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Und V^1586N 8Lclis>8cIie Vo>I<526llun^ Aus dem Inhalt, Heinz Wulfs: Kirchweih im bayerischen Oberland. Josef Flür: Leichter SlbschieÄ. Albert Leitich-Wien: „Dänvmerung senkte sich von oben." Johann Dietrich Warnken: Wiederftnden. Franz Cingia: Heimat. Gertrud Maaßen: Alle unsere Tage, z. Adams: „JÄ>e — Jedes. . . KirchweihimbWerischenSberland Von Heinz Wnlsf. Papst Gregor der Grosze war ein bedeutender Mann. Der vie Welt kannte und wußte, daß die Menschen nicht alle schnee weiße Engelein sind. Papst Gregor also schrieb im Jahre 601 in einem für einen Missionsbischof bestimmten Brief: „ Sie — das sind die Heiden — pflegen ihren Göttern Stiere zu schlach ten. Deswegen muß man ihnen an Kirchweih oder den Namens festen der heiligen Märtyrer, deren Reliquien in den Kirchen niedergelegt sind, schon eine Freude machen. So sollen sie sich rings um die Kirchen, die an Stelle der alten Opserstätten er richtet sind, aus Zweigen Lauben bauen und das Fest mit feierlichen Schmausen begehen. Dann opfern sie wenigstens die Tiere nicht dem Teufel, sondern schlachten sie zur Ehre Gottes und denken beim Mahle dankbar des Spenders aller Dinge, der auch sie sättigt. Wenn man ihnen so einige äußere Freuden läßt, kommen sie vielleicht auch eher zum Verständnis der inneren Freuden." Es ist nicht anzunehmen, daß Gregor I. die Oberbayern ge kannt hat. Denn sie zählten noch längst nicht zu den Schäslein seiner Herde. Im Gegenteil! Sie lebten noch völlig in der fröhlichen Unbefangenheit ihres Heidentums. Das sich durch eine wohltuend strenge Aussassung in sittlichen Dingen aus zeichnete. Zäh find sie. die richtigen Bajuvaren, und halten streng am Hergebrachten fest. Und das mit den Schmäusen an Kirchweih hat sich trotz der über dreizehn Jahrhunderte, die dazwischen liegen, noch nicht verloren. Im Gegenteil! Viel von der eigent lichen Bedeutung des frommen Tages ist unserer schnellebigen Zeit, die mit Postauto, Telephon und Radio bis in die ent legensten Bergtäler dringt, zum Opfer gefallen. Der Kirta« schmaus aber ist geblieben. Mehr noch! geradezu zum Haupt inhalt des Festes geworden! Kirchweih ist herkömmlicherweise der Tag der gegenseitigen Besuche. Alle Verwandtschaft, alle Freundschaft weitum in der Runde, die sich sonst das ganze Jahr und länger nicht steht, wird erwartet und ist willkommen. Ohne Einladung! Denn jemanden auf d'Kirweih lad'n ist geradezu eine Beleidigung. Angeladen kommen sie alle. Die Vettern und Basln bis in» zehnte Glied, die Verwandtschaft aus der Stadt, die sich be stimmt zu diesem Tage in der Heimat wieder zusammensindet, die Tauf- und Firmpaten — Goden geheißen —, alte Schul-, Wander- und Mtlitärkameraden. Und weil man deshalb nie weiß, mit wessen Besuch man zu nechnen hat, richtet man sich halt auf möglichst viele ein. Denn reichen muß es! Und fertig werden wird man damit schon, auch wenn nur wenige kommen. Und was ein richtiger altbayerischer Magen ist — Respekt! Der verträgt manch wohlgewogen Pfündlein, ohne daß man des wegen gleich an „Freh-, Sauf- und Völlerei" zu denken braucht. Eines Abraham a Santa Clara und zahlreicher, vorzugsweise ländlicher Pfarrer hierauf bezügliche Predigten zeugen davon, die sich weniger durch hohen Flug der Gedanken als durch eine herzerfrischende Drastik auszeichnen. Deswegen find die Tage vor Kirchweih so recht eine goldene Erntezeit für die Metzger! Da tritt die Bäuerin mit einem Wunschzettel an, als ob sie ein Regiment zu verpflegen hätte. Ochsenfleisch für die Suppe und Milz und Leber. Dann ein Voressen, man sagt auch Kutteln. Und Schweinsbraten. Und Kalbsbraten. Die Göckerln, Enten und Gänse liefert der eigene Hof. Denn dreierlei Fleisch muh es auf Kirchweih geben! So ist es der Brauch. Und der Bauer, oder gar der Vater im Austrag würde schön schauen, wenn sie hiervon abweichen wollte. Und Eselchtes und Wiirscht in ge ziemender Menge. Vor jedem Fest ist harte Arbeitszeit für die Hausfrau. Be sonders aber vor Kichweih, weil da die Gäste kommen. Und denen muß Haus und Hof, Stall und Scheune voll Stolz gewiesen werden können. Und so stürzen Ströme von Seifen wasser über alle Räumlichkeiten wie ein« zweite Sintflut, und das Weibervolk weiß vor lauter Schrubben und Putzen nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Am Vorabend aber glänzt alles in strahlender Sauberkeit und der frisch« Geruch der Seife mischt sich mit dem Duft der Kirta-Nudeln, die in dem siedenden Butterschmalz auf- und niedertanzen, bis sie zu der vorgeschriebe nen knusprigen Bräune gediehen find. Dann türmen sie sich zu Gebirgen, die das Ziel begehrlicher Wünsche für di« kleinen Wie selig sind die Tage voll vom Lichte, Voll von des Sommerhimmel» letzter Bläue» Die wie mit gütig-liichelndem Gesicht Herniederschaut auf unsere Ernteweihe. Ho selig find die Tage und so mild, Daß man sich fühlt so froh fast wie im Maien, Ja, sel'ger noch, obgleich sich schon erfüllt, Was Mai geweckt zu lieblichem Gedeihen. Erfüllung ist's. Drr Herbst grüßt schon von fern; Doch träumt man süß noch durch die gold'nen Tage. Man weiß: Der Sommer kcheidet, ach, nicht gern; Doch besser ist's schon, er geht ohne Klage. Dann wird auch uns der Abschied nicht so schwer. Als wenn mit düstrem Blick er von uns scheidet; Die Felder sind dann und die Bäume leer, Eh' uns de» Sommer» liebe Sonne meidet. äosok klar. Bubn und Dirndln bilden. Und während sich so die Hausfrau noch abrackert, um nächsten Tags den Gästen würdig aufwarlen zu können, ist das Mannsvolk emsig dabei, die Festtagsmontur herzurichten, und pfeift dabei vor lauter Lebensfreude vor sich hin, daß die Stalldirn dem Kuchclmensch einen bezeichnenden Rippenstoß gibt und kichern. Ja, ja, morgen is Kirta! Am zeitigen Morgen krachen die Böller über das Dorf hin. Anders tut man es hierzulande an Festtagen nicht! Glasklar, in unwirklich zarten Farben wölbt sich der Himmel und blickt prüfend herab, ob auch alles nach altem Brauch und guter Sitte gerichtet ist. Aber nichts ist auszusetzen. Aus dem Schalloch des Kirchturms hängt wie immer die Kirchweihsahne in die unbewegte Lust und gleicht akkurat dem roten Fahndl mit dem weißen Kreuz, welches das Osterlampl am Auferstehungstag« trägt. Aus allen Häusern und Höfen strömt es zuhauf. Di« Frauen im Festtagsgewand, mit seidenem Schurz und dem gol denen Geschniir. Die Männer im neuen Janker, mit dem grün- samtenen Giletwestenleibl und den langen grauen Hosen, an denen breite, grüne Paspolen herablaufen, wie ehedem die roten Hosenstreifen bei den Schwalangschers, von denen man jeden für einen leibhaftigen General hätte halten können. Und richtig! Von den Männerhüten brennt in leuchtender Glut der Geraniumbuschen. Noch ein neugieriger Blick in die Wirts häuser. Aber auch da ist alles in Ordnung. Die Weißwürscht harren schon im matten Schimmer ihrer grauen Häute des Augenblicks, da der Priester mit dem gesungenen „Its, wi-,a e»t" die Gemeinde entläßt. Denn dann müssen sie in den Kessel wandern, um nach dem Hochamt der Menschen Herz zu erquicken und so doch mittelbar zu Gottes Lob beizutragen. Währenddessen steht die Hausfrau schon wieder mit hitze geröteten Wangen am Herde und unter ihren fleißigen Händen entstehen Hekatomben von Knödeln Ihr zur Seite hebt Butzi, der Hund, andächtig feine Nase dem herb-würzigen Ruch des sich im Rohr bräunenden Schweinsbratens entgegen und wird von quälenden Zweifeln geschüttelt, ob er diesem oder dem lieb lichen Duft des sich allmählich mit einer köstlichen Kruste ein- hüllenden Geflügels den Vorzug geben soll. Nach dem ausgiebigen Mahle, das die Schar der Gäste ver sammelt hat, breitet sich sattes Behagen üHer jegliche Kreatur. Es ist so recht der gegebene Augenblick, um jahrealte Händel für immer beizulegen oder einen noch vom Großvater her schwe benden Prozeß endgültig zu Grabe zu tragen. Nur für das Jungvolk ist keine Zeit, müßig zu sein. Das beweist schon die brennrot« Nelke, die manchen Burschen unter nehmend hinter dein Ohr steckt. Am Kirtanachmittag gehen die Liebesleute zum Met! Dieser uralte germanische Trank hat auch heute noch nicht im altbayerischen Lande seine Rolle aus gespielt. Bei dem gegorene» Honigwein, bei leckeren Lebzelten oder bei dem Liebesorakel mit Nüssen und Semmel ist mancher Bursch mit seinem Madl einig geworden und manche Ehe zu standegekommen. Lange aber hält es die Jungen nicht in der lauschigen Zweisamkeit beim Metsieder und Lebzelter. Den» aus dem Wirtshaus lockt die Musik. Der weiche Ton der Hörner, das vergnügte Dudeln der Klarinette geht ins Blut. Kirta- tanz! Da wirbelt das Jungvolk durcheinander, daß die Röcke fliegen und die Dielen dröhnen. Die Juhschreie gellen durch den Saal, und Lebenslust und Lebensfreude suchen nach der „Nümmrung senkte sich von oben" Eine Erzählung aus dem Lebe» von Johannes Brahms. Von Albert Leitich-Wien. Im „Silbersaal" des Musikvereinsgebäudes hatte der Wiener Tonkünstlerverein einen Festabend zu Ehren der vor übergehend anwesenden Meister Liszt und Rubinstein ver anstaltet. An der langen, hufeisenförmigen Tafel war für mehr als hundert Teilnehmer gedeckt; die Ehrenplätze prangten in Blumen und Blütenschmuck, alt und jung war im festlichen Kleid» «schienen. Schon war das Bankett im Gange. Zuoberst saß Liszt, strahlend in Liebenswürdigkeit und Huld, von einer Schar schöner Damen umringt; auch Rubinftetn war heiter und gesprächig. Als sich der Präsident des Tonkünstlervereins eben anschickte, den Mllkommensgruß zu sprechen, erschien ein breiter kräftiger Mann mir einem stattlichen Schnur- und Vollbart, mit mächtiger Stirne und jugendfrtschen, durch das scharfe Glas der Brille hellstrahlenden Augen; er vermied es, den Saal zu durchqueren, und nahm am unteren Ende der Tafel Platz, wo sich eine An zahl jüngerer Musiker angesiedelt hatte. Während der offiziellen Ansprachen hatte der Neuange kommene reichlich mit dem Putzen seiner Gläser zu tun, denn ein scharfer Nordost fegte durch die Straßen, und der warme Dunst des Saales beschlug die Brille mit Tau. Schon nahten einige Herren des Ausschusses, um den Gast zu bewegen, einen für ihn bestimmten Platz in unmittelbarer Nähe der Festgäste einzunehmen. Vergebens. „Ach was," zetterte er, „hier gibt's keine Faxenmacheret und keine Rangsklassen wie an einem Fürstentische; wir sind unter uns, Sie der X. und Sir der Herr P.» und ich bin der Herr Bahms. Danke schönstens; amüsieren Sie sich weiter!" Die Herren mußten unverrichteter Dinge abziehen; als je doch bald daraus Rubinstein erschien und Brahms freundlich begrüßte und mit sich fortzog. da mußte er wohl oder Übel folgen. Er tauschte mit Liszt einen flüchtigen Händedruck und einige höfliche Worte, aber nur um bald wieder, den Tisch umkreisend, seinen früheren Platz bei dem jungen Volke etnzunehmen und den weiteren Abend daselbst zu verbleiben. Toast folgte auf Toast, Sektpropfen knallten, und die Ge müter erhitzten sich immer mehr und mehr. Eine berühmte Pianistin wurd« von der Idee erfaßt, sich ein greifbares Andenken an den unvergleichlichen Abend zu sichern und ihr Medaillon mit Haarstückchen zu füllen, die von den Häuptern der anwesenden Großmeister geschnitten werden sollten. Sie beugte zuerst vor Liszt da, Knie und fand Gewährung; sanft neigte sich da» greise Haupt, und ein rascher Scherenschnitt eroberte da» Kleinod. Auch Rubinstein hinderte den zarten Raub an seiner Löwen mähne nicht, und nun näherte sich di« Dame dem dritten Meister. Aber Brahms, der solche „Alfanzereien" haßte, weigert« sich entschieden, und kein Schmeichelwort aus holdem Munde ändert« seinen Entschluß. Anscheinend gekränkt zog sich di« Pianistin zurück, aber der Wille der verwöhnten Frau war nicht so rasch zu beugen. In einem günstigen Augenblick nähert« sie sich hinterrücks mit ihrer kleinen Waffe und wollte gewaltsam und verstohlen von dem Besitz ergreifen, was ihr Brahms versagt hatte. Die Spitze der Scher« kitzelte aber de« Meisters Nacken, unwillkürlich griff er nach rückwärts und riß sich di« Hand blutig. „Pfui, was sind das für Dummheiten!" rief der ,nt- rüstete Tonkünstler aus; tm Nu griff er nach d«m Hut« und verließ den Saal. — Einige Tage später war Johannes Brahms bei seinem Freunde Billroth zu Gast; der berühmt« Operateur halt« sich ein hübsches Familtenhaus mit Garten gekauft und veranstaltete gesellige Abend«, an denen man da» Best«, was es a« Kammer musik und intimer Gesangsmufik gab, t« yollendeter Weif« zu hören bekam. ^ Al» sich Brahms empfahl «ar es schon ziemlich spät. I Der erste Frost war gekommen, vereinzelt« Schneekristall« ' blitzten auf dem Asphalt, die Telegraphendrähte hingen weiß- gezuckert in der von spärlichen Lichtern erhellten Luft. Als Brahms mit Freund Epstein, dem Mildgesinnten. Liebenswürdigen, durch die enge Gaffe dahinschritt, rief plötzlich der Tondichter: „Halt an!" Da lag längs der Mauer, anscheinend ohnmächtig, ein an ständig gekleideter Mann; Schneeflocken schlugen ihm ins bleiche Antlitz, und nichts war begreiflicher, als daß die Freunde hilf reich Zugriffen. „Rufen wir doch einen Schutzmann herbei", riet Brahms. „Wo denken Sie hin", meinte der vorsichtige Epstein» „wollen Sie, daß der Arme auf eine Wachstube gebracht wird, und daß sich indessen seine Familie daheim zu Tode ängstigt? Sehen wir doch selbst, was sich tun läßt." Der Mann wurde aufgerichtet. „Wo wohnen Sie?" forschte Brahms, Aus d»n fahlen Lippen kam nach langen vergeblichen Be« mühen drr Name einer ziemlich entlegenen Straße, sowie die betreffende Hausnummer hervor. Also frisch angepackt l Der beleibt« Brahms und der schlanke Epstein nahmen den Mann vorsichtig und mitleidig unter ihre Arme und nun ging's holterdipolter durch Sturm und Frost hin aus in di« Vorstadt. Endlich war da» Hau» erreicht. Nach wiederholtem Läuten erschien langsam der schlaftrunkene Hausmeister mit Torschlüssel und Laterne. „Gehört dieser Herr hierher?" so lautet die Frage der be sorgten Retter. „Ja. oben im vierten Stock." „Bitte, lieber Mann", flehte Epstein, „helfen Sie uns doch den Mann hinaufzubrignen. Sie sehen ja — krank!" Der Hausmeister murmelt« einige unverständliche Worte, erklärt« dann aber kurz und bündig, daß er hier in der Nähe de» Tores bleiben müsse und die Herren sich schon selbst „hinauf, bemühen" möchten. Schritt für Schritt ging es mühselig die Treppe hinan. Da plötzlich, bevor das oberste Stockwerk erreicht war, er schien am Geländer ein f»rie»-'tt!"«>-> West», flatternden Haares^