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Sächsische Volkszeitung : 07.10.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192810079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19281007
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19281007
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-10
- Tag 1928-10-07
-
Monat
1928-10
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 07.10.1928
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ernst genommen wird?" Zeuge: „Ja, Herr Lüsierhoss redet immer sehr viel und ist in dieser Hinsicht rin angenehmer Gesellschafter, aber ernst werden seine Erzählungen nie genommen," Ter 34 Jahre alle Bankgeschäjtsinhabcr Alexander Theo- dorescu aus Dresden bestätigte. Treiber Kredite von etwa zu nächst 17000 Mark gewährt zu haben, und zwar im Oktober 1926 gegen Akzepte, die allerdings einmal prolongiert worden wären, aber im März restlos eingelöst worden sind. Im September 1927 hat er mit Treiber ei» weiteres Geschäft in Höhe von 50000 Mark abgeschlossen, das ebcnsalls restlos in Ordnung ging. Auf Vorhalt des Vorsitzenden, ob er seht einen Saldo von 12 000 Mark auf dem Konto Treibers l)abe, erklärte der Zeuge, daß auch diese Forderung im vorigen Monat (also September 1928) getilgt worden ist. Der Verteidiger Tr, 'Alsberg legte auch diesem Zeugen die Fragen über den Zeugen Lüsscrhois vor. Auch Herr Theodorescu mußte be stätigen, daß Herr Lüsserhofs in seinem Bekanntenkreis nicht für ernst genommen werde. Im Anschluß hieran äußerte sich der Direktor Hammer von der Dresdner Treuhand-Gesellschaft, der die Geschästsaussicht über die Firma Hoffman» u, Treiber im Jahre 1927 geführt hat. Aus seinen Bekundungen ging nichts Wesentliches hervor. Nachdem das Gericht dann kurz eine Kontoristin der Näsa- A -G, über verschiedene Geschäftsabschlüsse gehört hatte, wurde der Bruder der Verunglückten, der 26 Jahre alte Redakteur Emil Frot sch er aus Berlin in den Verhondlungssaal gerufen, - Nach, dem nun den ganzen Tag über nur aus dem geschäftlichen Leben des Angeklagten Erörterungen und Vernehmungen vorgenommen worden tvarcn, trat beim Hcrantritt dieses Zeugen an den Zeugentisch wie der größte Spannung im Verhandlungssaale ein. Die ersten An gaben Frotschers betrasen di« Ehe Treibers. Der junge Bruder der Frau Treiber war sehr oft auf Besuch in Dresden bei seinem Schwa ger. Er erklärte, daß er jederzeit den Eindruck gewonnen habe, daß die Ehe seiner Schwester überaus glücklich war, Er hatte , - Trei- bersche Ehcvaar erst kurz vor der Ünglücksreise im Juli ' lucht und auch da wieder den Eindruck gewonnen, daß die beste - onie in dieser Ehe herrsche. Verstimmt habe ihn nur, daß er i ht von den: Unfall sofort benachrichtigt worden sei. Er ist kurze Zeit nach dem Tode seiner Schwester bei seinem Schwager in Dresden ge wesen und hat mit diesem über den Unfall gesprochen. Auch ihm war erklärt worden, daß das Unglück beim Ausstieg auf das Gold- zechhorn passiert sei, Ter Zeuge war im September dieses Jahres in Heiliocublut am Grabe seiner Schwester und hat unter anderem dabei auch mit dem Wirt des Hubertihauscs in Heiligenblut gespro chen, wo das Treibersche Ehepaar damals gewohnt hat. Der Wirt hat ihm setzt erzählt, daß Tr, ihm damals gesagt Hab«, die Verun glückte hätte keine Verwandten! Auf Befragen des Gerichtes äußerte sich der Zeirgc auch über die Kinderlosigkeit der Ehe seiner Schwester, Diese soll, da sic Säuglingspflegerin vor der Ehe war, sich gern ein Kind gewünscht haben. Daß die Ehe aber kinderlos geblieben sei, will, wie d'er Zeuge von seiner Schwester erfahren hatte, von dieser aus Rücksicht auf ihren Mann, der mit den Nerven noch von der Kricgszeil sehr herunter war, selbst gewünscht worden sein. Auf Vorhalt, ob «r^twas über Beziehungen Treibers zu anderen Frauen wisse, erzählte der Zeuge daß er einmal zugegen gewesen sei, wie Treiber seiner Schwester erzählt habe, daß ihn ein junges Mädchen bis an die Wohnungstür verfolgt habe, Frau Treiber und ec hätten dies allerdings nur für einen Scherz gehalten, Vorsitzender zum Zeugen: „Wissen Sie etwas über die Höhe des Wirtschaftsgeldes Ihrer Schwester?" Zeuge: „Jawohl, sie bekam etwa 300 Mark monatlich," Weiter gab der Zeuge noch dahingehend Auskunft, daß seine Schwester stets gut gekleidet war und auch Schmuck von ihrem Manne als Geschenk erhalten hatte, Verteidiger Dr, Alsberg: „Kannte Treiber am Tage des Unglücks Ihre Adresse?" Zeuge: „Ja, bestimmt, er hatte mir doch gemeinschaftlich mit meiner Schwe ster Karten von dieser Tour geschrieben," Angeklagter: „Ich ent sinne mich, daß ich dem Wirt im HubertihauS gesagt habe, daß keine Verwandten zur Beerdigung kommen, Vielleicht liegt hier ein Irr tum in Bezug auf die Aussagen meines Schwagers vor," Tie Vereidigung des Zeugen Frotschcr wird zunächst aus gesetzt, dann wird eine Freundin der Verunglückten, eine Arztehe frau Herbrich aus Raschau O,-L, als Zeugin vernommen. Diese kannte Frau Treiber schon seit ihrer Mädchenzeit und hat dauernd mit ihr in Briefwechsel gestanden, Sic erklärte, daß Frau Treiber —Vss irr lossi? —^ Tostal-Tabletten sind ein hervorragendes Mittel gegen kksums, oiekt, Isekis», «Zrlppv, UN«« K»pß»e«,in«r», ki-tetiltungAkrsnteksIt«» I Schädigen Sie sich nicht durch minderwertige Mittel! Uber 5000 Ärzte anerkennen die hervorragende Wirkung des Togal. Fragen Sie Ihren Arzt. In allen Apotheken. Preis Mk. 1.40. 0,46 VKIn. rr,s I.UK. 74,z Nciu. »col. S»I. »u lvo NmvI. , sich »ieinals über ihren Mann beklagt habe. Aus Befragen des Ge richtes, ob ihr bck'-nnt geworden sei, daß Frau Treiber häufig an Kopfschmerzen gelitten t»«be, bejahte sie dies. Nunmehr trat das Gericht in die Vernehmung des Bruders des Angeklagten, des 27iährigen Prokuristen Walter Treiber aus Dresden ein, Dieser ist von Februar 1922 bis End« 1925 als Angestellter und fpäier auch noch als Vertreter in der Firma Hosfmann und Treiber tätig gewesen. Er hat viel in der Familie seines Bruders verkehrt und Unstimmigkeiten in der Ehe niemals bemerkt Von der Versicherung war ihm nichts bekannt, dagegen wußte er von den Beziehungen feines Bruders zu anderen Frauen, Fräulein Hoher hat er bereits im Jahre 1925 im Privatkonto! seines Bruders kenncngelernt. Ihm tvar auch bekannt, daß sein Bruder weitere Be ziehungen zu einer Stenotypistin in seinem Geschäft unterhielt. Nach dem Tod seiner Schwägerin hat er seinen Bruder einmal in Dres den in dessen Wohnung aus der Karcher-Allee besucht und dabei wurde ihm Fräulein Hoher als Braut seines Bruders vorgestellt. Er will damals nicht gesehen haben, daß cs sich um dasselbe Mäd chen handelte, das ihm schon seit 1925 bekannt war, Walter Treiber, der jetzt selbst verheiratet ist, hat, alz ihm das bekannt wurde, keine weiteren Besuche mit seiner jungen Fra» bei seine,» Bruder vor genommen, Auf besonderen Beschluß des Gerichtes wurden die Zeugen Frotschcr und Treiber vereidigt. Kurz nach 7 Uhr abends wurde die Verhandlung abgebrochen und auf Sonnabend vormittag 9,30 Uhr ausgesetzt. Der Sonnabend dürfte als erstes die Vernehmung der wichtigen Zeugin 'Annemarie Hoher bringe». Die Sonnabend - Verhandlung Am Sonnabendvormittag wurde als erster Zeuge Peter Oberdörfer vernommen. Dieser gibt zu, daß die Absturzstelle sehr gefährlich sei. Beim Anstieg des Goldzech- hornes wäre ein Absturz nicht gut möglich, Geröll sei keines auf der Platte vorhanden. Es ist verständlich, das; man auf die Platte tritt, um die schöne Aussicht zu genießen, — Nach der Aussage des Oberdörfer werden die österreichischen Zeugen ent lassen. / Als nächste Zeugin wird Fräulein Hildegard Winkler vernommen, die mit ihrer Freundin Hoyer in Stellung war. Sie gibt an, daß sie öfters mir der Hoyer ausgegangen sei, Ende April 1925 habe sie die Bekanntschaft Treibers und Lüsserhofss gemacht. Sie habe die Herren später nie wieder gesehen. Auch die Hoyer sei dann von dort rveggezogen und habe ihr an- gegeben, daß sie zur Tante gezogen sei. Sie habe dann die Hoyer noch einmal gesehen gelegentlich eines Sonntagsbesuches, Daß Treiber verheiratet sei, davon hat ihr die Hoyer nichts erzählt. Die nächste Zeugin, Frau Asch, bei der die Hoyer vom 1. Oktober 1925 bis Ende August 1926 gewohnt hat, gibt zu, daß sie monatlich 90 Mark Miete verlangt hat. Die Hoyer habe ihr erzählt, daß sie sich mit ihrer Stiefmutter schlecht verstanden hätte und deshalb von zu Hause weggegangen sei. Ihr Vater sei Großkaufmann. Bei ihrem Einzug in die Wohnung, habe sie nur einen kleinen Neisekoffer mitgebracht. Von der Polizei habe sie später erfahren, daß Treiber verheiratet sei und habe daraufhin der Hoyer Vorwürfe gemacht. Die Hoyer bestritt dies und sagte, der Bruder des Treiber sei verheiratet. Die Zeugin bestätigt weiter die häufigen Besuche Treibers bei der Hoyer in ihrer Wohnung, — Die nächste Zeugin ist Frau Lorenz, bei der Fräulein Hoyer nach ihrem Auszug von Frau Asch gewohnt hat. Sie hat ein Zimmer gemietet und dafür 85 Mark Miete gezahlt. Am 1, Oktober 1926 sei der Angeklagte auch in ihre Wohnung gezogen. Dort seien dann die Kleider und Pelze angeschasst worden. Aus die Frage der Zeugin an Frl. Hoyer, weshalb Herr Treiber trauert, sagte sie, eine weitläufige Verwandte sei gestorben. Treiber habe sich sehr viel mit seiner „Braut" gezankt. Durch ein Telephongespräch will sie gehört haben: „Du bist ein Kerl, du gehst über Leichen". Die Zeugin hält die Hoyer für hysterisch. Als die Hoyer aus Swinemünde, wo sie auf Urlaub weilte, zurückkehrte und von ihrer Wirtin erfahren hätte, daß Treiber von Kriminalbeamten verhaftet worden sei, sagte sie: „Ach, da haben sie ihn geholt! Wenn der Bücherschrank offen steht, ist das das Zeichen, daß sie ihn geholt haben Aus die Frage der Zeugin, was das alles denn zu bedeuten habe, sagte die Hoyer: „Ach, Sie wissen ja nichts, es ist ganz ausgeschlossen, daß Sie etwas wisse n." Als nächste Zeugin wird Frau Lonker vernommen, die ebenfalls bei Frau Asch aus der Hübnerstraße gewohnt har. Auch hier habe die Hoyer erzählt, daß sie wegen der schlechten Behandlung von zu Hause fortgelaufen sei. Nach der Reise nach Dwincmünde habe die Hoyer der Zeugin mitgeteilt, daß sie Wahlkreiskonserenzen der Siichftschen Zentrums>n»rkel Zur Fortsetzung der Aussprache Uber die Organisa. tion der Partei, die auf dem Chemnitzer Parteitag in so glücklicher Weise begonnen worden ist, sollen siir die säch> fischen Wahlkreise Bezirkskonferenzen abgahal- ten werden. In diesen Konferenzen wird der General- sekretär der Nsichspartei, Dr. H. Vockel, Bericht gebe» Uber die Lage der Partei und mit den sächsischen Partei freunden Anregungen und Vorschläge austauschen. Tie Konferenzen finden statt am 18. Oktober in Leipzig fUr den Wahlkreis Leipzig. am 17. Oktober in Dresden für den Wahlkreis Dresden-Bautzen. am 18. Oktober in Chemnitz fUr den Wahlkreis Chemnitz-Zwickau. Alles Nähere wird noch bekanntgegeben. Alle Mit. glieder der Partei werden gebeten, sich diese Abende schon jetzt vorzumerken, damit aus allen in Frage kommenden Orten und Gruppen eine Teilnahme an den Beecks. Konferenzen ermöglicht wird. „ihren Fritz" verhaftet Hecken. „Ich will es lieber nicht sagen du wirst ja doch noch davon erfahren". — Die Verhandlung dauert fort. 0re5cirn unci Umgebung Zum Reichsgesetze über Schutzwaffen und Munition Dresden, 6. Oktober. Im Ministerialblatt sür die Sächsische innere Verwaltung wird zum Vollzug des Reichsgesetzes über Schußwaffen und Munition u. a. bestimmt: Der Waffenschein gilt grundsätzlich sür das ganze Reich, Wenn jedoch das Bedürfnis zum Führen der Waffe nur sür einen bestimmten engeren Bezirk besteht, ist der Waffenschein nur sür diesen Bezirk zu erteilen, Bon der Möglichkeit, in dem Waffenschein das Waffensiihren auf bestimmte ausdrücklich bezeichnet« Gelegenheiten und Ocri- lichkeiten zu beschränken, ist in weitgehendem Maße Gebrauch zu machen. Zum Besitze eines Munitionslagers bedars cs der Genehmigung nicht bei Schrotpatronen und Tesching- Patronen mit Nundkugeln. Dagegen ist der Besitz von Munition sür Kleinkalibersportbüchsen genehmigungspflichtig, sobald es sich um einen Bestand von mehr als hundert Patronen handelt. Mit dem Außerkrafttreten der Verordnung über Waffenbesitz vom 13. Januar 1919 sind die seinerzeit abgelieferien und noch im behördlichen Gewahrsam befindlichen Waffen auf Antrag an die Ablieferung zurückzugeben, soweit diese zum Besitz von Waffen nach dem Gesetze berechtigt sind. Soweit Militörverein« nach der Verordnung des Ministeriums des Innern vom 13. Ja. nuar 1925 und soweit Schützengefellschaften nach der Verord nung des Ministeriums des Innern vom 6. August 1902 zum Führen von Waffen bei Beerdigungen und Schützenfesten be rechtigt sind, gilt dieses nicht als Führen von Waffen im Sirw« des Gesetzes. Die Verordnungen des Ministeriums des Innern vom 28. September 1925 und 12. März 1926 Uber Kleinkaiiber- fchietzsport werden aufgehoben. Zum Schluffe heißt es: Die neuen Verordnungen verfolgen den Zweck, den verbrecherischen und leichtsinnigen Mißbrauch von Schußwaffen zu verhindern. Die Verwirklichung dieses Zieles wird nur möglich sein, wenn alle zur Durchfüh rung des Gesetzes berufenen Stellen, insbesondere die Polizei behörden, sich die genaue und straffe Durchführung der neuen Vorschriften angelegen sein lasten. Poffbeförderung mik Lern Luftschiff nach Amerika Dresden, 6. Oktober. Das Luftschiff L. Z. 127 wirt> seine Fahrt nach Amerika voraussichtlich am 9. Oktober in Friedrichshafen <Bodcnsee) an- treren. Der Postschluß für diese Fahrt ist auf den 8. vkrober 12 Uhr festgesetzt. Briessendrmgen zur Beförderung mit dem Luftschiff werden nach den bekanntgegebenen Bestimmungen weiter angenommen. die Trilmmcr oer zerschossenen Stadt vor sich liegen, überagt von den Ncstmauern der einst so stolzen Tuchhallc und der Kathe drale des hl. Martin. Jetzt aber glänzen von der mittäglichen Sonne üppig bestrahlt die neuen Dächer und mächtigen Türme des neuerstandcnen Ppern herüber, als wenn es nie anders ge wesen wäre. Die Straße führt den Hang hinab, über den flachen Müh lenhügel hinüber nach Fortuyn. Die Windmühle zwischen Pollcappclle und Fortuyn dreht lustig wieder ihre breiten Flügel und keiner ist. der es ihr verböte, weil sie vielleicht als Richtungspunkt für Batterien dienen könnte. Kaninchen spklen im Vorgarten einer neuerbautcn Ferme und knappern zuweilen an alten schwarzen Lederricmen, die von einer zerfetzten alten deutschen Patronentasche stammen mögen. Kühe stehen träu mend im spärlichen Schatten einer neugepflanztcn Baumreihe; es ist ja kein Laut in der Lust, kein Sausen von Granaten, kein Einschlag, der sie schrecken könnte. Bald erreiche ich den Eeliindestreifen, wo .im Herbst 1918 unsere vorderen Infanteriestellungen waren. Sie find nur noch dadurch >rekennzeichnet, daß größere Unterstände aus Beton in dichterer Reihe gehäuft sind. Das Gelände ist hier kurz vor den Toren der Stadt Ppern wieder sehr eben, was für die Angreifer des Krieges so sehr zum Verderben wurde. Die chemalige Linie ist überschritten. Ich komme zum Vorort St. Jean. An der Straße links und rechts neuzeitliche Siedlungshäuser, schöner als in den Gebieten, die vom Krieg verschont geblieben sind. Die große Straße von Poclcappelle hat sich schon in Wieltje mit der meinigen vereinigt. Man merkt es an den vielen Autos, die aus dieser Richtung gen Ppern fahren oder aus Ppern herauskommcnd Richtung auf Poclcappelle und den Houthulster Wald nehmen. Meist sind es große bequeme Reiseautos sür 12—20 Personen mit Führern, die englisch oder französisch ihre Erklärungen geben. Sie jagen von der Seeküste kommend der Pserfront entlang durch die Gegend, um den meist aus England stammenden Fremden noch das Wenige zu zeigen, was man noch vom Kriege sehen kann. Und man sicht kaum noch etwas davon, so gründlich hat man — Gott sei Dank — aufgeräumt — und aufacbaut. Selbst derjenige, der dort den Krieg erlebte, hat Mühe, sich in dem vollkommen veränderten Gelände zu orientieren, da damals alle Ortschaften der Kampfzone ausnahmslos dem Boden gleich- aemackt waren. Für den neuen Beschauer ist der Anblick der einer fruchtbaren, gut besiedelten Ebene, aus ver Sie Schauer des Krieges verschwunden sind. Wir kommen jetzt nach Ppern hinein und staunen zunächst, kaum noch ein Haus zerstört zu sehen. Die Straßenzüge sind im alten Stil neuerstanden; Waren werden in modern gehal tenen Geschäftsläden feilgehalten; Restaurants und CafLs mehren sich in dem Maße, als man dem großen Marktplatz näher kommt- Der Marktplatz ist eingerahmt von schönen neuen Häusern, die fast alle im Erdgeschoß ein Restaurant be herbergen. Auf dem Bürgersteig — wie dies in Belgien be- liebte Sitte ist — kleine Tischchen und bequeme Stühle. In der Mrtte des Platzes eine lange Reihe parkender Autos. Bei diesem Anblick könnte nemand vermuten, daß auf diesem Platze einst das vernichtende Feuer schwerer Batterien lag. Doch dort rechts fällt der Blick aus ein anderes Bild: ein einziges Bau werk hat man in dem Zustand der Zerstörung belassen, wie es aus den vier Kriegsjahren hecvorgegangen ist: die Tuchhalle, dieses monumentale architektonische Bauwerk vergangener großer Zeiten aus Pperns Geschichte. Den Schutt hat man zwar hinmegberäumt, und so stehen denn die einzelnen Säulen und eine gestützte Fassade ziemlich beziehungslos zu den übrigen fertigen Neubauten drum herum. Während des Krieges hat cs sicher nicht so gefegt ausgesehen zwischen diesen Mauer- und Säulenresten — und gerade dieses Gefegte, künstlich Geschonte dieser Ruinen wirkt ebenso komisch, so gezwungen aufreizend und verletzend initten in einer Stadt, die in ihrem sonstigen Gesamtbild den Wiederaufbangedanken direkt als erfüllt ver sinnbildlicht. Daß man es sonst ernst nimmt, wieder hrnwegzu- räumen, was durch den Zwang der Ereignisse zerstört und ver nichtet wurde, das zeigt unmittelbar hinter der Tuchhalle dle im Aufbau schon weit vorgeschrittene herrliche Kathedrale. Hoffentlich ersteht auch auf dem Platze der Tuchhalle im Laufe der nächsten Jahre ein neuer würdiger Bau an Stelle der Ruinen, die nur alte bittere Gefühle wachzurufen imstande sind, was in unseren Tagen mehr und mehr vermieden werden sollte, wenn man so viel Wert daraus legt, alte Wunden für immer zu heilen. Daß man zu alledem an diese verwitterten alten Säulen Reklametafeln von Kinofilms und Tanzvergnügen angelehnt hatte, fand ich schmerzlich gefühllos — aber im Zeichen des wirklichen Charakters, der augenblicklich diese neu aufblühende „Martyrerstadt des Weltkrieges" beherrscht. Ppern iü letzt eingestellt auf das Eelckäft mit den LrLmden. die diele Stadt besuchen kommen. Es lebt von diesem Fremdenverkehr, der Geld in diese Stadt hineinbringt, wie es in ocn Jahren vor dem großen Krieg in diesem Maße lange nicht der Fall war. Auf dem Wege zum Bahnhof fehlt es daher auch nicht an den nötigen Geschäften, die dem meist aus England gekommenen Fremden ihre Souvenirs verkaufen wollen, auf die ich gerne verzichten konnte. Trotzdem schon 10 Jahre verstrichen sind, seit ich Pperns Umgebung nicht mehr sah, brauche ich immer noch kein Hilfsmittel, das die Erinnerung an diese blutigen Kämpfe durch geschliffene und gravierte Granatsplitter stützen müßte, die letzlich ein Hohn sind aus die dort auf beiden Seiten in ehrlichem Kamvf gebrachten Opfer. Den Gang in das Kriegsmuseum hätte ich mir auch sparen können, denn dort sieht man nur einige verrostete Gewehre, Seitengewehre »nd alte Stahlhelme. Aehnliches mußte ich nämlich spater auch aus dem Bahnsteig zu meinem Verdruß sehen, wo einige halb wüchsige junge Ausländer mit verrosteten Seitengewehren ver schiedener Herkunft besonders pietätvoll zwischen Schotter und Schlacken herumstocherten — das waren wahrlich reichlich große Souveniers von besonders ausgewähltem Geschmack. Am Vahnhofsplatz hat man — offenbar zur Begrüßung ankommenden Fremden — einen zerschossenen Tank und zwei schwere Haubitzen deutscher Herkunft aufgestellt. Ich muß sagen, diese Dinger paffen gar nicht mehr in diese fahnengcschmückte Fassade moderner Hotels im Gegenüber, wo man z. Zt. für ein einfaches Mittagessen das Doppelte hinterlegen muß, wie es in dem sonst nicht teuren und auch anderwärts wieder sehr gast freundlichen Belgien üblich ist. Ich war froh, als ich wieder im Eisenbahnzug saß und Ppern hinter mir verschwand. Seitwärts gegen Südwcstcn grüßte der Bergrücken des Kemmel herüber, auf dem jetzt ein Belfried steht und bis zu dessen Fuß von Ppern aus eine Klein bahn fährt. Der Zug sährt nach einer großen Schleife am Zillebecker See vorbei und ist bald in Zonnebccke, wo man sich wirklich freut, daß hier jetzt nur noch Zeichen des Aufbaues und des versöhnenden Vergeffens zu sehen sind. In Roeffelacre habe ich Aufenthalt — man trinkt dort wieder ein guets deutsches Bier — und nach einer halben Stunde besteige ich den Zug nach Brügge und bereits» zwei Stunden später stehe ich wieder am schönen Strand von Blankenberghe, erfrischt von der abend lich küblen Brise einer allmäblick lick verebbenden See.
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