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Nummer 28« — 27. Jahrgang Ericheini (mal wdchent!. mi> den «Uuslr. «ratk»beila«en ,D»e vell« end .Für „u>ere kleinen Leute' lotvte den Teilbcilaqc» k>. Benno-Blatt'. .NnterbaliniiA imd Wissen'. .Die Welt der' Ara»' .Aerzllicher Ratgeber' Da» gute Buch' »HNmrimd- Wu'. Monatlicher Be,»g»vret» S MI. etnichl. Bestellgeldu kinzeluttMiner I« <1. Sonnabend' ». Sonntagnnmmer SV s- Hauvtlchrttlletter: De. w. DeScztik. Dresden. LachIWe Sonnabend» 8. Dezember 1928 tvertagSort, Dresden A»»etg«nprels«i Die igelpaltene Petit,eile !»v Hamtt'e». an,eigen u.Stcllengetuche »v^. Die Petttretiame,eile. »»m,n breit. N!tr An,eigen antzerhalb des PerbreltmigSgebiete» diePetttreklamezeilel.!»«^. Briefgeb.!««»^. Im Halle bSberer Aewalt eriiicht jede Pervlltchlung auf Lteterung iowte Eriüllung v. An,eigen.Auitrggen ». Leistung v. Schadeneriatz. «eichtittlich-r TeU: Artur Len,. Dresden. Volksseuung («ekchiist-ftell«, Drultu.Verlag > »ermanta. A^G. >Iir Vertag und Druckerei, Hiliale Dresden. DreSden-A. 1. Poliersirake 17. HernnitSwlS. PottlchecktontoDresden ?7N, Vankkonto Lendtban' Dresden A, «t7t Für christliche Politik und Kultur Dresden. Aedakttr», der e«chst«chen ivo>k«,e«tung Sden-Altstadt 1. Polterstraste 17. Nernru' 207N und 21012. Sachsen und die Reichsbahn Das Reich macht den Ländern die Sitze Fesisiellungsklage vor dem Slaalsgerichishos Dresden, 7- Dezember. Zwischen dem Reich und den Ländern bestehen ernste Streitig keiten wegen der Vertretung der Länder im V er w a l tn » g S r a t der Reichsbahn. Das Reich will! den Anspruch der Länder, die früher eigene Eiscnbahnverwaltinigen hatte», aus einen solchen Sitz im Verwaltnngsrat nicht mehr anerkennen »nd >t»t deswegen beim Staatsgcrichtshof beantragt, er möge den Ländern Bayern, Sachsen, Wnrttcnibcrg »nd Bade» das Recht auf Benen nung von Mitgliedern zu in B e r w a l t n n g s r a t ab« sprechen. Wie mir hierzu erfahren, hat Sachsen bereits mit einer Gegenschrift an den Staalsgerichtshos geantwortet, worin es seine Ansprüche ans Vertretung in -er Verwaltung der Reichsbahn voll aufrecht erhält. Die Ansprüche Sachsens gründen sich zunächst auf 8 13 -es Vertrags über den Ucbcrgang der sächsischen Staats- cisenbahncn aus das Reich vom Jahre 1920, wonach Ergänzungen zu diesem Vertrag abgeschlossen werden können. Gemäß diesem 8 1:1 vereinbarte Sachsen mit dem damaligen Reichsvcrkehrsniinister Ocscr einen Zusatz, wonach Sachsen das Recht aus Benenn n n g eines Mitgliedes in der obersten Verwaltung -er Reichsbahn zngesprochcn wurde; sie sollte 30 bis 36 Mitglieder umfassen. Diese Vereinbarung wurde kurz vor dem Zustandekommen der Dawes-Gesetz« abgeschlossen. Das Reich ver tritt nun den Standpunkt, daß sich die Abmachung mit den Län dern nur ans die früheren im NeichSbcsitz befindlichen Reichsbahnen bezogen hätten, nicht aber auf die durch die Dawcs-Gesetzc geschaf fene neue Reichsbahn-Gesellschaft, in deren Verwaltung Deutschland bekanntlich 9 von 18 Sitzen zu besetzen hat. Die Rcichsbürokratic, die es den linitariern manchmal verzweifelt schwer macht, für den Einheitsstaat cinzutrcten. möchte alle Macht für sich haben und den Ländern, denen man die Eisenbahnen mi die grossen lleberlchüssc daraus abgenomnicn hat, unter einem Vorwand entrechten. Man kann nur dringend wünschen, dast der Staatsgcrichtshof die Länder nicht um ihre kargen Ucbcrrcste aus im Derwattungsrat der Reichsbahn ilreiiig dem ehemalige» stolzen Besitz an Eisenbahnen bringt. TaS Ur teil des Staatsgerichtshofz dürfte nach unser» Erkun digungen noch geraume Zeit aus sich warten lassen. Inzwischen müssen aber die Ersatzwahlen für die Ende De zember ausscheidendcn Verwaltungsratsmilglieder der Reichsbahn vorgenommc» werden. Sechs von ihnen sind durch Los bestimmt worden, am 3l. Dezember anSznschciden. Darunter befindet sickk auch Sachsens Vertreter K r c i s hau p ina n n Buck. Die Er satzwahlen müssen noch im Lause dieses Monats oder spätestens Anfang Januar vorgenommen werden, um eine glatte Fortführung der Arbeiten des Verwaltungsrats zu ermöglichen. Im Zsammen- hang hiermit hat die badische Regierung beim Staats gerichtshof den Erlas; einer einstweiligen Verfügung beantragt, das; dem Lande Baden ans alle Fälle ein BerwaltnngS. ratssitz frciznhalten sei, bis die Entscheidung des Slaatsgcrichts« Hofs im Rechtsstreit zwischen de», Reich und den vier genannten Ländern vorliegen wird. Die Entscheidung des Staatsgerichtsboss über die einstweilige Verfügung wird natnrgcmäs; auch für Sachsen von Bedeutung sein. Bekanntlich hat der Staatsgcrichtshof !m Streit zwischen Preußen und dem Reich ans Anlas; der Ernen nung Dr. Luthers schon zugunsten Preußens entschieden; Luther hat bekanntlich auf sein Mandat freiwillig verzichtet. Er schwert wird die Entscheidung allerdings durch die Bestimmung, daß die Inhaber von je 500 Millionen NM. Vorzugsaktien der Reichsbahn-Gesellschaft das Recht haben, einen Vertreter in den Verwaltnngsrat zu entsenden. Da 2 Milliarden NM- Vorzugs aktien vorhanden sind, mit deren Verwertung über kurz oder lang zu rechnen ist, würden von den 9 deutschen Sitzen im Vermal- tungsrat allein 4 durch die Vorzugsaktionäre beansprucht werden, so daß für Reich und Länder nur5 vondeut scherSette zu ernennende Herren übrig blieben. Wenn jedes früher« Eisenbahnland nur einen Sitz erhält — Preußen wünscht infolge der früheren Bedeutung seiner Bahnen jedoch 2 Sitze — würde fürs Reich nicht viel mehr zu ernennen übrig bleiben, und cs müßte sich dann an den Treuhänder wenden, der ja bekanntlich auch einige deutsche Mitglieder ernennt. Gegenwärtig sind vier Sitze von deutscher Seite neu zu besehen, da außer den drei ans gelosten Mitgliedern Buck-Dresden, Bluhm-Haunover und Ott- Köln, der auf eine Wiederwahl verzichtet hat, auch für Luther ein Nachfolger zu benennen ist. Slresemanns schwerer Gang IL Am morgigen Tage fährt der Neichsaußenminister au der Spitze der deutschen Delegation zur Dezembertagung des Völkerbundsrates, welche auf Dr. Stresemanns Wunsch diesmal statt in dem winterlich rauhen Eens unter der milderen Sonne des Tessin stattsinden wird. Auf der offiziellen Tagesordnung stehen altbekannte Gegenstände, von welchen nur wenige deutsche Interessen unmittelbar berühren: Der Optantenstreit wird den Rat diesmal nicht eingehender beschäftigen, da sich Ungarn und Rumänien über den Beginn direkter Verhandlungen am 15. Dezember geeinigt haben: im litauisch-polnischen Streit wird Zaleski einen neuen Vorstoß gegen den litauischen Kriegszustand und Woldemaras seine altbekannten Argumente zu Gehör bringen: Danzig legt den Entwurf einer neuen Verfassung vor, von dem eia ernsterer Meinungsstreit nicht zu er warten ist: das Saargebiet endlich wünscht die Neuwahl seiner Regierungskommission. Von größerer Bedeutung sind zur die o st oberschlesischen Schulbeschwerden, welche eine grundsätzliche Debatte über den Charakter des letzthin abgeschlossenen Kongresses und erneut über die Aus legung des Abkommens vom Mai 1922 bringen werden. Die Nachricht von einer Teilnahme Mussolinis an dieser Tagung ist ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie auftanchte. Was das allgemeine Interesse auf diese Ratstagung lenkt, ist die Tatsache, daß zum ersten Male nach dreiviertel- jahriger Pause die „großen Drei" von Locarno, Chamber- lain, Stresemann und Briand, persönlich zusammen- treffen und von den Möglichkeiten Gebrauch machen werden, welche diese zwanglose Zusammenkunft für den persönlichen Meinungsaustausch bietet. Als sich die deutsche Delegation zur Septembertagung fertig machte, wiesen wir darauf hin. daß selten ein Augen blick zur Inangriffnahme großer Aktionen ungünstiger mar. Seitdem hat sich die Lage zumindest nicht ver- be//erk. Damals waren die ersten Indiskretionen über die Tragweite der englisch-französischen Vereinbarungen -urchgesickert, welche sich dann in ihrem vollen Umfange später bestätigten: diesmal gibt man sich in Paris und London von vornherein Mühe, jede deutsche „Ueber- raschung" auszuschalten, vielmehr haben Chamberlain und Briand ihren Standpunkt unmittelbar nacheinander in breiten Ausführungen festgelegt. Ist diese Festlegung schon an sich ungewöhnlich gegenüber der vor früheren Tagungen geübten Gewohnheit, dem Ausgang der Besprechungen zu dritt nicht vorzugreifen, so ist der Inhalt dessen, was die beiden Minister gesagt haben, geradezu entmutigend. Es ließe sich argumentieren, die englische und die franzö sische Regierung hätten mit ihren scharfen Vorstößen einen Druck auf Deutschland in den bestehenden Reparations- Verhandlungen ausüben wollen, aber leider besteht kein Anlaß zu der Vermutung, daß die geäußerten Ansichten nicht der Ueber,Zeugung der beiden Minister tatsächlich ent sprächen, Es geht nicht an. Erklärungen zu bagatellisieren, welche nicht zum ersten Male gegeben werden »nd deren politische Gültigkeit durch den Verlauf der September- verhundlungen und den bisherigen Gang der Neparations- vorbesprechungen im vollen Umfange bestätigt werden. Als vor vier Monaten Chamberlain seine Reise nach be» kalifornischen Sonnengefilden antrat und Cushendun in der Downingstreet seine frankreichfreundllchen Kreise zu ziehen begann, da glaubte man vielfach, es handele sich vorwiegend um die persönliche Initiative des bekannten Delhard. dessen politisches Glaubensbekenntnis traditions gemäß die alte Borkriegsentente ist. In Wahrheit hatte diese Schwenkung schon viel früher begonnen und ihren eiste» sichtbaren Ausdruck darin gefunden, daß der stärkste politische Kopf des Foreign Office, Tyrell, nach zwanzig jähriger Tätigkeit im Außenamt, ans den Pariser Außen- vosten versetzt wurde, nachdem Lord D'Abernon seine» Berliner Posten verlassen hatte. Aus den Berliner Auszeichnungen dieses geistvollen Diplomaten entnehmen wir, wie eng einmal die Verbindung zwischen Berlin und London und wie stark die Rücksichten waren, welche man in London auf die Schonung der deutschen Wirtschaftskraft und uns die Wiederherstellung des gestörten europäischen Gleichgewichts nahm. So entstand der Widerstand gegen die militärischen Sanktionen von 1921 und gegen die Ruhr- üwllsion, so das Dreiecksverhältnis von Locarno. Als dann aber Coolidge nach dem Scheitern der chonser Flottenkonferenz sein Marineprogramm ent warf. wurde das europäische Gleichgewicht bedeutungslos sin Hinblick auf die stärkere Bedrohung: man verband sich mildem Gegner gegen den Feind und opserte das Einvernehmen mit Deutschland der Front gegen Amerika. Das deutsch-englische Verhältnis wurde zu einer Funktion des englisch- amerikanischen, und so erklären sich die endlosen Widersprüche britischer Staatsmänner in ihrer Auslegung «r Veariffe ..Kompromiß". ..Entente". ..Locarno" und Die heutlge Nummer enthält das St- Be nuo-Blatt, «ar -omitagsblatt für die Diözese Meißen. „deutsche Zahlungsverpflichtung". Für England stehen die Fragen: Amerika, Rußland, China und Empire im Vorder grund, während E./imberlains persönlicher Vertrauens mann, Tyrell, von Paris aus die Beziehungen zu Deutschland dirigiert, im Sinne Poincares, dessen Ver trauensmann er ist. Hat es unter diesen Umständen Zweck, Chamberlain seine Unlogik und seine Widersprüche mit sich selbst nachznweisen? Ist es nützlich. Churchill gegen ihn auszuspielen, der ja über den Zusammenhang zwischen Reparationen und Räumung eine andere Auf fassung als der Außenminister zum Ausdruck gebracht hat und offenbar auch auf der Balsournote nicht mit Hartnäckigkeit besteht? Dürfen wir uns einen Erfolg da von versprechen, wen» wir die englische Regierung an den Wortlaut des Artikels 431 von Versailles erinnern oder an die bekannte Vereinbarung zwischen Clemenceau, Lloyd Georg und Wilson? Sind doch die zahlreichen Gutachten englischer Juristen, welche einen deutschen Räumungs- anspruch ausdrücklich bestätigen, von der Negierung d e s- avouiert worden. Auch Baldwin wird nicht gegen Chamberlain auftreten, nachdem er seine von Stresemann unterstrichenen Ausführungen über das deutsch-englische Verhältnis und de» Kowpromiß nachträglich durch die Lon doner Presse hat widerrufen lassen. Chamberlain betont zwar die politischen Gründe, aus denen England eine vor zeitige Räumung wünschenswert erschiene, aber er vergißt, daß seine Auslegung der bestehenden Verträge durchaus von politischen Rücksichten diktiert ist. Es ist oft betont worden, daß England seinen letzten Soldaten nicht vor Frankreich vom Rhein zurückziehen wird, und angesichts der unglücklichen Verkuppelung von Räumung und Repa rationen glauben englische Wirtschaftskreise sogar ein In teresse daran zu haben, durch Verzögerung der Räumung einen Druck zur Reparationszahlung ausüben zu können, welcher Deutschland als wirtschaftlichen Konkurrenten auf lange Zeit ausschalten kann. Alles in allem zeigen die letzten Ausführungen Chambcrlains zum mindesten sehr deutlich, daß England in seiner deutschen Po litik nicht mehr frei ist, und daß der Schlüssel zur Lösung der Schwierigkeiten heute in Paris liegt. Wenn man es recht betrachtet, hat Frankreich heut« zwei Außenminister, von denen sich der eine. Poincarö, ausdrücklich die heute zur Debatte stehenden Hauptfragen vorbehielt. Wenn man bedenkt, mit welch starkem inner- oolitischem Prestigeverlust PoincarS sich diese Stellung in Auskakk zum Parleilag Köln, 6. Dezember. Die Vorbereitungen zum Reichspartcitag des Zentrums sind abgeschlossen. Die Delegierte» sind ebenso wie die Abgeordneten aus dem Reiche und den Ländern zum großen Teile bereits i» Köln anwesend. Im Kölner Mes se tz »s zeigt sich schon ein reges Leben, da säst alle Organl. sationen der Partei für heute ihre S o » d c r t a g « n g c n ein- bcruscu haben. So waren heute vormittag die Mindthor st- Vilnde, der N e i ch s b c a m t e » b e i r a t, der Reichs« frauen betrat und die Handels- und Industrie beiräte der Partei versammelt. Ferner tagten der Wahl- rechtsausschuß und der Ausschuß für lSrenzland« fragen. Am Nachmittag folgten dann Sitinngc» des Mittclstandobci- rates, des ArbciterbeirateS und der Diaspora Arbeisgemcinschaft. Ferner fand am Nachmittag eine Sitzung des Reichspartcivcustan. des statt, in der die letzten Vorbereitungen für die Freitag statt findende Tagung des ReichSpartciausschnsses nnd des Rcichoparlei- tages getroffen wurden. der letzten Regierungskrise erkämpft hat, fo kann man daraus schließen, welche Wichtigkeit er diesen Fragen für die Gesamtpolitik beimißt. Gewiß wird der Ministerpräsi dent durch die geschwächte Mehrheit, welche heute hinter seinem Kabinett steht, auch außenpolitisch zum Entgegen kommen gegenüber der Linken gezwungen sein, und Briand besitzt heute das Vertrauen auch der Rechten, die seine letzte Rede ostentativ bejubelte, aber dieses „Duumvirat" ist nur dadurch möglich geworden, daß Briand sich zu min d e st e n s t a k t i s ch d e n Anweisungen Poin cares gefügt hat. Schon auf der Genfer September tagung war Briand im wesentlichen der Sprecher Poin cares, womit seine „überraschende" Haltung eine durchaus normale Erklärung findet, auch in seiner vorgestrigen großen Kammerrede hat er Poincare deutlich sekundiert. Diese Rede zeigte mehr als alles bisherige, daß die außen politische Versteifung zwischen den drei Locarnomächten leider einen hohen Grad erreicht hat: sie enthielt ebenso wie Stresemanns letzte Rede nichts grundsätzlich Neues, und zeigte keinen Ausweg aus der politischen Sackgaffe. Formel steht unüberbrückt gegen Formel, und seine verbindlichen Worte, die wir gerne zur Kenntnis nehmen, können nicht darüber täuschen, daß er mit keinem Worte die deutsche