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OnternaltunL und Vv issen Aas dem Inhalt« Kr. Willem«: Der Villentrainn eines kaiserlichen Welt reiseirden. Michaela Rott: Verlassenes Kirchlein. Grete Thomas: Zwiespalt. Hirni Tremel-Eggert: Erste Liebeserklärung. Franz Ioh. Biersack: Ganz leise. Vom Büchevtisch. Herbst in Goethes Garten. Ler Villentraum eines kaiserlichen Welkreisenden Von Dr. Willems. Wer Tivoli und der Villa D'Este einen Besuch ab stattet, pflegt meistens einen kleinen Abstecher von dort nach dem unter Olivenhainen und Zypressen verborgenen Trümmerfeld der Villa Adriana zu verbinden, dieser ur eigensten Schöpfung Kaiser Hadrians, eines authentischen Globetrotters auf dem Throne der Cäsaren. Künstlerisch und geistig hoch begabt glich er jenem uirglücklichen Bayern könig Ludwig II. in vielen Zügen, der auch ähnliche phan tastische Schloß- und Villenbauten schuf. Kaiser Hadrian schuf sich seine Villa als Ruhestätte am Ende seines seltsam unruhigen und bewegten Lebens. Hadrian war weder Römer, noch überhaupt in Italien ge boren, sondern aus Spanien stammend, als Sohn eines ehemaligen Militärs aus dem unteritalienischen Picaenum, auch sein Vorgänger und späterer Schwiegervater Trajan, den aber die Kluft einer Weltanschauung von seinem Nach folger trennte, gleich wie es bei Friedrich II. und seinem Vater der Fall war. Trajan war eine Soldatennatur, ein Eroberer und ein Mann der strengen, alten Sitte, während sein Schwieger- und nachheriger Adoptivsohn eine fein fühlige Künstler- und Eelehrtennatur war, der nicht an Er oberungen, sondern nur an das Festhalten des einmal Er oberten dachte und an die hohen Kulturaufgaben, welche dem römischen Weltreiche nach seiner Auffassung gesteckt waren. Er wurde ein wahrer Neisekaiser, der stets uird ständig unterwegs war, die Verwaltung und die öffentlichen Arbei ten in den weitentlegensten Provinzen des Reiches über wachte und vor allem auf die Hebung der Bildung und die Förderung der Künste und Wissenschaften sein Augenmerk richtete. Er hatte sich selber in Griechenland seine philo sophische und künstlerische Bildung erworben, liebte griechi sche Sprache und Sitten zum Entsetzen der konservativen römischen Kreise, die gegen den Stttenverderber und Roms unwürdigen Sohn wetterten. Das erklärt auch, weshalb Trajan sich nur widerwillig entschließen konnte, «hn durch Adoption zu seinem Nach folger zu machen und dieses auch wohl nur auf den Einfluß seiner Gattin Plotina, die dem jungen Hadrian sehr ge wogen war, und welche Hadrian wie eine Mutter verehrte. Wir wissen dies aus seinen Briefen, die für beide gleich ehrend sind. War auch Hadrian kein Imperialist, so blieben ihm dennoch Kriege nicht erspart, die er führen mußte, um die von ihm als rationell erkannten römischen Reichsgrenzen zu sichern. Diesem Gedanken entsprangen die großartigen, an die chinesische Mauer erinnernden Mauer- und Wallanlagen gegen die Schotten und Germanen, der Limeswall in Deutschland erinnert an ihn. Sein Hauptaugenmerk aber richtete Hadrian auf den Orient und auf Griechenland, dessen alte Kulturen auf ihn denselben Zauber ausübten, wie noch heute auf uns der geheimnisvolle Orient denselben Einfluß ausübt. Athen und Alexandria dürften ihn am meisten in ihren Mauern gesehen haben, beides Hochsitze der Künste und Wissenschaf ten. Obgleich selber kaum göttergläubig, baute er den prachtvollen Zeustempel in Athen und sorgte für die Er haltung seiner Bauten und Bildungsstätten, ja er ließ die Akademie, das Lyzeum und die Poikile in seiner Villa bei Tivoli kopieren. Wie man aus dieser Wahl sieht, war er kein Anhänger bestimmter an diese Stätten gebundener philosophischer Systeme, sondern eher ein Eklektiker oder gar sin Skeptiker. Ebenso wie die griechische Wissenschaft, zog ihn auch die dunkle tiefsinnige Weisheit des alten Kul turlandes Aegypten an. Seine Legenden und Gottheiten bevölkerten die Räume und Gärten der Villa von Tivoli. Die vielen ägyptischen Statuen aus Granit und Por phyr der römischen Museen sind meist in der Villa Adriana gefunden und ausgegraben worden. Auf seinen Reisen im Orient lernte er in Bithynien Verlassene» Kirdilein Noch immer kreischt die alte Tür in rost'gen Angeln, da ich als Kind in erster Andacht bin einst aus- und ein- geschritten.... Gelb und rote Blumen aus Papier stehn stumpf in schreiend bunten Gläsern am Altar. Des Hellen, roten Marmors breite Sprünge deckt barm herzig blau verschliss'ner Samt, die schön gestickten Kissen mit den Rosen und Reseden sind verblaßt, von Motten schier zerfressen. Auf der süßen, kleinen Selbdrittgruppe liegt schwerfällig der Staub. Fm Schoß der heiligen Mutter Anna haben Schwalben sich ein Nest gebaut und zwitschern ihre kleinen» frommen Liedlein mitleidig in die Einsamkeit der heiligen Frauen. An den Wänden bröckelt schon der Kalk, in allen Winkeln haben Spinnlein ihre feinen, grauen Schleier ausgchängt, gar prächtige Schaustück' zu des lieben Gottes Ehr'. Die wenigen Bänke stehn geduckt wie alte Weiblein, zerfressen und zernagt vom Bohrwurm Zeit. Fn keckem FUrwitz guckt schon da und dort ein Gräslein aus des Bodens abgctretnem Mosaik. Die kleine Ampel, drin vor dem in Andacht still das ewige Licht gebrannt, ist blind geworden. An dünnem Kettlein schaukelt sie im leichten Lufthauch traurig hin und her und weint aus ihren toten Augen tausend Tränen. , Lllodsola llott. den jungen Griechen Antinous kennen, den man wohl di« Tragödie Hadrians genannt hat. Seine schwärmerische Zu» Neigung zu diesem jungen Manne mußte in Rom Anstotz! erregen, uird Hadrian hat es auch nie gewagt, Antinous mit nach Rom zu bringen. Erst nach Antinous' frühem Tode kehrte Hadrian, gebrochen an Leib und Seele, nach Rom zurück, um sich sein Tuskulum zu schaffen, wo er dem- toten Freund« zahllos« Statuen errichten ließ, die desse« schwermütigen Lockenkopf wiedergeben. Antinous starb be kanntlich durch Ertrinken bei einer Nilfahrt mit Hadriarr^ und ein ganzer Legendenkranz hat sich um dieses tragisch«! Ende gebildet. Einige antike Schriftsteller wollen wissen» daß Antinous freiwillig aus dem Leben geschieden ist, un» ein von einem Jsispriester dem Kaiser geweissagtes Unheil! von diesem abzuwenden. Andere, Hadrian feindlich gesinnt» Autoren behaupten, daß ihn der nervöse und leicht erreg bare Hadrian eigenhändig ins Wasser geschleudert habe, al» ihm die Unglücksbotschaft verkündet wurde. Der Tod An tinous' vermehrte jedenfalls des Kaisers Melancholie und» sein Mißtrauen gegen seine Umgebung. Sein nun wachsen der Hang zur Einsamkeit ließ in ihm wohl den Gedanke« aufkommen, sich außerhalb Noms bei Tivoli eine Traum villa zu erbauen, wo er ganz seinen wissenschaftlichen undl künstlerischen Neigungen leben konnte, fast unbemerkt selbst von der Dienerschaft, für welche unterirdische Gänge de» Verkehr vermittelten. Hadrian wählte dafür ein Gebiet in der Nähe vo» Tivoli, unweit des Anio gelegen, dessen Tal manck^ Aehiv, lichkeit mit dem Tempetal am Olymp aufwies. Der Um fang dieses Terrains war bedeutend; er war demjenigen der Stadt Nom fast gleich. Wer die Pläne der Bauten lieferte, ob es sein griechi scher Architekt Apollodor war, ist nicht überliefert. Vermut lich war es der Kaiser selbst, der die Richtlinien angab, wi» wir dies auch bei seinen römischen Bauten, dem Tempel de«! Venus und Roma, sowie bei seinem Grabmale, der heutige» Engelsburg, wissen. Hadrian wollte seine Lieblingsplätze auf der Welt in seiner Villa wiederfinden. Er hatte auf seinen Reisen dis Maße berühmter Werke und Stätten auszeichnen lasseir, und ließ nun Platons Akademie, das Lyzeum, die Poikile« Halle der Peripatetiker, den Kanopus, das Dorado der Alexandriner — und seine griechische Bibliothek wieder er stehen. Auch ein nach griechischer Art an einen Hügel ange lehntes Theater fand in der Villa Platz, ebenso ein lateini sches Theater und eine Sternwarte. Marmorschimmerndr Empfangsräume, Bäder und Schwimmbäder, Museen für die kaiserlichen Kunstsammlungen und weitläufig« durch unterirdische Gänge — Lryptopertici — mit den Gebäuden verbundene Behausungen für die Dienerschaft und die Leib garde vervollständigten diese Stadt im kleinen, die sich innerhalb weitläufiger Parks erstreckte, mit prachtvollen, noch jetzt frappierenden Ausblicken auf die Sabiner» und Albanerberge und die römische Campagna. Berühmt unter diesen Ausblicken ist derjenige auf da» sogenannte Tempetal, mit seiner roten Felswand, die. Hadrian selber schuf, indem er von dort die Erdmassen und Steine für die Unterbauten seiner Villa holen ließ. Wie lange die Bauzeit währte, ist uns nicht überliefert, ebenso wenig, ob Hadrian sie lange bewohnen konnte. Viele An gaben sprechen dafür, daß er nur die letzten Jahre seines Lebens dort verbracht«. Seelische Vereinsamung und kör« Zwiespalt Von Grete Thomas. Es war hart für Hanna Bruhn, nach ihres Mannes plötz lichem Tode ihr Töchterchen Ursel fremden Händen zu über lassen. Aber was blieb ihr anderes übrig? Sie mußt« tags über in ihrem Geschäft sein und mit allen Kräften arbeiten, um sich und das Kind anständig durchzubringen. Gottseidank brauchte sie sich von Ursel nicht ganz zu trennen. Sie fand für beide ein hübsches großer Zimmer bei einer schlichten liebens würdigen Professorenwitwe, die sich gern bereit erklärt«, das siebenjährige Mädchen zu betreuen. Die einsam«, etwa vierzig jährige Frau schloß ihren Pflegling, ein wildes anmutiges Ding, rasch in ihr Herz. Hanna dankte Gott, ihren Liebling s« gut aufgehoben zu wissen. Ach, es wurde abends meist recht spät. Nach Ladenschluß gab es noch immer allerhand zu tun. Und der Weg war weit. So konnte es KS, V Uhr werden, bevor Hanna Bruhn ihr Heim erreichte. Dann lag Ursel schon im Bett. Sehnsüchtig beugte sich die Mutter über das schlummernde Geschöpflein. Und mor- gens, ja, das war nur ein flüchtiges Beiandersein. Die Kleine mußte zur Schule, und sie selbst stürzt« sich tapfer in den hastenden Großstadttrubel. Mit Frau Professor Goebel kam Hanna wenig zusammen. Sie war zu müde und noch zu sehr von Leid umfangen, als daß sie Verkehr mit fremden Menschen wünschte. Um Ursels willen war es zwar nicht immer zu vermeiden. Aber die Wirtin drängte sich nicht auf. So konnte Hanna ihr Töchterletn we nigstens am Sonntag ganz für sich haben. Freilich hatte es die junge, oft so abgespannte Frau nicht immer leicht mit dem übersprudelnden Wildfang. Trotz aller liebevollen Geduld brauste sie dann zuweilen auf. Aber schon tat es ihr wieder leid, und in reuevoller Zärtlichkeit riß sie das Kind an sich. Ihrer etwas nervösen Sprunghaftigkeit war es überhaupt nicht gegeben, auf recht« Art die kindlichen Spiele zu verstehen und »u spielen. So mußt« sie eines Tages Ursel klagen hören: »Tante kann viel besser spielen als du." Es war ein feiner Nadelstich für Hanna. Eie unterdrückt« »i« «isersüchtig« Regung. Und doch konnte sie «» nicht verhüte«, daß sie von da an ängstlicher auf die Aeußerungen des Kindes zu achten begann. Ihr Mißtrauen war einmal geweckt. Ihr schien, als wenn Ursel gleichgültiger zu ihr wäre. O, wie sie das quälte! Sie schalt sich töricht und fühlte sich auch vorüber gehend durch einen lachenden Kuß beruhigt. Aber tief im Innern blieb die Verstimmung hasten. Hanna Bruhn ging der Frau Professor mehr als bisher aus dem Weg. Eines Sonntags bettelte Ursel: „Komm, Mutti, wir wollen zu Tante hinübergehen." Hanna verstand den Wunsch des Kindes. Aber alles in ihr widerstrebte. „Frau Professor ist doch gar nicht da." „Doch, Mutti, ich weiß es bestimmt." Hanna seufzte und gab nach. Ursel sprang und jauchzte der Tante entgegen, die ein wenig verlegen den Uebermut ab wehrte. Hanna fühlte sofort in ihrer mütterlichen Empfind samkeit: die fremde Frau stand ihrem Kinde näher als sie selbst — die Muter. Bitterkeit stieg in ihr hoch. Aber sie ließ sich nichts merken. Eie plauderte, lächelte, aber zwischendurch zuckten die Gedanken in ihr hin und wider. Warum kam Ursel mit ihren vielen Fragen nicht zu ihr? Warum warf sie sich nicht ihr auf den Schoß? Ach warum Mein Gott, ja, di« zwei waren fast den ganzen Tag beisammen. Die kinderlos« Frau umhegte mit all ihrer unerschöpften Mütterlichkeit und sorgenlose Frische das ihr vom Schicksal geschenkte Seelchen, das gerne überschwenglich nahm und gern überschwenglich gab. — Hanna stand schließlich aus und verabschiedete sich, trotz der flehentlichen Bitten ihres Töchterchens. Immer schmerzhafter nagten Groll und Eifersucht. Man nahm ihr das Herz ihres Kindes. Ihr Blick bekam etwas feind seliges, wenn sie ihre Wirtin traf, die still ihre Pflicht weiter tat und ihrer Mieterin stets mit gleicher Freundlichkeit be gegnete. Dann fühlte sich Hanna zuweilen entwaffnet, und durch all ihr« verworrenen Empfindungen hindurch zwang sich der Vorwurf, daß sie ungerecht war. Aber im nächsten Augen blick bäumte st« sich von neuem auf voll heimlicher Anklagen und Bitternisse. Ach, wie der Kopf manchmal brannte! Da» Geschäft zermürbt« ihre Kräfte, sie war nicht dafür geboren. Sie regte sich auf, rackerte sich ab, opferte sich — wofür — nur für ihr Kind, das es ihr vielleicht nicht einmal danken würde. Wie war da» alle» häßlich I Eines Abends fühlte sie sich so elend, daß sie früher als sonst aufhörte und rasch nach Hause fuhr. Als sie die Flurtür öff nete, scholl ihr frohes Gelächter entgegen. Hanna lehnte «ine» Augenblick gegen die Wand. O, die waren glücklich — warum tat ihr das so weh? Leise schloß sie hinter sich zu. Wie ein Dieb schlich sie in ihr Zimmer. Müde, mutlos sank sie in ekne« Sessel nieder. Unwillkürlich lauschte sie hinüber. Sie hört» Ursels Helle Stimme: „Tante, ich zerdrücke dich — ich Hab' — dich — furchtbar lieb." „So laß nur noch etwas von mir übrig." „Sag', hast du mich auch lieb?" „Ja, natürlich —" „Wie lieb? — Lieber als di« Mutti?" „Ach. du Dummerchen, lieber als dein» gut« Muttt kan» dich niemand haben." „Nein, du sollst mich aber noch lieber habe« — —^ Hanna vergrub ihren Kopf in die Händ« und faß in de» Dunkelheit. Nach einer Weil« ging di» Liln Licht wurde angedreht. Frau Professor kam mit Ursel auf dem Arm herekn, Beide staunten und erschraken, als st» Hamm erblicken. „Ich bin heut eher gekommen, mir wa» nicht rvvhL"! Hanna erhob sich mühsam. Di« Wirtin sorgt« sich sogleich herzlich «m di« jung« Fra». Aber si« merkt« wohl di« Abwehr und zog sich zurück, Uchch war ein wenig ratlos mitten im Zimmer stehe» geblieben. „Na, Ursel, sagst du mir gar nicht guten Tag?" Hann» lächelte traurig. Da flog ihr der Irrwisch auch schon in di« Arm«, dt» sich leidenschaftlich um den geliebten Körper schloss«». Aber Urs«« fühlte sich unbehaglich unter der heftigen Liebkosung. Hann» spürte den Widerstand. Tränen drängten sich hoch. „Hast du mich nicht Neb, Ursel?" Ihr kam schmerzend »«», Bewußtsein, daß die Rolle» gegen vochta Sytarchht war«,. Da hatte Ursel gefragt — di« Taut« „Doch. Muttt —" Es trieb Hamm, wett,, W frage«» »Wev hiap W» RtVkW di« Tant« oder mich?" Da» Mädchen zögert»« „Ich ha-' LÜH Seb. und Tont« WM Ich auch lieb. Aber warum bist d« imm«« tz, fMsstzs* kgstW macht nie jo «in Gesicht