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Sächsische Volkszeitung : 11.10.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192810115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19281011
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19281011
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-10
- Tag 1928-10-11
-
Monat
1928-10
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 11.10.1928
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' Monate Gefängnis für einen unvorsichtigen Motorrav' stlhrer- Am 1. Pfingstfeiertag hatte der 1!) Jahre alte Zimmcrmann Kurt Karl Künzel in Nosenthal (Sächs. Schweiz) mit seinem Kraftrad eine 66 Jahre alle Witwe Süßmilch «»gefahren. Die Frau wurde zu Boden geschleudert und starb bald darauf infolge Gehirnblutung. Der unvorsichtige Motorradfahrer war vom Ge meinsamen Schöffengericht Dresden wegen fahrlässiger Tötung und Fahrens ohne Führerschein zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Sein« hiergegen eingelegte Berufung wurde jetzt von der 3 großen Strafkammer des Landgerichts Dresden kostenpflichtig verworfen. : Notlandung des Bulgaria-Flugzcugcs. Das bekannte Flug zeug der Zigarettenfabrik Bulgarin mußt« am Dienstag infolge eines Motprdesektes im Stadtteil Dresden-Räcknitz unweit der Bis marcksäule eine Notlandung vornehmen. Nachdem der Schaden re pariert war, versuchte der Pilot wieder aufzusteigen. Dies mißlang aber. Das Flugzeug mußte über Nacht auf dem dortigen Gelände liegen bleiben. : Wer hat etwas verloren? Im dritten Vierteljahr 1928 sind in den städtischen Geschäftsstellen die an der.Anschlagtafel im Neuen Rathause, Eingang Ringstraße, verzeichneten Gegen, stände gesunden und bis jetzt nicht abgeholt worden. Die sich ausweisenden Empfangsberechtigten können die Gegenstände bis zum 31. Dezember 1928 in der Rathauswache (Neues Rat haus) in Empsang nehmen. Nach Ablauf dieser Frist werden die nicht abgeholten Gegenstände, mit Annahme des Bargeldes, öffentlich versteigert werden. : Das Geld im Ofen. Aus einer Wohnung in der Kon- kordienstraße wurden vor einiger Zeit 806 Mark gestohlen. Das Geld mar der Sicherheit halber im Ofen aufbewahrt. Wie der Diebstahl ausaesiihrt worden ist, steht noch nicht fest. An nehmbar ist der Dieb an einem Leitergerüst, das dort aufgestellt war, emporgeklettert und durch ein offenes Fenster eingestiegen. Zu seiner Ermittelung dienliche Angaben an die Kriminal polizei, Zimmer 88, erbeten. f.eiprig unc! Umgebung Kraslwagenbahn Leipzig-KaUe Leipzig, 10. Oktober. Die „Lena" teilt mit: Die kürzlich vorgenommenen Ver- lehrszählungcn aus der Landstraße, die die beide» benachbarten Großstädte Leipzig und Halle verbindet, zeigen ein« außerordent liche starke Steigerung des Verkehrs in den letzten 15 Monaten. Am Ausgang von Leipzig ist die Belastung von 2945 Tonnen auf 4779 Tonnen angcwachscn. Das bedeutet eine Zunahme von 62 Prozent. Noch erheblicher ist der Zuwachs am Ausgang von Halle. Hier wer den 468l Tonnen gegenüber 2572 Tonnen, also ein Mehr von 82 Prozent täglich durchschnittlich befördert. Auch von Schkeuditz bis Leipzig ist eine bedeutende Verstärkung zu verzeichnen. Diese starke Zunahme des Verkehrs zwischen Halle und Leipzig zeigt immer deutlicher die Unzulänglichkeit der alten Landstraße und das Be dürfnis nach einer besonderen Krastwagenbahn zwischen Leipzig und Halle, eben der „Lena". Wir hoffen, daß in absehbarer Zeit eine den neuzeitlichen VerkchrSbedürlnissen entsprechende Verbindungs straße zwischen Leipzig und Halle entsteht und dadurch einem sich immer stärker bemerkbar machenden Uebelstand abgeholfcn wird. ) Präsident Krug ch. Der Präsident der Oberpostdircktion Leipzig, Wilhelm Krug, ist am Dienstag morgen im Alter von «I Iahrey einer Nierenkrankheit erlegen. Er hatte sich vor etwa 14 Tagen einer Operation unterziehen müssen, in deren Gefolge sich Komplikationen einstellten, die den Tod zur Folge hatten. ) Anläßlich der „Leipziger Woche" werden von den Stadtwcr- kcn etwa 40 Bant«» und Plätze beleuchtet und angeleuchtct. Dtc dazu erforderlichen Arbeiten sind am Museum der bildenden Künste bereits beendet, ebenso wird die Montage der Lichtleitungen am Neuen Theater fertiggestcllt werden. Zur Durchsührung der mit der „Leipziger Woche" verbundenen Beleuchtung der Bauten sind ciiva 1 0 000 Glühbirnen und 200 Scheinwerfer er forderlich, die mit rund 4000 Meter LeitungSkabel ver. bundcn und an das Stromnetz der Stadt angeschlossen werden. Die Beleuchtung ist so gedacht, daß das Anlcuchten der Gebäude und Plätze um 19 Uhr beginnt und um Mitternacht endet. Die großen Bogenlampen aus dem Augustusplatz werden in diesen Stunden »»sgeschaltet, um di« Wirkung der Illumination bedeutend zu er höhen. ) In Leipzig wird ein starkes Erdbeben registriert. Vom Geophysikalischen Institut der Universität Leipzig wurde heute morgen zwischen 4 und 6 Uhr ein kräftiges Erdbeben registriert. > Von der Leipziger Messe 35« Millionen Mark Amsatz auf -er letzken Kerbslmesse — Die Aussichten -er Frühjahrsmesse Leipzig, 10. Okiober. Das Leipziger Meßami veranstaltete am Diennstag eine Prcsscbesprcchung über aktuelle Mcsscproblemc, zu der zahlreiche Pressevertreter aus dem ganzen Reich erschienen waren. Der Vor stand des Mcßamts, Dr. Köhler, führte in einem Rückblick auf die vergangene Herbstmesse aus, daß die Kritik an der angeblich zu optimistischen Berichterstattung des Mcßamts nicht in vollem Um gang berechtigt sei. TaS Mcßamt stütze sich in seinen Mitteilungen auf die Berichte von zuverlässige» Vertrauensleuten aus Handel und Industrie. Fest stehe jedenfalls, daß nach vorläusigen, recht vorsich, tigcn Schätzungen auch ans der Herbstmesse von den 8000 Ausstellern ein Umsatz von 350—400 Millionen Mark erzielt worden sei. Die Zahl der Einkäufer sei mit 87 600 erheblich größer gewesen, als aus den vorhergehenden Herbstmessen, Dabc! habe die Exportbedeutung der Messe im Hinblick ans die außer ordentlich gestiegene Zahl der ausländischen Einkäufer wesentlich zu- genommcn. Mit Rücksicht ans diese Exportbedeutung habe das Meß amt, wie Dr. Kühler mitteilte, in einer ausführlichen, zahlenmäßig belegten Denkschrift bei der Neichsregierung eine jährliche Unter stützung von 2 Millionen Mark beantragt, die lediglich für die Werbe arbeit Im Auslande zur Verwendung kommen sollen. In einer Reihe von Referaten wurde» sodann die Maßnahmen behandelt, die getroffen, bzw. in Vorbereitung sind, um den ivachsen- dcn Ansprüche» der Industrie auf angemessene Unterbringung ge recht zu werden. Zur Ausgestaltung des Ausstellungsgeländes der Tech nischen Messe wird die Leipziger Messe und die Ausstellungs- A-G. demnächst zusammen mit dem Mehamt einen öffentlichen Wettbewerb ansschrciben, um große Richtlinien für die orchitekto« nische Gestaltung der Hallcnbautcn, namentlich an der „Straße deS 18. Okiober" zu gewinnen, die nach Möglichkeit sowohl für die An gleichung der alten, aus der Vorkriegs- und Inflationszeit stammen den, wie auch für di« Errichtung neuer Hallen zur Anwendung kom men sollen. Zur nächsten F r ü h ja h r Sa u s st c llu n g wird die neue Halle für die Baumesse mit einer bebauten Fläche von 9300 Quadratmeter und 6000 Quadratmeter Nutzfläche fertiggestellt sein. Die Branchenkonzentration in der allgemeinen Mustermesse wir^ durch die Jngebrauchnahnie des Petershofes, der aus ca. iAixi Quadratmeter in 6 Stockwerken das Kunstgcwerbe die Spielwarcn- und die Musikinstrnmcntcnindustrie aufnehmen wird, und eme/LUV- iv.lrenhallc ,n der Grimmaischen Straße, die etwa 200 Au-i"^ru Raum gewähren wird, weitere Fortschritte wachen. Beide Messe häuser sind bereits voll belegt. Ilebcrhaupt macht sich bereits r gr Nachfrage nach Ständen für die Frühjahrsmesse geltend, so d tz Stände in besserer Lage kaum noch verfügbar sind. . . Wie Direktor Voss in einem Referat über „A u stich > - n d er Frühjahrsmesse" mittcilte, bat sich die dent,che Industrie schon seit längerer Zeit aus eine starke Beteiligung an der Frtih- jobrsmesse eingestellt und ist hinsichtlich ihres Verlaufes sehr holl- nungsvoll gestimmt. Dieser Optimismus gründet sich darauf, say der befürchtete Rückgang der Konjunktur nicht in dem erwarteten Maße eingetreten ist, ferner auf die wachsende Einstellung der deut schen Industrie aus den Export und schließlich auf di« freundlicher« Gestaltung der internationalen Handclsverhältnisse. Der Auslander besuch der Leipziger Messe habe sich gegen 1926 von damals 3476 auf 7906 im Jahre 1928, also um 127 Prozent erhöht. Das Meß- amt tue das seine durch umfangreiche Propagandatätigkeit und Ver mehrung seiner Geschäftsstellen im Auslände. Im übrigen ließen PreiSenlwickliing und Qualität der deutschen Waren ein gute- Exportgeschäft erhoffen. , . , . . Des weiteren wurde mitgeteilt, daß sich die betrte or te chnische Tagung, die auf der Technischen Messe in Verbin dung mit der Arbeitsgemeinschaft der betriebstechnischen Ingenieur« und dem Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung veranstaltet wurde, diesmal mit der Oberflächenbehandlung beschäftigen werde. Außer, dem sei eine großzügige Verpackungstagung geplant, und zwar unter Teilnahme -er Reichsbahn, der Rcichspost und der Schiffahrt. An die Referate schloß sich eine Aussprache, in deren Verlauf mitgeteilt wurde, daß die Kunstseidenschau, di«, weil ihr repräsentative Räumlichkeiten auf der letzten Frühjahrsmesse nicht zur Verfügung gestellt werden konnten, nach Kölln übergesiedelt war, auf der kommenden Frühjahrsmesse wieder statlfinden werde, und zwar in einer besonderen Halle. Die Aufzeichnungen ersoigten 4 Uhr 14 Minute» 10 Sekunden. Der Herd des Bebens dürfte ungefähr 9000 Kilomemter entsernt gelegen sein. ) Das Panzerkreuzer-Volksbegehren in Leipzig. Bis Montag hatten sich in Leipzig zum Panzerkreuzer-Volks begehren im ganzen 6950 eingezeichnet. In der gleichen Zeit hatten sich beim Volksbegehren über die Fürstenabfindung 42182 eingezeichnet. ) Im Dienst tödlich verunglückt. Am Dienstag zwischen 6 und 7 Uhr früh verunglückte der Bahnarbeiter Otto Gär mer bei der Ausübung seiner Dienstverrichtungen tödlich. Er war damit beschäftigt, auf der Strecke Leutzsch—Wahren die Signallampen auszulöschen und besand sich bereits wieder auf dem Rückwege zu seiner Dienststelle. Dabei scheint er das Herannahen eines Zuges überhört zu haben, dessen Maschine ihn erfaßte und beiseite schleuderte. Der Lokomotivführer eines später vorbeifahrenden Fuges entdeckte den Verunglückten, jedoch war der Tod bereits eingetreten. ) Von einem Lastauto zermalmt. Am Montagnachmittag at sich auf der Chaussee Zöbigker—Gautzsch, nahe der Stra- enbahnendstation ein furchtbares Unglück ereignet. Der 22jährige Kaufmann Kirmse aus L.-Gantzsch wollte mit seinem Motorrad zwischen einem Sandwagen und einem Last- Kraftwagenzug hindurchfahren. Hierbei blieb er an dem Sand« wagen hängen, kam zu Fall und unter den Anhänger des Last wagens zu liegen. Die Räder zermalmten dem Unglücklichen den Kopf, so daß er auf der Stelle tot war. Es liegt aller Wahrscheinlichkeit nach Selbstverschulden vor. ) Schadenfeuer. Am Dienstagnachmittag brach in eineni grö ßeren Schuppe» der Firma Stäche u- Co. in L.-Nc»stadt ein Brand ans. Die in dem Schuppen lagernden Packmalerialien, wie Holzwolle und Kisten, wurden vermutlich durch ein unachtsam fort- oeworsenes Streichholz oder eine brennende Zigarette in Brand ge steckt. Der Löschzug der Ostwache rückte sofort zur Brandstelle aus, der iu Brand geratene Schuppen stand in Hellen Flammen und d«S Feuer drohte ans die Hokzvorräte einer angrenzenden Großtischkerei übcrznspringcn. Die Feuerwehr griff das Feuer mit drei Schlauch leitungen an und nach Verlauf von kurzer Zeit gelang es, den Brand auf seinen Herd zu beschränken. Durch die starke Qualm entwicklung und der eng znsammenstoßenden Gebäude war es schwer, sofort einen Ilebcrblick über die Ausdehnung des Brandes zu er halten. Hauptsächlich verbrannten Packmaterialien, desgleichen wurde der Schuppen durch das Feuer so angcgrifsen, daß er neu aufgebaut werden muß. Staatskanzlei gegen „Leipziger Dolkszeilung" Gegenüber Behauptungen, die von seiten der „Leipziger Volkszeit ung" ausgestellt und verbreitet worden sind, gibt die Sächsische Staatskanzlei folgende Berichtigung heraus: Es ist unwahr, daß sich mit Ausnahme von zwei in dem Artikel namentlich genannten Ministerialräten die Beamtenschaft des Justizministeriums zu einem Ring gegen ihren Minister zusammengeschlossen hat. Wahr ist vielmehr, daß die ganze Be amtenschaft, wie es ihrer Dienstpflicht entspricht und sür sie selbst verständlich ist, in einmütiger Loyalität gegenüber ihrem Chef ihre Arbeit leistet und daß das Vertrauensverhältnis zwischen dem Mi nister und ihr, ohne das diese Arbeit nicht ersprießlich sein kann, niemals auch nur die leiseste Trübung erfahren hat. Ebenso un wahr ist, daß die angebliche Fronde im Ministerium von dem frühe ren Justizminister Bünger gelenkt wird und daß Minister Bünger auf seinen Nachfolger deshalb sehr böse ist, weil dieser ihn nicht zum Nachfolger des Ministerialdirektors Dr. Wulfsen in Vorschlag gebracht hat. Wahr ist vielmehr, daß Minister Bünger sich niemals bei dem derzeitigen Instizminister um die Nach folgerschaft des Ministerialdirektors Dr. Wulfsen bemüht hat, Minister Bänger kann daher gar nicht „verschnupft" darüber, sein, daß er nicht auf diese Stelle berufen worden ist. Es ist endlich auch univahr, daß sich der Ministerpräsident Heidt des den Verhandlungen über die Bildung der gegenwärtigen Regie rung an den damaligen Senatspräsidenten beim Reichsgericht Dr. Lobe wegen der Uebernahme des Amtes eines Justiz^ Ministers gewandt hat. Wahr ist vielmehr, daß eine Kandi datur des Präsidenten Dr. Lobe für die Stellung eines Justiz- Ministers sür den Ministerpräsidenten niemals in Frage gestan den hat und daß er auch nie daran gedacht hat, den ihm per sönlich'gar nicht bekannten Dr. Lobe zum Iustlzminister zu ernennen. Das Schloss Dürande Einr Erzählung von Joseph von Eichrndorsf. (4. Fortsetzung.' Etwa vierzehn Tag« darauf schritt Renald eines Morgens still und rasch durch den Wald nach Schloß Dürande, dessen Türme sinster über den Tannen hersahen. Er war ernst und bleich, aber mit Hirschfänger und leuchtendem Bandelier wie zu einem Fest geschmückt. In der Unruhe seiner Seel« war er der Zeit ein gut Stück voraus- gcschrittcn, denn als er ankam, war die HauStür noch verschlossen und olles still, nur die Dohlen erwachten schreiend aus ben alten Dächern. Er setzte sich unterdes auf das Geländer der Brücke, die zum Schlosse führte. Der Wallgraben unten lag lange trocken, ein marmorner Apollo mit seltsamer Lockenpcrückc spielte dort zwischen gezirkelten Blumenbeeten die Geige, auf der ein Vogel sein Morgenlied pfiff; über den Helmen der steinernen Ritterbilder am Tore brüsteten sich breite Aloe»; der Wald, der alte Schloßgesell, war wunderlich ver schnitten u»b zcrquält, aber der Herbst ließ sich sein Recht nicht neh men und hatte alles phantastisch gelb und rot gefärbt, und die Wald vögel, die vor dem Winter in die Gärten flüchteten, zwitscherten lustig von Wipfel zu Wipfel. — Renald fror, er hatte Zeit genug und über dachte noch einmal alles: wie der junge Graf Dürande wieder nach Poris gereist, um dort lustig durchzuwintern, wie er selbst mit fröh lichem Herzen zum Kloster geeilt, um seine Schwester abzuholen. Aber da war Gabriele heimlich verschwunden, man hatte einmal des Nachts einen fremden Mann am Kloster gesehen; niemand wußte, wohin sie gekommen. — Jetzt knarrte das Schloßtor, Renald sprang schnell aus, er ver langte seinen Herr», den alten Grafen Dürande, zu sprechen. Man sagte ihm, der Gras fei eben erst aufgewacht; er mußte noch lange ln der Gcsindestube warten zwischen Ueberresten vom gestrigen Souper, zwischen Schuhbürsten, Büchsen und Katzen, die sich verschlafen an seine» blankcn Stieseln dehnten, niemand fragte nach ihm- Endlich wurde er in des Grafen Garderobe geführt, der alte Herr ließ sich soeben frisieren und gähnte unaufhörlich. Renald bat nun ehrerbietig um kurzen Urlaub zu einer Reise nach Paris. Auf die Frage deS Grasen, was er dort wolle, entgcgnete er verwirrt, seine Schwester sei dort bei einem weitläufigen Verwandten — er schämte sich herauS- zujagen, ivas er dachte. Da lachte der Graf. „Nun nun", sagte er, „mein Sohn hat wahrhaftig keinen üblen Geschmack. Geh' ,r nur i hin, ich witt Ihm an seiner Fortune nicht hinderlich sein; die Dürandes sind in solchen Affären immer splendid; so ein junger wil der Schwan muh gerupft werden, ober mach Er's mir wicht zu arg." — Dann nickte er mit dem Kopfe, ließ sich den Pudermantel Um werfen und schritt langsam zwischen zwei Reihen von Bedienten, die sh» im Vorüberwandeln mit großen Quasten einpuderten, durch die entgegengesetzte Flügeltür zum Frühstück. Die Bedienten kicher ten heimlich — Renald schüttelte sich wie ein gefesselter Löwe. Noch an demselben Tage trat er seine Reise an. -» Es war ein schöner, blanker Herbstabend, als er in der Ferne Paris erblickte; die Ernte war längst vorüber, die Felder standen olle leer, nur von der Stadt her kam ein verworrenes Rauschen über die stille Gegend, daß ihn heimlich schauerte. Cr ging nun an präch tigen Landhäusern vorüber durch die langen Vorstädte immer tiefer in das wachsende Getöse hinein, di« Welt rückte immer enger und dunkler zusammen, der Lärm, das Rasseln der Wagen betäubte, daS wechselnde Streiflicht ans den geputzten Läden blendete ihn; so war er ganz verwirrt, als er endlich im Wind den roten Löwen, das Zeichen seines Vetters, schwanken sah, der In der Vorstadt einen Weinschank hielt. Dieser saß eben vor der Tür seines Keinen Hauses und verwunderte sich nicht wenig, da er den verstaubten Wanders mann erkannte. Doch Renald stand wie auf Kohlen. „War Gabriele bei dir?" fragte er gleich nach der ersten Begrüßung gespannt. — Der Vetter schüttelte erstaunt den Kopf, «r wußte von nichts. — „Also doch!" sagte Renald, mit dem Fuß auf die Erde stampfend; aber er konnte cS nicht über die Lippen bringen, tvas er vermute und vorhabe. Sie gingen nun In daS Haus und kamen in ein langes, tvüstes Gemach, das von einem Kaminseucr im Hintergründe ungewiß er. leuchtet wurde. In den roten Widerscheinen lag dort ein wilder Haufe umher: abgcdankte Soldaten, müßige Handwerksburschen und dergleichen Hornkäfer, wie sie in der Abendzeit um die großen Städte schwärmen. Alle Micke aber hingen an einem hohen, hage ren Manne mit bleichem, scharsgcfchnittenem Gesicht, der, den Hut auf dem Kopf und seinen langen Mantel stolz und vornehm über die link« Achsel zurückgeschlagen, mitten unter ihnen stand. — „Ihr seid der Nährstand", rief er soeben auS; „wer aber die andern nährt, der ist Ihr Herr; hoch auf, ihr Herren!" — Er hob sein Glas, olles jauchzte wild auf und griff nach den Flaschen, er aber tauchte kaum die feinen Lippen in de» dunkelrotcn Wein, als schlürft' er Blut, seine spielenden Blicke gingen über dem Glas« kalt und lauernd in der Runde. Da funkelte das Kaminseucr über Renalds blankes Bandelier, das stach plötzlich in ihre Augen. Ei» starker Kerl mit rotem Gesicht und Haar, wie ein brennender Dornbusch, trat mit übertriebener Vettclhastigkcit dicht vor Renald und fragte, ob er dem Großtürlcn diene? Ein anderer meinte, er habe so da, wie ein Hund, ein ade liges Halsband umhängen. — Renald griff rasch nach seinem Hirschfänger, aber der lang« Redner trat dazwischen, sie wichen ihm scheu und ehrerbietig aus. Dieser führte den Jäger an eine» abgele genen Tisch und fragte, wohin er wolle. Da Renald den Grasen Dürande nannte, sagte er: „Das ist ein altes HauS, aber der Toten, wurm pickt schon darin, ganz von Liebschaften zerfressen." — Renald erschrak, er glaubte, jeder müßte ihm seine Schande an der Stirn anfehen., ,Warum kommt Ihr gerade auf die Liebschaften?" fragte er zögernd. — „Warum?" erwiderte jener, „sind sie nicht die Herren im Forst, ist das Wild nicht das ihre, hohes und niederes? Sind wir nicht verfluchte Hunde und lecken die Schuh, wenn sie uns stoßen?" Das verdroß Renald; er entgcgnete kurz und stolz: Der junge Graf Dürande sei ein großmütiger Herr, er wolle nur sein Recht von ihm und weiter nichts. Bei diesen Worten hatte der Fremde ihn aufmerksam betrachtet und sagte ernst: „Ihr seht aus wie ein Scharfrichter, der, das Schwert unterm Mantel, zu Gerichte geht; e» kommt die Zeit, gedenkt an mich. Ihr werdet der Rüstigsten einer sein hei der blutigen Arbeit." Dann zog er ein Blättchen hervor, schrieb etwas mit Bleistift darauf, versiegelte es am Licht und reichte «s Renald hi». „Die Grafen hier kennen mich wohl", sagte er; er solle da? nur abgeben an Dürande, wenn er einen Straub mit ihm habe, cs könnte ihm vielleicht von Nutzen sein. „Wer ist der Herr?" fragte Renald seinen Vetter, da der Fremde sich rasch wieder wandte. „Ein Feind von Tyrannen", entgegnete der Vetter leise und geheimnisvoll. Dem Renald aber gefiel hier di« ganze Wirtschaft nicht, er war müde von der Reise und streckte sich bald in einer Nebenkammer anf das Lager, das ihm der Vetter angewiesen. Da konnte er ver. nehmen, wie immer mehr und mehr Gäste nebenan allmählich die Stube füllten; er hörte die Stimme des Fremden wieder dazwischen «ine wilde Predigt, von der er nur einzelne Worte verstand, manch mal blitzte das Kaminseucr blutrot durch die Ritzen der schlecht»», ivohrten Tür; so schlief er spät unter furchtbaren Träumen ein. (Fortsetzung folgt.)
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