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Sächsische Dolkszeitung »> Januar I»r» S Steuerung des Zuschutzbedarss um M Prozent Es ist ein besonderes Kennzeichen der Lssentlichen Finanz- Wirtschaft im Deutschen Reich, daß sie in drei Teile geteilt ist, und daß neben der Finanzwirtschast des Reichs auch noch eine Finanz Wirtschaft der Länder und der Gemeinden besteht. Diese Vielseitigkeit des Lssentlichen Einnahme- und Ausgabewesens in Deutschland hat bisher zu vielen politischen Auseinandersehungen Anlag gegeben und in den Fragen des Finanzausgleichs, der Steuervereinheitlichung und der Verbilligung und Rationalisierung des Verwaltungs apparates ihren besonderen Ausdruck gefunden. Daß diese Aus- einandcrsehungen sich bis jetzt lehr schwierig gestalteten, lag vor allem daran, daß kein übersichtliches und vergleich bares Zahlenmaterial über die Finanzwirtschast in den deutschen Ländern und ihren Gemeinden vorkanden war. Daher ist es von ganz besonderer Wichtigkeit, daß das Statistische Reichsamt in Fortsetzung seiner sinanzstatistischen Veröffent lichungen jetzt in einer besonderen Beilage zu „Wirtschaft und Statistik" (9. Jahrg. Nr. 1) dem Auge des deutschen Steuer zahlers zum ersten Male ein anschauliches Bild der gesamten öffentlichen Finanzwirtschast in den größten deutschen Ländern und ihren Gemeind-n für die Vor- und Nachkriegszeit entrollt. Es ist ganz unmöglich, an dieser Stelle auch nur auszugsweise die bis in die kleinsten Einzelheiten zerpflückten Ausgabe- und Einnnhmeverhältnisse in ihrem vollen Umfang wieder,zngeben; nur wenige wesentliche und charakteristische Züge seien hcraus- gegrisfe».' Von vornherein wird auf die Schwierigkeit einer solchen Verchfentlichung, die vergleichend zeigen will, wie in einzelnen Gebieten gewirtschaftet wird, hingewiesen. Da ein großes Land naturgemäß größere Ausgaben hat als ein kleines, ist ein Ver gleich der Einnahmen und Ausgaben nur möglich, wenn die Verschiedenheiten in der Größe der einzelnen Länder aus geschaltet werden. Dies geschieht wie bisher durch Umrechnung der absoluten Zahlen auf den Kops der Wohn bevölkerung. Wenn diese Zahlen auch die Ungleichheit in der Vevölkerungsgröße beseitigen, so bleibt bei einem Ver gleich verschiedener Länder doch der Einfluß der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede auf die Finanzgebarung zu berück sichtigen. Daher sind die Kopfzahlen hier lediglich als rohe Hilfszahlen zu betrachten, aus denen nicht ohne weiteres Wirt schaft?- oder finanzpolitische Schlüsse gezogen werden dürfen. Der Zuschubbedarf der Länder und ihrer Ge meinden betrug je Kops der Bevölkerung im Nechnungsinhr 1913/14 53,75 M., im Rechnungsjahr 1925/26 197,71 Nm. Ins gesamt ergibt sich daher eine Steigerung gegenüber der Vor kriegszeit um rund Ivo v. H. — In den einzelnen Ländern sind die Steigerungssätze des Zuschußbedarfs pro Kopf der Bevölke rung nicht einheitlich. Die folgende Zusammenstellung zeigt die Veränderungen in den sieben größten deutschen Ländern: Zuschußbedars je Kopf Steigerung Land der Äevölkerung 1925M gegenüber 1913/14 1925/2« 1913/14 Preußen . . . . . 55,04 110,66 101,1 Bayern . . . . . 52,59 99,88 89,8 Sachsen .... . . 50,53 111,76 121,2 Würliembera . . . . 56.16 1'M."4 > 9'1 Baden .... . . 59,08 113,64 92.4 Thüringen . . . . . 40.05 85.13 109,4 Hessen .... . . 53,35 107,77 102,0 Zeitlich ist bci allen Ländern und ihren Gemeinden zu be rücksichtigen, daß die Nachkriegszeit ihnen Nerwaltungs- ge biete zugcwiesen hat, die in der Finanzwirtschast der Vorkriegszeit keine wesentliche Nolle spielten, so u. a. das Woh nungswesen und die Erwerbslosenfürsorg«. Aber auch Vcr- waltungszwcige, die schon in der Vorkriegszeit zu wichtigen Bestandteilen des Ausgabenaebiels der Länder und Gemeinden den einzelnen Ländern zwischen 17.3 v Y (Württembergs und 29,4 v. H. (Thüringen). Nach dem Krieg blieb zwar das Volks- und Fortbildungsschulwesen sinanzwirtschastlich an erster Stelle, doch ist sein Anteil am Eesamtzuschußbedars in folge des größeren Umsangs, den andere Verwaltungszweige beanspruchten, zurllckgegangen. Er schwankt 1925/29 zwischen 15,1 v. H. (in Württemberg) und 25,3 v. H. (in Thüringen). In dem vier größten deutschen Ländern war der Gesamt- zuschußbedarf zwischen Land und Gemeinden folgendermaßen verteilt: Land i. v H. Gemeinden i. v H. 1913/14 1925/20 1913/14 1925/28! Preußen 3».» 38,2 612 61.8 Bayern . 50» 54,3 49,1 45,7 Sachsen 419 38.0 55,1 62,0 Württemberg 46.» 43.» 53,1 56,1 Da die für das Rechnungsjahr 1925/26 festgcstellten Ver änderungen und Umschichtungen gegenüber der Vorkriegszeit im großen und ganzen auch für die folgenden Jahre Gültigkeit behalten werden, ist die vorliegende neue Verüssentlichung des^ Statistischen Reichsamts von grundlegender Bedeutung. Im Haushaltsausschuß des Reichstage» wurde am Dienstag der Gesetzentwurf über die Aenderung der Rechtsverhältnisse der Wartegeldempsängcr verabschiedet. In der Ueberschrift wurde das Wort ..Wartegeldempfänger" durch „Wartestandsbeamte" ersetzt. In Ablehnung aller anderen An träge wurden im übrigen nur die Anträge der Regierungs parteien genehmigt. Danach darf unter nderem die Versetzung in den Ruhestand nicht erfolgen, wenn sie für den Wartegeld empfänger eine unbillige Härte bedeuten würde. Als Zeit punkt des Inkrafttretens des Gesetzes wurde der 1. Februar 1929 bestimmt. Annahme fand auch eine Entschließung, die die Neichsregierung ersucht, dafür besorgt zu sein, daß Wartest.inos» beamte, die längere Zeit außerplanmäßig beschäftigt werden, wieder planmäßig angestellt werden. gehörten, haben sich terlmeife stark geändert. Starke Steigerun gen weist vor allem der Zuschußbedarf je Kopf der Bevölkerung bei Fürsorge- und Gesundheitswesen, beim Polizeiwesen, der Wissenschaft und Kunst und beim Volks- und Fortbildungs- schulwesen auf. Senkungen haben sich ergeben bei den „Obersten Staatsorganen" und zum Teil beim Schuldendienst. Räumlich, d. h. im Vergleich der Länder untereinander, sind di« Unterschiede nicht unwesentlich: sie schwanken bei Für sorge- und Gesundheitswesen zwischen 16» und 303 v. H-, Polizei zwischen 111 und 109 v. H.. Wissenschaft und Kunst zwischen 72 und 263 v. H., Volks- und Fortbildungsschulen zwischen 50 und 101 v. H. Die verhältnismäßig stärkste Steigerung in der Nachkriegs zeit zeigt somit das Fürsorge- und Gesundheits wesen, das zu einem der finanziell wichtigsten Verwaltungs zweige geworden ist. In den sieben größten Ländern beträgt die Steigerung des Zuschußbedarfs je Kopf der Bevölkerung für das Fürsorge- und Gesundheitswesen: Preußen 206,6 v. H. Bayern 168,6 v. H. Sachsen . . . . „ 241,9 vH. Württemberg. . . 200,9 vH. Baden 169,1 v. H. Thüringen .... 303,4 v. H. Hessen 239,6 v. H. Anteilsmäßig stand bei dem Zuschußbedars je Kopf der Be völkerung der einzelnen Länder und ihrer Gemeinden 1913/14 das Volks- und Fortbildungsschulwesen weitaus an eriter Stelle. Die Auteilsickiwankuunen bewegten sich bei Sympathischer Rechenschaslsberichl Fast 3,3 Millionen Ueberschutz im Rechnungsjahr 1927 in Sachsen Dresden, 29. Januar. Dem Landtag ist uunmelsr auch der Rechenschaftsbericht über den Staatshaushalt auf das Rechnungsjahr 1937 zugcgangen, der, wie Finanzministcr Weber bereits in sei ner Erläuterung des diesjährige» Etats bclannt gab, mit einem rechnungsmäßigen Gewinn von 3 415 278 Mark abschließt. Aus dem Rechenschaftsbericht sind folgende Hauptergeb nisse hervorzubebeu: llebcrschüsse und ordentliche Zuschüsse deS ordentlichen Staats haushalts: Die der Vergleichung mit den wirklichen Ergebnissen zugrunde zu legende Anschlagsumme der Ilcberschüsse und Zuschüsse setzt sich zusammen aus 269 145 700 M. Haupiplan für 1927, 18 678 940 M. Nachtrag hierzu, zusammen 287 824 640 M. Die kassciimäßiocu (Ist-) Uebcrscknisse beliefe» sich auf 278 171 888 M.. mithin gegen die NnschlagSsumme von 287 824 640 M. auf 9 652 751 M. weniger. Unter Berücksichtigung der Veränderung bei den Ausgabevorbchalien (Spalten 3 und 8) ergibt sich rechnungsmäßig ein Ertrag von 277 704 221 M.. das sind gegen die Anschlagssummc 287 824 640 M. 10 120 418 M. weniger Dieser M.ndererirag erklärt sich dadurch, daß bei Kap. 11, Einnahmen der allgemeine» Kassenvcrivaltnng, bei dem lediglich dem Abschlüsse des Hausbiltplans dienende» Titel 7 dem veranschlagten Betrage von 31378 940 M. (27 260 000 M. Hauptplan plus 4 178 940 M. Nachtrags keine Einuabme gegeuübcr- stcht, weil der Fehlbetrag des ordentlichen Haushalts im Hcinpt- abschlusse des Rechenschaftsberichtes nachgewiesen wird. Wird dieser Rechnungsvorgang außer Betracht gelassen, so errechnet sich ei» Mehrbetrag von 21 258 521 M„ der mit 8119115 M. auf die Nutzungen des Staatsvermögens und der Staats- anstalten und mit 13139406 M. auf die Steuern entfällt. Das Mehr an Nutzungen des Staatsuermögens und der Slaals- anstalle» ergibt sich ans wesentlichen Mchrerträge» bei den For sten (1978158 M.>. der Domnncnverwaltung (118 960 M>. der La n d c s l o t t e r i e (654 770 M.). der Staatsbank <127199 M), und den Einnahme» der allgemeinen Kasse nverwal» Inng <5714383 M.>, gegenüber Mindcrerlrägcn bei den gewerb lichen Betriebe» der Ae r g v e r wa l > u » g (160 000 M.s, den wasserwirtschaftliche» Betriebe» (298 156 M.) und den staatlichen K ra f t w« g e n l i n i c n (144951 M-). Tie kasscnmäßigen (Ist-) Zuschüsse betrugen 268257958 Mark, mithin gegen die AnschlagSsumme 287 824 640 M. 19 500 083 Mark weniger. Werden hierzu die Veränderungen an den Aus- gabcvorbehalien in Betracht gezogen, so ergibt sich rechnungsmäßig ein Aufwand von 274 288 94,3 M.. d- i. gegen d> Auschlaasinmme von 287 824 640 M. ein W e » i g e r v o „ 1 3 535 696 M., da» sich erecbnet aus 29 391 998 M Miuderausmaud und 15 859 301 M. Mebrausmaud bei den ciuzeluen Kapitel». Beim ordentlichen Haus halt ergibt sich ei» rechnungsmäßiger Gewinn von 3 415278 M a r k. Ausgaben des außerordentlichen Staatshaushalts. Von den zu außerordentlichen Staaiszwecken für das Rech nungsjahr 1927 ausgcsetztcn 51 370 334 M. sind 37 458 811 Nt. ans« gegeben »nd 13 9 2 9 21 9 M. künftiger Verausgabung Vorbehalte» worden. Auf die ans dem Rechnungsjahr 1926 übernommenen Ansgabevorbchüie von 31793 102 M sind 27 405 955 Mark verausgabt worden: 4 800 915 M. sind — unter Berücksich tigung der eingctretene» llcberschrcitungcn — weiterhin vorznbe-al ten. Hiernach lilauscn sich die Gesamtausgaben anf 64 864 769 M. und der Gesamtbetrag der am Sch'nsse des Rech. »niwsiahr-S 1927 noch vorznbchaltende» Bewilligungen anf 18 730 134 M. Da sich die Ausgabevorbehalte von 31 793 402 M. Die geistige Mitte Von. Dr. Clemens Kor h. Wie gestalten sich die Zeiten? Wie ändern sie sich? Wie «rmt sich das Lebensgesühk einer Evoche?, und wie formt es sich um. Immer steht doch um den Menschen die Welt wie am ersten Tag. Bäume, Tiere, Hügel und Flüsse haben ihre Ur- »hnen genau wie wir im Paradies. Sannen und Planeten gehen ihren gleichen Gang. Nichts hat sich geändert in den Grundlinien unserer geistigen Situation inmitten dieser sehr beständigen Welt. Wir standen immer als einzelne, geformte Wesen dem großen Zusammenhang gegenüber. Was ist'cs nun, das uns aus dieser ewig gleichen Konstellation heute Verzagen und Verzweifeln, morgen grenzenlose Zuversicht hcrauslesen läßt? Heute das Glück eines herrlichen Zusammenhanges, mor gen das Elend schlimmer Vereinzelung? Wie erklären sich diese geheimnisvollen periodischen Vorgänge, wie e'-'lären sich die geistigen Gezeiten der Menschheit, dieses unaufhörliche Hin und Her zwischen Ebbe und F!ut? Welches sind die lunarischen Einflüsse, vermöge deren heute Gott reich und strömend ins Menschenland hereinschwillt, um morgen seine Küsten schmerz lich zu entblößen? Ich weiß, daß es Erklärungen dafür gibt. Aber ich be- haupce, daß keine dieser Erklärungen an das eigentliche dieser Vorgänge herangreift. Ich behaunte, daß sie alle im Bereich des bloßen Veschreibens bleiben. Sie stellen Erscheinungen fest. Sie steilen ein S"n fest. Sie berufen sich immer auf Dinge, «uf Zuständlichkeiren. Aber Dinge und Zuständlichkeiten er halten ihre Wirkungskraft, ja ihre Existenz erst durch die Wert- betonung. die der Mensch ihnen gibt. Und eben diese Wert- betonung steht ja zur Erörterung. So stellen uns alle Er- IlSrungen jener periodischen Vorgänge vor ein Sein, nicht vor «ine letzte ursächliche Verkniipfuiw. Dem Menschen, der in dieses Sein wirkend ober gar ändernd eingreifen will, ergibt sich die Folgerung: Dem Sein der Welt, dem Sein der Zeiten ist der Mensch nur mit seinem Sein wesensgleich und ebenbürtig. Nur das Sein des Menschen ver mag aus das Sein der Welt zu wirken. Und dies wird sich um k« wahrer erweisen, je verwirrter die Geisteslage der Gemein schaft- ist. je mehr sie unser Wort und Werk mit Verschmutzung »nd Verfälschung bedroht. Das zwingt uns meiner Ueber- z«uguna nach heute zu der Einsicht hin, daß An.rieb« wichtiger Iü,d als Ziele. Müssen und Wissen wichtiger als drs Wollen, da» Genetische wichtiger al» da» Finale, und alles, »a« unser«» Kern »ahestiht. wichtiger und wirksamer, not. wendiger und zuverlässiger als die vorgeschickt-n Absichten un^ Zwecke. Es ist wichtiger, das Neue zu sein, als Rezepts und Mittel dafür auszurnfcn. Denn alle Mittel und Rezepte ar beiten mit der cntstosflichten. rntkörpcrten, aesnensterhaftcn Menschheit von heute, mit ihren substanzlosen Eeistesinhaltcn, mit ihren entfleischten Gedanken, ihren entkernten Ich-n und zersetzten Charakteren, ihren unwissende» Leidenschaften und ihrem ganzen ungeheuerlichen Lebensdilettan''-m»s. Es fehlt ja allererst an jedem tauglichen Objekt für a*e möglichen Re zepte. Es fehlt an Sein, an Müssen, an Schickial. an Ein bettung und Einfügung in d.ie Welt. Und deshalb scheint mir die vordringlichste Aufgabe aller Wissenden, Mehrer des Wesens zu sein. Verdichtung zu vollziehen, Beruhigung um den Kern her. Ich weiß, daß ich mich damit jene«. Geistesrichtung znzu- gesellen scheine, die man den Quietismus der Ethiker nennt. Ich weiß auch, daß diese Bezeichnung den Unterton hat: be schaulicher Tagediebstahl, sublimer Müßiggang Aber wenn es geistreiche Taugenichts geben sollte, die aus der Verpflichtung zum Sein wirklich quietistische Folgerungen ziehen, so dürfen sie uns nicht zugcrcchnet werden. Wir meinen allerdings ein „Tun durch Nicht-Tun". Aber dieses Nicht-Tun hat cbcmo wenig mit kraft- und entsckilußloscr Schwäche zu tun wie das Nicht-Wissen des Sokrates mit blöder Ignoranz oder das Nicht-Wollen der großen Pessimisten mit knechtlicher Willenslähmung. Wir meinen jenes Tun, das nicht aus den Oberflächenregungcn des Gemüts herauskommt, son dern aus welihaltigem Müssen; ein Tun, das so eng an uns selbst hängt wie das Licht an der Sonne Wir meinen das Tun der Elemente und der Gestirne, denn auch die Sonne will nichts und bezweckt nichts, sondern sie ist. nämlich Licht und Glut; damit wirkt sie, nicht als ein abgeblendeter Scheinwerfer, son dern als ein Ball Leben und Kraft, iiberzwecklick und über- zielig und deshalb gerecht und sinnvoll nach allen Seilen. Es ist zu wenig Wirkung da, überlegen wir, und daher dann die Meinung: Es geschieht zu wenig, es muß mehr ge schehen. Aber vielleicht geschieht zu viel. Vielleicht ist zu wenig Wirkung da auf der entscheidenden Ebene, weil auf der falschen Ebene zu viel Muskeln und Werkzeuge sich regen. Seht euch um: überall wird mit langen Stangen im Hexenkessel der Zeit herumgewiihlt bis auf den Grund Nicht» kann sich setzen. Nichts rann sich scheiden und entscheiden. Tätigkeit lenkt ab von der Tat. Es ist ungeheuer viel Geist und Tätigkeit am Werk. Wir haben in kulturellen Fragen eine Weitsichtigkeit bekommen, daß jede kleine, bescheidene Einzel heit unter uferlose Perspektiven rückt. Und alle diese Per- spektiven sind zugleich Wertjkalen, «nd sie durchschneiden sich wechselseitig mit grellem Mißklang. Die Vielheit der Gesichts- punkte ist »irr und «rdnungslo». Da» Erfühl, da, «in«» er greift wenn man nur in ein Verzeichnis moderner Kultur essayistik hineinblickt, ist von den Empfindungen der Seekrank heit nicht weit entfernt. Ich meine, daß schon die Weite dieses Sehfeldes, die Weite und Vielartlgkeit der kulturellen Fragestellungen etwas Kränk liches ist. Ich meine, daß wir zu allererst den Mut finden müssen, in der farbigen Tollheit des Augenblicks das Einfache und Naheliegende zu tun. das uns auf die Fundamente bringt. Ich meine, daß die Führenden und Wissenden an dieser Auf gabe am besten Mitarbeiten, wenn sie mit Kraft in die sou veräne Ruhelage gehen, wenn sie eingestciumten Fußes die geistige Mitte halten. Mute, das ist nicht jenes Iuste- milieu, als dessen Beförderer jüngst Goethe von Earl Stern heim so ungemein scherzhaft entlarvt wurde, sondern die Mitte, die zugleich die Höhe ist über jeder zweckhaften oder ver scheuchte» Vereinseitigung. Wir müssen still und unablässig nach der Mitte gravitieren, und unser ganzes Sein soll ein unaufhörlicher Hcimruf zum großen Mittelvun't sein. Wir müssen den Menschen die Fragen vereinfachen, statt sie zu verwirren. Wir werden die Fragen um so einfacher sehen können, je mehr wir sie vom geistigen Mittelpunkt ans be trachten. Die Menschheit will von uns einlache, lesbare Frage stellungen und schlichte Ermutigungen, sonst nichts. Damit komme ich zu einem andern Punkt. Wir klagen wechselseitig, daß kein Glaube uns bindet. Ich meine aber doch, daß mir einen gemeinsamen Glauben haben. Mir glauben alle, oder fast alle, an eine erdrückende Uebergewalt der geisti gen Not. Wir glauben an die zwanghafte Vcrfangenschaft jedes einzelnen in der allgemeinen geistigen Ratlosigkeit. Wir haben unsere geistige Welt mit Kulissen verstellt, auf die in dunklen und grellen Farben viel Verzweiflung »nd Verz'cht ausgemalt sind. Wir haben uns unsere geistige Welt unwegsam für kräftige Entschlüsse und unwirtlich für einfache Menschen, regungcn gemacht. Eine drepessive Verdunkelung unserer Ge müter wirst Nackt und Rätsel an alle Wände, die nm uns stehen, und aller Relativismus, unter dem wir angeblich leiden, hat uns noch nickt in den Stand gesetzt, die objektive Gültigkeit dieser Cchreckenskulissen anzuzweiseln. Besinnen wir uns doch, daß alle Verzweiflung damit be ginnt daß sie Farben des Schreckens ausstößt und das Zustiind- liche damit bekleidet. Besinnen wir uns, daß alle Wirkung und Zuversicht damit beginnt, daß das Zuständliche wegsam. zu gänglich, angreifbar und geschmeidig gemacht wird durch eine günstige, geistige Sinngebung. Dies angewendet, soll es uns völlig gleichgültig werden, ob wir un» in einem Weltgefährt „Zeit" befinden, da» dem Unter gang de« Abendland«» zurast ober der schwarzen Revolution «der einer andern fürchterlichen Barbarei. Unsere Menschen- a»f-ab« bleibt bi« gleich«, Unser« Menfchenpflicht wirb dadurch