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Anfrage im Preutzenlag Berlin, 6. November. Di« Zentrumsfraktion des Preußischen Landtags hat zu der Aussperrung in Westdeutschland fol gende Große Anfrage im Landtag eingebracht: Der Staatsregierung ist bekannt, daß die Arbeitgeber in der Rordwe st gruppe ihre Arbeiter zum Ersten dieses Monat» entlassen haben, deren Zahl «eit iiber be trägt. Diese willkürlichen Entlassungen führen bei längerer Dauer zum völligen Erliege» der rheinisch-westfälischen In dustrie. Wir fragen an, ist das Staatsministerium bereit 1. Die Rcichoregierung zu veranlassen, durch entsprechende Maßnahmen Sorge zu tragen, daß verbindlich erklärt« Schiedssprüche von den Tari,Vertragsparteien durch, geführt werden. 2. Auf die Reichsregicrung dahin einzuwirken, daß diese durch sofortige gesetzliche Maßnahmen die Wieder einstellung der entlassenen Arbeiter erwirkt. z. Auf die Rcichsregierung einzuwirken, daß den ent lassenen Arbeitern für die Zeit der Beschäftigungslosigkeit die ihnen gesetzlich zustchende Arbeitslosenunterstützung gezahlt wird. Wirkung auf den Bergbau Essen, 8. November. Die Auswirkungen der Aussperrung in der Metall, »nduslrie werden sich beim Bergbau bald zunehmend bemerk, dar machen, da 25 bi» »S Prozent der Produktion der Zeche» von der Eisenindustrie verbraucht werden. Aus den Zechen der Bereinigten Stahlwerke fffid bereits Feierschichten ei», gelegt worden, und auch im übrigen Bergbau dürften diese bald folgen. In führenden Kreisen hofft man init «in bis zwei Feierschichten pro Woche auszukommen. Heute nachmittag findet die Zusammenkunft der Oberbürgermeister des von der Aussperrung betroffenen Gebietes in Essen statt. Es soll hierbei «ine Aktion zur Unterstützung der durch die Aussperrung betroffenen Arbeiter unternommen werden. Keine Arbeitslosen-UnkerNützunq Berlin, 6. November. Unbeschadet einer Entscheidung im Spruche fahren hak der Borstand der Reichsanstalt für Arbeitsver. mittlung und Arbeitslosenversicherung, eingehend -is Frage geprüft, ob Arbeitnehmer, die von der Mallen entlossung in der nordwestdeutschen Eisenindustrie betroffen sind. Arbeitslosenunterstützung erhalten können. Er muh se. doch diese Frage verneinen Er betrachtet die Massenentlasiung als eine Aussperrung. Arbeitslose, die ausgesperrt sind, dürfen aber nach ? 94 Abs. 1 A. v. A. v. G. wahrend der Dauer der Aussperrung keine Arbeitslosenunterstützung erhalten. Dabei ist es nach dem Gesetz unerkebUch. ob die Aussperrung unter Tarifbruch erfolgt ist ober nicht. IllusSrakion zum Kellogg-Pakt Mussolinis Iubiläumsrede Rom, 4. November. Die Feier des 10. Jahrestages des Sieges wurde in ganz Italien mit großer Begeisterung begangen. Sie hatte besonde ren Glanz in Rom, wo 700 000 ehemalige Kriegsteilnehmer und Kriegsvcrstümmelte an der Feier teilnahmen. Um 9 Uhr vonnittags eröffnete der Königim Beisein Mussolinis und der Spitzen der Behörden das prachtvolle Haus des Verbandes der Kriegsbeschädigten und wohnte dann gemeinsam mit Mussolini dem Vorbeimarsch der Schwerkriegsbeschädigten bei. Mussolini begrüßte die Kriegsteilnehmer und mit besonderer Herzlich keit die Kriegsverstümmelten, und führte u. a. aus: Die heutige Frier bedarf nicht vieler Worte. Sie bekrä- tigt fünf Wahrheiten: Erstens, daß dem italienische» Volk der Krieg nicht durch einen plötzliche,, Angriff ausgezwun gen worden ist. Es hat ihn vielmehr mit reiflicher Ueber» legung gewollt. Der Krieg war demnach ein spotan«» Akt seines bewußten Willens. Zweitens, daß der Krieg für Italien besonders in seinem ersten Abschnitt ungewöhnlich hart und schwer war. Der Be weis dafür ergibt sich aus folgenden furchtbaren und ehr furchtgebietenden Zahlen: 600 000 Tote, 400 000 Cchwer- kriegsverletzte, 1000 000 Verletzte. Man kann also behaupten, daß gut gerechnet zwei Millionen Italiener ihr Blut vergossen haben, um die Schöpfung zu gestalten, die aus ihrem Opfer hcrvorgegangen ist: Das neue Italien. Drittens, der Sieg war ein italienischer Sieg und ein glänzender italienischer Sieg, denn durch die Junischlacht wurde der Widerstand des habsbnrgischen Kaiserreichs soweit ge brochen, daß es den Feind über seine Grenzen lassen mußte. Wenn es wahr ist, daß die Alliierten uns einige Divisionen schickten, so ist es andererseits ebenso wahr, daß wir im Mai 1915 den Alliierten eine ganz« Armee gegeben haben. Meine Rede, fuhr Mussolini fort, schließt mit einer Frage. Aber ehe Ihr Antwort gebt, denkt daran, daß unser erhabener König, der Vater des Vaterlandes, auf Euch hcrabbltckt, und daß der Unbekannte Soldat Euch zuhört — „Werdet Ihr, wenn es notwendig sei,, sollte, das noch einmal tun, was Ihr — was wir gestrrn getan haben?" Die Menge antwortete unte, dem Schwenken von vielen Tausend Fahnen und mit dem römischen Gruß mit einem brausende« Ja! „Dann", fuhr Mussolini fort, „traget den Widerhall dieses feierlichen Ge löbnisses in alle Winkel des Vaterlandes. Es leb« Italien!" * Kaum zehn Wochen sind es her, seitdem der Vertreter Italiens im Aufträge Mussolinis in Paris feierlich den Kellogg-Pakt unterzeichnet hat. In diesem Pakt erklären die Unterzeichneten Mächte vor aller Welt, daß sie den Krieg als Instrument der nationalen Politik verurteilen. Amerika, England und Frankreich haben sich vor der Unter zeichnung ihr Recht auf Kriegführung in bestimmten Ge bieten der Vielt ausdrücklich bescheinigen lasten, und Ungarn und Rußland haben an die Unterzeichnung bestimmte Er wartungen geknüpft. Italien hat solche Vorbehalte nicht geltendgemacht und damit den Urtext feierlich akzeptiert. Gelten heute internationale Abmachungen so wenig, daß man sie, ohne Widerspruch zu finden, vor aller Welt widerrufen darf? Denn bedeutet es etwas anderes, alz einen eklatanten Paktbruch, wenn Mussolini vor den italie nischen Kriegsteilnehmern feststellt (was wir schon wissen), daß Italien den Krieg nach reiflicher Ueberlegung und auz freiem Willen unternommen hat, und wenn er ihnen an, Tage des „Sieges" den Schwur aboerlangt, morgen dasselie noch einmal zu tun, wenn das nationale Interesse cs eu fordert, d. h. wenn neue Erfolgsaussichten winken? Feiert man in Italien die Erinnerung an einen spät beendeten blutigen Krieg deshalb mit der Vorbereitung eines neuen, statt mit einer Friedensfeier, weil die Früchte dieses „Sieges" den Erwartungen nicht entsprochen haben, und weil man sich von Alliierten betrogen sah? Wenn nutzt Gründe der internationalen Moral, so sollte zum mindesten staatsmännische Klugheit den Chef der italienischen Re gierung abhalten, sich vor der aufhorchenden Welt so deut, lich iiber Italiens Absichten zu äußern. Man hat Benito Mussolini gerne mit dem letzten deutschen Kaiser ver glichen, aber die gestrige Aeutzerung des Duce dürfte /eM die Reden Wilhelms II. in den Schatten stellen. Neugestaltung -er spanischen Ministerien Madrid, 4. November. Mit Rücksicht auf di« Neuverteilung der Aufgaben werden einige Ministerien umbeirannt werden. Das Kriegsministerium wird künftig Armeeministerium heißen, das Justizministerium Ministerium für Justiz und Kultus, und das Arbeitsministerium Ministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. Die neuen Mi- nister werden am Montag vereidigt werden. Ministerpräsident Primo de Rioera erklärte, daß er wegen seiner vielseitigen In anspruchnahme den König bei den Flottenmanövern nicht be gleiten könne. Der König wird von dem neuen Marineminister begleitet sein. Manius' Kabinettsbildung Bukarest, 5. November. Nach einer Audienz beim Regentschaftsrat erklärte der Bauernsührer Maniu Pressevertretern, der Negentschaftsrat Hai» ihm gegenüber den Wunsch ausgedrückt, ein Konzentrations kabinett zu bilden; er habe jedoch geantwortet, daß seine Partei bereit sei, allein die Verantwortung zu übernehmen. Nachdem der Negentschaftsrat den Rücktritt des Kabinetts angenommen hat, hat er die Verhandlungen mit den Partei führern begonnen. Im Laufe des heutigen Nachmittags wurden Averescu und Professor Iorga empfangen. Maniu ist für mor gen mittag zu einer Besprechung aufgefordcrt worden. Allge mein hat man den Eindruck, daß Maniu mit der Bildung der Regierung beauftragt werden wird. Infolge des Rücktritts der Regierung sind beide Häuser des Parlaments vertagt worden. »er Bake der von Keller vertretenen Auftastung nicht fol gen. Man wird wohl einen Unterschied machen und die Beantwortung der Frag« davon abhängig machen müssen, ob der Krieg, in dem der Staat seine Bürger zum Dienst« heranzieht, eine gerechte und wichtige Ursache darstellt oder ob der Krieg aus ungerechter Veranlassung geführt wird. Im ersteren Fall« ist der Krieg nichts moralisch Unerlaub tes: wenigstens ist das di« Auffassung, die bisher Rechtens war, und auch innerlich durchaus begründet erscheint. Ter Staatsuntertan muß daher dem Staate Leib und L«ben zur Verfügung stellen; die Forderung des Staates an die Person des Untertan ist kein Angriff; daher kann auch der Untertan nicht in Notwehr zum passiven Widerstand schreiten und seine Kriegsdienstpslicht ver weigern. In der Problemfrage dürfen wir Katholiken keine Spaltung ausweijen. Der Katholizismus wird daher zur Problemfrage eindeutige Stellung nehmen müssen, schon um Gewissensnot« zu vermeiden. Wo neue Wege sich zeigen, wird er sie mutig beschielten müssen. Insbesondere wird sich die Notlvendigkeit ergeben, die sittliche Zulässigkeit des Angriffskrieges einer besonderen Beurteilung zu unter ziehen. Hier erwachsen Zweifel, ob der Staat im Zeitalter des Völkerbundes noch die Befugnis hat zu physischer Selbst hilfe, die im Angriffskrieg« Gestaltung erfährt, um auf diesem Wege Rechte und Forderungen zu erzwingen und Rechtsverletzungen zur Bestrafung zu bringen. Es ist eine nicht wegzuleugnende Tatsache, daß sich gerade unter dem Deckmantel des sogenannten Angriffskrieges vielfach Ziele verbergen, die nur Mittel zum Zweck sind und mit Sitt lichkeit und Gerechtigkeit nichts gemein haben. Dabei soll hier unter dem Angriffskrieg nur der Krieg verstanden werden, in dem ein Staat offensiv vorgeht, ohne daß ein Angriff eines anderen Staates vor liegt oder bevorsteht: denn im letzteren Falle ist der Krieg Verteidigungs- und nicht Angriffskrieg. Gerade in der Bewertung des Angriffskriegs wird die sittliche Beurtei lung unter Berücksichtigung der heutigen internationalen Lage, die Völkerbund und Schiedsgerichtshof kennt, neue Bahnen einschlagen müssen. Gerade hier kann der Katholizismus Helfer im Kampfe ge« gendieGeißeldesKriegeswerden. Eins aber ist sicher. Der Fri ed« geht über den Krieg. Der Katholizismus muß den Frieden als gott gewollten Zustand pflegen und im Sinne der Fuldaer Vischofskonferenz alle Bestrebungen fördern, die dem Frie den dienen. Vornehmste Pflicht zur Erreichung dieses Zieles aber ist die Durchdringung politischen Lebens und staatlicher Politik mit dem Geiste Christi. Dieser Geist ist der Geist des Friedens. Auch hier gilt des großen Papstes Wort: „Omnia instaurars in ctaminc» nostro lesus Ltuisti." Kolleklivnoke an Devlschland? l>k Paris, 5. November. Die letzttägigcn Unterhaltungen PoincarLs mit Porter Gilbert und de» Botschaftern der an der neuen Dawcskonsercnz interessierten Mächte lassen dir hiesigen offiziellen Kreis« den baldigen Zusammentritt des Komitees optimistisch beurteile». Ueber den Charakter der Unabhängigkeit der Sach verständige» scheint man sich in der deutschen Regierung ge einigt zu habe», betont jedoch dabei, daß die Mandate der Exprrtrn genau begrenzt sein werden. Die hiesigen maßgeben den Kreise glauben, der deutschen Regierung in einer ge. meinsamen Note bereits Anfang der nächste» Woche antworten zu können. Es verlautet, daß die letzte,, Unter redungen insbesondere der Möglichkeit gegolten haben, die Ansichten der alliierten Negierungen in einer Kollektionotc zum Ausdruck zu bringen. Das Komitee dürste voraussichtlich io Paris und nicht in Berlin zusammentretcn. Englische Slellungnahme London, 5. November. „Times" berichtet aus Paris: Ein Memorandum mit Be merkungen der sranzösischen Regierung über den geplanten neuen Ausschuß für die Regelung des Reparationsproblcms ist der britischen Regierung in der letzten Woche übergeben worden, und «ine britische Note wurde der französischen Regierung vor gestern in Paris überreicht. Der Berichterstatter der „Times" meint, es sck^ine von untergeordneter Bedeutung zu sein, ob die Mitglieder des Ausschusses „unabhängig" sein wollen oder nicht. In Wirklichkeit handele es sich um die Entscheidung, ob sie die Zahlungssähigkeit Deutschlands untersuchen sollen, oder ob sie, nachdem diese vom Dawcs-Ausschuß im Jahre 1924 festgestellt worden ist. nur die Zahlui^smcthoden und den Zahlungsplan festlegen sollen. „Obscrver" schreibt, die britiscku: Regierung nehme gegen über der Frage, ob der geplante Reparationssachverständigen- ousschuß aus unabhängigen Sachverständigen oder Delegierten mit Instruktionen bestehen solle, den Standpunkt ein. die Haupt sache sei, daß die Sachverständigen als Sachverständige benutzt werden wie die Dawesplan-Sachversiändigen des Jahres 1924 «ich die Locarno-Sachverständigen des Jahres 1925, so daß ihre Empfehlungen aus praktischen Möglichkeiten fußen. Es werde geltend gemacht, daß aus jeden Fall di« Entscheidung der Po litik bei den Negierungen ruhe. Viel Bedeutung werde der Nachricht beigcmessen, daß Parker Gilbert die volle Be teiligung der amerikanischen Regierung an der Arbeit des Ausschusses erwart«, wenn dieser Ausschuß in llebereinslimmung mit Dr. Schachts Vorschlag aus unabhängigen Finanzleuten zusammengesetzt ist. Nur -rei Mlvijler in THSrivssea Weimar, 3. November. Im Thüringer Landtag wurde in der Sitzung am Sonn- abend mit 27 gegen 24 Stimmen ein« Regierungsvorlage an genommen. noch der die Zahl der Minister in Thüringen von fünf auf drei reduziert werden wird. Es werden das Wirt schaft»- und da» Kultusministerium sowie das Innen- und Justizministerium zusammengelegt und von je einem Minister verwaltet werden. Allein da» Finanzministerium bleibt von der neuen Maßnahme unberührt. Berün-erungen in -er Reichlagssrakllon -es Zentrums Abg. Josef AndrL hat sein Mandat zum Reichstag niedergelcgt. An sein« Stelle tritt der schon in der dritten Reichstagswahlperiode 1924—1928 dem Reichstag und der Zentrumsfraktion angehörend« Ver- bandsgeschästsführer Johannes G r o ß - Stuttgart. Dieser Wechsel beruht darauf, daß Abgeordneter AickrL vor kurzem zum Präsidenten der württemberischrn Landrsoersicherungsanstalt in Stuttgart ernannt worden ist. Die damit verknüpfte Fülle von Arbeit läßt die Wahrnehmung des Doppelmandels durch AndrL — denn Ab geordneter Andre ist auch noch Mitglied des württembergischen Landtags, in dem er auch verbleibt — nicht mehr zu. Das Ausscheiden Andres wird allgemein und weit Wer den Kreis der Zentrumsfraktion hinaus bedauert. Mit ihm scheidet eine markante Persönlichkeit'au» dem Reichstag, der ja ohnehin daran nicht gerade Ueberfluß hat. Andrt gehört« zu den fleißigsten Abgeordnete« de» Parlament»; »a« er in dem Sozia len Ausschuß und wett darüber hinaus In anderen Sparten des parlamentarischen Organismus, sodann in der Vollver sammlung, durch seine ungemein zahlreichen Arbeiten In der Presse, in sozialpolitischen und Fachzeitschriften, leistete, war erstaunlich. Dazu war er ausgestattet mit der Gabe urwüch sigen Humors, die ihn überall beliebt machte. Wir wünschen Abgeordneten Andre, der sich um die Zentrumspartei und auch um die Zentrumspresse außerordentlich verdient gemacht hat, rin erfolgreiches Wirken in der hochangesehenen Position, die er verdientermaßen jetzt einnimmt. Mit dem Abgeordneten Groß tritt ein« ebenfalls im parlamentarischen Leben schon gut bewahrte Kraft wieder in den Reichstag. Er hat sich insbesondere in Beamtensragen ver dient gemacht, und die Zentrumsfraktion begrüßt es, daß sie. nachdem gerade «ine Reih« Beamtrnvertreter bei der letzten Reichstagswahl nicht wiedergewählt worden sind, nunmehr wieder über einen unmittelbaren Fachmann aus diesem Gebiete verfügt. Wir begrüßen Abgeordneten Groß ans das herz lichste und wünschen ihm -um Nutzen der Partei ei« ersprieß liche» wirken und Schassen.