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OnterliÄltuns uncl Is^l. 20Z — kl. 8spt. 1^)2^ .^iwIM-wirk- Vr>!Ic-r^k;i'liiri Zäclisiscke VoIk3^eilunZ Aus Vem Inhalt A, zwars: Der Setzei mvertrag. Heinrich Leis: September. Julius Kreis: Girgls Ehrung. Fünf Minuten Kopfzerbrechen. Ser Geheinlverirag Von A. Jwars. „Inspektor Kennion von Scotland Pard, Eurer Lordschaft zu Diensten/' Lord Ruyland, siebenter Graf von Rhyl, Minister Seiner Majestät des Königs von Großbritannien, musterte verwundert die schlanke, mittelgroße Erscheinung des Polizeiagenten, dessen vergnügtes knabenhaftes Gesicht ebensowenig zu seinem Beruf wie die Eleganz seiner Kleidung zu seiner bescheidenen sozialen Stellung paßte. „Scotland Slard? Sie gehören dem Geheimdienst an." Der Polizeiagent zeigte das Erkennungsschild und über reichte dem Lord einen Brief. Der enthielt nur wenige Zeilen des Ehefs des Geheimdienstes, Sir David Reynolds, der dem Lord volles Vertrauen in die Fähigkeiten Kennions empfahl. Der Lord nickte und meinte: „Wenn Sie Sir David empfiehlt, werden Sie wohl Ver trauen verdienen." „Eure Lordschast kann es versuchen", sagte der Inspektor kurz. Der Lord schob sich den Zwicker aus der hochrückigen schmale» Nase zurecht. „Also hören Sie, Inspektor. Gestern Nachmittag hatte ich mit dem bevollmächtigten Vertreter eines verbündeten Staates hier in diesem Zimmer eine Konferenz. Wir verabredeten eine Abänderung des Bündnisvertrages, der bis zur Ratifizierung durch beide Negierungen streng geheim bleiben sollte. Wir setzten ein Konzept auf, von dein zwei Abschriften, je eine für jede Regierung gemacht wurden. Das Konzept des Vertrages wurde mir heute nacht aus meinem Stahlschrank gestohlen." „Die Geheimhaltung des Schriftstückes ist wichtig?" „Der Vertrag ist die Zündschnur an einem Puverfnß. Beim Bekanntwcrden könnte der Weltsriede auffliegen, und die Menschheit in ein neues Blutmeer sinken." „Wer hat die beiden Abschriften gemacht, Mylord?" „Mein Geheimsekretär Mr. Coleson." „Kann er in Beziehung zu dem Verschwinden des Doku mentes gebracht werden?" „Ebensowenig wie ich selbst, Mr. Kennion." Der Polizeiinspektor erhob sich und trat an den Ctahl- schrank, den er einer eingehende» Prüfung unterzog." Gewalt, ihn zu öffnen, wurde nicht versucht", stellte er fest. „Er muh mit einem Nachschlüssel geöffnet worden sein." „Nachschlüssel", knurrte verächtlich der Lord. „Sehen Sie sich einmal das Schloß an, Mister. Kann zu diesem Schloß ein Nachschlüssel gemacht werden?" Er zog aus der Hosentasche ^ einen kleinen Schlüsselbund. „Da sehen Sie sich einmal den Schlüssel an. Er ist der einzige, der gemacht wurde, kein anderer j sperrt das Schloß." Den Schlüssel, flach, beiderseitig vielfach verschnörkelt durch brochen, wog der Inspektor in flacher Hand. „Wo verwahren Sie den Schlüssel des Nachts, Mylord?" Der Schlüsselbund liegt auf meinem Nachttisch neben einer zehnschüssigen Repetierpistole. Ich habe einen außerordentlich leisen Schlaf und würde jeden, der nach den Schlüsseln zu greifen versuchen wollte, in ein Sieb verwandeln." Inspektor Kennion zuckte die Achseln. „Wer hat Zutritt in Ihr Schlafzimmer, Mylord?" „Nur mein Kammerdiener Dick Wood. Sechzig Jahre alt, seit zweiundvierzig Jahren in meinen Diensten. Er ist über jeden Verdacht erhaben, würde die Schlüssel nie berührt haben, hatte auch keine Gelegenheit, es unbemerkt zu tun." „War sonst jemand zwischen gestern abend und heute morgen in Ihren Zimmern?" Der Lord dachte nach. Zögernd, gleichsam unwillig den Namen mit der Sache verbinden zu müssen, sagte er: „Meine Tochter Mabel, während ich im anstoßenden Badezimmer weilte, kam in das Schlafzimmer, um etwas Verona! zu er bitten. Sie war keine Minute allein, da Dick Wood, wie er sie nur hörte, das Badezimmer verließ, um ihr das gewünschte Mittel aus meiner Hausapotheke zu geben." Der Inspektor sah dem Lord mit dem Ausdruck höchster Verwunderung in das Gesicht. Dann fragte er gleichgültig: „Haben Sie viel Gäste im Hause, Mylord?" „Mabel hat einige Freunde und Freundinnen geladen. Ich weiß nicht wen und wieviele. Ich hatte zuviel geschäftlich zu tun." „War Artur, Herzog de Llare darunter?" Lord Ruylands Gesicht wurde hart und streng. „Nein. Mr. Kennion. Ich Hütte ihn auch nicht gerne gesehen." Nun zieh'» ins Land die stillen Friihherbsttage, Da Wollen sacht das Himmelsblau durchstreifen, Und zwischen trunkeu-sommcrsattem Reifen Und erster Welke schwankt des Jahres Wage. Die Wiesen stch'n von Grün noch überzogen, Doch starren kahl die Acckrr nach der Mahd, Indes, erdbraun bereit der Wintersaat, Der Pflug schon neue Furchen ausgebogen. Vereinzelt slackt ein Rostrot über Stämmen, Die noch den Blätterkranz des Sommers trage», Und wie ! ü dünnem Nebelhauch beschlagen, Verblaßt der Glanz aus fernen Hügelkämmcn. Der Mittag aber schenkt ein warmes Leuchten Und zündet rings im Laubwerk Lunte Brände, Vis abendlich Tauperlen das Gelände Im Sonnenabschied wie mit Tränen feuchten. Uoiuriob k-ols. ! r. „Dann machen Sie sich gefaßt, Mylord, ihn heule mittag zu sehen." Artur Herzog de Cläre kam erst nachmittags in seinem 4g Uk>. angesaust. Er wurde von dem Haushofmeister emp fangen, der von Lady Mabel den Auftrag hatte, dem Herzog be stimmte Zimmer anzuweiscu. Auf die Frage des Herzogs, ob er die Ehre haben könne, Ihre Ladiship zu begrüßen, meldete der Haushofmeister, Lady Mabel werde es freue». Seine Herrlichkeit beim Souper zu sehen. Der Herzog verriet mit keinem Zug seines beherrschten Ge sichtes, wie sehr ihn dieser Bescheid ärgerte. Er nickte dem Butler Entlassung zu und machte sich an seine Toilette. Artur Saymvur, neunter Herzog de Clor«, war ein Beauty der Gesellschaft. Groß, schlank, mit regelmäßigen Gesichtszügsn, elegant, in jedem Sport gut trainiert, zog er unwiderstehlich alle Frauen an. Man brachte ihn mit den vornehmsten Namen weiblicher Mitglieder höchster AdelÄreise in Verbindung und wunderte sich nur, daß diese Verbindungen von anscheinend ver schwindend kurzer Dauer waren. Die Herren der Gesellschaft wichen dem Herzog eher aus, als daß sie ihn gesucht hätten. Man flüsterte, er wäre nur nach der Außenseite ein Gentleman. Erst vor wenigen Jahren in den Besitz von Titel und Güter gelangt, durch unerwartetes Aussterben der Hauptlini« der Familie, wußte man nicht recht was er früher gewesen und getrieben und schwankte zwischen Filmschauspieler, Fremden führer und Kellner. Die ohnehin verschuldeten Güter konnten seiner Verschwendungssucht nur ungenügende Mittel liefern, weshalb mau ihn noch dunkle, wenig reinliche Erwerbsquellen Miaute. Trotzdem öffnete sein Titel ihm die exklusivsten Kreise. — Er war ganz Kavalier vornehmster Klasse, als er die zarte Hand Lady Mabels an die Lippen zog und mit dem flammendsten Blick seiner Augen ihre weibliche Hingabe for derte. Lady Mabel errötete unter dom Blick und flüsterte aus fein« stumme Frage: ,Jn einer Stunde im Parkpavillon." Niemand hatte di« kleine Szene beobachtet, als Inspektor Kennion, der sich unauffällig in die Gesellschaft gemischt, nach dem er einige Stunden des Nachmittags auf dem Postamte in Huntington, das auch die Post des Schlosses Ruyland besorgte, verbracht hatte. Im Parkpavillon erwartete der Herzog Lady Mabel, die hastig atemlos eintrat. „Artur, ich habe solch« Angst." „Brüsk unterbrach er sie: „Hast Lu das Dokument?" „Ja, ja. Ich wollte, ich hätte cs nicht. Vater ist ganz verzweifelt über den Verlust. Ich fürchte mich, ihm meine Tat zu gestehen." „Pah, was kann er dir tun. Gib mir das Dokument." Lady Mabel zog einen dicken Briefumschlag hervor und zögerte: „Weshalb willst du cs haben, Artur? Es genügt dock), wenn ich es behalte. Wir gehen zum Vater und knüpfen an die Rückgabe die Bedingung feiner Einwilligung in unser« Heirat." Mit geschicktem Griff entriß er ihr das Dokument und barg es in seiner Brusttasche. „Das wäre unklug, Mabel. Er würde uns das Dokument mit Gewalt abnehmen lassen. Komin mit nach London, von dort wollen wir ihn: unsere Bedingun gen vorschreiben." Lady Mabel prallte zurück. „Mit dir — allein — nach London. Da müßten wir verheiratet sein." Girgls Ehrung Von Julius Kreis. Der Bürgermeister Simon Moosrieder hielt ängstlich — verlegen — ratlos ein Schreibats in den großen braunen Händen. Es kam nicht vom Bezirksamt, nicht von der Finanz, nicht vom Vauamt, nicht voin Bezirkstierarzt — es kam von ganz „E'spaßigen", von Leuten, mit denen die Gemeinde Egertsham noch nie was zu tun gehabt hat — Lberhaupts . .. Der Simmerl hielt das Schreiben, als wäre eine Pulver- ladung für den Böller darin und die Zündschnur brennt schon. — Solchane Bluatsg'schichten! Da schrieb ein Künstlerverein ans der Stadt einen so haarigen Brief! — Der Moosrieder rückte die Brille aus die Nasenspitze, hielt das Schreibats weit von sich und las zum drittenmal. Die schrieben: Daß die Gemeinde Egertsham einen ganz großen, einen gottbegnadeten Künstler geboren hält', nämlich, der wo seinen fuchzigsten Geburtstag feiert — aber draußt in Egertsham — in der Stille will er es feiern, in der Heimat, wo ihn geboren hat, und dieser Künstler wär der Professor Georg Bachwieser und die Gemeinde Egertsham soll ihm am Vorabend — da kam er nämlich nach Egertsham — eine sinnige Ehrung bereiten, indem, daß der kleine Ort Egertsham stolz auf seinen großen Sohn sein könnte. So deutschte es der Moos rieder dem Beigeordneten Jakob Lohrer aus. der aufmerksam die Hand an seinen halbtauben Luser hielt. Der Moosrieder legte das Schreiben vorsichtig auf den Tisch und strich es mit der Hand glatt. „Vostehst mi. Jackl! — O'feiern soll'n ma an Bachwieser- girgl! Empfangs! A sinnige Ehrung — stebt dol" „A — woos, „Ehrung — a' Eeehrung! Vostehst!" „Wia?" „A Eeeehrung halt, wia ma's epper bei a Priminz hat oder so . . Der Lohrer schüttelt bedächtig den Kopf. Da Vachwieser- girgl Hot do koa Priminz, Simmerl, der Hot do net aus seine alten Tag auf Geischtli schtudiert — er is do a Maler. Rindvieh! Aber sein fuchzigsten Geburtstag hat er und da schreib» s' aus der Stadt, daß 'n G'moa o'feiern soll, bal er kimmt!" „A so!", sagte der Lohrer und schwieg, und leckte an seiner zerblätterten Zigarre. „Na feiern ma'n holt o, an Girgl!" „Wia dös na?" fragte der Bürgermeister. „Sauf' ma' halt und stell' ma' eahm a Trumm Haxn hi!" „Dösell Han' i dengerscht no nia net g'hört, daß ma' an Maler o'seiert. An Girgl!" „San ma' mit eahin in d' Schul gunga! — E'schpaßige Ein fäll' Ham s' da scho in da Atod drinna! — Pfüa Eod Simmer." Der Bürgermeister Moosrieder setzte sich ins Ofenbankeck und zündete die Pfeif' an. — Blieb nichts anders über! — M»' mag si dengerscht net in der Stadt o'schaug'n lasst», als kam's ins drauf o. — Aber geschpatzig war das schon. Wo der Girgl doch vom Bachwieserhäusl war und Über haupts . . . Wenn er wenigstens ein geistlicher Herr wor'n wär — Dechant oder Prälat. No, Professer — dös is a nix Schiachs! — Freilich, freilich, geworden is aus dem Girgl schon was! Aber er war halt eigentlich doch ein Maler — net — und was brauchts da a O'feiern! No, feiern ma holt o'. — Eine sinnige Ehrung — wiederholte der Moosrieder das unheimliche Wort für sich, und er brummte eine sinnige Ein ladung an den Kiiiistlerverein hinterdrein, der auf „solchane Danz" kam. Der Professor Georg Bachwieser hatte nicht weit außer halb seines Heimatdörfl's ein kleines Häusl. Wenn ihn die Stadt verdroß, wenn er ausruhen wollte oder auch besondere Sammlung zum Schaffen brauchte, zog er sich dorthin zurück. Er war nicht für Lärm und Eetu. Nicht im Leven, nicht in der Kunst. — Wo er als Bauernbub di« Eeisen gehütet und Kar toffel geharkt, da war ihm heut noch wohl. Er kannte die Menschen au» seiner Jugend, die fern von Stadt und Wett einem sauberen Vauerntagwerk nachgingen. Sie ließen ihn gelten — er sie. — Er war daheim. Behaglich saß er auf dem breiten Ledersofa und rauchte. Draußen siel früh der Winternachmittag ein. Nach zwei stündiger Bahnfahrt und drei Marschstunden durch den Schnee tat ihm Wärme und Ruhe wohl. Er war vor seinem Geburts tag aus der Stadt geflüchtet. — Freilich: gefreut hatten ihn die herzlichen und begeisterten Aufsätze und Glückwünsche der Presse-, die Briefe der Verehrer schon. — Aber jetzt wollte er Ruhe davon haben. Es war genug. Die Tür geht auf und herein sichert der Moosrieder. Er stampfte den Schnee von den Stieseln und sagte: „Crüaß Eo Girgl. — Bist wieder da." „Eriiaß di Simmer," sagt der Maler und bietet dem Besuch die Hand. — „Hock di zuawa!" Der Simmer setzt sich in die freie Sofaecke. „An schiach'n Winter hot's Heuer!" „Wohl, wohst!" D— Has'n kemman bis an d' Kuchltilr . . „Magst an Zigahr, Simmer?" „Gcltsgott, Girgl." Der Simmer beißt das Spitzl ab und spuckt es in die Stube. Dann qualmen beide Mannsbilder und schweigen. Nach einer Weile klopft der Simmer dem Girgl aus den Schenk. „A so geht's Girgl!" ,,Ja, so geht's Simmer!" Schweigen. Die Tür geht auf. Herein kommt der Lohrer Jackl. — Erüaßt, set sich ins andere Sofncck raucht. — Der Maler sagt: „Ja, jetzt Hot ma die best Zeit zum Hoa'gartn". „Wohl. Wohl!" Der Lohrer Jackl klopft die Tabakasche aus, stochert um ständlich in seinem Kloben und sagt dann: ,Za Girgl — a so gehts l" Und herein kommt der Kramer und legt nach der Begrüßung ein halb Dutzend Heringe, in fettes Zeitungspapier gewickelt, auf den Tisch. —