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Nummer 214 — 27. Jahrgang «,,«»«« «mal wichen«. «<t den Illuslr. »raNSbellagen ,D>, «,»' und .Für imsere «einen Leute', sowie den reitbeilaaen ,kt. denno-Bla«'. .Unterhaltung und Wissen'. .Die Well der Frau', .»lerzillcher Ratgeber' Da« gute Buch' .Mkmrund» tchan'. Monatlicher vezngSvret« S Ml. elnschl. Bestellgeld. Ikinzelnummer 1« Sonnabend- u. Sonntagnummer »0 Hauvtschrtstletler- Le. G. L«»e»hk. Dresden. ÄachUche Mittwoch. 19. September 192» Be»lagSor«r Dresden Die Igesvatten» PeNIzeile »0 Kaminen, »nzetgen ».Stellengesuche HO Die Pettrretlamezeile. 8»mm »reit. psnrAnzeigen aicherhalb de» Verbreitungsgebiete« ^ ^Eb-eNam-zelle l.NO^.Otfertengeb.SO^.Im gall- w.^nn^ eritlltz^ >ede Vervllichtung auf Lteserung towie «rmllung d. AnzeigetWAuttrbgen n. Leistung d. Schadenersatz. «>uuu»ng v. «nzetge»M«uttrbgen „. Leistung d. Schadenersatz. H'ichlistltcher Leil: Artn» Len», Dresden. NEssettuno <Sef»Sft»ft«ll«. Druck «.Verlag > «ermanta. i»^». ,ür Verlag und Druckerei, gtltale Drelden, DreSben-il.1. Polierstrahet?. ssernrnsSlvlll. Postlcheiklonto Dresden 77»'» Ranssontn Etndtban» Dresden Nr 5I71S Für chrifttiche Poltktk und Kultur - .Asdnktion der Sächsischen VolkSzettung DreSden-AItstadt 1 Polterstratze >7. vernein MI> n„t> rinig. Las Ziel der Vahlreform Das Reichsinnenministerium ist gegenwärtig, wie man hört, damit beschäftigt, den Entwurf einer Wahlrechts, reform auszuarbeiten, und man darf wohl sagen, dag diese Botschaft in der breiten Masse der deutschen Wähler mit ungeteilter Freude vernommen wird. Nach vielen Ent täuschungen - die Ankündigung der Wahlrechtsreform gehörte in den letzten Jahren zum eisernen Bestand fast aller Regierungserklärungen — stellt der deutsche Staats» bürger gerade andiesen Reichstag und gerade andiese Reichsregierung die laute Forderung, daß endlich eine Re» form zustande kommt, deren Notwendigkeit von keiner Seite mehr bestritten wird. Er will, daß die Entwürfe, die setzt ausgearbeitet werden, nicht wieder in Akten schränken verstauben, sondern hofft, daß mit herzhaftem spucken eine Aufgabe gelöst wird, die für die Weiterent wicklung und Leistungssteigerung der deutschen Demo kratie von einschneidender Bedeutung ist. Die Reform des Wahlrechts ist ein Teil jener Ee- sundungsarbeit, die zur Ueberwindung der vielgenannten Krise des Parlamentarismus erforderlich ist. Wir sind durchaus nicht geneigt, jene andere Ursachengruppe der Krise zu verkennen, die ihre Wirksamkeit aus dem geistig politischen Zustande des deutschen Volkes herleitet. Das Uebergangsstadium, in dem sich das Staatsgefühl vieler Zeitgenossen noch befindet, läßt manches begreiflich erschei» ncn: die fehlende Sicherheit und Zielstrebigkeit der staats politischen Orientierung, die Müdigkeit und Interesselosig keit, die ungenügende Schulung des in der res publica tätigen und verantwortlichen Staatsbürgers. Erziehungs arbeit und Selbsterziehung, die von bitteren aber wert vollen Erfahrungen unterstützt, allein an diese Seite des Problems heranreichen können, helfen uns erst auf weite Sicht, und wir haben wohl nicht die Zeit, untätig das Er gebnis eines langwierigen Entwicklungsprozesses abzu warten. Daher sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, auch gewisse technisch . organisatorischen Mög lichketten des Wahlrechtes zu nutzen, die geeignet sind, uns dem Ziele näher zu bringen. Hierzu ist um so mehr Anlaß geboten, als gerade von dieser Seite her auf die geistig-politische Haltung der Menschen starke Rückwirkun- gen zu erzielen sind. Was wir nämlich an unheilvollen Entwicklungen in unserem politischen Leben beobachten können, geht zu einem großen Teile auf die ungeahnten Folgen zurück, die das geltende Wahlrecht notwendig mit sich bringen mußte. Diese unbestreitbare Tatsache bedeutet umgekehrt, daß keine Reform uns die Möglichkeit geben wird, jene Folgen einzudämmen und schließlich auch ganz zu beseitigen. Wenn dies gelingen soll, dann ist keine Zeit mehr zu verlieren. Denn es könnte sonst geschehen, daß die Dinge sich bis zu einem Punkte zuspitzen, wo dem Gedanken des Politischen und damit auch dem demokratischen Staate ein nicht wiedergutzumachender Schaden zugefügt wird. Man muß sich einmal die Entwicklung vor Augen halten, die unser politisches Leben unter der Herrschaft des jetzigen Wahlrechtes genommen hat. In den Wahlen zur Nationalversammlung, die zum ersten Male im Zeichen des Proporzes und der Liste standen, haben etwa ein halbes Dutzend von Parteien eine parlamentarische Vertretung er zielen können. Die Netthstagswahlen vom 20. Mai d. I. führten dagegen etwa dreizehn Parteien in den Reichstag, und unter diesen befinden sich zwerghafte Gebilde, deren Wirksamkeit auch nicht die Spur eines politischen Gedan kens erkennen läßt. Das ist das Ergebnis eines Jahrzehn tes, und alles spricht dafür, daß es sich im progressiven Sinne weiter entwickeln wird. Die verhängnisvolle Wir kung des geltenden Wahlrechtes wird hier deutlich sichtbar: als eine Atomisierung unseres politischen Willens die sich unter Ausnutzung der gegebenen Möglichkeiten fortsetzen und zu einer heute noch nicht übersehbaren Zersplitterung führen muß. Man hat es mit der Einführung dieses Wahl rechtes zweifellos recht gut gemeint. Dem deutschen Volke, das zu seinem größeren Teile bis in den Krieg hinein unter einem Klassenwahlrecht stand, wollte man in einer aller dings sehr anfechtbaren Auslegung des Begriffes Demo kratie das „gerechteste und freieste Wahlrecht der Welt" geben. Das Parlament sollte ein Querschnitt durch das ganze Volk sein. Alle politischen Regungen und Strebun gen. so eng begrenzt ihre Bedeutung und Wirkung auch sein mochte, sollten In ihm sichtbar werden. Das viel farbige Bild des Volkes sollte in verkleinertem Maßstabe und in naturgetreuer „Verhältnismäßigkeit" in das Parla ment hineinprojiziert werden. In solcher Gerechtigkeit sah man die stärkste Garantin einer demokratischen Entwick lung. Es ist gewiß sehr edel gedacht, ein Uebermaß von Ungerechtigkeit durch ein Uebermaß von Gerechtigkeit ab- mttöken: aber vor der Gerechtigkeit gegenüber dem ein- Die heutige Nummer enthält die Klnderbeilage „F ü r unserekleinenLeute". Rheinland und Röumung „Keine Konkrvlle mehr — lieber Besetzung bis zum Ende" PrMak Kaas warnt Der deutsche Reichstagsabgeordnete Prälat Kaas, weicher als Vertreter der Zentrumspartei der Deutschen Delegation in Genf angehört, hat dem Korrespondenten des „Excel stör" in besonders glücklicher Weise die Gedanken auseinandergesetzt, mit welchen ein Rheinländer die jetzigen Verhältnisse versolgt. In seinem Interview hat Prälat Kaas seinen Pessimis- mus über die Aufnahme der deutschen These in Frankreich nicht verborgen. „Unmöglich", führte Prälat Kaas aus. „kann Deutschland die Frage der Rheinlandräumung mit der Echuldenfrage verquicken. Wir zahlen nicht die Repara tionen, weil die Franzosen am Rhein sitzen, sondern wril wir durch Vertrag hierzu verpflichtet sind. Der Gedanke, irgendeiner Kontrolle in den entmilitarisierten Zonen bzw. einer ständig an- wesenden Aussöhn ungskommission ist ein voll- kommen unannehmbarer Gedanke. Ganz Deutsch land wird bereits vom Völkerbund kontrolliert. Ich habe den Locarnovertrag abgeschlossen und den Kellogg-Pakt unter zeichnet. der für Deutschland vielleicht mehr bedeutet, als für die anderen Nationen, da er eine Art Sanktion des Status quo darstellt. Nun kommt Frankreich noch mals mit einer neuen Kontrolle. Niemals werde das Rheinland eine solche Kontrolle vertragen. Lieber wolle es die Besetzung bi» zum Lude ertragen." Auf den Einwand, daß das neue Komitee zweiseitige Funktionen hätte, antwortete Prälat Kaas: „Nein, die Zweiseitigkeit herrscht nur auf dem Papier. Was solle man überhaupt in Frankreich kontrollieren, da Frankreich das Recht habe, genau das zu tun, was ihm beliebt? Wie kann über haupt, so führte Prälat Kaas weiter aus. jemals zwischen beiden Ländern ein Vertrauen entstehen, wenn eines der Länder sich eine ewige Kontrolle vorbehält? Gr persönlich stehe auf dem Standpunkt, daß Deutschland nicht das Geringste ge. währen solle, um die Räumung der Rheinlands zu beschleu nigen. Das Problem der rheinischen Besatzung wird sich von selber totlaufen, falls Frankreich nicht einzusehen lernt, welche Vorteile es selbst von einer großmütigen Geste habe» werde. Das deutsche Volk ist viel sentimentaler, als man an nimmt. Gewiß würde die Räumung eine materielle Er leichterung bedeuten, aber der in einer spontanen Geste liegende Akt des Vertrauens würde für Frankreich einen viel größeren Wert besitzen. Die letzte Rede Briands habe das deutsche Volk ebenso enttäuscht wie verletzt. Man werde sie vielleicht vergessen, aber die gefühlsmäßige Seite der drutsch- sranzöfifchen Beziehungen habe einen starken Stoß erhalten. Immer noch ähnele die Stellung, die Frankreich dem Frieden Deutschland gegenüber einnimmt, einer sonst im Kriege üblichen Haltung. Jeder gräbt sich immer tiefer in fei«, Schützengräben ein. Briand habe auch die Stellung des Reichskanzlers Mülle, recht schwierig gemacht. Die Nationalisten Deutschlands seien entzückt hierüber. Was solle geschehen, wenn der Reichskanzler nicht mehr das Vertrauen Deutschlands behält? Die Haltung, welche Frankreich nach so vielen Bemühungen von deutscher Seite, mit dem französischen Volke zu einer Verständigung zu gelangen, einnimmt, habe es oft und tief enttäuscht. Vor allem ist die Besatzung ein Anlaß zu dauernder Feindselig keiten. Die fremdländische Besatzung drücke seelisch schwer aus die deutsche llniversitätsjugend, welche unter dieser Be lastung aufwächst. Insbesondere die Aeußerung Briands übe, die Möglichkeit einer schnellen Verwandlung der deutschen In dustrie in eine Kriegsindustrie sei sehr unglücklich ge- wesen. Aus einer Rundfrage, die er selber veranstaltet habe, sei hervorgegangen, daß eine derartige Umstellung nicht weniger als 15 Monate braucht, während welcher Zeit alle Garantien der Friedensverträge spielen könnten. So, schloß Prälat Kaas seine Ausführungen, macht die Besatzung der Rheinlande ein« wahre Annäherung, welche auf einer Gemeinschaft der Geister beruht, bnmöglich; und es ist bedauerlich zu sehen, wie der jetzige Status guo keineswegs eine bessere Zukunft vor bereitet. Wir hoffen, daß dasjenige, was auf geistigem Gebiets durch die Haltung Frankreichs nicht möglich wird, nämlich einen gemeinsamen Weg zu finden, wenigstens auf wirtschaftlichem Gebiete kompensiert wird." » Der Wirtschaftsausschuß für die besetzten Gebiete mit dem Sitz in Koblenz hat durch seinen Vorsitzen den, den Neichstagsabgcordncten Dr. Kalle, dem Reichs- minister für die besetzten Gebiete folgendes Schreiben zugehen lassen: „In der Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Wirtschaftsausschusses für die besetzten Gebiete, die am gestrigen Tage in Mainz stattfand und an der Vertreter der Handels kammern, der Handwerks- und landwirtschaftlichen Kammern ans dem ganzen besetzten Gebiete teilgenommen haben, kam als einmütige Auffassung zum Ausdruck, daß das besetzte Rheinland von der Reichsregierung erwarte, daß wegen einer früheren Räumung keinerlei über dir heute schon bestehen, den schweren Lasten hinauogrhende neue Verpsichtungen. wie etwa die Einführung einer Dauerkontrolle, zugcftanden werden. Ehe Deutschland neue Opfer zugcmutet werden, will das Rhein- land lieber die Besetzungsnot bis zum Endtermin tragen. Ich beehre mich, hiervon Kenntnis zu geben mit der Bitte, das Rcichskabinett von dieser Auffassung des Wirtschaftsausschusses für die besetzten Gebiete zu unterrü'tten." zelnen steht die Gerechtigkeit gegenüber dem Staat. Und ihm gegenüber ward jene zum höchsten Unrecht. Denn der Staat verlangt, wenn er seinen Funktionen gerecht werden will, ein Höchstmaß von Hand lungsfähigkeit für seine Organe. Diese wieder ist nur zu erzielen, wenn der politische Wille des Volkes in wenigen aber starken Gruppen verkörpert ist. Dem früheren Staate war die Handlungsfähigkeit von oben her gegeben. Der demokratische Staat kann sie sich nur selbst verschaffen: indem er von unten her aufbaut und zusammenfaßt. Diese Aufgabe ist der entscheidende Gesichtspunkt, unter dem die Franc der Wahlrcwrm — und des rechts überhaupt — betrachtet werden muß. Und diese Be trachtungsweise führt ganz von selbst zu der Erkenntnis, daß der Gedanke jener angeblichen „Ge rechtigkeit", die selbst dem politischen Eigensinn denWeg zumParlament frei- gibt, gar nicht brutal genug unterdrückt werden kann. Hier aufzuräumen, muß das Haupt- ziel der Wahlreform fein. Sie hat nur dann einen Sinn und führt nur dann zum Erfolg, wenn die verantwortlichen Reformatoren, unempfindlich gegen das laute Geschrei, das sich bei allen Nutznießern des jetzigen Wahlsystems er heben wird, zu dieser staatsklugen Brutalität bereit sind. In unseren Forderungen an die kommende Reform stellen wir diesen Gesichtspunkt einer klaren und einfachen staatlichen Willensbildung durchaus in den Vordergrund. Wir wollen der fortschreitenden Zersplitterung begegnen, der unser politisches Denken rettungslos verfallen zu sein scheint. Wir wollen eine Abkehr von jenem wirtschaftlichen Interessent»»! erzwingen, das unter dem bkeherioen Waül- recht zum Hauptantrieb dieser Zersplitterung geworden ist. Wir wollen, daß das Politische wieder zur gruppen bildenden Kraft unserer parteilichen Organisation wird und in breiten Strömen von unten her den Staats- Willen und seine Führung gestaltet. Die große Frage ist nur die, ob sich diese Ziele durch eine Reform erreichen lasten, die an dem System der Verhältniswahl festhält. Die Wege, die eingeschlagen werden sollen, führen, soweit dies bisher bekannt wurde, über eine Verkleinerung der Wahlkreise. Aber dieser an sich richtige Ge danke hat nur Sinn, wenn es gelingt, das Svahlverfahren so zu gestalten, daß der Gewinn eines Mandates den klei nen Parteien und neu entstehenden Gruppen unmöglich gemacht wird: damit wäre ihnen dann auch die Aussicht enommen, die Reststimmen auf der Reichsliste zur Erwer- ung weiterer Mandate zu verrechnen. Wir fürchten jedoch, daß die Konsequenz und Rück sichtslosigkeit, die die Durchführung dieses Gedankens er fordert, den Reformatoren des Wahlrechts nicht zur Ver fügung stehen werden. Ihre Arbeit würde dann ein Stück werk darstellen, das ohne entscheidende Wirkung auf die Gesundung unserer staatlichen Willensbildung bleiben würde. In diesem Falle würde allerdings bald der Zeit punkt kommen, wo nicht mehr von einer Reform des jetzigen Wahlrechtes die Rede wäre, sondern von seiner Beseitigung. Der demokratische Reichstagsabgeord- nete Lemmer hat sie vor einigen Tagen bereits im „Berliner Tageblatt" (Nr. 435) mit Gründen gefordert, deren Berechtigung kaum abgestritten werden kann. Auch in anderen Lagern und nicht zuletzt in den Reihen der Kentrumswäbler mehren sich die Stimmen, die sich für die