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^»Urgaug 1»« Ae lathoIWe Zrauenpersönlichkeil md die Aol der Zeit Helene Weber auf dem Magdeburger Katholikentag Im Arbeitsprogramm des Magdeburger Katho likentages war eine Zusammenkunft des Arbeitsgemein, schnstskreises für Frauenfragen im Saale der Freundschaft vor gesehen. Die unerwartete, so überaus zahlreiche Anteilnahme katholischer Frauen aller Schichten und Berufe gestaltete sie zu einer imposanten, eindrucksvollen Frauenver sammlung; der Saal erwies sich als viel zu klein und auch der große Saal, den man in letzter Minute haben konnte, war überfüllt — wohl der beste Beweis, wie stark die Anteilnahme der Frauen für weltanschauliche Zeit- und Frauenfragen ist. Im Mittelpunkt die gedankentiefe Rede von Ministerialrat Helene Weber M. d. R.: „Die katholische Frauen persönlichkeit und die Not der Zeit", ein Weck- und Mahnruf an alle katholischen Frauen. Das Christentum hat durch die gleiche Wer tung von Mann und Frau vzr Gott und durch das gemeinsame Erlösungswerk in Christus die Frau innerlich freigemacht. Eine Entfaltung der körperlichen, geistig-seelischen und sittlichen Anlagen stehen durch aus im Einklang mit der frohen Botschaft des Christentums. Sie find nur deshalb, weil sie tatsächlich anerkannt perden, noch nicht unbedingt in die Erscheinung getreten. Sie können sich entfalten, aber sie haben ihre Bindungen im Licht« des großen Erlösungs werkes. Und in diesem Punkte scheiden sich heute die Geister. In der heutigen Mode- und Sportbewegung und auch in einem bestimmten Kult der Hygiene liegt die einseitige und schrankenlose Anbetung eines modernen Naturalismus. Nicht mehr die Harmonie von Körper und Seele vom leiblichen und geistigen, sondern die rein vorherrschende Körperlichkeit und die lcibbeherrschende Mode und bestimmte Sportauswüchse. Sie haben ihre letzte Wurzel in einer falschen Einstellung zur geistig seelischen Natur des Weibes und zu seiner Anmut und Würde im höchsten Sinne des Wortes. Eine Mode, die keinen weiblichen Stil mehr hat, sondern von dem Schneider und dem einseitigen Gefallen des Mannes und dem Herdeninstinkt bestimmter Frauen geschaffen wird, ist in sich unweiblich. Eine Sportbewegung, die nicht den Körper der Frau stählt, sondern „Selbstzweck" und übermäßige Kraftanspannung ist. kann keinen Anspruch auf Geistigkeit und Zusammenhänge mit den höheren Merten des Frauenlebens machen. Auch eine hygienische Auffassung, die Ge schlechtskrankheiten nur noch als Krankheiten und nicht mehr auch als Abfall von einer sittlichen Wertung des Menschen an zusehen, ist das Ergebnis einer rein naturhasten Auffassung des Lebens. Wir müssen uns endlich aus der Negative loslösen und unsere Ideale schaffend in das Leben tragen. Die geistige Entwicklung der Frauen hat durch die Reform der Mädchenbildung, durch das Studium der Frau und ihren Eintritt in die praktischen Berufe eine besonder« Ent faltung erhalten. Aber wir stehen noch vor der ungelösten Frage, wie weit dieses weibliche Bildungsideal wirklich sub jektiv und objektiv wertschaffend wird. Es kommt jetzt darauf an, daß diese neue Geistigkeit mit sittlichen Verantwortungen und Gemeinschaftsverpflichtungen verbunden wird. D ie Frau muß aus der Arbeit einen Beruf schaffen, ein freudiges Werk, ob es groß oder klein sei. Und doch zeigen uns schon verschiedene Symptome einen eigenartig schnellen Zerfall des Berufsideals bei manchen Frauen. Oder einen Mangel, der darin besteht, daß man es überhaupt nicht aufbauen kann. Die Fra« muß in der Ehe die neue Familie sch'aff« n. Der überspannte moderne Individualis mus entscheidet sich für in sich ruhende Persönlichkeit. Man wird doch wegen eines Kindes weder seine freudige Berufsarbeit noch seinen Lebensstil aufgeben. Man schränkt die Kinderzahl ein, oder schiebt den Zeitpunkt der Geburt des Kindes nach den inodernen Theorien der Kameradschaft und Zeitehe auf einen „günstigen" Zeitpunkt. Was ist mit einer neuen Geistigkeit der Frau, die oft genug sehr wenig produktiv ist, gewonnen, wenn die Mutterschaft versiegt. Die Frau würde unfruchtbar und ge- mütslrer werden. Dem gegenüber ist das neue Berufsideal der Frau zu gestalten und die Frau als Mutter höher zu stellen, als die moderne Auffassung, die die Geliebte der Mutter vorzieht. Die sittliche Verantwortung der Frau! Sie yört auf, wenn man den Menschen nur als einen Naturvorgang, wie alles andere wertet. Eie fängt da an, wo man die Tat menschen als eines geistig-sittlichen Wesens in eine bestimmte Rangordnung eingliedert. Unsere Zeit hat nur keinen Maß- stab mehr. Für viele ist der Mensch allein das Maß aller Dinge geworden. Das tritt am schärfsten in der heutigen. „Ehenot" zutage. Die Bewegung der finkenden Geburtenzahl geht seit vierzig Jahren in Deutschland ganz deutlich und un unterbrochen vor sich. Deutschland folgt hier Frankreich in einem Maße, daß es den westlichen Nachbar bald übertroffen hat. Die Statistik weist trockene, nüchterne, aber entsetzliche Zahlen auf. Wir müßten noch feststellen können, wie hoch der Anteil der katholischen Kreise, und zwar der gebildeten katholischen Kreise ist. Hier liegen außerordentlich schwierige Ursachenkomplez« zu grunde. Aber der tiefste ist doch die Lebens- und Welt anschauung. Der entscheidende ist dir Wille der Mutter zum Kind«, und bester gesagt, den Kindern. Denn da, viel- Gepriesene Jahrhundert.de» Kinde» ist kein Jahrhundert der Kinder geworden, sondern fast ein Jahrhundert des Kindes Mordes. Was ist in Frauen an sittlicher Verantwortung in der Ehe gestorben, bevor das „technische Mittel" triumphierte, oder das keimend« Leben sogar getötet wurde. Die katholische Auffassung über Sinn und Zweck der Ehe und der Familie ist die einzige Rettung in der furchtbaren Verwirrung und sterilen Atmo sphäre unserer Zeit. Die „Junggesellin", die unverheiratete Frau, die ihr freies Berufsleben lebt und doch auf die Liebe des Mannes nicht verzichten will, ist die größte sittliche Dekadenz erscheinung unserer Zeit. Eie ist viel verbreiteter, als wir ahnen. Sie versteckt sich schon auf den Universitäten in einem ungebundenen Leben zwischen Studenten und Studentinnen. Eie ist auch bei den geistig arbeitenden Frauen nicht spurlos voriibergegangen. Das Erundübel ist der Unglaube. Man Gl«bt oS«u einfach nicht mehr, daß eine Frau unverheiratet jungfräulich bleiben Lame. Es fehlen uns heute die gebun denen Sitten und die starke« Frauen, die das jungfräuliche Leben in der Welt freiwillig Vorleben. Die Frau wird heute vor ganz neue Entscheidungen gestellt. Wenn Familien zerfallen (uiid das ist das Merkmal der Groß städte), wenn harter Egoismus sich breitmacht, und das beab- achten wir vielfach auf dem Lande, dann ist die Liebe der mütterlichen Frau die größte Rettung. Wir haben heute Wohlfahrtsgesetze und Wohlfahrtsämter. Wir orga nisieren die öffentliche Fürsorge, wie kein Land der Welt. Abchc den Katholizismus sollte das sehr bedrängen. Wo bleibt die freie Liebestat, die ehrenamtliche Arbeit der einzelnen an den verlassenen Kindern, den gefährdeten Jugendlichen, den armen Kranken und Schwachen. Schrumpft er nicht immer mehr ein, weil man sich auf die Arbeiten der öffentlichen Wohlfahrts pflege verläßt? Das wäre ein Erkalten der christlichen Mutterliebe. Aus den Herzen und Händen der katholischen Frauen muß eine neue Liebes- welle und eine starke Ltebesglut an den Mit menschen wieder hervorquellen. Mit dieser freien Liebestat mutz die Eemeinschastsverantwortung für soziale Schäden unserer Zeit verbunden sein. Nur einen einzigen Schaden besonders zu kennzeichnen: die Wohnungsnot. Die katholische Auffassung der The und Familie verlangt, daß man kinderreichen Familien alle notwendigen sozialen Erleich terungen verschafft. Die kinderreichsten Familien wohnen heute in den schlechtesten Wohnungen. Die neuen Siedlungen sind meist viel zu teuer für sie. Eigentlich sollten alle katholischen Mütter nicht ruhen und nicht rasten in unermüdlicher Arbeit bei allen gesetzgebenden Körperschaften, bis das hier eine Aenderung eingetreten ist. Di« richtige Einstellung zum Leben wird bestimmt durch das Verhältnis zu Gott. Unsere Zeit ist gottlos geworden. Uns fehlt der Durst nach der Wahr heit Gottes. In vielen Fragen sind wir Katholiken einfach stehengeblieben. Wir redeten immer wieder dieselben Sätze von den höchsten Wahrheiten, aber wir forschten nicht mehr mit der Sehnsucht des' Menschen, dem Gott allein seine Geheim nisse erschließt. Die moderne Zeit kennt das Ziel der Welt und der Menschenleben nicht mehr. Deshalb finkt das Leben wie ein in sich abgeschlossenes dahin. Aus dem Gedanken Gott und Ewigkeit und Bestimmung der Frau für diese Ewigkeit wächst das demütige Schaffen in den Willen Gottes. Nicht unseren Willen, nicht den des Mannes, nicht den der Kinder und aller Güter dieser Welt haben wir zu erfüllen, sondern den Willen Gottes. Das ist die feste Kraft und der Segen in der Ehe und Familie, das ist die beste Erleuchtung und die Erfüllung in dem jungfräulichen Berufsleben. Das ist aber auch der unerschütterliche Optimismus in dem täglichen Schassen de» Alltags und in der langsamen Aufbauarbeit für die Zu kunft. Ein neues starkes Gottvertrauen und «ine Leidenschaftlichkeit des Guten in Gott ist die Weihe der katholischen Frauentat für die Gegenwart und für die Zukunft. Anhaltender, herzlicher Beifall der Zuhörerinnen, ehrende Worte uneingeschränkter Anerkennung des Herrn Propst Legge, der die Versammlung leitete, und besonders des hochw. Bischofs von Paderborn, der mit dem Weihbischof erschienen war, als Dank für die Rednerin. Mit dem bischöf lichen Segen schloß die Versammlung, der eine Besprechung der im Vortrag angeschnittenen Fragen im kleinen Kreise folgte. Siezrauen und die politischen Ereignisse Im gleichen Entente und Saale, in dem vor neun Jahren durch die Entente und durch die deutschen Vertreter die letzten Unterschriften unter den Friedensvertrag von 1919 ge setzt wurden, ist jetzt der Kelloggpakt unterzeichnet worden. Um den gleichen Tisch versammelt sitzen die Männer, deren Namen in der Spanne dieser letzten neun Jahre ein neuer Titel hinzugefügt werden konnte. — Briand, Stresemann, Kellogg — Kämpfer für den Frieden, Führer in diesem Kampf. Führer, deren jeder ein Heer von Anhängern von Gläubigen der Friedensidee in seinem Volk hinter sich weiß. In dem Wissen aber von Volk zu Volk — Wissen um eine große gemeinsame internationale Idee und Hoffnung, liegt die Ermöglichung des Kelloggpaktabschlusses überhaupt. Die Welt hält den Atem an, lauschend auf die Flügelschläge des Schicksals, denn: während in den letzten Wochen die Vorbereitung für den Kelloggpakt die Welt beschäftigte, wurde die Stimmung beunruhigt und zeitweise von Zwei feln getrübt durch das Bekanntwerden gewisser englisch- französischer Verhandlungen, wie ja überhaupt die unzäh ligen Windungen und Drehungen der Abrüstungspläne immer wieder erschütternd und irritierend wirken — ein Spiegel unserer Zeit und der Situation jedes einzelnen Staates — denn Mißtrauen auf jeden Fall ist immer noch eines der Rezepte der Politik, ein Rezept herübergenom men aus den Zeiten der Eehelmpolitik und der Fabrikation von politischer Stimmung und Anschauung durch die Re gierungen. Heut — während Regierungen mit der Ab rüstung zögern, Mißtrauensverträge, Geheimabmachungen trotz und neben dem Kelloggpakt erwägen — verhandeln außerdem und trotzdem unbeirrt oder gerade bestärkt in ihren Entschlüssen durch jene amtlichen Unentschiedenheiten, die Angehörigen der Völker untereinander über den Fort schritt und die Sicherung der Befriedung ihrer Welt. Große Kreise jeden Volkes geben Jahr für Jahr deutlicher und machtvoller ihren Willen zu dieser Befriedung kund und während die englisch-französischen Abmachungsunterhaltun gen bekannt werden, während die Unterzeichnung des Kelloggpaktes zur Diskussion stand, tagte in Berlin die Interparlamentarische Union, tagte in Prag der Weltkon greß der Kirchen, gegründet auf die Freundschaften der Kir chen der ganzen Welt, und führte das internationale Ju gendtreffen jene Kreise der Jugend aus aller Welt zu sammen, die Verständigung und Frieden für die Genera tionen der Zukunft sichern wollen. Kleine und sehr große, über die ganze Erde verbreitete Organisation dienen heute der Friedensidee — nicht zuletzt die großen inter nationalen Frauenverbände. Eine Rednerin auf der Frauenversammlung des Deut- Katholikentages in Breslau 1926 sprach das harte en ort: Wenn die Frauen der Welt ihre Pflicht getan hat ten, so wäre der Weltkrieg unmöglich gewesen — man könnte vieles zur Verteidigung der Frauen gegenüber dieser Beschuldigung sagen — auch der deutschen Frauen — aber diese Schuldfrage steht heute für die deutsche Staatsbürgerin, ebenso wie für die Frauen anderer Länder, nicht im Vordergrund der Erwägungen — die Mütter der ganzen Welt haben aus ihren Erlebnissen des Weltkrieges gelernt, den Kreis ihrer Pflichten und Rechte weiterzu ziehen, tiefer zu schöpfen, strenger die Ausbildung ihrer Fähigkeiten und die Erfüllung ihrer Aufgaben, die Erwei terung der Grenzen ihrer Wirksamkeit zu fordern — jede von sich selbst — jode für die kommenden Generationen von Müttern und Frauen. Die Frauen haben vieles lernen und erkennen müssen, um ihren Weg zu finden und vor wärts zu kommen. Vor wenigen Wochen mahnte eine unserer ersten Po litikerinnen im Zusammenhang mit den englisch-französi schen Verhandlungen die Oeffentlichkeit und die Welt: Nicht zu unterschätzen den erzieherischen Einfluß der Frauen auf die Geistesverfassung kommender Generationen. „Immer wiederholte Enttäuschungen und Desavouierungen der verständigungs- und friedensbereiten Kreise könne ge fährlich werden." D. h. Geduld im Fesseln dürje nicht ver höhnt werden, wenn die ungeheueren Opfer die ehrlichen Anstrengungen, die Disziplin, die die Völker sich gegenein ander auferlegt haben, um zur Ruhe zu kommen, unbe rücksichtigt blieben von den Staatsleitungen, wenn Negie rungen es versäumten, den Stimmungen der Völker zu lau schen, dann könnte ein fürchterlicher Zusammenbruch der Stimmung stattfinden, der allerdings zuerst jedes Volk und Land im eigenen Innern treffen würde. Noch ist nirgends ganz sicher garantiert, daß nicht Staatsmänner auch in demokratischen Staatskörper« die Völker in große Verlegenheiten und ins Verderben zu stürzen vermöchten, wie es früher so oft geschah in einer noch kaum vergangenen Geschichtsepoche, die Gefahr der Wiederholung solcher Katastrophen besteht aber, wenn ein Volk seiner Verantwortungen nicht bewußt bleibt und sie nicht gewissenhaft verwaltet und trägt, sondern lässig und gedankenlos glaubt, die Hauptverantwortung auf die Schultern weniger Beauftragter abwälzen zu können. Solche Handlungsweise entspräche allerdings ganz und gar nicht dem Sinn einer republikanischen demokratischen Staatsform, denn diese ermöglicht nicht nur, sondern ver langt zu ihrem Bestehen und zur vollen Auswirkung aller ihrer Möglichkeiten die Mitarbeit und die Initiative jedes Staatsbürgers und jeder Staatsbürgerin. Diese Mitarbeit beginnt bei der Erziehung der Kinder, bei Form und Inhalt des Privatlebens und setzt sich fort in der Anteilnahme an dem politischen Leben des Staates und damit ist die Auf gabe der Frauen im Staate klar vorgezeichnet und ihre Pflicht, sich immer und in jedem Fall ihres Lebens bewußt zu sein der Verantwortung gegen das ganze Volk. Diese Verantwortung wird heute leichter getragen, als es noch vor acht oder neun Jahren schien, denn es ist Leben in der deutschen Republik — irgendwie sieht sich jeder Mann und jede Frau eingereiht und gestützt von einer Schar Eleichge- finnnter und Gleichstrebender und große Ziele finden bei uns große Anhängerschaften und vielleicht wird dadurch eines Tages die deutsche Neigung zur Gegensätzlichkeit unter solchen großen Gesichtspunkten nutzbar werden für den Fort schritt und für die Klärung des Volkswillens und der Ziele eines ganzen Volkes. blckria Sssldorst.