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Kirchenmusik ; Katholisch« Hos- und Propstriklrche Dresden. 11 Uhr: Messe B-Dur von Mozart. Graduate Inveni von Kretschmer. Ollerlorium Ave verum von Mozart. Stunden harmloser Freude zu verleben, der Ruf: Morgen Sonntag zum Bürgerverein, Westendschiößchen, Chemnitzer Straße 107. Tanz für ah und flmg Vorträge und sonstige Darbietungen hat der Ver- gniigungsausschuß vorbereitet. Im Rahmen des Festes findet alter Gepflogenheit gemäß ein Preislegeln für Damen und Herren statt. Die zur Verteilung kommenden wertvollen und brauchbaren Gewinne sind diesmal ausschließlich von Mitgliedern gestiftet. Unsere Erst- kmnmunikanten-Kasse, welcher bekanntlich der Reingewinn ohne Ab zug überwiesen wird, dürste daher eine beträchtliche Stärkung er fahren. Im Vorjahr war es möglich, 200 Mark durch hiesige Pfarr ämter verteilen zu lassen. Manche Sorge ist dadurch gemildert war-' de». Möge der Verlauf des diesjährigen Festes einen solchen Er folg haben, daß der nächste Ostern zur Verfügung gestellte Betrag verdoppelt werden kann. : Dle Dresdner Bilder- und Denkmalsstürmer. Im Stadtparla. ment wollen bekanntlich die Bilderstürmer den Namen des Wettiner- GymuasiumS geändert wisse». Jetzt hat die Vereinigung ehemaliger Schüler des Wettiner-Gymnasiums sich auf Grund eines einstim. migen Beschlusses ihrer diesjährige» Hauptversammlung gegen diese Bestrebungen gewendet und ist beim Rate gegen den darauf zielenden Beschluß der Stadtverordneten vorstellig geworden. Die „Alten Wettiner" fühlen sich durch die beantragte Maßnahme in ihren Empfindungen der Anhänglichkeit an ihre alte Schule verletzt und verlangen die Beibehaltung des Namens, unter dem das Gymnasium in nunmehr fast 50jährigem Bestehen seinen guten Ruf erworben und befestigt hat. : Apachen-Allüren eines gekränkten Schauspielers. Der Bolksstaat teilt mit: „Am Donnerstagnachmittag überfiel Unseren Schauspielreferenten Dr. Kurt Sauer der «Ahauspieler H. Leo Fischer vom Alberrtheater, der sich scheinbar über schlechte Kritiken geärgert hatte, und schlug ihm ins Gesicht, als Dr. Sauer gerade aus dem Autobus am Albertplatz nichtsahnend au-gestiegen war. Herr Fischer verkündete dabei, daß er das „im Aufträge des gesamten Personals des Alberttheaters" tue, was bereits von anderer Seite bestritten wird. Mit dieser neuen Art, statt besser zu spielen, mißliebige Kritiker tätlich anzufallen, werden sich die gegebenen Instanzen noch beschäf tigen. Die Klage ist bereits eingereicht. Deutscher Ru-erkag in Dresden Dresden, 20. Oktober. Die Tagung der 300 Abgeordneten aus allen Teilen des Nei. ches und Oesterreich begann am Freitag mit den Beratungen des Obersten Ausschusses, der den Stoff für die Sitzung am Sonntag durcharbeitct. Am Abend tvaren die Mitglieder des Ausschusses und die Vorsitzenden der gastgebenden Dresdner Vereine, die dem Säch sischen Regatterverein angeschlossen sind, im Hotel Bellevue zu einem Begrüßungsabend versammelt. Der Vorsitzende des Sächsischen Rcgattervereins, Kurt Wed- schuch, hieß die Ruderkamcraden herzlich willkommen, in deren Na. men Regierungspräsident z. D. Pauli dankte. Die Beratungen des —^ Obersten Ausschusses kainen am ersten Tage noch nicht zum Abschluß und werden heute fortgesetzt. l.«iprig un<> Umgebung 123 Prozent Realskerrer-Zuschläge Leipzig. 20. Oktober. In der gestrigen Sitzung des Gesamtrates wurde zu den adSndernden Beschlüssen der Stadtverordneten zum Haushalt- plan Stellung genommen. Den Beschlüssen der Stadtverord neten wurde so weit als möglich beigetreten. Insbeson dere wurde beschlossen, dem Vorschlag der Stadtverordneten, die Grund- und Gewerbe st euer- Zuschläge aus 12 5 Pro zent festzusetzeu, züzustimmen. Dieseu Beschluß hatte aber andererseits zur Folge, daß eine Reihe von Wünschen der Stadt verordneten nicht erfüllt werden konnten. ) Ter Radefcldcr Mörder sestgenommen. Wie berichtet, wurde am Abend des 28. September aus der Landstraße zwischen Lützschena und Radefeld der Besitzer des Gasthoses zum „Goldenen Stern" in Radefeld, Otto Winter, durch einen Gewehrschuß niedcrgestrecki. Als der Tote am folgenden Morgen gefunden wurde, zeigte cs sich, daß ihm die goldene Uhr und die mehrere hundert Hark enthaltende Brieftasche geraubt waren. Alle Nachforschungen nach dem fluch. Oberbürgermeister Dr. Dtüher über die Neugliederung des Reiches Dresden, 20. Oktober. Der Dresdner Oberbürgermeister Dr. Blüh er äußerte sich gestern in einem kleineren Kreise zu dem Problem der Neugliederung des Deutschen Reiches, eine Frage, die bekanntlich durch die Leipziger Denkschrift „Mitteldeutsch land" einen neuen Impuls erhalten hat. Der Redner führte u. a. aus, daß seit dem Magdeburger Stödtctag die Frage des Einheitsstaates im bejahenden Sinne entschieden sei. Aus gehend von der Größenklasse einer preußischen Provinz würden wir künftig etwa 17 Länder oder Reichsprovinzen haben, in denen ein „R e i chs ob e r p r ä s id e n t" die sämtlichen Zweige der Reichsverwaltung vereinige. Daneben werde die „Reichs- provinz" einen Selbstverwaltungskörper mit eigener Zustän digkeit und eigenem Haushalt bilden. Die schwierigste und wichtigste Aufgabe sei, die Gefahr der Zentralisation in Berlin zu vermeiden und die Beachtung der regionalen Inter essen zu sichern. In der untersten der drei Instanzen, die das Reich in Zukunft besitzen werde, in den Stadt- und Landkreisen lasse sich das am leichtesten durchführen. In der Zentralinstanz sei das vielleicht durch eine Ausgestaltung des Reichs« rates zu erreichen. Am schwierigsten sei die Frage der Wah rung der regionalen Interessen in der Mittel!» st anz, d. h. in den Reichsprovinzen zu lösen. Diesen müsse die gesamte Kulturpolitik und zwar sowohl die geistige (Schule) wie die wirtschaftliche (Förderung von Handel, Industrie und Land wirtschaft) überwiesen werden. Völlig strittig sei heute noch der Weg, auf dem man zu der Neugestaltung kommen könne. Der theoretisch einfachste Weg, die Verfassungsresorm, sei heute nicht gangbar, der Weg über „Groß-Preußen" werde überwiegend verworfen. Augenblick lich befinde man sich auf dem Wege der sogenannten Aushöh lung der Länder. Dieser schließe die Gefahr in sich, daß man dabei zur krassesten Zentralisation komme. Der Bund sür Er neuerung des Reiches, der den ersten vollständig durchgearbei teten Entwurf bringe, schlage nun di« Bereinigung der preußischen Steilen mit den Reichs st eilen vor. Er hoffe dadurch, die übrigen Länder zur Nachfolge auf diesem! Wege zu veranlassen. Die Schwierigkeit liege In der Haitun- der Sozialdemokraten, die aus ihre Macht in Preußen nicht ver zichten wollten. Wie weit dieser Widerstand durch eine ander« Konstellation im Reiche einmal beiseite geräumt werden könne, lasse sich heute noch nicht sagen. Das schwierige Problem der Neugestaltung des Reiches werde nun durch das Auftreten von lokalem Ehrgeiz noch unnötig kompliziert. Die Stadt Leipzig habe im Gegen satz zu dem Plan des Landeshauptmanns der Provinz Sachsen, aus Anhalt, Thüringen, Brauuschweig und der Provinz Sachsen ein neues Mitteldeutschland zu schaffen, die Bildung eines großen Mitteldeutschlands unter Einbeziehung des Freistaates Sachsen gefordert. Beide Pläne seien Utopien. Füt eine Reichsprovinz sei das neue Mitteldeutschland mit seinen 11 Millionen Einwohnern zu groß, da die größte preußisch« Provinz nur 7 Millionen zähle. Ein Mitteldeutschland mits 11 Millionen gegenüber einem viel stärkeren Nord- und Süd deutschland sei ebenfalls eine höchst unglückliche Lösung. Außer dem werde Preußen niemals das mitteldeutsche Braunkohlen-i reoier und den Kalibergbau abtreten. Der völlig undurchführ bare Leipziger Vorschlag sei nur dazu geeignet, im übrigen Deutschland Stimmung gegen Sachsen zu machen, was ja in der Presse auch deutlich zutage trete. Der Redner schloß seine Ausführungen mit der Forderung, daß den künftigen Ländern oder Reichsprovinzen eigene Einnahmen in ausreichen« dem Maße geschaffen würden, um die Aufgaben der geistigen und wirtschaftlichen Kultur zu erfüllen. Leipzig wie Hamburg würden die Befriedigung ihrer Bedürfnisse nur auf dem Wege über den Einheitsstaat finden, was der Hamburger Bürger« Meister Dr. Petersen auch längst eingesehen habe. Auf eine Anfrage aus der Versammlung wegen der Bil dung eines Sachsen-Thüringen erklärte der Redner noch, daß dieser Plan, der übrigens nur eine Verwaltungs gemeinschaft hätte herbeiführen wollen, heute wohl als er, ledigt angesehen werden könne. Er hätte im günstigsten Fall eine nur sehr bedingt zu begrüßende Zwischenlösung ab geben können. tigen unbekannten Täter blieben erfolglos, trotzdem im Laufe der Zeit eine größere Anzahl Personen verdächtigt wurden. Am ver gangenen Mittwoch ist in seiner Wohnung in Wahren der etwa 25 Jahre alt« Arbeiter Albert St. unter dem dringenden Verdacht, den Raubmord an Winter begangen zu haben, durch Beamte der Leip ziger Kriminalpolizei verhaftet worden. Er wurde dem Amtsgericht in der Elisenstraße zugesührt und befindet sich bereits im Gewahr sam der Staatsanwaltschaft Halle. Der Verhaftete ist als Wilddieb bekannt. ) Die Leipziger Kommunisten sind unzufrieden. Die Be zirksleitung des Bezirks Westsachsen der Kommunistischen Partei Deutschlands hat am 18. Oktober mit 21 gegen 12 Stim men eine Resolution angenommen, in der gegen den Beschluß des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale vom 6. Oktober, die Wiedereinreihung Thälmanns in die Kommu nistische Partei betreffend, protestiert wird. Es wird gefordert, daß dieser Beschluß nochmals überprüft werden möge, weil die am 26. September vom Zentralkomitee der KPD. beschlossene Maßnahme gegen Thälmann für dringend notwendig erachtet werde. Die Herren Kommunisten haben doch auch ihre Sorgen. Das Gefälligkettszeugnks Der Arbeitgeber haftet für ein zu günstiges Zeugnis. Leipzig, 19- Oktober. Zur Frage der Haftung des Arbeitgebers für ein zu günstig ausgestelltes Arbeitszeugnis hat das Oberlandcsgericht zu Frank furt am Main vor einiger Zeit ein Urteil gefällt, das allgemeine Beachtung verdient. Bekanntlich werden Arbeitszeugnisse oftmals günstig abge faßt, um dem ausscheidcnden Arbeitnehmer sein Fortkommen nach Möglichkeit zu erleichtern, wenngleich der Inhalt der Zeugnisse nur in sehr bedingtem Maße als richtig angesehen werden kann. Durch das angezogene Gerichtsurteil ist jedoch eindeutig ausgesprochen worden, daß der frühere Arbeitgeber schadenersatzpflich- t i g wird, wenn er einem Angestellten ein unrichtiges Zeugnis aus gestellt und den tatsächlichen Verhältnissen widersprechend beschei nigt hatte, daß der Angestellte die ihm übertragenen Arbeiten pünkt lich und ordnungsgemäß ausgeführt und auf Wunsch seines Vaters die Stellung verlassen hat, während er in Wirklichkeit wegen Unter- i schlagung eines Wertbriefes von der Firma entlassen wurde. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, daß der Aussteller des Zeugnisses durch sein Verhalten die späteren Arbeitgeber d«r Ge fahr einer wiederholten Schädigung ausgesetzt habe. Wenn er auch für seine Handlung edle Motive gehabt habe, so dürfe doch niemals durch ein Zeugnis zu Unrecht der Eindruck erweckt werden, als ob es sich um einen besonders tüchtigen Angestellten handele. Der Aussteller wurde daher zum Ersatz der Hälfte des dem spä teren Arbeitgeber erwachsenen Schadens verurteilt. Schwere Sorgen der Orkskrankenkasse Ueber 1 Million Defizit. Leipzig. 20. Oktober. Die Allgemeine Ortskrankenkasse Leipzig ist nach der Abrechnung sür die ersten 8 Monate des Betriebs jahres 1928 außerstande, die gesetzliche Leistung an den Rück lagefonds in Höhe von 979 615 Mark zu erübrigen, denn die Rechnung weist^ür die ersten 9 Monate des Betriebsjahres einen Fehlbetrag von 606 575 Mark auf, der durch Ein nahmen aus dem Grundbesitz auf 226 575 herabgemindert wird. Die Gesamteinnahmen aus Beiträgen sind in der Berichtszeit 19 992 275 Mark gewesen. Den Mitgliedern sind in Form von Bar- und Sachleistungen 18 070 770 Mark wieder zugeführt worden, einschließlich der allerdings sehr beträchtlichen Vermal- Vfss ktlogsl?— Togal-TablettensindeinhervorragendesMittelgegen Uksum», vlekt, «»ektsr, Uelpps, Uoevsn- unU Xopk»«t>m«e», keleSIttingrIeesnIlksUsn k Schädigen Sie sich nicht durch minderwertige Mittel! Uber 5000 Arzte anerkennen die hervorragende Wirkung des Togal. Fragen Sie Ihren Arzt. In allen Apotheken. Preis Mk. 1.40. 0,46 dkln. 12,6 I.11K. 74,3 ttclä. scet. §a!. 10V Im Moor Novelle von Hanö Eschelbach. (1. Fortsetzung.» Der Mann mochte ungefähr scchsiinbdreißig Jahre zählen, hatte eine» kurzen, starke» Hals, scharf geschnittene, entschlossene Ge- jichlsziigc und so unheimlich leuchtende Augen, daß man alles andere darüber vergoß. Jetzt suchten diese Augen in der Zelle umher, flackernd, ungeduldig. Aber die Zelle zeigte nichts Außergewöhn, liches, wenn nicht etwa die Zahlen nnd Buchstaben, die andere Sträflinge früher verstohlen in die Wände und Balken geritzt. „Noch achtzehn Tage!" hatte jemand in die Wand gekritzelt. Für ihn war's mehr gewesen. Er mochte nicht an oll die Tage, Wochen und Monate denken, die er hier eingesperrt war. Nur an das eine dachte er, an das eine, das ihn die ganze Nacht nicht schlafen gelassen: heute folterte es ihn, daß er glaubte, schreien zu müssen. Er fieberte innerlich. Die Mauern erdrückten, die Luft, ersticke ihn. Was er all die Monate wie in stumpfer Gleichgültigkeit, in schweigsamem Grimm getrogen, heute soltert« es ihn, daß er glaubie, schreien zu müssen. Seine Hände schlossen und öffneten sich immer fort. Es wurde ihm so trocken Im Munde, daß er die heißen, rissigen Lippe» leckte. Zwar stand der Krug noch halbgefüllt voll Wasser, aber «r dachte gar nicht ans Trinken. Von der Türe ging er zum Fenster, vom Fenster zu seinem Lager. Er ordnete cs flüchtig und ging rastlos wie ein eingcsperttcL Tier in dem kleinen Raume auf nnd ab. Endlich! Durch das Haus schrillte eine Glocke. Jetzt begann der Tag sür die Sträflinge. Schon hörte man die stampfenden Schritte des Aufsehers, der die Zellen nachsah und Brot und Wasser bringen ließ. Der Gefangen« setzte sich auf den Schemel und kebrte der Tür den Rücke». Er hatte dies immer getan, denn cs war ihm oft ge wesen, als müsse er hinausstürmen, wenn sich die Tür öffnete. Ter Schlüssel klirrte; der Wärter trat ein. Der Mann machte ein srcundlichercs Gesicht als sonst, weil er wußte, daß sür den In sasse» der Zelle heute ein Festlag anbr-ch, drß Nummer 15 frei vurde. Er räusperte sich und schien auf eine Anrede des G fange- icn z» warten; aber dieser sah garnicht auf, auch oann nicht, als der schnauzbärtige Wärter etwas geräuschvoll den neuen Krug und das Brot hinstellte. „Ihr habt es hinter Euch. Hier, Schramm, cßt." „Ich mag nicht." „Na, wie Ihr wollt." Der Wärter machte ein etwas ärgerliches Gesicht. Die Tür schloß sich wieder, und der Gefangene war allein. Zwei endlose Stunden vergingen. Schramm saß auf einem Schemel unter dem Fenster und sah hinauf nach dem Himmel. Jede Schwalbe, die vorüberflog, ließ ihn znsammenzuckcn. Endlich erschien der Aufseher wieder; er hatte die Amtsmiene aufgesetzt. „Schramm! Miikommcn!" Der Anstoltsarzt untersuchte den Vorgeführten und bescheinigte, daß er gesund sei. Der Gefangene unterschrieb. „Vorwärts! Kleider bolen", befahl der Aufseher. Schramm warf die Sträslingslleider auf den Boden, als ob er sich die Finger daran verbrenne. Er zog seine eigenen Kleider an. Sie schienen in der Kleiderkammer feucht geworden zu sein; aber er strich daran herunter, als ob er sie liebkose. „Gewaschen sind sie. Hebt die anderen Sachen auf! Hier..; ausklopfen und zusammenfalten! Ordnung muß sein!" Schramm antwortete nicht; «c tat, wie ihm befohlen. Beim Gcfänguisdircktor wurde ein Schriftstück verlesen. Er unterschrieb und nahm einen Taler in Empfang. Das andere, was er durch besonderen Fleiß verdient, holte er an seine Frau schicken lassen. „Ich kann Ihnen das Zeugnis geben, daß Sie sich gut gehal ten haben. Schramm", sagte der Direktor. „Leider sind Sie wegen Schwuggclus schon zum dritten Male bestraft. Sie haben erfahren, daß sich die Strafen verschärfen und wissen also, was Sie erwartet, wenn Sie noch einmal auf Schleichwegen gehen. Vergessen Sie das nicht." „Ich komme kein viertes Mal hierher!" sagte der Schmuggler erregt und heiser. Die An, wie er sprach, ließ darüber im Zweifel, ob c§ sich um ein Versprechen oder um eine Drohung handle. Der Direktor winkte. Die letzten Förmlichkeiten waren erfüllt. Der Gesungene wurde cutlassen. Hinter ibm siel die eisenbeschtagene Eichentür schwer ins Schloß, und unsicher tat er den ersten Schritt in die Freiheit- Einen Augenblick blieb er wie gebannt sichen, dann bemerkte er, wie Bauernweiber, die nach der Stadt gekommen ihn neugierig ansahen, und er ging mit starken Schritten von dannen. Der lebhafte Stadtverkehr hatte etwas Beklemmendes sür den Bewohner des einsamen Moors. Trotzdem er seit gestern nichts mehr genossen hatte, dachte er gar nicht daran, eine Wirtschaft in der Stadt aufzusuchcn. Auch aus der Landstraße sah er sich nicht mehr um und verfolgte seinen Weg mit solcher Hast, daß ihm der Schweiß auS allen Poren brach. Erst nach einer zweistündigen Wanderung trat er in eine Dorsschenke, aß und trank hastig und zog ohne Ruhe pause Wetter. Die Landschaft trug schon den niederländischen Charakter. Man sah breite, behagliche Bauernhöfe, beschattet von Schwarzpappeln und Ulmen, fruchtbare Felder und ausgedehnte, Lurch Wassergräben, Wallhecken oder Drahtzäune begrenzte Wiesen, auf denen hin und wieder zahlreiche Kühe und vereinzelte Pferde weideten. Fuhrleute und HondwcrkSburschcn. die desselben Weges zogen, versuchten ein Gespräch mit dem hastig Vorwärtsstrebenden anzu knüpfen; aber er blieb einsilbig, erklärte, rascher vorwärts zu müssen, und ließ seine Begleiter weit hinter sich. Der Sommer war ausnehmend trocken gewesen; verbranntes GraS und welkes Bohnenloub zeugte» davon. Jetzt, da cs gegen Mittag ging, brannte die Sonne unbarmherzig. Schramm schien die Hitze kaum zu spüren; als er aber an die Nicrs kam, verließ er den Weg, warf seine Kleider im Erlengestrüpp ab, suchte sich eine tiefere Stelle und tauchte ins Wasser des kleinen Flüßchens. Er war sonst kein besonderer Freund vom Baden; aber heitte meinte er, cs set etwas von ihm abzuspülen, was ihn drückte und ihm die Brust be klemmte. Das lauwarme Wasser erfrischte ihn indes nicht; cs nahm auch nicht die Schwere, die auf ihm lastete, und die das frohe Gefühl der Freiheit nicht aufkommcn ließ. Er schnitt sich einen derbe» Knotcnstock im Gebüsch, aß im nächsten Dorfe zu Mittag Brot und Speck und trank dazu das abge standene Bier, das schon stark an die Verhältnisse im nahe» Hollan- erinncrte. Spät und erschöpft kam er in Straelen an. Er suchte aber keine Herberge, sondern schlief auf freiem Felde in einem Frucht- Haufe». (Fortsetzung folgt.)