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Sächsische Volkszeitung : 13.10.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192810130
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19281013
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19281013
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-10
- Tag 1928-10-13
-
Monat
1928-10
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.10.1928
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Don einem BSren angefallen Pa«tt wührriG einer Zirkusvorstellung. Dresden, 12. Oktober. Während einer Vorstellung in Zirkus Mahne auf dem Hebbelplatz in Dresden-Cotta wuvde gestern abend der Domp teur Georg Lark von einem großen Braunbären angefallen und er heblich verletzt. Nur mit Mühe gelang «8, ihn aus dem Vorfüh- rungsläfig herauSzuschasfen, wobei noch mehrere andere Personen Verletzungen davon trugen. Dabei gelang es demm Bären, aus dem Käfig zu entkommen, wodurch im Publikum eine Panik entstand. Das Tier wandte sich rückwärts nach dem Pferdestall und sieldort eine Zirkusreiterin an. die ebenfalls verletzt wurde. Schließlich mußte der Bär durch das herbeigerufene Ueberfallkom- mando erschossen wenden. Die Verletzten wurden ins Krankenhaus Friedrichstadt geschafft. Wie gemeldet wird, hat die Zirkusreiterin Kratzwunden und eine größere Wunde am Hals« erlitten, die aber nicht schwerer Natur sind. Dagegen hat der Dompteur einen schweren Biß in den Arm erhalten und am Hinterkopse ist ihm die Haut in Handteller große hcruntergerissen worden. Wahrscheinlich muß ihm der Arm abgenommen werden. Relchswafferslratzenverwaltring und Arbeilerenllasfungen Die günstige Witterung des zu Ende gehenden Sommers hat es der Reichswasserftraßenverwaltung ermöglicht, in einem Umfang, wie in den letzten Jahren nicht durchführbar, die Aus bau- und llnterhaltungsarbeiten an den Strömen zu fördern. Das nasse Wetter der letzten Jahre und die dadurch häufigen hohen Wasserstände, besonders auf den östlichen Wasserstraßen, hatte» manche Arbeiten in Rückstand gebracht, die in diesem Fahre gut nachgeholt werden konnten. Die Folge dieser starken Tätigkeit in Verbindung mit Lohnerhöhungen war ein« vor zeitige Erschöpfung mancher Fonds. Bei dieser Sachlage ist vielfach die Befürchtung entstanden, es könne im Bereich der Reichswasserstrahenverwaltung zu Arbeiterentlassungen kommen, die über das durch Fertigstellung einzelner Bauten bestimmte Maß hinausgehen. Zur Abwehr dieser Befürchtung und zur möglichst weitgehenden Ausnutzung der sür Bauzwecke unge wöhnlich günstigen Witterung hat der Reichsverkehrsminister den Neichsfinanzminister um planmäßige Verstärkung der in Frage komendcn Etats gebeten. Kauft Kartoffeln! Wenn die Wetterpropheten recht behalten, werden wir frühzeitig starke Fröste bekommen. Es scheint, als ob sich diese Voraussagungen schon bestätigen sollten. Deshalb muß die Hausfrau jetzt schon Vorsorge treffen, daß sie sich Wintcrkartof- feln beschafft, denn wenn die Fröste eintreten, können die Bauern nicht die Mieten öffnen. Es wird Knappheit eintreten und die Kartofselpreise werden steigen. Es besteht dann auch die Gefahr, daß die gerade auf dem Transport und auf den Niiterbahnhösen befindlichen Kartoffeln erfrieren, so daß die Kartoffeln vielfach den unangenehmen süßlichen Geschmack be- kommen — Es ist augenblicklich eine günstige Zeit zum Einkauf von Kartoffeln, da die Landwirtschaft verkaufen muh, um sich ehr starkes Angebot und t anzunehmen, wie dies hre vom Be- kSeld zu beschaffen. Die Folge ist, daher auch gedrückte Preise. Es i immer eiuzutreten pflegt, daß auch n diesem amu des Winters an die Kartofselpreise stetig und daß im Frühfahr mit nicht unbeträchtlich höheren Preisen zu rechnen ist. Daher dürste es zweckmäßig sein, wenn schon jetzt die Hausfrauen sich um die Anschaffung der nötigen Winter kartoffeln bemühen. ^te^gen werden. d Wiederwahl des Bürgermeisters von Kipsdorf. Die Ge- meindeverordneten haben in ihrer letzten Sitzung Bürgermeister Krause, dessen Amtszeit im März nächsten Jahres zu Ende geht, aus weitere sechs Jahre zum Bürgermeister gewählt. d. Bergmannslos. Donnerstag mittag verunglückte auf dem „Glückauf-Schacht" in Bannewitz der 52 Jahre alte Berg arbeiter Emil Brückner aus Wilmsdorf tödlich. Der Ver unglückte hinlerläht eine Frau und vier, zum Teil noch un versorgte Kinder. s. Bei der Arbeit verunglückt. Im Abraumbetrieb der Grube Golpa ereignete sich am Donnerstag ein tödlicher Unfall. Aus bis her unaufgeklärter Ursache geriet der Arbeiter Bürger unter einen Abraumzug und wurde überfahren. Man nimmt an, daß der Ver unglückte den Unfall selbst dadurch verschuldet hat. daß er auf den saftenden Zug aufzuspringen versuchte. I-eiprig unrl Umgebung Inkernakionale PelzausfkeHung 193« Leipzig, 12. Oktober. Unter Vorsitz des Herrn Paul Hollender fand erneut eine Sitzung des Gesamtvorstandes der Internationalen Pelz-FachauS- stellung Leipzig 1930 statt. Es wurden Beschlüsse gefaßt über die Zusammensetzung der Fachausschüsse. Vorläufig wurden folgende Ausschüsse zusammengestellt: 1. Pelztierkunde, 2. Haar, und Fell, künde, 3. Fellvercdelung, 4. Nauchwarenhandel und -kommisston, 5. Kürschner- und Pelzkonfektion, 6. Sozialpolitischer Ausschuß, 7. Fachausbildung und Schulwesen, 8. Wirtschaft?- und Nachrichten- dienst, Fachpresse, Kundenwerbung, Absatzförderung, 9. Interessen vertretung, 10. Produktion und Handelsstatistik, 11. Werkzeuge, Ge. rüte, Maschinen, 12. Hilfsgewerbe, 13. Pelztier und Pelzwerk in der Kunst. ) Die bolivianische kosularische Vertretung für dos Land Thüringen ist von nun ab dem Konsulat von Bolivien in Leipzig zugewiesen worden. Honorar-Konsul von Bolivien in Leipzig ist Herr William Marx-Grauck. Er wird in dieser Eigen schaft auch für dos Land Thüringen anerkannt und zugelassen. Dem Genannten ist names des Reichs das Erequatur erteilt worden. ) Ans frischer Tat ertappt. Am Donnerstag ist es gelungen, einen Einbrecher, der seit etwa Mitte September von der Kriminal polizei verfolgt wird, auf frischer Tat zu ertappen. Er hatte eine große Anzahl von Garteneinbrüchen, besonders in Leipzig-Eutritzsch und Schönefeld verübt. Auf sein Konto sollen etwa 40 Einbrüche kommen. Es handelt sich um den 26 Jahre alten Arbeiter Walter Stanke aus Leipzig. Er wird der Staatsanwaltschaft zugefübrt werden. Orrmnflr. !«ftcl<su, PIsurn Achtung: Knappschafkswahlen! Die Ortsgruppen der dem Gesamtverbande der Christliche» Gewerkschaften Deutschlands angeschlossencu Berufsverbänd« i» Zwickau und Umgebung haben wieder ein Ortskartell gegründet. Die Geschäftsführung liegt dem Kollegen Bierbach ob. Etwaig« Anfragen und Zuschriften sind nach Marienkirchhof 10 z» richten. Sprechstunden wie folgt: Montag und Mittwoch von 9—12 und 15—18, Sonn, abend von 9—12 Uhr. — Von allen Arbeitern, die positive Arbeit wollen, auf christtich-nationatem Boden stehen, parteipolitisches Ge zänk und gegenseitiger Bekämpfung überdrüssig sind, wird erwartet, daß sie sich dem Ortskartell anschließen und gemeinsam unsere Sache fördern. Gelegenheit dazu bietet die K na p p s cha s t s ä l t e st c n - Wahl am Sonntag, den 14. Oktober 1928. Gewählt wird von 11 bis 17 Uhr. Die Wahllokale sind auf den Wahlscheinen angegeben. Jeder muß von seinem Wahlrecht Gebrauch mache» und alle Kollege» ur Wahl heranholen. Wahlenthaltung bedeutet kampflos dem Gegner as Feld überlassen. Darum wählt jeder Arbeiter die Liste B „Ge- wcrkverein christl. Bergarbeiter Deutschlands". tz. Ausstellung gegen den Alkoholismus. Am 15. und 16. Ok tober wird in Freiberg ein wissenschaftlich-praktischer Lehrgang über die Alkoholfrage obgchalten werden, mit dem eine Ausstellung gegen den Alkoholismus verbunden ist, die vom 14. bis 21. Oktober geöffnet ist. Veranstalter sind das Wohlfahrtsamt der Stadt Freiberg, der Bezirkssürsorgeverband der Nmtshanplmannschaft Freiberg unb die Sächsische Landcshauplstelle gegen den Alkoholismus. tz. Ergebnislose Tarisverhandlung. Aus Zwickau wird ge meldet: Die Verhandlungen zwischen dem Bergbaulichen Verein und Vertretern der Angestellten-Organisationen haben zu keinem Ergebnis geführt. Die geforderte Gehaltserhöhung von 12 Pro zent wurde von den Arbeitgebern als untragbar abgelehnt. h. Gemeindlicher Zusammenschluß. Die Gemeinden Schönheidc (Amtsh. Schwarzenberg) und Schnarrtanne (Amtsh. Auerbach) haben sich zu einem Zwcckverband zusammengcschlosscn und bezwecken a) die Pflege des Giroverkehrs, b) die Vermittlung billigen Per sonalkredits und c) die Erledigung anderer Geldgeschäfte im Bezirke der Gemeinde Schnarrtanne durch,zuführen. VerbandSvorstcher ist der jeweilige Bürgermeister der Gemeinde Schönheidc. tz. Das Chemnitzer Fernheizwerk wird vergrößert. Die Stadtverordneten bewilligten in ihrer gestrigen Sitzung gemäß der Ratsvorlage 650 000 Mark für den Bau der im Zusammen hang mit dom neuen Schwimmbad vorgeschlagenen Wärmever sorgung als ersten Ausbau einer Städteheizung, der auf drei Jahre zu verteilen ist. h. Tödlicher Krastwagenunfall. In der vergangenen Nackt ge riet zwischen Großvoigtsbcrg und Obergruna in der sogenannten S-Kurve der Wagen eines Krostdroschkeiibesihers aus Nossen auf lder Heimfahrt von Freiberg nach Nossen ins Schleudern, rannte Resolution Die folgend« Erklärung wird uns mit btt Bitte um Veröffentlichung übersandt: Seit einigen Monaten wird eine In deutscher Sprach« verfaßte Broschüre, betitelt „Der sächsische Bischof Dr. Schreiber und die katholischen Wenden", die in der „Kul turwehr", Heft Iuli/August, empfehlend besprochen wird, verbreitet. Sie ist mit einem Vorwort vom „Ausschuß zur Wahrung religiöser und nationaler Rechte der kath. Wenden" versehen. In der Konferenz des Kamenzer Archipresbyterates zu Kloster St. Marienstern am 12. Juli 1928 wurde erklärt, daß die Existenz und noch mehr die Zusammensetzung eines solchen Ausschusses allen An wesenden unbekannt sei. Da in dieser Broschüre ein Ausschuß sich anmaßt, die religiösen Rechte der Wenden zu wahren, so erheben die Unterzeichneten Seelsorger des katholischen wendi schen Sprachgebietes schärfsten Protest gegen eine solche überhvbende Anmaßung des „Ausschusses", der so tut, als dürfe er im Namen der katholischen Wenden in kirch lichen Sachen sprechen. Die große Mehrheit der kathol. Wenden steht diesem alle Autorität und damit die Wur zeln ihres Volkstums untergrabenden schändlichen Ge baren vollständig fern, wie es sich bei den letzten Fir mungsreisen im wendischen Sprachgebiet gezeigt Hot. Diese Art des Schreibens ist von interessierter Seite schon seit langem beliebt und es muß nur bedouert werden, daß unter der Fahne des nationalen Eifers dem eigenen Volke die höchsten Güter nach und nach genommen werden. Wäre es diesen Kreisen um Beseitigung angeblicher Miß- stände zu tun, so würden sie aus kirchenrechtlichem Wege ihr Recht suchen und nicht demagogische Mittel anwenden. Wir sprechen dem Hochwürdigsten Oberhirten unse- ren ehrerbietigen Dank für alle auf unser Volk und den Klerus aufgewendete Arbeit und Liebe aus und ver sichern ihn unseres uneingeschränkten Vertrauens und unserer treuen Ergebenheit. Pfarrer Jakob Sauer. Erzpriester: P. Max Maischest, Propst: Georg Rade, Pfarrer: Georg Zieschank, Pfarrer; Nikolaus Dornik, Pfarrer; P.senior Dr. Desiderius Löb- mann, Professor i. R.; P. Ubald Peter. Kaplan; P. Al- phons Mornstein, Kaplan: Georg Hornig, Kaplan; Paul Gras, Kaplan: Benno Iatzwauk, Kaplan; Dr. Aloysius Wolfs, Kaplan; Franz Kurze, Kaplan; Mich. Ziesch, Kapl. gegen einen Baum und überschlug sich. Der Kraftdroschkenbcsiher kam unter den Wagen zu liegen, wobei ihm die Schädeldecke eingedrückt wurde. Der Tod trat auf der Stelle ein. tz. Zugentgleisung. Aus dem Bahnhof Niederwiesa bei Chemnitz entgleisten neun Wogen eines einfahrenden Giiter- zuges, von denen vier umschlugen. Der sofort aus Chemnitz angeforderte Hilsszug nahm die Ausräumungsarbeiten vor. Der Personenzugverkehr erlitt keine Störung. tz. Schafwolle-Diebstahl. Aus der Wollentsettungs-Anstalt In Ob e r h e i n s d o r s bei Reichenbach stahlen nächtliche Ein-' brecher einen über hundert Kilo schweren Ballen gemischter Schafwolle im Werte von 500 Mark. Als Täter kommen zwei Brikettausträger aus Zwickau in Frag«, die den Ballen im Auto nach Zwickau brachten. tz. In den Fahrstuhl gestürzt. In einem Grundstück in der Altchcmnitzer Straße inChcmnih war ein 21 Jahr« alter Maurer damit beschäftigt, dos Gerüst, LaS zu Ausbauarbeiten in einem Falir- stuhlschacht gedient hatte, zu entfernen. Dabei rutschte er ans und stürzte vier Geschosse hindurch bis in den Keller, wo er mit schweren inneren Verletzungen liegen blieb. Er wurde ins Krankenhaus über führt. h. Selbst gerichtet. Im Hose des Polizeigebäudes in Zeih, von wo er in die Zelle abgesührt werden sollte, bat sich ein Arbeiter aus Zeih erschossen. Er war wegen verschiedener Einbrüche bei einer Polizeistreife verhaftet worden. Wetterbericht -er Dresdner Wetterwarte Witterungsaussichten. Anfangs weiterhin wechsethafle Witterung mit zeitiveisen Niederschlägen. Dabei in Höheren Lagen durch starke westliche bis nördliche Winde rauh. Im Kammgebiet des Erzgebirges Temperaturen um Null. Flach land kühl; erst später etwas Bewölkungsabnahme und Beruhi gung der Witterung. Oertlich besonders im Gebirge Nachtfrost. Das Schloß Dürande Eine Erzählung von Joseph von Eichrndorff. (6. Fortsetzung.) „Gabriele", rief er nun lauter, „meine arm« Gabriele, der Wind in der Nacht weint um dich an den Fenstern, ich lieble dich so sehr, ich lieb' dich noch Immer, um Gottes willen komm, komm herab zu mir, wir wollen miteinander fortziehen, weit, weit fort, wo uns niemand kennt, ich will für dich betteln von Haus zu HauS, eS ist ja kein Lager so hart, kein Frost so scharf, keine Not so bitter als die Schande." Er schwieg erschöpft, es war alles wieder still, nur die Tanz musik von dem Ball schallt« noch fern über den Hof herüber; der Wi>ü> nicb groß« Schneeflocken schräg über die harte Erde, er war ganz verschneit. — „Nun, so gnade uns beiden Gott!" sagte er, sich abweichend, schüttelte den Schnee vom Mantel und schritt rasch fort. M er zur Schenke des Vetters zurückkam, fand er zu seinem Erstaune,i das ganze HauS geschlossen. Auf sein heftiges Pochen trat der Nachbar, sich vorsichtig nach allen Setten umsehend, auS seiner Tür, er schien auf -cs Jägers Rückkehr gewartet zu haben und erzählte ihm geheimnisvoll, das Nest nebenan sei ausgenommen, Polizeisoldaien hätten heute abend den Vetter plötzlich abgeführt, niemand wisse wohin. — Den Renald überraschte und wunderte nichts mehr, und zerstreut mit flüchtigem Dank« nahm er alles an, als der Nachbar nun auch das gerettete Reisebündel des Jägers unter dem Mantel hervorbrachte und ihm selbst eine Zuflucht in seinem Hause anbot. Gleich am andern Morgen aber begann Renald sein« Runde In der weitläufigen Stadt, er mochte nichts mehr von der Großmut des stolzen Grafe», er wollte jetzt nur sein Recht! So suchte er unver drossen eine Menge Advokaten hinter Ihren großen Tintenfässern auf, aber die sahen'S gleich alle den goldbortcnen Rauten seines Nockes an, daß sie nicht aus seiner eigenen Tasche gewachsen waren; der eine verlangte unmögliche Zeugen, der andere Dokumente, die «r nicht hatte, und alle forderten Vorschuß. Ein junger reicher Advokat wollte sich totlachen über di« ganze Geschichte; er fragte, ob die Schwester jung, schön, und erbot sich, den ganzen Handel um- sonst zu führen und die arme Waise dann zu sich ins HauS zu neh- » men, während ein anderer gar das Mädchen selber heiraten wollte, wenn sie fernerhin beim Grafen bliebe. I» tiefster Seele empört, wandte sich Renald an die Polizei behörde; aber da wurde er aus einem Revier ins andere geschickt, von PontiuS zu Pilatus, und jeder wusch seine Hände in Unschuld, niemand hatte Zeit, in dem Metreibe ein vernünftiges Wort zu hören, und als er endlich vor daS rechte Bureau kam, zeigten sie Ihm ein langes Verzeichnis der Dienstleute und Hausgenossen des Grafen Dürande: seine Schwester war durchaus nicht darunter. Er habe Geister gesehen, hieß es, er solle keine unnützen Flausen mache»; man hielt ihn für einen Narren, und er mußte froh sein, nur unge straft wieder unter Gottes freien Himmel zu kommen. Da saß er nun todmüde In seiner einsamen Dachkammer, den Kopf in die Hand ge stützt; seine Barschaft war mit dem frühzeitigen Schnee auf den Ströhen geschmolzen, jetzt mußt' er keine Hilfe mehr, es ekelt« ihm recht vor dem Schmutz der Welt. In diesem Hinbrüten, wie wenn man beim Sonncnglanz die Augen schließt, spielten feurige Figuren wechselnd aus dem dunkeln Grund seiner Seele: schlängelnde Zor- neShltcke und halbgeborne Gedanken blutiger Rache. In dieser Not betete er still für sich; als er aber an die Worte kam: „Vergib unS unsere Schuld, als auch wir vergeben unseren Schuldnern", fuhr er zusammen; er konnte cS dem Grafen nicht vergeben. Angstvoll und immer brünstiger betete er fort. — Da sprang er plötzlich auf, ein neuer Gedanke erleuchtet« auf einmal sein ganzes Herz. Noch war nicht alles versucht, nicht alles verloren; er beschloß, den König selber anzutreten — so hatte er sieh nicht vergeblich zu Gott gewendet, dessen Hand auf Erden ja der König ist. Ludwig der Sechzehnte und sein Hof waren damals in Per. satlleS; Renald eilte sogleich hin und freute sich, als er bei seiner Ankunft hörte, daß der König, der unwohl gewesen, heute zum ersten Male wieder den Garten besuchen wolle. Er hatte zu Hause mit großem Fleiß eine «Supplik aufgesetzt, Punkt für Punkt, das him- melschrelende Unrecht und seine Forderung, alles, wl« er es dereinst vor Gottes Thron zu verantworten gedachte. Das wollte er im Garten selbst übergeben, vielleicht fügte es sich, daß er dabet mit dem König sprechen durste; so, hoffte er, könne noch alles wieder gut werden. - Vielerlei Volk, Neugierige, Müßiggänger und Fremde hatten sich unterdes schon unweit der Tür, aus welcher der König treten sollte, zusammengestellt. Renald drängle sich mit klopfendem Her- zen in dje vorderste Reihe. ES war einer jener halbverschlcierten Wintrrtage, die lügenhaft den Sommer nachspiegeln, die Sonne schien lau. ober falsch über die stillen Paläste, weiterhin zogen Schwäne auf den Weihern, kein Vogel sang mehr, nur die weißen Marmorbildcr standen noch verlasse» in der prächtigen Einsamkeit. Endlich gaben die Schweizer dos Zeichen, die Saaltür öffnete sich, die Sonne tat einen kurzen Blitz über funkelnden Schmuck, Ordens bänder und blendende Achseln, die schnell, vor dem Winierhauch, unter schimmernden Tüchern wieder verschwanden. Da schallt' es auf einmal: Vive le rot! durch die Lüfte, und im Garten, so weit das Auge reichte, begannen plötzlich all« Wasserkünste zu spielen, und mitten in dem Jubel, Rauschen und Funkeln schritt der König in einfachem Kleide langsam die breiten Marmorstufen hinab. Er sah traurig und bleich — eine leise Luft rührte die Wipfel der hohen Bäume und streute die letzten Blätter wie einen Goldregen über die fürstlichen Gestalten. Jetzt gewahrte Renald mit einiger Verwirrung auch den Grafen Dürande unter dem Gefolge, er sprach soeben halb flüsternd zu einer jungen schönen Dame. Schon rauschten die taste- nen Gewänder immer näher und näher. Renald konnte deutlich ver nehmen, wie die Dame, ihre Augen gegen Dürande aufschlagend, ihn neckend fragte, was er drin sehe, daß sie ihn so erschreckten. — „Wunderbare Sommernächte meiner Heimat", erwiderte der Graf zerstreut. Da wandte sich das Fräulein lachend, Renald er schrak, ihr dunkles Auge war wie Gahrielens in fröhlichen Tagen — es wollt« ihm daS Herz zerreißen. Darüber hatte er alles andere vergessen, der König war fast vorüber; setzt drängte er sich nach, ein Schweizer aber stieß ilin mit der Partisane zurück, er drang noch einmal verzweifelt vor. Da be- merkt ihn Dürande, er stutzt einen Augenblick, dann, schnell gesam melt, faßt er den Zudringlichen rasch an der Brust und übergibt ihn der herbetcilcnden Wache. Der König über dem Getümmel wendet sich fragend. „Ein Wahnsinniger", entgegnet Dürande. Unterdes hatten die Soldaten den Unglücklichen umringt, di« neugierige Menge, die ihn für verrückt hielt, wich scheu zurück, s» wurde er ungehindert abgeführt. Da hört, er hinter sich die Fon täne» »och rauschen, dazwischen daS Lache» und Plaudern der Hof leute in der lauen Luft; als er aber einmal zurückblickte, hatte sich alles schon wieder nach dem Garttn hingekehrt, nur ein bleiches Ge sicht aus der Menge war noch zurückgcwaudt und funkelte ihm mit scharfen Blicken nach. Er glaubte schaudernd den prophetische» Fremden aus des Vetters Schenke wiederzucrkenncn. (Fortsetzung folgt.)
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