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Sächsische Volkszeitung : 28.11.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192811282
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19281128
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19281128
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-11
- Tag 1928-11-28
-
Monat
1928-11
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 28.11.1928
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Stummer 271 Sächsische Volks,zeitung LS. November 192« ,j> hland zu be- ndet, und es 200 bis 30V and entweder «n urspriing- >andelt es sich Regierung, igentums England die zeichnend, daß ede am Was- i hingewiesen laligen euro- icht behalten i erreicht: es nkier London weitens eine glichen Schub rchsehen will, aktisch bestan- he Regierung terhin wenig eine Betrags > handelt sich England er nten Sprach- cgesehene An« Selbst hier rein forma- znt. Dorf iregkervog November. ' gibt Kennt- ins christ- e g i e r u n g, sind von den r bis 3. No- en Betriebs- »gelegt wor- itislohn vom i ergeben die tober für dis ohlenbergbnu kark. Da die )äftigung bei i bitter zu eiter bis zum n eine Not- fchaffung des die von den letallbetriebe tigten Berg est fast aus worden. Da : stehen, sieht losen Zu ber Metall- mit Neichs- rmilien nicht lgerlande t sehr groß. Konzernvcr- h 75 OM bis inder Hütten auch hier die :« der Aus« sposr November. 25. November t, um zu den >er Deutschen chntarif nahm chntaris zum »er steigenden erden müßte, e Kündigung wirksam ge. an, bah von eil Revi- erichtsinstanz, Angelegenheit ung der Aus- Retallarbeiter beitsministers fortzuführen, lellierten an schcn und for« egierung klar sich Geltung : den Arbeit- erklärt habe, i. Werde sie rforderlichen- die Betriebe dem ordent- ntrumspartek itage« in der der der Vor. er Versamm- Reamten, rden, di« in r. Sieger- worden find. »»I Die Tokenlegion" und die Ufa — „8ouvenir 6e I^uäwiAsksken" einen deutschen Soldaten mit einem Wolfskopf und einer Pickelhaube dar. Auf die deutscherseits lautgewordeucn Beschwerden hat die Firma Masson folgende Erklärung veröffent» licht: „Wenn gesagt wird, daß derjenige in Mißkredit kommt, der etwas Derartiges ausstellt, so müßte sich diese Bemerkung vor allen Dingen gegen den richten, der sich nicht gescheut hat, ein solches Spielzeug herzustellen und damit seine Landsleute lächerlich zu machen. Das betreffende Souvenir ist nämlich von einem Fa brikanten des rechtsrheinischen Deutschlands her ge stellt und mir von einem deutschen Kaufmann verkauft worden, dessen Name und Rechnung ich jederzeit bereit bin, zur Kcuntuisnahme vorzulegen. Ebenso hat der Fabrikant das Stück mit der Aufschrift „Souvenir de Ludwigshafcn" versehen. Die Vor würfe müssen sich also gegen den deutschen Verfertiger richten, der sich nicht scheut, seine Sachen in dieser Ausführung in das besetzte Gebiet zn verkaufen." Die Buchhandlung hat dann durch Vorlage der Rechnungen tatsächlich den Nachweis geführt, daß das Andenken an Ludwigs hafen von der Firma: Balnea A.-G. Fabriken für Reiseanden ken und Perlmutterbilder, in Nürnberg geliefert worden ist. Was soll man zu einer deutschen Firma sagen, die auf diese Weise die Erinnerung an die Gefallenen des Weltkriegs zu beschmutzen wagt? Wenn irgendein hungriger Tropf ein belangloses militärisches Geheimnis verrät, wird er wegen Landesverrats gepackt. Gibt es keinen Paragraphen im Strafgesetzbuch, mit dem man Leut« fassen kan», die in so bubenhafter Weise die Ehre ihres Vaterlandes herab setzen? Die Welsen Lutzern sich <,u oer ourcy die Veröffentlichung des „Bayeri schen Courier" wieder angeschnittenen Debatte über Bayerns Teilnahme am Welfe nfonds meldet sich nun auch das Welfenblatt, die „Hannoversche Landes zeitung". In ihrer gestrigen Sonntagsnummer nimmt sie in eingehenden Ausführungen Stellung zu Fricks Ver öffentlichungen im „Bayerischen Courier", die im Inter esse der historischen Wahrheit auf das lebhafteste zu be- grüßen seien; sie fährt dann fort: Seine Enthüllungen seien ein neuer wertvoller Beitrag zur Bismarckschen Politik und besonders zur Geschichte des Welfen« fonds, des widerrechtlich mit Beschlag belegten Privatvermögens der von Thron und Land vertriebenen Hannoverschen Königs« familie, die man u. a. auch zur Deckung der Riesenunter», schlwgungen des Bankdirekto-rs Berg in Stralsund (das Schwie« gervaters des preußischen Staatsiyinisters von Boetticher) und zur Bezahlung jener kostspieligen Frühstücksgelage mißbraucht labe, die Jahre hindurch die „graue Eminenz" aus dem Ber- iner Auswärtigen Amt, Herr von Holstein, tagtäglich mit einer Anzahl von Freunden im Hotel Kaiserhof zu veranstalten pflegte. Es sei ein Irrtum, wenn Frick meint, der Wel'fcnfondz sei am 12. Mürz 1892 durch Kaiser Wilhelm II. aufgehoben und zurückgegeben. In jenem Jahre sei vielmehr (durch das preu ßische Gesetz vom 10. April 1892, Gesetzessammlung seit 1879) lediglich die Aufhebung der Beschlagnahme der Zinsen er folgt. der Fonds selbst aber nach wie vor in preußischer Ver waltung geblieben. In Bayern stünden noch beute sehr maß- gebliche Mitglieder der Regierung in engen Beziehungen zur „Vismarckgemeinde". Das Blatt fragt dann weiter, ob es nicht an der Zeit wäre, unter dem Eindruck dieser skandalösen Enthüllungen jene von der Mehrheit des bayerischen Volkes niemal» verstandenen Beziehungen zu lösen'/, Der --blanke Kans" Von Skurmfahrken und Nochmals: ,, Wir gaben hier kürzlich (Nr. 266) einen Artikel des „Jung- k deutschen" wieder, i» dem der Ufa vorgcworfen wurde, sie zeige in Prag einen deutschfeindlichen Kriegs film. Inzwischen hat der „Jungdeutsch«" auch die tschechische Anzeige veröffentlicht, mit der dieser Film in den Prager Zeitungen angepriesen wurde. Tic Ufa, gegen deren Aussichisratsvorsitzenden Hugenberg sich oiescr Angriff richtete, hat nun ihrerseits in einer Erklärung zu der Angelegenheit Stellung genommen. Es heißt darin: „Es handelt sich um den französischen Film „Die Legion der Tom," („La grande Epreuve"), der in den Prager Kinos Ende Oktober zum ersten Male anlief, um einen Film, der selbstverständ lich. wie alle Kriegsfilme der verschiedensten Nationen, die eigene Armee im besten Licht darstellt, aber, wie ausdrücklich hcrvorgehoben sü. alles vermeidet, was den Gegner, in diesem Falle die Deutschen, in seinen Gesichten verletzen könnte. Dis geht sogar so weit, daß die Franzoicn hier zum ersten Male deutsche Offiziere edelmütige, für imscr Gefühl freilich selbstverständliche Handlungen begehen lassen. . . Die Vorführung des Filmes hat keinerlei verstimmende Wir- stmqc» aus die deutsche Bevölkerung Böhmens ausgeübt. Selbst die Einfügung von Bildern der tschechischen Legion, die in Prag ohne Wissen und Willen der Ufa vorgenomnicn wurde, ändert an dieser Feststellung nicbis, denn auch diese Szenen sind in Inhalt und Titel harmloicr Natur." Demgegenüber hat die „L i ch t b i l d b ü h n e", die die gleiche Kcilik an dem Film „Totenlegion" geübt hatte, folgende Feststellun gen ihres Gewährsmannes verösfeiillichi: „Ich, der Unterzeichnete, erkläre demgegenüber, daß ich den Ufa-Film „Legie mrlvych" am 8 November in dem Prager Lichtspielhaus von Weiß in Zizkov per sönlich in Augenschein genommen, mich von seinem Inhalt, seiner Tendenz und seiner Wirkung auf das Publikum überzeug! habe, und dost olle i» der Lichlbild-Büline über diesen Film gemachten An gaben Wort für Wort zutreffend sind. Jede andere Behauptung über die Tendenz dieses Filmes ist objektiv unwahr. Ich fordere die llso hierdurch ans, mich wegen incincr Behauptung zu verklagen, da mit Vclcgenhcii gegeben wird, den Film „Legie mrivpch" vor dem olstcktiocn Forum des Gerichts in der Form vorznführcn, wie er UeAlich in Prag gezeigt worden ist, oder von sich a»S die Vorfüh rung vor einem objektiven Gremium in Berlin zn bewirken. Weigert sich die Ufa. diesen für jeden anständigen Deutschen selbstverständ lichen Schritt zu In», so wäre dies nichts anderes als das offene Eingeständnis. daß der Hngcnberg-Konzern mit Deutschlands Nie derlage tm Auslände Geschäfte gemacht hat. — Dr. Hans Wollen berg.' Der „I ungdcuts ch e" (Nr. 277) bemerkt dazu: „Dieser Er klärung ist unsererseits nichts hinznznsüge». Wir stellen nochmals sest: 1. Die Ufa. eine deutsche Firma, in ihrem Handeln maßgebend kontrolliert von dem Vorsitzenden der Deutsch- nationalen Volkspartei, hat sich dazu hergegeben, im Ausland bei der Verherrlichung der Sieger über Deutschland mitzu- Ivirlc» Eine Würdelosigkeit, die sich bisher eine ausländische Film- sirma noch nicht geleistet hat. 2. Die Ufa hat den .deutschhetzerischen nnd deutscher Würde ins Gesicht schlagenden Film von sich ans noch in einer dem tschechischen Rationalgcsühl entsprechenden Weise er gänzt. Z. Die Ufa schämt sich nicht, aus der Niederlage Deutsch lands im AnSlande Kapital zu schlagen. — Die Forderung des Herrn Dr. Wellenberg machen wir uns zu eigen. Auch wir fordern von der Ufa, daß sie u»S verklagt. Wir werden den Wahrheits beweis vor Gericht erbringe». Zum mindesten »erlangen wir, daß die Ufa. wenn sic ein reines Gewissen hat. den Film in Berlin ein mal voriührt, und zwar so, wie er, die nötigen Zeugen werden wir stelle», in Prag gezeigt worden ist." Man wird also jetzt abzuwarlc» habe», ob die Ufa die Probe aufs Ercmpel machen und Herrn Dr. Wollenberg verklagen wird. Eine gerichtliche Klärung der Angelegenheit läge nicht nur im all gemeinen Interesse, sonder» vor allem auch im Interesse der Ufa. Sollten die Behauptungen »es „Jungdeulschen" und der Licht bildbühne zulreffen, dann stände dieser Fall übrigens nicht einzig da. In Lndivigshascn war kürzlich im Fenster der dortigen französischen Buchhandlung Masso» eine Holzfigur ausgestellt, die als „Souvenir de Ludwigshafen" (Erinnerung an L ) bezeichnet war. Sie stellte Schisssimlergang i. Just zu der Zeit, da man nach den schweren Sturmfahrten des „Grafen Zeppelin", während deren mancher zuerst begeisterte Passagier das Gruseln lernte, den Komfort und die große Sicherheit des Reifens auf modernem Seeschiff preisen hörte, erschütterte die Nachricht vom Untergang des eng lischen Dampsers „Vestris" die Welt. Grauen liegt über dem Untergang dieses Schisses, das mehr als 100 Mann mit in die Tiese nahm. Und am grauenhaftesten ist die durch die Untersuchung des Bundeskommissars einwandfrei festge stellte schlimme Tatsache, daß nicht unabwendbare höhere Gewalt die Katastrophe kerbeigefllhrt hat, sondern persönliches Verschulden der Schiffsfllhrung und der Reederei. Erstens war der Dampfer nicht mehr im besten Sinne see tüchtig, wie es gerade für ein Passagierschiff besonders wichtig ist. Zweitens waren die Rettungsboote und Einrichtungen an scheinend nicht in Ordnung. Drittens scheint die Schiffsbe satzung im Augenblick der Gefahr den Kops verloren zu haben und nicht jenes Maß von Umsicht, seemännischem Können, Disziplin und Mut aufgebracht zu haben, wie es Seemanns tradition zu sein pflegt. Viertens ist festgestellt woroen, daß die 8.0.8.-Ruse (8.0.8. -- savs ouv souls. rettet unsere Seelen) viel zu spät abgegeben wurden, die Schiffsführung also die verzweifelte Lage des Schiffes zu verheimlichen versuchte. Weshalb. Ob die Schiffsfllhrung, wie später die Besatzung, den Kopf verloren hatte, ob sie sich durch einen früheren Hilfe ruf etwas zu vergeben dachte, oder ob sie auf irgend ein Wunder hoffte, wird kaum aufgeklärt werden. Für Aufsichtsbehörden, Reedereien und Schiffsoffiziere aber sollte die bittere Erfah rung der „Vestris" eine Mahnung sein, alles nur erdenk bare Mögliche zu tun, um ein Passagierschiff nur in jeder Hin sicht seetüchtig, wobl ausgerüstet mit Sickerunas- und Reitlings- Gefahren auf hoher See elnrlchtungen und bemannt mit verufserfahrener disziplinierter Bemannung in See gehen zu lassen. Nun wissen wir ja, daß gerade, was deutsch« Schiffe anlangt, die an sich sehr strengen Vor- schriften und Klassifizierungs-Regeln peinlich beobnch. tet werden, daß ferner die Ladung — die im Falle der „Vestris'^ bei dem starken Arbeiten des Schiffes in der schweren See zum Teil übergegangen sein und die durch das Alter dünn gewordene Außenhaut durchstoßen haben soll — durch die sogenannten Schauerleute, Künstler in ihrem Kack. «eltaut wird. (Tck babe manche Fahrt bei tollem Wetter aus großen und kleinen Schissen mitgemacht, aber nie. mals habe ich erlebt, daß ein Stück der Ladung übergegangen wäre.) Und schließlich wissen wir auch — erhärtet durch zahl- lose Beispiele — daß der deutsche Seemann auf hoher See den Vergleich mit keinem Seemann anderer Nationalität zu scheuen braucht. Aber die Beobachtung aller dieser drei Sicherungen gegen Schiffs- katastrophen — Kontrolle der Seefähigkeit des Schiffes und seiner Rettungs-Gelegenheiten nach Zahl und Brauchbarkeit, sachgemäßes Stauen der Ladung, seegewohnte und diszipli- inerte Besatzung kann auch die englische Handelsflotte mit gutem Recht für sich in Anspruch nehmen. Und doch ist jetzt die „Vestris"-Katastrophe und vor etwa einer Mandel Jahre der „Ti ta n i-"-Untergang wohl der grauenhafteste, fast spukhafte Passagiarschiffs-Untergang der Geschichte. Äufgeschreckt ob der „Titanic"-Katastrophe halten schon vor dem Kriege die Seefahrt treibenden Länder den sogenannten „Titanic"-Vertrag abgeschlossen, dessen Durchführung dann wegen des Weltkrieges unterblieb. Des „Titanic"-Vertrages Ziel war, international die Sicherheit an Bord seeaehender Schisse zu regeln. Die erste „Titanic". Konferenz nach dem Kriege war eigentlich für diesen Herbst vorgesehen, wurde aber wegen der Präsidentenwahl in den Ber- einigten Staaten auf den Herbst 1929 verschoben. Man möclite meinen, daß der Unteraana der ..Veitris". bei dom Ein Frauenschieksal Vor einigen Jahren zog man aus dem Laiidwehrkanal in Berlin eine weibliche Person, als Rettung fast ausgeschlossen schien. Zwei Jahre weilt sie dann in der Irrenanstalt Dalldorf bei Berlin, bringt dann in Privatpflege längere Zeit zu. Eine schwere Erkran- kung fesselt sie lange Zeit ans Krankenbett und hält sie fest im Sa natorium. Pflegerinnen und Aerzte stehen vor einem Rätsel. Wer ist die Kranke? Sie spricht Deutsch mit russischem Akzent, versteht Russisch aber spricht diese Sprache nicht. Sie ist sehr schwer zu bcüandelii, ist launisch, übermütig, verschlossen, scheu, andererseits von einer gewissen Charme und Liebenswürdigkeit. Sie stammt offenbar aus einem hochstehenden Hause. Schwer ist es, mit ihr zu reden, meist liegt sie apathisch aus ihrem Schmerzenslager. Offenbar ist ihre Entwicklung als Menschenkind irgendwie unterbrochen wor den. Trotz ihrer 25 Jahre macht sie den Eindruck eines 14jährigen Mädchens. Die Krankenberichte oller Aerzte sind merkwürdiger weise übereinstimmend in den Hauplzügen. — Durch die Pflegerin der Lcbwcrkranken erfahren wir Näheres über die geheimnisvolle Person. Die Bildhauer!» Harriet von Rathlef-Keilmann nimmt sich des geplagten Menschenkindes an. wartete sie wie eine besorgte Mut ter ihr krankes Kind Pflegt. Sie verfolgt nicht nur jede geistige Regung des verschlossenen Wesens, sondern zeichnet alle Offcii- barungcn der Seele »n-d des Verstandes auf. Auch daraus ergibt sich eine seltsame Uebereinstimmung mit den Urteilen der Aerzte. Doch wer ist »nn jene stcrbensmüdc Frau, die schon 1920 ihrem Leben ein Ende bereiten wollte? Russische Emigranten wollen in ihr die jüngste Zaren, tochter Anastasia erkennen. Aber das erscheint ja unmöglich. Die Zarcnfamilie ist doch auf so grausame Weise hingeschlachtet wor den. Man verbrannte doch die Leichen. Dem steht aber entgegen, daß auch nach dem Protokoll eine Leiche fehlte, als man die übrigen im Walde bei Jekaterinburg verbrannte. Man lese nur die Erlasse des dortigen Arbeiter- und Soldatenrats, die Bestätigung liegt klar zuiagc. Ein einfacher russischer Bauer zog die Halbtote aus dem Leichcnhaufen heraus und brachte sie unter Lebensgefahr nach Ru- mänicn. Er belohnte sich selbst, indem er dem verstörten Mädchen die Unschuld raubte und so das junge Blut zur Mutter machte. In Bukarest wird der Retter erschossen, sein Bruder bringt die kaum Genesene nach Berlin. Jede Spur von ihm fehlt. Alle Nachfor schungen sind ergebnislos. Sie lebt von den im Kleide eingenäht -eivesenen Perlen «iner kostbaren Halskette. Der Käufer ist nicht zu ermitteln. Anastasia weiß kein- näheren Angaben zu machen. Körperliche Kennzeichen — ein Muttermal und ein gequetschter Fin ger — lassen sic untrüglich als die Zarentochter erscheinen. Dis bestätigen ein Diener des Zaren Wolkow und der Sprachlehrer Gilliard, aber die Verwandten der Romanows Hallen sich zurück. Tie Gemahlin des Prinzen Hcivrich, „Tante" Irene, wendet sich nach der Gegenüberstellung entsetzt von ihr wegen ihres Benehmens; -och entschuldigt sie wieder ihr schwcrkranker Zustand, wenn sie nicht mit der „Tante" lange und große Gespräche führte, sondern Ruhe haben wollte. Verleumdungen tauchen auf. Man will Anastasia er- kennen als eine polnische Schwindlerin, als die Schanzkowski, doch selbst deren Verwandte erkennen den Irrtum. Es heißt, Anastasia wolle sich nur in gesicherte Verhältnisse schwindeln. Aber dagegen spricht wieder ihr ganzes Verhalten. Es ist ihr gleich, was man von ihr denkt. Sie tut nichts, um sich beliebt zu machen. Geradlinig ist ihr Verhalten. Ihre Erinnerungen aus dem Elternhause sind merkwürdig rich tig für eine Zarentochter, da fehlt aber auch nichts. Erlesen kann man so etwas nicht. Intimitäten aus der Familie mache» vollends verwirrt. Die Zweifel beginnen zu zerschmelzen. Namhafte Per sonen treten für sie ein, bürgen für sie als Tochter der Zaren- samtlie. Der Herzog von Leuchtenberg ans Seeon nimmt sie auf, schließlich ist auch Großfürst Andreas überzeugt und die Großfürstin Tcnia, ihre Kusine, gewährt ihr in Amerika ein neues Heim- — Alan könnte damit das Schicksal der Unbekannten als erfüllt ansehen, aber doch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Hs gibt so viele Beweise für die Annahme, daß Anastasia wirklich die einzig Ueber- lebende ist, andererseits sprechen wieder viele Momente dagegen, mehr aber dafür. Wer Anastasia in Wirklichkeit ist, wird sich vielleicht nie mals feststellcn lassen. Nun aber haben die Historiker das Wort und — die russische Negierung. Darüber muß man sich im klaren sein, daß ohne deren Mitwirkung die Lösung dieser Angelegenheit schwer herbeizusühren ist. Es handelt sich nicht darum, ob nun Anastasia erbberechtigt wird usw., sondern hier geht cs um eine Sach« von gro ßer historischer Bedeutung. Unheimlich viel Leid ist cingcschlosscii in dieses seltsanie Leben, das nur mit genauer Not erhalten werden konnte durch operative Eingriffe und neuzeitliche Behandlung einer schweren Tuberkulose. Wer ist Anastasia? Ist sie die Zarentochter oder ist sie, wenn auch unbewußt, eine Schwindlerin? Darum geht es. Dieses ge» Plagte Menschenkind soll nicht seiner Schützer und Netter beraubt werden, aber soviel Tragik, soviel Phantastik, die an Kaspar Hauser gemahnt, drängen nach Aufklärung. Dazu kommt, daß die Unbe kannte ihr Leben selbst nur bruchstückweise kennt. Es kann nur aus- gehellt werden durch die Hilfe vieler Zeugen. Die sollten sich mel den, die irgend etwas dazu beitragen können, um die so verwirrten Fragen zu klären. Jetzt mulet freilich Beweis und Gegenbeweis an wie ein Roman. Frau Harriet von Rathlef-Keil. mann trug alle Dokumente und Belege zusammen in dem Buche „Anastasia" (Verlag Grcthlcin u. Co., Leipzig, 275 Seiten, 33 Illustrationen, Preis 6,80 M.). Erschütternder ist wobl selten ein Fraucnschicksal getragen worden, wie wir es bei der große» Unbe kannten, bei Anastasia sehen. Schon deshalb drängt man aui voll ständige Klarheit. Fritz Günther. Hans Roger Medol. Der Schattenkönig. Das Leben Lud« mig XVII. von Frankreich und die Schicksale der Familie Raun- dorf-Bouöbon. Insel-Verlag, Leipzig. — Die Geschickte, die hier (unter Vorlage zahlreicher Dokumente und ans Grund eine» überreichen, sorgfältig nachgewiesenen Quellenmaterials) erzählt wird, klingt uns sehr vertraut. Wir haben erst in unseren Tagen den Streit um die Großfürstin Anastasia erlebt, die der Mordgicr des Bolschewismus entronnene Zarentochter. Ein ähnlicher Streit hat sich vor hundert Jahren mir die Person Ludwig XVII. abgespielt, des „Schattcnkönigs". dessen Iden- tität mit dem Sohne des 1792 Hingerichteten Königs bestritten und der nach der „Restauration" des Königtums aus Frankreich ausgewiesen wurde. Die von der damaligen französischen Re- gierung ausgegebene Lesart lautete, daß der Dauphin, den man nach dein Sturze der Monarchie zu einem Schuster Simon in Pflege gegeben hatte, infolge der Mißhandlungen diese» Schusters umgekommen sei. Inzwischen haben aber die Gericht» entschieden, daß diese Lesart den Tatsachen nicht entspricht. Der Dauphin ist aus dem Haus seiner Pflegeeltern entflohen, und Zwar unter Beihilfe des damaligen „Direktors" Barras an der Iosephine Beauharnais, der späteren Gattin Napoleon». Aus begreiflichen Gründen hat Iosephine und erst recht späte» die Anhänger Ludwig XVIll. die Echiluirtigkcit des linzmischen in Preußen ausgewachsenen) Dauphin nicht mehr anerkannt. Diese Anerkennung ist erst nach dem Tode des Schattenkönig» erfolgt, und heute führen seine Nachkommen in Frankreich den Namen Bourbon und gelten in royalistischen Kreisen als ofsl« zielle Erben des Thronanspruchs. — Diese Lebensgeschichte de» „Schattenkönigs" liest sich spannend wie ein Roman und ist den Fällen der Großfürstin Anestasio und Caspar Hausers wohl an die Seite zu stellen. Nur daß in diesem Falle die umstritten«» und zunächst rätselhaften Vorgänge eine gerichtliche, allseitig anerkannte Klärung erfahren haben. ^
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