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Sächsische Volkszeitung : 01.09.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192809010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19280901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19280901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-09
- Tag 1928-09-01
-
Monat
1928-09
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 01.09.1928
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SI«m«er IW Sächsische Volks,zei»«nq 1. September >828 Kugo Slmnes jun. verhaftet Belrllgereien bei -er Anmeldung von Kriegsanleihe-Allbefitz? Ein achlslün-iges Kreuzverhör Berlin, 31 August. der Anleihe gegeben habe. Die Situation änderte sich jedoch' In der Kriegsanleiheangelegenheit ist am Donnerstag Hugo Stin »es, gegen den bereits vor einige» Tagen die gerichtliche Dornntcrsilchung eröffnet worden war, vom Untersuchungsrichter des Landgerichtes l Berlin eingehend und unter Gegenüberstellung mit weiteren Angeschnldigten vernommen worden. Auf Grund dieser Bernehmnng hat sich, wie der Amtliche Preußische Pressedienst mit teilt, der Untersuchungsrichter entschlossen, Haftbefehl gegen Hugo Stinnes wegen dringenden Verdachtes des versuchten Betruges und wegen Vorliegens von Verdunkelungsgesahr zu er laffen. Hugo Stinnes i»n. wurde daranf sogleich in daS Unter suchungsgefängnis eingcliefcrt. Der Fall Stinnes steht in Zusammenhang mit einem vermutlichen Betrug bei der Anmeldung von sogenanntem Kriegsanleihealtbesih. Die Allbesthanmcldung hatte überraschenderweise die Vorberechnung um beinahe 20 Milliar» d e n übertroffen. Man nahm daher an, daß hier RIosenbetrügcreien dem Reiche gegenüber vorliegen könnten. Tatsächlich kam man auch offensichtlichen Unregelmäßigkeiten auf die Spur. Es handelte sich um Ultbesihanleihcanmeldungen aus dem Ausland, an denen zu nächst zwei Angestellte von Hugo Stinnes jun. beteiligt waren. Die Verteidigung von Stinnes, «egen den dringenden Verdacht der Be teiligung besteht, bestreitet, daß Stinnes irgend eine strafbare Hand lung begangen habe und erklärt, es habe sich in diesem Falle ins gesamt nur um rund 400 000 Mark gehandelt. Ueber dir gestrig« Vernehmung von Hugo Stinnes, di« von 10 bis 18 Uhr gedauert hat, erfährt man folgendes: Stinnes äußerte sich zuerst äußerst vorsichtig und zurückhaltend üb«r seine Kenntnis der fragwürdigen Geschäfte seiner beiden früheren Angestellten und gab nur zu. daß er die notwendigen Mittel zum Aufkauf grundlegend, als Hugo Stinnes seinem ehemalige» Sekretär von Waldow gegenübergestellt wurde. Hierbei kam es zu dramati schen Szenen, da v. Waldow seinen ehemaligen Ehef erheblich belastete und vor dem Untersuchungsrichter erklärte, daß Hugo Stinnes iun. von den Geschäften gewußt und daß sie zum Teil mit seinem Einverständnis unternommen worden seien. Hugo Stinnes mußte dann auch zugeben, daß er Kenntnis von den Geschäften gehabt habe, ebenso von dem Verwendungszweck des Geldes. Auch die Gegenüberstellung des ebenfalls in Untersuchungshaft befind lichen Nothmann führte zu lebhaften Zwischenfällen. Auch diese Aussagen belasteten Hugo Stinnes erheblich. Gegen 18 Uhr hatte sich dann der gegen Hugo Stinnes vorliegende dringende Tat verdacht, daß er an dem Kriegsanleihebetrugsversuch mitschuldig un beteiligt ist, so stark verdichtet, daß der Untersuchungsrichter trotz schwerer Bedenken sich dazu entschloß, die Ausstellung des Haft befehles gegen Hugo Stinnes jun. zu veranlassen. Dieser Haftbefehl hat naturgemäß besonders in Berliner Wirtschaftskreisen großes Aufsehen erregt. Man wird jetzt den wei teren Verlauf der Untersuchung abwarten müssen, ehe man beurtei len kann, ob sich der schwere Verdacht gegen diesen Erben des ehe mals wohl bedeutendsten deutschen Nachkriegskonzerns bestätigen wird. Hugo Stinnes jun. hat nach dem Tod seines Vaters, der am 10. April 1924 starb, die Leitung d«s Teiles des Stinncs- konzerns übernommen, der durch die Deflationskrise hindurchgerettet werden konnte. Sein älterer Bruder Dr. Edmund Stinnes wurde damals abgefunden. Vielleicht ist Hugo Stinnes in dem Be streben, die schwere Scharte der Deflation für sein Haus wieder wettzumachcn, auf Mittel verfallen, die ihn mit den Strafgesetzen in Konflikt bringen. Doch darüber wird sich erst nach weiteren Klar stellungen des Gerichtes etwas Zuverlässiges sagen lassen. September Durch liebe, Helle Spätfommertage tropfen vom Baum die ersten gelben Blätter: Sep—tem—-der. Ein klein wenig Weh mut will durch die Seele ziehen, wenn man des kurzen Hoch sommers denkt. Will sich die Natur schon wieder zurechtmachen zum langen Winterschlaf, — will sie uns schon wieder allein lassen mit dem Gedanken an das Bergab? September — es spricht sich schwerer als die beinahe jubelnden Worte: Mai, Juni, Juli: es klingt wie ein leises Mahnen. Der Hochsommer, auch das Leben, verinnt: nimmt die wärmenden Sonnenstrahlen, die du noch findest, und öffne das Herzenstürlein der Freude und dem heilenden Lichte. . . . Wie um den Menschen noch einmal ihre ganze Liebe zu zeigen, scheint Frau Sonne in klar-frische Tage hinein, und der Wind erlaubt sich kleine Scherze, indem er den Spazier gänger seine weißen Spinnwebfäden anhängt, die man im Bolksmunde „Altweibersommer" nennt. In den Gärten hat ein anderes Blühen begonnen: Georgi nen, Astern in allen Farben und stolze Crysanthemen sehen mit ihren Sternengesichtern in die Welt. Das Obst und der Wein geben der letzten Reife entgegen und erhoffen von der Septem- b«. sonne die Vollkraft süßen Saftes. Sind auch die Felder leer von dem wogenden Getreide, so weht dock) ein frischer Wind da-über. der das Wandern auf der Landstraße leicht und fröh lich macht. Kein anderer Monat eignet sich für Fußtouren so, wie der September. Mögen andere im Auto oder auf dem Motorrad in schwindelnder Eile an den herrlichen Naturbildern vorbeifausen und den ausgewirbelten Staub schlucken, wer über gute Beine verfügt und einen guten Wanderstock, der gehe zu Fuß. Die Natur ist dankbar und gibt dem unendlich viel, der sie versteht. September — der erste Monat mit dem Dreiklang der Silben, der erste, der bergab führt im Iahreslauf. . . Kluge Menschen heimsen in dieser Zeit noch vieles für den Winter ein: sie holen sich noch Waldesluft, blühende Herbstesschönheiten und lachenden Sonnenschein. Krieg zwischen -er sächsischen Regierung un- Lufthansa! Berlin, 31. August. Bei der Lufthansa ist gestern ein Schreiben der säch sische» Regierung eingegangen, in dem die Regierung mit- ieilt, daß sic weitere Luftgclder für den deutschen Flugverkehr nicht mehr zur Verfügung stellen könne, weil die Luftvcrkehrswünsche dcS Landes Sachsen vom Reiche in keiner Weise berücksichtigt würden. Weiterhin ist beim Reichsverkehrsministerium ein Schrei be» der bayerische» Regierung eingcgangen, in dem die bayerische Regierung das Reichsverkehrsministerium auffordcrt, die rechtlichen Gründe zu nennen, aus denen das Reichsverkehrsmini- stcrinm der Nordbayerischen Luftverkehrsgesellschaft die Konzession für einen bcdarfsniäßig zu fliegenden Messcverkehr versagt hat, und eine Begründung zu geben für die Behauptung, daß durch die Lufthansa d«n Bedürfnissen des Messcverkehrs in genügender Weise Rechnung getragen werde. Durch diese Einstellung des Rcichsvcr- lehrsministeriums seien zwei bayerisch« Unternehmungen geschädigt, weil nämlich dadurch die beabsichtigte Neubestellung eines Flugzeu ges vom Typ M 18 in einem bayerischen Flugzeuglverk ebenfalls in Frage gestellt werde. Die Vorgeschichte dieses jetzt akut gewordenen Streites ist kurz folgeirde: Die Nordbayrische Flugvcrkchrsgesellschast hat eine Konzession für den Luftverkehr und muß nach den bestehenden Be stimmungen außer dieser generellen Konzession um die Genehmigung für die fahrplanmäßige Befliegung jeder einzeln«» Strecke nach- suchcn. Diese Genehmigung hat sie erhalten für die über Bayern, Thüringen und den Freistaat Sachsen führende Linie; sie wurde ihr ver'.rg! für die geplante Befliegung -er Strecke Mockau — Ber lin. Nach dem Lustfahrtgesch ist die Gesellschaft aber berechtigt, auch diese Strecke zu bestiegen, wenn Flugbedarf vorlicgt. Der Be darf bat sich gezeigt, cs wurde täglich von Leipzig nach Mockau und zurück mit guter Belastung geflogen und nun hat das Neichsvcrkchrs- ministcrium erklärt, dieses tägliche bcdarfsmäßige Befliegen der Linie komme einer fahrplanmäßigen Befliegung gleich und werde deshalb verboten. Was die Meßleistungen anbetrifft, so hatte die Nordbavrflchc Verkcbrsgesellschaft wie immer vom Leipziger Meßamt den Auftrag, einen Messeverkehr einzurichten. Weil für diese Einrichtung Fahrpläne notwendig waren, hat der Reichsver- kehrsministcr sie untersagt und hat dazu erklärt, di« Lufthansa werde in genügender Weise für den Messeverkehr Sorge tragen. Der Reichsvcrkehrsminister hat die Lufthansa zu diesen Leistungen in die Lage gesetzt, weil er ihr für den Messcverkehr eine Sonderbeihilfe gewährte, di« für den beflogenen Kilometer 1,30 M. ausmacht; die Nordbayrische Luftverkehrsgesellschaft fliegt nämlich für 70 Pf., während die Lufthansa dafür 2 Mark verlangt und diese höhere Forderung damit begründet, daß sie auch die Lasten des deutschen Auslandsluftverkchrs zu tragen habe. Am 6. September wird im ReichSverkehrsministe- rium eine Besprechung der interessierten Kreise stattfinden und man hofft, daß der Streit durch diese Besprechung in einer alle Teile und namentlich auch die Regierungen von Sachsen, Thürin gen und Bayern zufriedenstellenden Weis« geregelt wird. Dresden und Umgebung Gasko- bei Arisfchachluirgsarbeilen Dresden, S1. August. In der Iohannstadt, auf dem Neubaugelände des Heiz werkes werden seit einiger Zeit umfangreiche Ausschach tungsarbeiten vorgenommen zur Errichtung der erforder. lichen Vetriebsgebiiude. Ein großer Teil eben jenes Geländes ist in früheren Jahren erst aufgeschüttet worden. Die seinerzeit dort angefahrenen Schuttmassen bestanden aus allen möglichen Substanzen. Um die Bodenbeschaffenheit zu erkunden, hatte die Firma August Vorrmann, Unternehmung für Brunnen-, Tief- und Schachtbauten, Nachgrabungen vornehmen lasten. Auf einem dieser am Tatzberg gelegenen Grundstücke war ein solcher Schacht bereits bis zu sechs Meter Tiefe gegraben worden. Als die damit beauftragten Arbeiter am Donnerstag wieder ihre Tätigkeit ausgenommen hatten, ereignete sich ein bedauerlicher Unfall. Der 19VS geborene, und in der Neustadt wohnhaft« Brunnenbauer Ernst Böhmig wurde kurz nach Beginn seiner Arbeit von angesammelten Gasen betäubt. Ein Arbeits kollege, der in Freital-Burgk wohnhafte Hilfsarbeiter Alsred Ulbricht stieg sofort hinterher und wollte ihn herausholen. Auch dieser zog sich eine Gasvergiftung zu. Daraufhin wurde sofort die Feuerwehr alarmiert, die in kürzester Zeit an der Un» fallstelle eintraf. Unter Benutzung von Gasmasken und der gleichen Hilfsmitteln konnten die beiden verunglückten Arbeiter alsbald wieder nach oben gebracht werden, wo Wiederbelebungs versuche oorgenommen wurden. Nach längerer und anscheinend auch erfolgreicher Dauer derselben, übersührte man die beiden Verunglückten in das nahe gelegene Iohannstädter Kranken haus. Dort sind sie bald verstorben, obgleich sich auch die Aerzte alle erdenkliche Mühe gegeben haben, die Bewußtlosen wieder ins Leben zurückzurusen. Der Unfall ist eine Folge eigenen Verschuldens. Obgleich die Arbeiter noch am Tage vorher gewarnt worden sind, sich anzuseilen, hatten sie diese Sicherungsmaßnahmen nicht beachtet. Und auch der zweite Arbeiter, der den Betäubten herausholen wollte, durste nun erst recht nicht ungescilt hinab steigen. Das Unglück war durch angesammelte Erd- oder Aasgase entstanden, die sich in solchen aufgeschütteten Voden- lagen leicht bilden. Ein Verschulden anderer Personen kommt hier nicht in Betracht. Die Nachgrabungen waren nicht erfolgt zwecks Anlage eines Brunnens, sondern sie dienten, wie schon eingangs erwähnt, lediglich der Untersuchung des Bodens, was wegen der zu errichtenden Hochbauten unbedingt nötig war. : Landcsgewerbeinspektor Ministerialrat Krank tritt mit dem 1. September d. I. wegen Erreichung der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand. Als Sohn eines sächsischen Brandversicherungs- oberinspcktorS am 20. Mai 1863 in Annabcrg geboren, besuchte Friedrich August Kranh zunächst die Realschule erster Ordnung sei- «MW aus vayreulh Von Ernst Schliepe. Wer einmal die Bühnenfestspiele in Bayreuth besucht hat, wird danach trachten, immer wieder hinzufahren — oder er muß schon ein eingefleischter Anti-Wagnerianer, ein amusischer Mensch, oder ein unromantischer Nüchternheitsfanatiker sein. Solchen Leuten ist nicht zu helfen,' sie werden auch beim An blick des Meeres nur über das viele Wasser reden, beim Kölner Dom die ewigen Baugerüste bemäkeln und nach der Sixtinischen Madonna kaltblütig di« Bilder der Illustrierten Zeitung be» trachten. Denen aber, die Verständnis für theatralische Kunst Laben, denen Musik Herzenssache ist und das Riesenwerk Wagners kein Buch mit sieben Siegeln — ihnen erschließt fick in Bayreuth ein Wunder, wie es an keinem Ort der Welt wieder zu finden ist und in unserer vom schrankenlosen Mate rialismus bedrohten Zeit doppelt rätselhaft erscheint. Kein Fremder, der nach Bayreuth kommt, versäume, da» alte Opernhaus sich anzusehen. Es ist ein merkwürdiger Bau. Nicht äußerlich. Aber sobgld man innen steht, und der Kronleuchter aufslammt. staunt man. Eine reich vergoldet«, durchweg aus Holz geschnitzte Architektur in prunkvollem ita lienischen Barockstil zieht sich die Ränge entlang bis zu dem prunkvollen Proszenium, das ein« der größten Bühnen ein schließt. Der berühmte Baumeister Giuseppe Galli-Bibiena hat es 1748 ausgeführt, und es ist beute noch unverändert. Der Kastellan erläutert: hier saßen die Markgrafen und Fürsten mit ihren Damen, der Etikette gemäß auf verschiedenen Rän gen und betrachteten das Spiel auf der Bühne oder die Tänze der Balletteusen im Parkett — und dort führte eine Tür durch die Mauer, welche der Markgraf benutzte, um direkt in das donebeiiliegende Lustschloß zu gelangen . . . Heute mutet der in einem seltsamen Dämmerschein gehüllte Raum etwas altertüm lich und verwunschen an. Er scheint zu schlafen — wie alles in Bayret ih zu schlafen scheint, was noch an die alte Wittels- bnchcr-Hcrrlichkcit erinnert. Wagner trug sich zuerst mit dem Eedan-.m, im alten Opernhaus seine Festspiele zu veranstal ten gab den Plan aber bald ans. Doch zur Feier der Grund- stcinlegung des Festspielhauses dirigierte er darin die Neunte Symphonie ... < ^ ^ Kommt man, sich die Augen reibend, aus dem alten Ge bäude. io ist man sckon in der richtigen Bayreuth-Stimmung. Das Weltabgeschiedene, Phantastische hat einen gepackt. Man läheit über die strenge Verkehrsregelung mit Schutzgitter und rrhrbeuem Polizeiarm, die ein paar Schritt« weiter den Knotenpunkt von fünf Straßen behördlich zu entwirren sucht -- wie wenn das ein unwahres Traumgcsicht wäre. Das wilde Autogehupe überhört man wie ein Getön aus einer anderen Welt, das nicht hierher gehört. Nun ja, es ist Festspielzeit, da fährt man eben in Automobilen hin und her — Wagner fuhr noch im Landauer. Wagner! Da ist Haus Wahnfried. Menschen davor, im langen Laubengang, vor der Treppe — und Autos. Englische Laute schwirren ans Ohr. Man hat das Innere besichtigt,' jene drei Räume: Vorsaal, Arbeitszimmer und Bibliothek des Meisters, wo noch alles so ist, wie vor 45 Fahren, obwohl diese Zimmer seither Sammelpunkt der geistigen Elite von Natio nen gewesen sind, di« sich um Cofima Wagner und ihren Sohn schart« . . . Diese Bibliothek mit vielen Tausenden von Bän den, echten Gemälden und zahllosen wertvollen Andenken ist eines Königs würdig. Man fragt sich: wann und wo ist das alles gesammelt worden? Und dieser Hang zum Prunk, diese Schwelgerei in üppigen leuchtenden Farben — paßt das nicht wunderbar zu dem Bild jenes großen Magiers und der uner hörten Glut und Sinnenfreudigkeit seiner Musik? Am Ende des Gartens, hinter Sträuchern versteckt, das Grab des Meisters. Die riesige Dranitplatte ist mit Blumen übersät. Ein unbeschreibliches Gefühl überkommt einen an diesem stillen Platz, der wohl der geweihteste in ganz Bayreuth ist. Di« Gedanken schweifen zu jenem anderen Hü gel, auf dem das Festspielhaus steht. Hier der Schöpfer, dort sein Werk; hier der Gestorbene, dort das Lebendige, das die Zeiten überdauert. Es gibt keinen, der Wagners letzte Ruhe stätte nicht in tiefster Erschütterung verläßt. Der Blick auf di« Rückseite der Wagner-Billa läßt Hau» Wahnsried noch ein gut Teil repräsentabler erscheinen als di« Vorderfront mit dem Denkmal Ludwigs II., des musikbegeister ten Bayernkönias. Dort sieht man auch im zweiten Stock die blumengeschiiillcktcn Fenster, hinter denen man Eofima Wagner vermutet. Tue Tochter Lifzts, erste Gattin Hans von Bülows und zweite Gemahlin Wagners, ist heute neunzig jährig und wohl der letzte noch lebende Zeuge einer Kunst epoche, die längst historisch und, so weit Persönliches in Frage kommt, fast mythisch geworden ist. Um diese seltene Frau, der es besckieden ist, den großen Gefährten ihres Lebens um bald ein halbes Fahrhnndert überleben z» müssen, legen sich schon dis Schleier des Geheimnisvollen. Niemand steht sie mehr, doch weiß man: sie lebt . . . Bayreuth gehört zu Wagner — aber noch mehr heute Wagner zu Bayreuth. Was wäre diese kleine abgelegen« Stadt ohne Wahnfried und die Festspiele? Nichts mehr als ein Provinznest. Di« ruhmvollen Ereignisse der Wagner-Aus führungen aber hämmern ihren Namen immer wieder In da» Gedächtnis der Zeitgenossen diesseits und jenseits des Ozeans; der internationale Fremdenstrom flutet zu ihr hinüber wie nach Weimar oder Potsdam. Der Weitblick jener Stadtväter, di« im Jahre 1871 Wagner das Gelände für das Festspielhaus zum Geschenk anboten, hat sich glänzend bezahlt gemacht. Auch heute läßt die Stadtverwaltung es an nichts fehlen, um den Gästen den Aufenthalt möglichst angenehm zu machen. Man kriegt auf dem Bahnhof bereits von Beamten ein Logis ver mittelt, kann auf den neueingerichtetcn Kraftivagenlinien überallhin in die Umgebung fahren und ist durch feste Taxen gegen Üebervorteilung geschützt. Was auch sehr nötig ist, denn die Preise sind während der Festspiele ganz respektabel. Das Wunder der Bayreuther Aufführungen war seit jeher der „Parsffal" — die eigentliche Sensation aber ist und bleibt daneben der „Nibelungenring". Wie die Trilogie der eigentliche Anstoß zur Gründung des Festspielhauses war — weil der Zyklus nämlich sonst keine Aussicht hatte, aufgefüyrt z» werden —, so ist sie seither stets oie eigentlich« pitzes cks rüsistanao der Festspiele gewesen. Es wirkt mit der Macht eines Phänomens, zu sehen, wie treffend, glän zend, ia geradezu virtuos die gewaltigen Schwierigkeiten der „Mng-Inszenierung gelost werden. Seitdem die Bühne durch neuzeitliche Anbauten modernisiert worden ist. gibt cs nichts, was dort unlösbar wäre — ja, in mancher Hinsicht ist Bay reuth auch szenisch allen anderen Theatern über. Man sieht nirgends eine solche bildnerische Gestaltung des „Rhein,zoldes, nirgends eine solch großartige Inszenierung der „Göilerdämme- rung". Natürlich gibt es auch dabei Dinge, über die sich strei ten läßt — allein das will gegenüber der Vielfältigkeit der Probleme, wie sie der „Ring" stellt, gar nichts besagen. Vor allem werden für die Darstellung Künstler gewonnen, die zu den ersten ihres Faches zählen; Sänger von internationaler Bedeu tung, die außerdem den Bayreuther Stil bewundernswert be herrschen — jenen Gesangsstil, der eine ideale Verschmelzung von sinnvoll-deutlicher Deklamation, aus Tonschönhcit basieren der edler Gesangslini« und sorgfältig abgestuftem Vortrag bil det. Dieser unvergleichlich ausgeprägter Stil straft alle Igno ranten Lüg«, die da behaupten wollten, der Wagnergesang ver derbe die Stimmen, man müsse immer „brüllen" oder ^sprechen" und könne nicht „singen". Ich habe an keiner Opernbühne soviel Vortragskunst und Dortragssorgfalt — auch in der Solostimme, nicht bloß im Ensemble — gesunden wie in Bayreuth. Freilich: es ,missen Sänger zur Verfügung stehen, die das alles auch können, was verlangt wird! Künstler wie Friedrich Schorr (Wotan), Hanny LarsLn-Todsei, lBrünnhilde), Lauriis Melchior (Siegfried) sind freilich Seltenheiten —, aber sie wirken vorbildlich und aeben auf der hohen künstlerischen Warte Bayreuths ihr Persönlichstes mH
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