniger tiefe Furchen voneinander getrennt find. Das Hirngewebe setzt sich in der Hauptsache aus zwei Grundstoffen zusammen, aus der grauen und der weihen Substanz. Di« erster« bildet den Oberflächenteil des Ge hirns, die graue Hirnrinde, und in ihr allein find s, ge- »annte Ganglienzellen enthalten. Diese senden aus sich her aus baumartige verzweigte Nervenfasern, welche sich unter einander zu einem Netzwerk verbinden. Jede Ganglien selle bildet mit den zu ihr gehörigen Fasern eine ge schlossene Einheit, ein Neuron, und damit einen Zell körper, der durch einen Ausläufer in die darunter liegende weiß« Substanz und in das Rückenmark sich fortsetzt und könnt durch die Nervenbahnen des letzteren eine Verbin dung zwischen dem Gehirn und den Autzenposten des Organismus, besonders den Sinneswerkzeugen, herstellt. Die graue Hirnrinde vermittelt durch chemische Stoff wechselvorgänge im Innern ihrer Ganglien alle Erschei nungen unseres Seelenlebens, unser Fühlen, Wollen und Denken. Diese sichergestellt« Tatsache berechtigt uns jedoch keineswegs zu der Auffassung, alle Bewegungen in unserem Geist uno Gemüt, die ganze wechselvolle und unüberseh bare Welt unserer Gedanken und Gefühle kämen allein durch jene chemischen Zellprozesse unseres Gehirns zustande. Diese von den Materialisten hartnäckig festgehaltene An schauung mutz schon deswegen als unwissenschaftlich, ja, als ganz unannehmbar erscheinen, we-l sie uns zumutet, an- tunehmen, daß aus chemischen und physikalischen Verände rungen stofflicher Teilchen etwas von ihnen Grundverschie denes, nämlich eine Vorstellung oder Empfindung, also ein Geistiges, entstehen könne. Eine solche Anschauung steht «it dem Denk- und Erfahrungsgrundsatz, wonach Gleiches «ur aus Gleichem kommen kann, in unlösbarem Wider ruch. Mit Recht sagt daher der große Anatom Joseph yrn: „Sollte es wirklich einmal dahin kommen, daß wir l« Anatomie jeder einzelnen Ganglienzelle des Gehirns gründlich verstehen, so werden wir mit diesem Wißen doch Nickt erklären können, wie diese Zellen in den materiellen Bedingungen ihrer Existenz auch die erste Anregung und den letzten Grund des Denkens enthalten". Die Seele ist keine bloße Funktion des Gehirns, sondern dieses ist vielmehr ihr Werkzeug, aber ein solches, welches sie, ebenso wie den übrigen Organismus, erst durch und aus sich selbst erschaffen hat und welches ihr daher «ickt bloß wie einem Künstler als Ansdrucksmittel dient, sondern welches auch auf sie zurückzuwirken vermag. Die Seele gewinnt im währenden Zustand ihrer Verkörperung wenigstens normalerweis« — allein auf dem Umwege Uder das Gehirn bewußte Sinneseindrllcke, die sich in Vor stellungen umsetzen sowie zu Begriffen. Schlüssen und Ur teilen verdichten, kurz, alles geistige Leven Hervorrufen und erhalten. Die graue Hirnrinde dient aber nicht bloß zur Erzeugung von Bewußtseinsphänomenen, sondern es wer ben auch alle reflektorischen und alle gewollten Bewegun gen unseres Körpers von ihr ausgelöst. Die Erkenntnis, daß das Gehirn der „Sitz unserer Seele" fei, ist heut« Gemeingut aller und schon jedem Schulkind geläufig. Hingegen ist es doch weithin un bekannt, daß die moderne Biologie bet dieser allgemeinen und unbestimmten Vorstellung von dem Zusammenhang Hwischen Gehirn und Seele nicht stehen blieb, sondern daß es großen Forschern gelungen ist, an der Großhirnrinde «ine Reihe von engumschriebenen Bezirken zu ermitteln, welch« wir als die Zentralstellen für das Zustandekommen «on bestimmten seelischen Einzelleistungen, insbesondere für di« willkürlichen Bewegungen unserer Gliedmaßen und unseres Rumpfes, für bewußte Sinneswahrnehmungen und Pr di« Zusammenarbeit der Eprechmuskeln anzusehen haben. So erkennen -wir -. B. in der oberen Schläsenwin- bung di« „Hörsphiire", in der Gegend des Hinterhauptes liegt eine Hirnwindung, da» „Sehzentrum". Zu diesen Zentralstellen werden die von den entsprechenden Nerven aufgenommenen Schallwellen oder Lichtstrahlen fort geleilet, und hier erst entsteht aus ihnen, also aus stoff lichen Elementen auf geheimnisvolle Weise, aber sicherlich durch Mitwirkung der Seele, ein geistiger Vorgang, näm lich «in bewußter Gehör» «der Gestchtseindruck. Die Mög- Von 8»n!täturat Or. Lerxmann Üerlirr lichkeit zu ihrer Mitwirkung geht der Seele verloren, wenn ihr Instrument gestört wird oder, anders gesagt, wenn diese Zentren, lei es durch äußere Verletzung, durch innere Entzündung oder durch Schlaganfall, zerstört werden. Dann kommt es zu jenem traurigen Zustand der „Seelen blindheit" oder .Seelentaubheit", wo zwar Auge und Ohr in allen ihren Teilen unversehrt sind, wo aber die von ihnen dem Gehirn überbrachten Eindrücke dort nicht zur bewußten Sinnesempsindung verarbeitet werden können. Seit der Jahrhundertwende sind uns in die hier natürlich nur andeutungsweise erörterte Mechanik des Seelenlebens erweiterte und vertiefte Einblicke erschlossen worden dank ganz neuer Fragestellungen und Befunde, die aus dem „Kaiser-Wilhelm-Jnstitnt für Hirnforschung" unter Prof. Oskar Vogt hervorgingen und die nicht bloß den wissenschaftlichen Unterbau für die Lehre von den Ee- hirnlokalisationen ungemein befestigten, sondern auch viel fach in praktischer Beziehung eine weitreichende Bedeutung für sich in Anspruch nehmen dürfen. Der soeben genannte berühmte Forscher hat in dieses Wissensgebiet eine neue Untersuchungsmethode eingeführt, die man als die architektonische bezeichnet hat, weil sie darin gipfelt, den Vau der einzelnen Hirnrindenfelder so wie die örtlichen Unterschiede in der Zahl und Anordnung ihrer Zellen und Fasern zu ermitteln. Das Studium der Architektonik hat zur Zerlegung der Großhirnrinde in ungemein viele, haarscharf gegenein ander abgegrenzte, jedesmal die ganze Rindendicke »m- ässende Felder geführt. Wir zählen heute bei dem Men- chen mehr als 200, und jedes von ilnien zerfällt dnrch- chnittlich in zehn Schichten und Unterschichten, von denen ich wieder jede durch den besonderen Bau und die Lage hrer zeitigen sowie faserigen Bestandteile unterscheidet. Sehr fruchtbringend waren diese Forschungsergebnisse, aber auch für praktische Fragen haben sie eine große und noch gar nicht abzusehenoe Vragweite gewonnen. Wäh rend sich bisher der Sitz von Narben und sonstigen ört lichen Veränderungen des Hirngewebes, selbst durch da» Nöntgenverfahren, nur sehr unsicher ermitteln ließ, er möglicht uns die neue Verfeinerung der Lokalisations- lehre, aus der speziellen Gestaltung der Symptome mit viel größerer Bestimmtheit den Ort des Krankheits prozesses zu erkennen und so die Grundlage für eine Ge hirnoperation zu schaffen. Auch die praktische Charakter- und Seelenkunde wird durch die architektonischen Hirnbcfuude und durch fort gesetzte Vergleichung der letzteren mit den ihnen ent sprechenden Charakterzügen und Sceleuvcrfassungen zu aufschlußreichen Erkenntnissen gelangen, welche uns vor aussichtlich den wissenschaftlich gesicherten und bisher noch nie gefundenen Maßstab zur Beurteilung von Persönlich keiten und ihren seelischen Tiefen an die Hand geben werden. Hingcwicsen sei schließlich noch aus die naheliegende Aussicht, daß diese neugewonnenen Ergebnisse der Hirn- sorschung auch für die völkische Eugenik ausgewertet wer den können. Denn durch den fortschreitenden Ausbau der Lehre von der seelischen Bedeutung jedes einzelnen Ee- hirnzellcnverbandes werden wir zu der Erkenntnis kom men, welche erblichen Faktoren und welche Umwelteinflüsse bestimmend auf die Beschaffenheit des menschlichen Ge hirns einwirken, und Oskar Vogt erklärt, daß diese Er kenntnis „die erste Voraussetzung für ein künstliches Züch ten sozial wertvoller Gehirne und für ihre geeignet« Pflege" sein werde. Dis spanische üokreitscimie in Men Zu den vielen schönen Dingen, die das kaiserliche Oester reich dem republikanischen Bundesstaat vermacht«, gehört auch die spanische Hofreit schule in Wien, die gegenwärtig und schon früher einzig« Pflcgestütte der alten, klassischen Reitkunst, wie sie dort -ni den zauberhaft schönen Pferden aus dem ehemals kaiserlichen Gestüt von Lippiza, an den sogenannten „Lippi- zanern" gezeigt wird. Das kaiserlich« Gestüt von Lippiza wurde bereits um 1580 von Erzherzog Karl, dem Sohn Ferdinand l-, begründet. Lippiza ist ein küstenländisct-es Dorf, das einund einhalb Fahrstunden von Triest ans dem Plateau von Opcina sich befindet nnd dort, auf dem steinigen Karstboden, züchtete man drei Jahrhunderte lang di« weltberühmten Lippizaner, eine Edelrasse von Pferden, die ursprünglich spanischer und neapolitanisckzer Herkunft waren und erst im letzten Jahrhun dert durch anrbisches Blut aufgesrischt wurden. Die Lippizaner sind nach ihren fünf Stammvätern benannt: Pluto, Conversano, Neapolitano, Favory und Maestoso. Als sechster Stamm kam dann, wie gesagt, «ine in der Wüste gekaufte, orientalisch« Pfcrdcrass« hinzu, die nach dem Original-Araber „Siglavy" be nannt wird. Die Pferd« tragen immer Doppelnamen, der aus dem Vater- und Mutternamen gebildet wird. „Generale Malaga" heißt also: Vater: „Generale", Mutter: „Malaga". Man kann sich au diesen wunderbaren Pserben, wenn man sie in der Reitbahn mehr Hinschweben als hintraben sieht, nicht sattfehen, kann sie nicht genug bewundern, wenn man sie in ihren Stallungen besucht und sie einem ihre herrlichen Köpf« mit den großen, feurigen Auge» zuwenden, wenn sie ihren vollendeten Wuchs, ihren majestätisch mächtigen Hals, ihre schöne Mähne und das wie Atlas glänzend« Fell zeigen. Man gewinnt im Anblick solcher Pferde erst den rechten Begriff von dem, was ein Pferd sein kann, sowie man erst beim Anblick eines säst,nen, genialen Menschen die Möglichkeit des Menschen erkennt. Man hat hier sozusagen Ur-Adel vor sich, di« Schönheit hochgezüch teter Natur, das Vollkommen«, wie es eben nur unter günstig sten Bedingungen in langen Jahre», -a, in Jahrhunderten her- angebildet und erricht werden kann. Die Lippizaner — das Gestüt wurde nach dem steirischen Orte Piber bei Köflach verlegt, wo jetzt wieder Lippizaner Fohlen zu sehen sind (sie sind bei der Geburt grau und werden dann nach einigen Jahren blendend weiß) —, die Lippizaner. deren Alter bis zu vicrundzwanzig und achtundzwanzig Jahren beträgt, werden von besonderen „Bereitern" in Dressur genom men, um die klassischen Schulgüng«, die „Hohe Schule" zu er- I^o»r1 über»» I^üblvveiber ' Lsrl Vsrvrnal. I« den Weiher taucht der blanke Mond hinein. Uferweiden spiegeln sich tiefschwarz. Duft von frischem He» geht durch den Abend. Träumend sinnt das alte Mühlenhan». Geht «in Rauschen von dem morsche» Wehr . . . Silberzart hat sich im Mühlenrad 2» bemoosten Speichen Mondftrahl «ingefange«. Ein« Katze tastet leise über» Dach, U»d der Müller «ach» di« Aensterliid«» zu ... Vor» AIsx lernen. Dies« Cchulgiing« werden bei Anlaß der Vorführungen in der Wiener stxnü scheu Hofreitsch-ule gezeigt und solch« Vor führungen, di« noch wie ein Kapitel ans feudaler Zelt in un sere Tage glänzen, finden immer ein entzücktes Publikum. Die Tier« erscheinen in reicher, höfischer Zier, die Reiter in beson deren, althergebrachten Reitkostümcn. Ihre Haltung ist vor bildlich, sie sind Künstler ihres Faches. Ein Orchester von Blä sern ist zur Stelle und bei seinen Klänge» erscheinen im weilen Barocksaal die Gruppen, und die Reiter ziehen grüßend den Zweispitz. Man reitet die Quadrille, reitet die verschiedenen Touren nnd Gänge der .Hohen Säule". Dann produzieren sich die einzelnen Bereiter auf -cn einzelnen Prachtexemplaren. Wir sehen die Piaffe, die Levade, den spanischen Schritt, die Kurbeile und Kapriole. Wir sehe» ein solche? Edcipscrd „in den Pi laren", das heißt, zwischen zwei Pfosten, innerhalb deren cs uns eine Piaffe zu zeigen hat. Die Piaffe ist diejenige Figur, bei der das Pferd einen taktmähigen Trab auf der Stelle zu gehen, dos heißt, zu treten hat. sie kann aber auch unter dem Reiter oder an der Hand ansgesührt werden. Es soll dabei di« Bein« möglichst lange in der Lust Hallen. Die Levade. auch Pcsadr vorwärts zu bewegen, und dabei die Hanken zdi« Hinterbeine) genannt, zeigt jene Stellung des Pferdes an, bei der es die Vorderband <dic Vorderbeine) aus der Stelle hochbebt, ohne sich geschlossen auf dem' Bodcn hält, ob»c von der Stelle zu rucken. Eine klassische Levade zeigt zum Beispiel das Denkmal des Prin» zen Eugen in Wien. Das Pferd wird in dieser Stellung ge- wissermaßcn zur Statue. Bcivcgt es sich aber in solch crbobcne, Stellung mit den Hinterbeinen von der Stelle, so heige di« Figur Kurbette. Die Lippizaner springen, auf den Hinterfüßen stehend, drei- bis viermal in der Kurbette vorwärts. Schwierigere Variationen der Kurbelte siird dann die Lroupad«, die Balotade und die Mezair. Das höchste Wunder der Dressur ist aber doch die Kapriole, das ist jene Figur, bei der das Pscrd, in der Lust, die Hinterbeine gewaltig nach hinten wirft und sie fast wngerecht zum schwebenden Körper streckt. Alan nennt dieses „Ausschla gen" das „Streichen". Reicher Beifall belohnt jedesmal diese besondere Figur. Die spanische Hofreitschul« in Wien befindet sich in einem überaus reizvollen Bnrocklniu von Josef Cmannel Fischer von Erlach, dem Sohne des großen Johann Bernhard Fischer von Erlach, dem Wien rin« Reihe bezaubernder Barockbauten ver dankt. (So die Karlskirche.) Die schönen Pferd« und ihre Be reiter — sie bilden zusammen einen Wert, der einzig ist in der Welt — haben ihr« Kunst bereits in Berlin, London und Aachen gezeigt und sind zur nächsten Weltausstellung nach Barcelona geladen. Der Erfolg war überall ungeheuer. In London wohn ten der Vorstellung jeweils 15 OVO Menschen bei — so viel der Saal fassen konnte. Berlin war entzückt, Aachen nicht minder und Barcelona wird es sein. Dies« Tiere zu sehen, ist ein Er lebnis, und wer Wien besucht, sollt« sich den „Generale Malaga" oder „Neapolitano Salva", diese herrlichen Rosse, anfehen, und ihnen ein paar Stückchen Zucker mildringen. Sie werden ihn dafür mit ihren großen, dunkelglänzcnden Augen dankbar an- fuukeln und außerdem mit der einen Vorhand gleich den Boden scharren, — was bedeuten soll: noch mehr, bitte I Denn was di« Süßigkeiten anbetrifst, da find dies« erhabenen Lippizaner fo genäschig wir Schulmädchen.