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Sächsische Volkszeitung : 27.10.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192810275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19281027
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19281027
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-10
- Tag 1928-10-27
-
Monat
1928-10
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.10.1928
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WirWlSlW M M Dresden, 26. Oktober. Fm Verband Sächsischer Industrieller hielt am Donnerstag abend Dr. Rudolf Schneider, Ri. d. R>, einen Vortrag über die wirlschaftliche Lage und die Industrie. Zu Beginn seiner Aus- führungen bemerkte der Redner, dass, wohin man in wirtschasts- poliiischen Dingen auch blicke, es nirgends etwas Erfreu, lieh es gebe. Deutschland arbeite sich zwar langsam empor, aber die deutsche Wirtschaft vermöge noch nicht aufzuatmc». Ein leidlich günstiges Bild gewähre vielleicht der Blick auf den Staatshaushalt, es werde aber völlig verdunkelt, sobald sich der Blick auf de» kom menden Etat richte, bei dem nach Acußerungcn des Rcicksfinanz. Ministers ein schähungsweises Defizit von 600 Millionen drohe. Den zu zahlenden Reparationslasten stünden verminderte Einnahmen des Reiches gegenüber; vermehrte Zuschüsse des Reiches seien erforderlich. Die Signatur sei: wachsende Aus gaben — sinkende Einnahmen. Die Deckung des Defizits sei rätsel haft; man denke an Ersparnisse. Tie deutsche Industrie aber müsse es mit Sorge erfüllen, wenn sie höre, daß hier und dort Abstrei chungen an den ElatSmitteln vorgenommen werden sollen, deren Auswirkung für die Industrie ungünstig sei. So propagiere man in gewissen Kreisen die starke Kürzung oder die völlige Streichung der Mittel für die Technische Nothilse. Es sei aber selbst der Standpunkt Scverings, das; höchstens eine Kürzung der NeichS- mitlel in Betracht kommen könne. Der Redner stellte dann die Frage, welche neuen Steuerguellen erschlossen und welche Steuern weiter aus. geschöpft werden könnten. Man müsse vielleicht wieder abgebaute Steuern einsllhrcn, z. A. die Gctränkesteuer, eine Einnahmequelle der Gemeinden. Verhängnisvoll sei die vielfach propagierte Aufhebung der Kinostcuer, die man zu einer eminent volkstümlichen Be wegung macht. Nehme man den Gemeinden diese Einnahme, dann müßten sic versuchen, den Ausfall wieder auf andere Art hercinzu- bringen, indem sie z. B. die Grund- und Gewerbesteuern erhöhen. Der Aushebung der Kinostcuer, so erklärte der Redner, würden sich seine politischen Freunde mit oller Macht widersctzen. Die Senkung der Real st euer» stehe im Mittelpunkt der industriellen Jnlercssen; diese Senkung sei versprochen und ge setzlich fcstgclcgt, aber bis jetzt sei kaum etwas davon zu spüren ge wesen. Weiter sei die Frage, ob man mit einer erneuten Erhebung d«r bis jetzt suspendierten V e r m ö g e n s z u wach s st e u e r zu rechnen habe. Eine schwere Belastung für die Wirtschaft sei die Nach erhebung jener aus dem Jahre 1026 fehlenden 40 Millionen Mark Vermögenssteuer. Wohl hatten die bürgerlichen Parteien Widerstand geleistet, aber diese Nocherhcbung werde der Wirtschaft nicht erspart bleiben. Etwas günstiger für die Industrie stehe es bei der Gründ er w e r b s st e u e r; es sei zu hoffen, dass ein annehmbares Kom promiß zustande komme, durch dos diese Steuer um weitere drei Jahr« hinausgcschobcn wird. Die Zolleinnahmen gingen in der letz ten Zeit stark zurück; sie würden noch weiter zurllckgehen, denn wir müßten unsere Zölle noch Weiler kürzen. Die Zollsenkungs aktion werde den Reichstag noch vor Weihnachten beschäftigen. Der Redner betonte die Notwendigkeit wirtschaftlich gebotener Zoll mauern und erläuterte im Zusammenhang damit den Weg der Ver einheitlichung der Zolltarife und der Schaffung eines einheitlichen Zolltarifschcmas. England werde im nächsten Jahre zum Zolltarif übergehen — für England eine bittere Notwendigkeit, für Sach s e n eine Erschwerung seiner Ausfuhr. Demgegenüber müsse Deutschland versuchen, manche Positionen seines Zolltarifs auszu- ha adeln. In der R e parati o ns f ra g e sei England der schwierigere Partner bei den Verhandlungen; das erkläre sich aus seiner Loge, die vielleicht schwieriger sei als die deutsche, Englands Staatsschul, den aus dem Kriege beliefen sich auf 150 Milliarden, die Frankreichs auf 80 Milliarden, während Deutschland eine solche von rund 50 Milliarden Reichsmark habe. Mt solch verschuldeten Gläubigern müßten wir nun über eine Herabsetzung der Reparationslasten ver handeln. Eine schwere Aufgabe — und es gehöre ein unverzeihlicher Optimismus dazu, zu glauben, daß man ein« wesentliche Herab setzung erreichen könne. Für die Verhandlungen hätten wir aller dings einen Trumpf: daß di« anderen nicht weiterkommen, wenn wir nicht auf den Transferschutz verzichten. Dieser Schutz, der bis heute noch gar nicht praktisch geworden ist, sei für uns eine un geheure Notwendigkeit eine Lebensfrage allerersten Ran- g es. Der Verzicht auf diesen Schuh, und wenn auch nur zu einem gewissen Teile, werde das begehrteste Objekt bei dem Kampf um dis Endsumme sein. Zum Wiederbeginn -er Landlagssitzungen Dresden, 26. Oktober. Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung des Landtags nach der großen Sommerpause stehen ein kommunistischer An trag aus Auflösung des Landtags und ein Miß« trauensantrag derselben Fraktion gegen das Kabi nett Heldt. Offenbar soll dieser Auftakt nur soviel besagen, daß man durchaus gewillt ist, an der guten alten Tradition der Auflösungsanträge festzuhalten. l-riprig unel Umgebung Die Leipziger Llchkmoche Leipzig. 26. Oktober. Die Leipziger Lichtwoche wirft ihre Schatten voraus! Zehntausend Glühbirnen sind an Häusern und in Gir landen in den Straßen angebracht worden. Die Polizei hat schon jetzt die Polizeistunde für die Zeit vom 27. Oktober bis 2. November auf 3 Uhr festgesetzt. Ta es sich um eine Licht woche handelt, wird die Verlängerung der Polizeistunde auf- musikalische Darbietungen nicht ausgedehnt, diese müssen viel mehr um 141 Uhr beendet sein, damit die Besucher Leipzigs vonr Staunen über die Flut des Lichts nicht durch Musik zurück gehalten werden. In allen Teilen Leipzigs sind Scheinwerfer, insgesamt deren 200 angebracht, durch die alle hervorragenden Gebäude der Stadt und auch das Völkerschlachtüenkmal an- geleuchtct werden. Daß ein Lichtkorso für Geschäftsauto mobile gefahren wird, ist bekannt, denn man hat es schon wie derholt milgeteilt; es ist auch bekannt, daß am 31. Oktober vom Augustusplah aus tausende von Brieftauben starten sollen, und man weiß ferner, daß am Abend des 29. Oktober ein Höhen- Kunstseueriverk auf dem Meßplaß abgebrannl'werden wird. Was sonst noch an Einzelheiten bemerkenswert ist, wird im Verlaufe der Lichtmoche selbst »och mitgeteilt werden. Die Woche wird am Sonnabendmittag — also wohliveislich, solange cs noch Tag ist — vom Oberbürgermeister in geziemender Form rrössnei werden. Der Neubau -er medizinischen Aniversikäks-Klinik Leipzig, 26. Oktober. Am kommenden Dienstag wird der in der JohanuiSallee er stehende Neubau der medizinischen Universitäts klinik durch einen Festakt seiner Bestimmung übergeben werden. Der Neubau umschließt 142 Räume mit zusammen 4580 Quadrat meter Nutzfläche; man hat 29 Monate Bauzeit gebraucht und die Baukosten betragen 1191 000 Mark. Die Notwendigkeit der Er- liilitung dieses Baues war gegeben durch die Beengung, die in der zu Ende der 70er Jahre errichteten alten medizinischen Universitäts klinik in der Liebigstraße herrschte. Die Ausführung des Neubaues erfolgte durch daz Landbauamt Leipzig unter Oberleitung von Ober- rcgienmgsrat Baer; die Bauleitung lag in de» Händen des Re- gierunqsbaurats Georg S eh m i d t, Ter Neubau enthält keine Krankcnräume; in ihm sind nur Hörsäle, Laboratorien und eine Röntgenabtei lung untcrgcbracht, er dient also nur Lehr- und Forschungs- sowie Röntgemmlcrsuchuugs- und Behandlnngszwccken. Die innere Aus gestaltung des Neubaues richtet sich ganz nach der Zweckbestimmung der Räume und nach den Forderungen der Hygiene. Alle Einrich tungen in den Laboratorien, de» Hörsälcu und vor allem in der Röntgenabteilung sind nach den neuesten Erfahrungen der Wissen schaft und der Technik getroffen. Mehrfach stellen sie auch erste Versuche mit Neuerungen dar. Besonders hingewiescn sei hier auf die 156 Ouadratmcter große VcrdunkclungLvorrichiung des Hörsaal-Obcrlichtcs, die elektrisch betätigt wird, ferner auch auf die Lichtsignalanlage, in dem großen Hörsaal und dem Lichtbildvorführ- raum, Tie kostbarste Einrichtung hat die Röntgenabteilung echvl/c,,. Für diese Abteilung allein sind für rund 130 000 Mark Apparate beschafft worden. In bezug auf Schutz gegen die schä digende Wirkung der Rönigeiistrahlcn durch Einbau von Schwer- sgatmünden, Blciverglasungen und Türen mit Blcieinlagcn ist hier edcnso wie gegen die schädigende Wirkung der entstehenden Nitrosen- gaie durch Einbau einer Lüftungsanlage von höchster Vollkommen heit wohl das äußerste geleistet worden. Keine Auflösung -er Amishaupimannschaft Borna Borna, 26. OKIobch;. In der letzten Zeit sind in der Stadl Borna und im Bezirke Gerüchte vervreitet worden, daß die Auflösung oder Austeilung der Awishauptmannschast Borna nahe öevaestehe. Tie Amtshauplmannschaft Borna erklärt hierzu, daß in der bekannten Denkschrift des Präsidenten des Siaatsrechnungs- hoscs, Schieck, über die Vereinsachung des sächsischen Verwal tung die Verringerung der Zahl der Amtshauptmannschaslen vmgeschlagen worden ist, und daß das Ministerium des Innern pflichtgemäß diese Vorschläge der Denkschrift einer eingehenden Prüfung unterzieht. Eine Entschließung des Ministeriums mege» einer Verringerung der Zahl der Amtshauptmamrschafien ist »o ch n I g e t r o s f e n. Es liegr zur Zeit ein Anlaß zur Beunruhigung nicht rwr. ) Ausstellung: „Richtige Ernährung". Die Ausstellung, die ursprünglich in Leipzig bis einschließlich Sonntag, den 28. Ok tober d? I. vorgesehen war, wird aus vielfache an die Ausstel- lungsleitung gerichtete Wünsche und wegen des fortgesetzt starken Besuches um eine Woche verlängert werden. Die Ausstellung wird Sonniog, den 4. November d. I. endgültig geschlossen werden, da sie vom 14. November ab in DurÄmrg gezeigt werden wird. Sie ist von vormittags 11 Uhr bis abends v Uhr ununterbrochen geöfsnet. ) Mit dem Kraftwagen gegen die Straßenbahn. Donners tag jrüh fuhr in Sellerhausen ein Personenkraftwagen in voller Fahrt auf einen Straßenbahnzug aus, der gerade hielt. Tas Auto wurde vollkommen zertrümmert. Von den fünf In sasse» erlitten die Schauspielerin Asta Fürstenberg und der Schauspieler Bruno Mertzynski Gehirnerschütterungen. Der Qberspielleiter Joseph Firrmann kam mit einem Oberschenkel- druch davon. Die Verletzten wurde» dem Krankenhause zu- gesührt. ) Eine neue Schule in Leipzig-Mockau. Die Leipziger Stadtverordneten haben einen Antrag angenommen, nach dem der Rat ersucht werden soll, Auskunft über den Zeitpunkt der Jnaugrissnahme des Schulneubaues für Leipzig- Mockau zu geben und die Pläne nebst Kostenschützungen bis zum 1. Dezember 1928 dem Stadtverordnetcnkollcgium vorzu legen sowie die zum Schulneubau nötige Summe aus Anleihe- Mitteln bereitzustellen. Es ist damit zu rechnen, daß mit dem Schulneubau baldigst begonnen wird. ) 5V Jahre Doktor der Medizin- Der Imps- und Schularzt in Meerane, Dr. mcd. Pause, beg-mr am 23. Oktober dieses Jahres sein goldenes Doktorjubiläum. Er erivarb 1878 in der medizinischen Fa. kullä! der Leipziger Universität die Doktorwürde und wurde jetzt durch Verleihung des I u b e l d i p l o in s ^gezeichnet. ) Selbstmord eines Desraudanten. Aus dem Haupibahnhof wurde heule früh «in junger Mann aufgegrissen, der ohne Aus- weispapiere war. Auf der Wache gab er sich als einen gewissen Krause aus Sondervhausen aus und bat. austreten zu dürfen. Plötzlich ertönte aus dem Abort ein Knall. Der Atann hatte sich einen tödlichen Kopsschutz beigeörachl. Die Ermittelungen ergaben, daß es sich um den Kausmannslehrling Kurt W. aus Nordhausen handelt, der vor einigen Tagen mit 700 Mark unterschlagenen Geldern geflüchtet war. Okismnitr, rvicksu, ?Isuen tz. Ter neue Kurs der Teutschnatioimlen. Am Sonntag, dem 28. Oktober, wird die Deutschnationale Volkspartei in Chemnitz einen Parteitag abhaltcn. Neben vertraulichen Besprechungen über Parleiangelegenheitcn wird Reichstagsabgeordneter Freiherr von Frehiagh-Loringhoven eine Rede über „Der Bankrott von Lo carno" halten. Frehiagh-Loringhoven gehört bekanntlich zu dem rech ten Flügel der Partei, der jetzt Oberwasser bekommen hat. tz Knochensunde aus dem 30jährigen Kriege. Beim Ent fernen einer über 250 Jahr« alten Linde, in Verbindung mit Ausschachtungsarbeiten im Gelände der althistorischen, nach dem berühmten Rechenmeister Adain Riese benannten Niesenburg bei Annaberg wurden Knochen gefunden, deren Alter auf etwa 280 Jahre festgestellt werden konnte. Hiernach stammen die selben also aus dem Dreißigjährigen Kriege, wobei die Chro nisten berichten, daß im Mürz des Jahres 1641 die Riesenburg von den Truppen des Generals Bauer gebrandschatzt wurde. tz. „Bistc a schu dv . . Eine eigenartige Begrüßung wurde dem bekannten Volkskundler Hofrat Prof. Seysfcrt aus Dresden in Seisfen zuteil, als er dort einen Hcimaisckmtz-Vor- trag halten wollte. In erzgebirgische Tracht gekleidete Knaben und Mädchen der Scissencr Volksschule begrüßten den sich hier allge meiner Beliebtheit erfreuenden Herrn mit dem Gesänge: „Viste a schu do, ho schu längst ans dir gelauert". Weiter wurde dem Herrn Hofrat eine Kette, die mit allerlei Seisfener Spielwaren behängt war, von einer als Holzmeibel verkleideten Schülerin überreicht. Kur >,3U5itr l. Ein Eisenbahnunfall ereignete sich am Mittwoch abend 148 Uhr bei der Ausfahrt einer Nangierableiiung in Neu. gersdor f. Auf bisher ungeklärte Weise fuhr die Abteilung in die Flanke eines Gülerzuges, wobei die Lokomotive und ein Güterwagen der Rangierabteilung entgleisten. Vom GUterzug sprangen vier Wagen aus de» Schienen. Durch deu Unfall ivareu beide In Richtung Zittau führenden Hauptgleise längere Zeit gesperrt, sv daß der Verkehr durch Umsteigen aufrecht er halten werden mußte. Pelsouen kamen durch den Unfall nicht zu Schaden. Auch der Sachschaden ist gering. l. Fabrikbrand. Am Mittwochabend brach in der Lack- und Farbenfabrik der Firma Kohut in dem Grenzorte Grot- tau i. B. infolge der Explosion eines Farbenkessels ein Brand aus, durch den das ganze Hintergebäude der Fabrik in Asche gelegt wurde. Tie Löscharbciten wurden durch Wassermangel erschwert. Der Sohn des Firmeninhabers, der verschiedene wertvolle Materialien retten wollte, erlitt so schwere Brand wunden, daß er in ernstem Zustande nach dem Zittauer Stadt krankenhause gebracht werden mußte. Auch einige Feuer wehrleute erlitte» bei den Löschacbeiteu Verletzungen. Leipziger Sender Sonnabend, 27. Oktober: 15.00 Uhr: Frostmeldung. Anschließend: Schallplattenkonzert. 16.00 Uhr: Dr. Wilhelm Hitzig, Ernst Smigelfki, Leipzig: „All- gemeine Mustklehre". 16.30 Uhr: Konzert. Werke von Paul Umlauft, Dresden. Mit- wirkcnüe: Prof. Paul Umlauft (Klavier), Isolde Wagner- Schnerr sGesang). 17.00 Uhr: Unterhaltungsmusik. 17.45 Uhr: Funkwerbenachricyten. 18.00 Uhr: Funkbostelstünde. 18.20 Uhr: Wettervoraussage, Zeitangabe und Arbeitsnachweis. 18.30—18.55 Uhr: Gertrud van Eyseren, C. M. Alsieri: Spanisch fiir Anfänger. (Deutsche Welle, Berlin.) 19.00 Uhr: Rektor Josef Grefs, Halle a. d. S.: „Psychoanalyse" II. 19.30 Uhr: Dr Hans Mayer: „James Look" geb. 17. 10. 1728). 20.00 Uhr: Jakob Schassner, Weimar, liest aus eigenen Schrif ten. 20.30 Uhr: Funkbrettl. Dazwischen, 22.00 Uhr: Pressebericht, Bekanntgabe des Sonn- togsprogramm» und Sportfunk. Anschließend: Tanzmusik Uebertragung von Berlin. „Die Kaardiagnose vor dem Reichsgericht" Unter dieser Ueberschrist berichteten vor kurzem ärztliche Fach zeitschriften: Das Landgericht Hamburg verurteilte im November vorigen Jahres d«n Krankenbehandler Ernst Buchholz daselbst wegen Betrugs zu süns Monate» Gesiingnis und 15 000 Reichsmark Geld strafe .... Um den Angeklagten in drastischer Weise zu überführen, hat die Strafkammer ihm im Stadtiran kenhauS St. Ge org 63 Patienten vorstellcn, von diesen die Haarproben ent nehmen und ihn dann die Diagnose stellen lassen. Ein Vergleich mit den von den Anstaltsärzten geführten Krankengeschichten ergab, daß die Diagnose des Angeklagten zum Teil unzutreffend, zun; Teil gänzlich unsinnig waren. Bei der Strafbemessung wurde in Be tracht gezogen, daß die Tätigkeit des B., der die Leichtgläubigkeit des Publikums ausgebeutct habe, eine in hohem Maße gemeingefähr liche gewesen sei und die Volksgcsundheit in gröblichster Weise da durch gefährdet habe, daß Sckivcrkrank« infolge seiner Diagnose davon abgehalten wurden, sich sofort in ärztliche Behandlung zu be geben, und daß sie dadurch geschädigt wurden. Dieser obige Bericht erinnert an Deutschlands „berühmtesten" Haardiagnostikcr, den vor einigen Jahren verstorbenen Schäfer Ast. Schäfer Ast betrieb in der Lüneburger Heide, halbenwegs zwischen Lüneburg und Hamburg, eine sehr umfangreiche und ein trägliche Praxis. Obwohl Ast sogenannte Sympathietage hatte, cs waren dies der Dienstag und der Freitag, an denen seine diagnosti. scheu Fähigkeiten besonders auf der Höhe sein sollten, so besuchte ich ihn an diesen Tagen nicht, um der Unmasse von Patienten zu entgehen, die a» diesen GroßbctricbStagcn herbciströmten und zu deren Unterbringung umfangreiche Untcrkunftsrämne hcrgcrichiek ivareu. Ich wollte vielmehr Ast in Ruhe genießen. ES waren immerhin bereits mit einem recht frühen Vormitiagszuge fast ei» Dutzend Menschen angekommcn. Man wurde zu viert eingelassen. Ohne eine Frage zu stellen, drehte mich Ast um meine Achse, schnitt mir mit einer großen Papierschere einige Nackenhaare ab, besah sie einige Augenblicke durch ein großes Vrennglas und sagte (platt, deutsch): „Deine Hitzigkeit des Blutes und die Verschleimung deiner Lungen werden wir mit dieser Medizin vertreiben..." Zwei Rc- zeptformulare mit Vordruck wurden gestempelt, in einen Brief umschlag mit der aufgedruckte» Adresse einer bestimmten Apolhcic in Hamburg gesteckt und mir ausgehändigt; ich steckte meinerseits eine» Fünfmarkschein in die ossciistchend« Tischschublade, die als Geld kassette diente (der sonst anwesende Gehilfe war gerade nicht zu gegen). Kehrtl Marsch! Die Konsultalion war beendet: Tauer etwa zwei Minuten. Beim Zahlen hörte ich, wie mein Nachbar, der dieselbe Statur und denselben guten Allgcmeinzustand wie ich aus wies, und der wahrscheinlich ebenso kerngesund war wie ich, auch den gleichen Rat und Trost zu hören bekam: „Die Hitzigkeit deines Blutes und di« Verschleimung deiner Lungen..." Mein Nachbar ließ sich jedoch durch de» denkwürdigen Vorgang offenbar derartig imponieren, daß er gleich einen Zwanzigmarkschein in die Tisch schublade verschwinde» ließ, für die gleichen zwei Rezepte, die ich erhalten hatte. (Ob er wohl jemals bei einem Arzt so freigebig sein würde?!) Die Verordnung auf den Rezepten bczeichucie zwei harmlose, bekannte Heilmittel in homöopathischer Ausmachung. — Bei einem Schulknaben, welchen seine Mutter von weit her zu Ast gebracht hatte, weil das Kind wegen Asthma bisher vergeblich be handelt worden war, stellte Ast aus den Nackenhaoren fest: Hals drüsen, Würmer. Mit dieser Diagnose dürfte man allerdings bei vielen schwächlichen und kränklichen Kindern nicht vorbcigcraicn haben. Der arme Jnnge war offenbar genauere Untersuchungen ge wöhnt, er war sichtlich fassungslos über die verblüffende Fixigkeit und die Art, Krankheiten sestzustcllen. Jammernd und zweifelnd fragte er seine Mutier: Wird denn das helfen? Genug der Einzelheiten. Schäfer Ast hat großen Erfolg mit seiner Prari« gehabt; denn er wurde ein reicher Mann. Manche- könnte ich »och von Ast, dem berühmten Kurpfuscher, erzählen; Ern stes und Heiteres; und es wäre eigentlich etwas zum Lachen, wenn es nicht gar so ernst und traurig und gar so bezeichnend wäre für einen großen Teil unseres Publikums: „Sic" werden eben nicht alle... Dr. Kr. — Abch. ««antwortlich t»r den politischen Lei» ve. Gerhard Derc» HI, Dresden sür de» sächsischen Leu und da» ffeullleton: I)i. MaxDomicht« Dresden ISr «ln,einen! »irlur Len,, Drc»d»n.
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