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* au Der Film an -er Jahreswende Mehr rnrle Darsteller als gule Zilme Die ständig zunehmende Entwicklung des Lichtspiels lägt «» im Hinblick aus seine große Bedeutung als neuzeitliches Unterhaltungsinittel interessant erscheinen, an der Jahreswende einen Rückblick auf die Filmdarbietungcn des Jahres 1928 zu werfen. Hinsichtlich der Menge der Filme und der Kinos ist, dem Borjahre gegenüber, ein weiteres Anwachsen zu verzeichnen; qualitativ hingegen hat der Film — das darf bei einer rein objektiven Beurteilung nicht verschwiegen werden — leider keine Fortschritte gemacht. Man nutzte zwar die technischen Mög lichkeiten in weitgehendem Mage aus, hat die Aufnahme-Ver fahren vervollkommnet und verfeinert sowie auch die raffi niertesten Tricks ausgedacht — in künstlerischer Hinsicht jedoch ist unverkennbar ein Stillstand, wenn nicht gar ein Rückschritt zu verzeichnen. Die Wurzel aller Uebel liegt im Manu skript. Es wäre aber verkehrt, den Autoren allein einen Vorwurf zu machen, denn diese sind letzten Endes nur die aus führenden Organe ihrer Austraggeber, worauf an dieser Stelle im Rahmen anderer Aufsätze bereits hiugewiesen worden ist. So außerordentlich schwer es de» Drehbuch-Verfassern auch seitens der Produzenten gemacht wird, sich gegen die größten teils lediglich vom Geschäftsgeist getragenen Wünsch« durchzu setzen, es gibt zum Glück eine Reihe von befähigten Schau spielern, die vermöge ihrer Darstellungslunst in der Lage sind. Schwächen des Manuskripts zu Überdrücke». Während es neuen und unverbrauchten Autoren nur in ganz vereinzelten Fällen gelang, ihre Ideen beim Film anzubringen, hat man sich dem Darsteller-Nachwuchs gegenüber weniger verschlossen gezeigt. Wir haben gerade im Jahre 1928 verschiedene, bis dahin noch so gut wie unbekannte oder ganz neue, talentierte Darsteller und Darstellerinnen gesehen, di« berufen fein dürsten, das stumme Spiel zu beseelen und zu vertiefen. In sie setzt man «inen großen Teil jener Hoffnungen, die man braucht, um den Glauben an die künstlerischen Entwicklungsmöglichkeilen und kulturellen Ziele des Films nicht zu verlieren. Betrachten wir daher im Nachfolgenden einige Künstler, die sich im Rahmen der wenigen, bemerkenswert guten Filme, di« das Spieljahr 1928 uns bescherte, einen Namen gemacht haben, und die auf Grund ihres schauspielerischen Könnens dazu beitrugen, manchen Film, auch wenn er inhaltlich mehr »der weniger große Mängel hatte, zum Erfolg zu verhelfen. Dem „schwachen" Geschlecht den Vortritt lassend, dürste Gerda Maurus unter denen, die für den deutschen Film «inen Gewinn bedeuten, an erster Stelle stehen. In dem Fritz- Lang-Film „Spione" gab sie eine Darstellung von überzeugen der Menschlichkeit, um den seelischen Zwiespalt, den sie aus der einen Seite als Spionin, auf der anderen als liebende Frau, dem Gegner ihres Auftraggebers gegenüber, empfand, glaub haft erscheinen zu lasten. — Auf starke Verinnerlichung im Spiel ist auch Agnes Petersen eingestellt. Prächtige Leistungen vermochte sie in den Filmen „Doktor Bestcls Verwandelung", „Der geheime Kurier" und „Geheimnisse des Orients" zu geben. — Eine Type des Volkes, wie man sie sich echter und vollkomme ner kaum vorstcllcn kann, ist Lissy Arna. Ihre Dar stellungskunst kann man nicht allein als Spiel, ländern zugleich auch als Erleben bezeichnen. „Katzcnstcg", „Schinderhannes" und „Unter der Laterne" waren Filme, die ihren hauptsäch lichsten Erfolg Lissy Arna verdanken. — Rührend und voller Schwermut ist die Chinesin Anna May Wong, die in dem Eichberg-Film „Song" die Titelrolle, ein armes, vom Schick sal hart bedrängtes Mädchen verkörpert, eine Künstlerin, die seelisches Empfinden zwanglos und überzeugend zum Ausdruck bringt, ein Mensch, der sich gibt, wie er ist. und der noch alle Kräfte des Naturhüften und Unverfälschten besitzt. — Einen Typ von besonderer Eigenart stellt die Argentinierin Mona Maris dar, noch ganz unverbildet und ohne einstudierte Pose Die edlen Züge ihres Gesichts verleihen den darzustellenden Rollen etwas ungemein Ansprechendes und Dezentes. Die Filme „Die Leibeigenen" und „Hell in Fraucnsee" haben durch Mona Maris in nicht geringem Maße an Beachtung gewonnen. — Ganz das Gegenteil dieser, aus das Ernste und Verinnerlichte eingestellten Künstlerinnen ist Anny Ondra, ein Lustspiel star von selten gesehener Frische und ungekünstelter Natürlich keit. ein Sprühteujel, der charmant, beweglich und amüsant grotesk wirkt und in dem hübschen Filmlustspiel „Der erste Kuß" große Lachcrsolgc beim Publikum hatte. Wenden wir uns dem amerikanischen Film zu, so tritt von den Darstellerinnen bedeutsameren künstlerischen Formats vor allem Greta Garbo in den Vordergrund. Das Faszinie rende dieser Frau, Schwedin von Geburt, darf als einzig da stehend bezeichnet werden. Greta Garbo wurde in Deutschland verkannt, ging nach Hollywood, um drüben durch die Filme „Anna Karina". „Totentanz der Liebe" und andere einen Namen von internationaler Bedeutung zu erringen. — Ihr am nächsten kommt Dolores del Rio. die der deutschen Ur aufführung ihres bisher besten Films „Namona" im ver gangenen Oktober in Berlin persönlich beiwohnte. Ihr Aus drucksvermögen ist von außergewöhnlicher Stärke, ihr Spiel bezaubernd und ergreifend — ein Naturkind, dem man nur wünschen kann, daß es seine ursprüngliche Frisch« in den Studios Hollywood's nicht verliert. Betrachten wir im Anschluß hieran die neueren männ lichen Stars des verflossenen Jahres, so müssen wir mit Hans Stiiwc den Ansang machen. Stüwe, der von der Sprechbühne zum Film kommt, ist eine der sympathischsten Er scheinungen der weißen Wand, weil er stets männlich, zurück haltend und vornehm wirkt. Ihm liegt vor allem das Ernst hafte. Sein Bestreben ist, die ihm übertragenen Rollen seelisch zu vertiefen und di« Gestalten, die er zu verkörpern hat, z» individualisieren. Charakteristische Beispiele seiner vielseitigen schauspielerischen Fähigkeiten und seiner Maskenkunst gab er in „Feme", „Die Ausgestoßenen", „Schinderhannes", „Doktor Bessels Verwandelung" und „Marter der Liebe". — Weiter zu nennen sind dann noch Franz Lederer, Fred Louis Lerch, Mathias Wiemann, Heinrich George und Henry Stuart. Schließen wir hiermit den Reigen der Namen der Dar steller, die für die Filmgeschichte des Jahres 1928 mit am charakteristischsten sind, so möge der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß die Genannten uns auch in den kommenden Jahren »och manches Wertvolle geben, um dazu bcizutragcn, den künst lerischen Aufstieg des Hilms zu fördern. 6. Der neue Battiftini im Tonfilm. Celestino Sarode, der einzig lebende Schüler Battiftinis, hat sich für eine Tonjilmaus- nahme der Tods (Tonbild-Syndikat) zur Verfügung gestellt. Er sang Arien aus „Bajazzo" und eine spanische Romanze im Nationalkostüm. Diese Tonsilmausnahmen werden voraussicht lich aus der Weltausstellung in Barcelona zur Vorführung ge langen. Oessenlliche Almdör'e Die Filmindustrie hat sich im letzten Jahrzehnt aus kleinen Anfängen zu vordem nicht geahnter Ausdehnung entwickelt. Fast zu jedem Film sind — abgesehen von den Hauptdarstellern — noch viele Menschen erforderlich, die, ohne wesentlich am Spiel beteiligt zu sein, die Masse, die Jagdgefährten u. ä. darstellen, Die Spieler dieser Eruppenszenen werden in der Fachsprache als Komparsen und Edelkomparsen bezeichnet. Der Andrang zu dieser Beschäftigung ist von jeher sehr stark. Viele glauben, sich hier einen Verdienst verschasfen zu könne». Vielfach spielt auch der geheime Wunsch eine große Rolle mit, auf diesem Wege weiter empor zu steigen und eines Tages als berühmter „Star" zu erwachen. Gerade Berlin hat eine besondere Bedeutung für das Film gewerbe. Hier befindet sich ein großer Teil dieser Industrie, hierher kommen die engagementslosen Künstler, die Direktoren auswärtiger Werte und Theater. Leider war bisher die Ver mittlung der Filmangehörigen außerordentlich zersplittert, was oftmals die Besetzung der einzelnen Rolle» mit den entsprechen den Kräften nachteilig beeinflußte. Gerade für die Vermittlung von Filmdarstellern haben sich üble Zustände herausgebiidet, die „wilden" Filmbörsen, deren Tätigkeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beklagt wird. Diese unhaltbaren Zustände haben die in Frage kommenden Verbände veranlaßt, beim Arbeitsamt Berlin-Mitte zusammen z» kommen Sie besthlossen, beim Arbeitsamt Berlin-Mitte einen öffentlichen Arbeitsnachweis für Filmdarsteller zu errichten. Der öffentliche Arbeitsnachweis führt bekanntlich die Vermittlungstätigkeit völlig unentgeltlich durch, so daß weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer irgendwelche Kosten entstehen. Ferner bürgen fachlich vorge bildete Arbeitvermittlcr für eine sachgemäße, nur nach dem Grundsatz der Eignung vorgenommene Arbeitsvermittlung, wo mit beiden Parteien des Ärbeitsvertrages gedient ist. Da die Vertreter der Verbände in den Organen sitze», können sie jeder Zeit einen maßgebenden Einfluß aus die Geschäftsführung aus üben. Am 2. Januar 1929 wird die öffentliche Filmbörse in den Räumen SW 19, Veuthstraße 1-3, am Spittelmarll, eröffnet. Mit Rücksicht auf die Beschüftigungszeit ioll der Arbeitsnachweis erst von It llhr an bis 20 oder 2l Uhr offen sein. Eine neu errichtete Erfrischungsstellc bietet den voin Film zuriickkchrendcn Komparsen Gelegenheit, Speisen und Getränk- für ein geringes Entgelt einzunehmen. Es wird also alles getan, um dem Arbeitsnachweis die Anzeichen des „Bürokratischen" zu nehmen; seine Räume sollen dazu beitragen, den Benutzern Gelegenheit zur sachlichen Aussprache und schnellen einwandfreien Vermitt lung zu gewährleisten. Amerikanische Tonfilme auf deutschen Theatern HM Nahmen einer Vorsnhrung vor einem engen rrre.s von Fachleuten hat das TonbitL-Syndikat in den letzten Tagen die von ihr geschaffene Einheits-Apparatur in einem Urauffüh rungs-Theater des Berliner Westens zum ersten Mal« in Be- t'icb gezeigt. Es handelt sich bekanntlich um keinen besonderen Projektor, sondern um einen ganz einfachen und kompendiösen Zusatz, der an alle gangbaren Theatermaschinen binnen kür zester Zeit anmontiert werden kann, und der dann in Verbin dung mit der ebenfalls vom Tonbild Syndikat oelieferten Ver stärker- und Lautsprecher-Anlage für eine erstklassige Wiedergabe der Tonfilme sorgt. Zur Verwendung gelangen keineswegs Filmstreifen von be sonderen Abmessungen, sondern die gewöhnlichen Filme der normalen Breite von 35 Millimeter, welch« die Tonauneich- nung au^ einem 2.5 Millimeter breiten Streifen innerhalb der Perforation tragen. Bemerkcnswerterweisc wurden nicht nur Tonfilme der eige nen Produktion der Tobis gezeigt, sondern es Uesen auch ohne jode Aenderung und ohne Anstand einige amerikanische Ton film Copien. Die Tobis-Apparaturen gelangen bereits zu Besinn des neuen Jahres außer in Berlin auch in Hamburg. Düsseldorf, Leipzig und München zum Einbau und werden nur den zehnten Teil t-er amerikanischen Apparate kosten, ohne aber die Möglich keit der Ausführung amerikanischer Programme zu behindern.