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Nummer 213 — 27. Jahrgang ltrnietnl «mal wSitzenil. mit »en tllustr. Bratlibellaoen .Die Seil' »nd .Für unler« Nein«« Leute'. I»w>« den rerldellagen ,B«. Veimo-BIatt'. .Unterhaltung und Wissen'. .Die Welt der Frau', .»lerzlllcher Ratgeber'. Da» gute Buch' .FUmrund. libau'. Monatlicher B«,ug»vr«tS s Ml. etntchl. Bestellgeld, kinzelnummer 10 Sonnabend» u. Sonntagnummer SV Hauvtschrtltletter! 2>r. w. Lebezhk, Dresden. SüchWie Dienstag. 18. September 1928 >v«elagSor«i Dresden Anzetgeupretsei Die igelvaltene Petit,eile »O Familten- an,eigen u.Stellengeluche S04. Die Petitrellamezeile. 89mm breit. I Für Anzeigen außerhalb des BerbrettungsgebicleS -tt»Z. die P-titreNamezetle I.»v^.0ff-rl-ngeb.»N ^. In, Fall« HSHerer Bemalt eritlcht ,ede Bervllichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. An,eigen.Austrügc» u. Leistung v. Schadenertad» Belchüttltcher Tell- Artur Len,. Dresden. «Seschttstsstelle, Druck u.lverlag: «ermania. A^B. l ür Verlag und Druckerei. Filiale Dresden, Dresden.«. >. Polierstrab« 17. FernrulLIOill. Boltlcheckionto Dresden »70^ Aaullonto Stadtbans Dresden Rr 81719 Für christliche Politik und Fiullur Redaktto» der Sächsischen BolkSzettung Dresden.Altltad! l Polterstrabe t7. aernrn M7II „nd »101?. Der Partettag in Chemnitz Ein voller Erfolg Dresden. 17. September. Der außerordentliche Parteitag, den die Sächsische Zentrumspartei am gestrigen Sonntag in Chemnitz abgehalten hat, war in jeder Hinsicht ein Erfolg. Schon dem äußeren Rahmen nach. Zum ersten Male hatte der Landesvorstand die Tradition verlassen, die sächsischen Zentrumsparteitage in dem zen tral gelegenen Dresden abzuhalten. Er ging dabei von der Erwägung aus, daß ein regelmäßiger Wechsel des Ortes geeignet ist, der Parteiarbeit in den von der Lan deshauptstadt entfernt liegenden Wahlkreis-Organisatio nen neue Antriebe zu geben. Demgegenüber stand das Bedenken, daß eine außerhalb Dresdens abgehaltene Ta gung immer nur von einem Teil der Organisationen be schickt werden könnte. Dieses Bedenken ist durch die gestrige Tagung zerstreut worden. Der Parteitag in Chemnitz wies einen ganz ausgezeichneten Be such auf, nicht nur aus Siidwestsachsen und aus dem Leipziger Kreise, sondern auch aus Ostsachsen war die Vertretung wider Erwarten stark. Der Saal des „Mei stereck" mar lange vor Beginn überfüllt. Die Partei leitung wird nach diesem gelungenen ersten Versuch nun regelmäßig auch außerhalb Dresdens Tagungen abhal ten, die für die gesamte Sächsische Zentrumspartei be stimmt sind. Weit bedeutsamer als dieses äußere Gelingen war der i n n e r e G eha I t der Referate und der Aussprache. Der Gedanke, an den Anfang der Parteiarbeit dieses Winters eine Tagung zu stellen, die der Selbstbesinnung und Entschlußfassung über den weiteren Weg dienen sollte, hat sich als richtig und nützlich erwiesen. Die Be ratungen haben gezeigt, daß die Zentrumsanhängerschaft in Sachsen gewillt ist, aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen und mit gesammelter Kraft an die Weiterarbeit zu gehen. Besondere Tiefe und Freudigkeit erhielt die Arbeit des Parteitages durch die Teilnahme des Führers der Reimporte!, des Reichskanzlers a. D. Marx. Seine klaren und weitschauenden Gedanken, seine gütige und liebenswürdige Art, seine reiche Erfahrung und nicht zu letzt sein rheinischer Humor führten die Beratungen von Anfang an auf eine erfreuliche Höhe. Die sächsischen Par teifreunde haben dem ehemaligen Reichskanzler auch kei nen Zweifel darüber gelassen, daß ihre Liebe und Ver ehrung für ihn nichts eingebiißt hat durch die Angriffe, die man im letzten Jahre außerhalb und innerhalb des Zentrums gegen ihn gerichtet l>at. In Marx sehen wir den Führer bei dem großen kulturpolitischen Ringen, in dem der Ientrumspartei besonders wichtige Aufgaben er wachsen, und dieser Führer soll er trotz aller Widerwär tigkeiten bleiben! Der Parteitag in Chemnitz hat bei allen Teilneh mern ein starkes und beglückendes Gefühl der Zuversicht hinterlassen. Mögen seine Gedanken nun ausgewertet und sortgeführt werden in eifriger Kleinarbeit. Die Verhandlungen des Parteitages wurden 11.35 Uhr durch den Vorsitzenden der Sächsischen Ientrumspartei, Regie rungsrat a. D. Dr. Flügler eröffnet. Der Vorsitzende der Ortsgruppe Chemnitz, Schuldirektor i. N. Grohmann gab feiner Freude darüber Ausdruck, daß der Parteitag nach Chem nitz gelegt worden sei. Der starke Besuch der Tagung zeige den Erfolg dieser Maßnahme, die auch für die lokal« Organi sation einen neuen Ansporn bedeute. Reglerungsrat a. D. Dr. Flügler kennzeichnete die Lage und die Erwägungen, die zur Einberu fung des Parteitages geführt hätten. Die letzte Reichstags wahl sei zahlenmäßig kein Erfolg für das Zentrum gewesen, lieber die Gründe gelte es Klarheit zu gewinne». Wichtiger aber sei es, die Dinge besser zu mache». Nur eine klare unzweideutig weltanschaulich orientierte Politik sei geeignet, das Zentrum in alter Stärke wieder auf- zurichten. Davon sei gerade die Wählerschaft in Sachsen über zeugt. wo vielleicht mehr als anderwärts die weltanschauliche Einstellung maßgebend sei für die Zugehörigkeit zum Zentrum. Wer insbesondere als Katholik die politischen Vorgänge beur teile, für den sei es von überragender Bedeutung, daß die prak tische Gestaltung der Entwicklung in unserem Vaterlande den Grundsätzen katholischer Lebensanschauung nicht zuwiderlause. Dafür zu arbeiten, das sei bedeutsamste katholische Aktion. Marx über Sie Lage DaS Hauptrcferat aus dem sächsische» Zentriimspartkitag ln Chemnitz hielt Reichskanzler a- D. Dr. Marx, der Vorsitzende der Deutschen Zentrnmspartei. Er führte unter dem Beifall der Versammlung etwa folgendes auS: Der Ausfall der letzten R e i ch s ta g s wähle n hat im allgemeinen eine Krisis der sogenannten „Alten Parteien" er wiesen. Die Tatsache, daß über lO Millionen deutscher Wahlberech tigter von ihrem Wahlrecht keine» Gebrauch gemacht haben, und daß über eine Million Wahlberechtigter ihre Stimmen für Kandidaten der sogenannten „Splitterparteien" abgegeben haben, auf die kein Abgeordneter entsallen sei, zeigt eine geradezu unverantwortliche Verkennung der ernsten Pflichten, die dem Bürger einer demokrati schen Republik obliege». Die radikalen Parteien, die i» der Opposition stehen, können sich mit Recht rühmen, alle ihre An hänger an die Wahlurne gebracht zu haben. Wenn sich jetzt vielleicht manche deutschen Wähler über das gewattige Anschwellen der sozial demokratischen und kommunistischen Parteien wundern, so muffen diejenigen, die sich der Stimme enthalten haben, wenn sie offen gegen sich selbst sein wollen, sich sagen, daß sie selbst die Hauptschuld an diesem Ergebnis tragen. Das Ergebnis der letzten Wahl zeigt deut lich, daß «in grvßer Teil des deutschen Volkes einen bedauerlichen Mangel an staatsbürgerlicher Schulung zeigt, keine»' Sin» dafür hat, daß der Staat nicht etwas vom Volk Entferntes oder Fremdes ist. sondern daß das Volk der Staat selbst Ist. Staatsbürgerliche Schulung tut auch der Zentrumswählerschaft not. Wir haben uns vielleicht zu sehr auf die Betonung parteipoli tischer Gesichtspunkte beschränkt, und überseben, unsere Wähler an die grundsätzliche Beurteilung politischer Maßnahmen zu ge wöhnen. Und doch ist es gerade für die Zentrumspartei so besonders leicht, diese Grundsätze für die Betätigung im politischen Leben aus unserer Weltanschauung zu entnehmen. Allzusehr ist die Tätigkeit im Volksverrin für das katholische Deutschland in den letzten Jahre» auch von de,, Abgeordneten vernachlässigt worden. (Sehr richtig.) Gerade er hat sich seit Jahren und nach der Absicht seiner Gründer durch Schrift und Wort darum bemüht, eine grundsätzliche Einstellung des Volke» z» den wechselnden Fragen des politischen Lebens zu erleichtern und herbeizuführen. Er ist die be rufene Stelle, um die gerade in unserer Zeit so überaus wichtige Seite der Fragen des öffentlichen Lebens, nämlich der grundsätz lichen, zn betonen »nd richtig darzustellen. Die parteipolitische Ge staltung der Dinge hat er stets der Partei als solcher überlassen. Mangel an staatsbürgerlicher Schulung verrät auch die Er fahrung, daß das deutsche Volk denjenigen Parteien am wenig sten dankbar ist, die sich gerade durch Beteiligung an der Re gierung auch in den schwersten politischen Zeiten und Lagen um sein Wohl am meisten verdient gemacht haben. Unsere Oppostions- pa r tei e » haben leider bisher noch sehr wenig nach dem Satze ge handelt, daß auch sic wertvolle Politik im Interesse des Staates treiben solle». Sowohl die Deutsch nationalen, solange sie in der Opposition waren, als auch die Sozialdemokraten haben ohne Rücksicht auf das Wohl des Staates, nur um Stimmen zu gewinnen, ihre Opposition in einer duräprus unzulässigen Weise auSgeübt. Wir haben gesehen, daß die Drutschnationale Partei aus großen Widerstand ihrer Anhänger stieß, als sic genötigt war, sich als Regierungspartei an die Staatsnotwendigkeiten zu halten. Die Sozialdemokratische Partei entgeht nicht demselben Schicksal. Sie ist heute, das haben die kommunistischen Gegner mit großer Bosheit benutzt, sogar genötigt, gegen die Anträge zu stimme», die sie selbst vor nicht allzu langer Zeit in der Opposition gestellt hat. Abgesehen von dem bisher AnSgeführtc», ist der Verlust der Zentrumsstimmen in erster Linie mit auf die Uneinigkeiten zurückzusühren, die über manche wichtigen Fragen in den führenden Kreisen des Zentrums und der Fraktion bestanden haben. Wenn einmal, wie es im Januar 1927 der Fall war, die Fraktion als solche, und zwar einstimmig die Beteiligung an der Negierung be schlossen hat, dann geht es nicht an, daß Teile der Partei und namentlich auch der Presse unausgesetzt Kritik au diesem Vorgehen üben. Eine ruhige und ovjcktive Beurteilung der hinter uns liegen den Vorgänge wird nicht leugnen können, daß die im Januar 1927 erfolgte Aufnahme öeulschnationalcr Minister in die Negierung eine Folge schwerer politischer Fehler der Sozialdc m o - kratic gewesen ist. Und ferner, daß die Mitwirkung der Dcutsch- nationalen sowohl in allgemein politischer Beziehung als auch auf sozialem Gebiete durchaus Wertvolles zustande gebracht. ES Hot ferner nach meiner Beurteilung der Dinge allzusehr an enger Verbindung zwischen dem Z e n t r u m za b g e- ordneten undderWählerschaft gefehlt. Ein Mange!, der gewiß eine weitgehende Entschuldigung findet in der überaus gro. ßen Inanspruchnahme der Abgeordneten durch die fast ohne Panse weitergehenden Arbeiten der Parlamente, der aber auch eine Folge unseres Wahlgesetzes ist. Ich hoffe zuverlässig, daß eine Ver besserung unseres Wahlrechts sobald als möglich, sei es von der Regierung vorgcschlagcn, sei es von der Zenlruinspartei angeregt, durchgeführt wird. Unsere auswärtige Politik steht im Vordergrund un seres Interesses. Außerordentlich bedauerlich ist der geschwächte Ge. sundheitszustand unseres Außenministers Dr. Stresemann, dcni ich auch an dicscr Stelle eine möglichst baldige Wicdcrlicrstt'snng seiner Gesundheit wünsche. Dr. Stresemann gebört nicht unserer Parteirichtting an. Er hat aber die Außenpolitik, die von Herrn Dr. Wirth eingclcilcl worden ist, die Politik der Verständigung und des Ausgleichs, konsequent und mit einem gewissen Erfolge weitergeführt. Seine Außenpolitik hat sich während meiner Kanzler schaft in steter Uebcrcinstinimung mit meinen Planen und Absichten bewegt. Soweit sich bisher urteilen läßt, Hot uns Reichskanzler Müller in Gens ausgezeichnet vertreten. Man darf aber trotzdem die Frage auswerfen, ob nicht die Dinge in Genf anders gelaufen wären, wenn Dr. Stresemann anwesend gewesen wäre. In der Politik spielt auch das Persönliche eine große Rolle. Man müsse freilich bedenlen, daß die außenpolitischen Widerstände und die zu überwindende» Schwierigkeiten ganz außerordentlich große find. Und ei» oft betonter Irrtum wird wohl jetzt nach de» Vorkommnissen in Genf endgültig erledigt sein, der Glaube nämlich, dak eine sozialdemokratische Negierung in der Durchsetzung der Herzenswünsche des deutschen Volkes, insbesondere dcr Ränmnng des besetzten Gebietes erfolgreicher sein würde, als eine anders zusammengesetzte Regierung. Jetzt wird sich wohl überall die Erkenntnis durchgesetzl habcn, daß es den französischen Machthabern leider an der psvchologischen Einstellung fehlt für die große Aufgabe, die ihnen durch den Lauf der Weltgeschichte und die Ereignisse der letzten Jahre zugcsallcn ist. Die Zukunft wird ein hartes Urteil über so viele jetzt sich ihrer Machtbefugnisse stolz erfreuender Regierungen stellen, daß sie den Augenblick zur Anbahnung wahren Volker- fr i e d e n s und des für di« Wohlfahrt aller Nationen so wertvollen Weltfriedens kurzsichtigt versäumt haben. (Fortsetzung nächste SeileN In Fragen, die grundsätzliche Forderungen der Welt anschauung berühren, darf es für uns keine Kompromisse geben, auch auf die Gefahr hin, daß einmal das Zentrum nicht in der Regierung Mitwirken kann. Von der Weltanschauung muß auch ausgegangen werden, wenn zwischen den heute übergroßen Interessengegensätzen ein Ausgleich gefunden werden sott. Grundsatz des Zentrums ist es von Anfang an gewesen, sich nicht zum Diener der Interessen eines einzelnen Standes zu machen. Jeder Versuch, in dieser Hinsicht die Tradition zu ändern, widerspricht dem Lebensinteresse der Partei. Ein Volk von der wirtschaftlichen Lage und der gesellschaft lichen Struktur des unseren hat eine wohlausgebaute und ver ständnisvolle Sozialpolitik nötig. Diese Sozialpolitik hat aber dort ihre Grenze, wo sie unsozial wirkt. Maßnah men, die geeignet sind, die Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen nicht nur zu mindern, sondern überhaupt aufzrcheben. wider sprechen den Grundanschauungen des Christentums. — Das Zentrum fördert eine Lohn- und Gehaltspolitik, die zum Ziele hat, den Lebensstandard zu erhöhen. Lediglich die Erhöhung des Nominaleinkommens genügt aber nicht zur Er reichung dieses Zieles. Gehaltserhöhung bei gleichzeitiger Steigerung der Lebenshaltungskosten bleibt wirkungslos. An solche einfache Wahrheiten, die vom christlichen Standpunkt aus völlig klar liegen? muß man heute wieder erinnern. Denn die Zukunft sieht für unser Volk keineswegs rosig und hoffnungsvoll aus. Unsagbar schwer lasten die Dawes-Zahlungen aus uns, die Lebenshaltung auch de» letzten Arbeitslosen wird durch diese Belastung verteuerl. Dazu kommt die unerfreuliche Entwickelung der außenpolitischen Dinge. Gerade angesichts außenpolitischer Schwierigkeiten hat das Zentrum stets in besonderem Maße Mut und Veistesgegen- wart bewiesen. Solches Bewußtsein der Verantwort lichkeit gegenüber dem gesamten Volke werde heute wieder von der gesamten Zenlrumsivählersci)oft verlangt. Die Partei müsse in sich geschlossen und zielklar sein, um mit gesammelter Kraft ihren großen Ausgaben dienen zu können. — Dr. Flügler begtühle zum Schlüsse den Hauptreferenten der Tagung, Reichskanzler a. D. Dr. Marx und gab seiner Freude darüber Ausdruck, den Borsitzenden der Deutschen Zentrumspartei in Sachsen begrüßen zu dürfen. Dr. Marx nahm dann das Wort zu grundsätzlichen Ausführungen über die politische Lage. (Wir geben diese Rede an anderer Stelle wieder.) Einleitend gab er einen Rückblick auf die Neichsiags- wahl vom 20. Mai. dankte für seine Nominierung als Spitzen kandidat in den sächsischen Wahlkreisen und würdigte die ver hältnismäßig günstigen Stimmenergebnisse in den Diaspora- Bezirken. — Die Rede wurde von der Versammlung mit großer Aufmerksamkeit und lebhaftem Beifall ausgenommen.