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virkenhead tritt zurück (Drahtber-cht unteres Vertreters.) I.. London, 5 September, Der von zwei Morgenblättern gemeldete Entschluß Lord Lirkenheads, die Politik mit dem Eeschäftsleben zu ver tauschen. ist seit vielen Wochen ein offenes Geheimnis. Eine Zeitlang war davon die Rede, daß er in die Leitung eines der größten englischen Zeitungssyndikat«, der Berry-Gruppe, eintreten werde, die kürzlich erst den „Daily Telegraph" zu ihren Dutzenden von Londoner und Provinzblättern hinzuerworben hat Neu ist die noch unbestätigte Nachricht der „Daily Mail", daß Lord Virkenhead nicht die Auflösung des Par lamentes abwarten werde und den Premierminister bereits ge beten habe, ihn schon im November d. I. ausscheiden zu lasten Die ausführlichen Angaben über Lord Birkenheads Nachfolger und die Besetzung des Kabinetts Baldwin für den Fall eines konservativen Wahlsieges im nächsten Jahr« find naturgemäß Kombinationen. » Tx „veeickenie" lux Tewsik Rufchdi Bei über die außenpolitische Lage. London, 4. Septembsr. Der türkische Minister des Aeuhern Tewsik Ruschdi Bei erklärte in einer Unterredung mit dem Berichterstatter des „Daily Telegraph" in Konstantinopel: Die Beziehungen der Türkei mit allen ihren Nachbarn sind äußerst freundschaft lich. Nicht eine Wolke trübt den diplomatischen Horizont. Wir freuen uns außerordentlich über den Sieg von Veni- zelos in Griechenland, denn es liegt in unfere'm Interesse, wenn unsere Nachbarn eine stabile Regierung habe», die eine feste Politik mehrere Jahre durchführt. Wir sind ganz zufrieden mit unseren Grenzen in Europa. Keine Macht begehrt irgendeinen Teil unseres Gebietes, und das ist die größte Gewähr für den Frieden, die irgendeine Nation haben kann. Wir werden die Dardanellen nicht wieder befestigen, selbst wenn wir die Erlaubnis dazu erhielten. Kriege können uns nur zum finanziellen Ruin bringen. Unsere Beziehungen zu Rußland find freundschaftlich. Der Minister, der betonte, daß sich die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Türkei von Jahr zu Jahr bessert, gab zu, daß 3 7 Prozent des Gesamtbetrages des Budgets zur Erhaltung des Heeres von 150000 Mann notwendig sei. dessen Aufgabe es sei, die innere Ordnung aufrcchtzu- crhallcn und die asiatischen Grenzen zu schützen. Die Besserung der Landwirtschast, so erklärte der Minister ferner, sei eine der größten Sorgen. Die Ernte für dieses Jahr und die ver gangenen Jahre sei sehr schlecht gewesen, so daß die Türkei gezwungen sei, Weizen cinzusührcn. Es sei die bestimmte Politik der Türkei, die Aufnahme von Ausländs anleihen zu vermeiden. Der Handel Konstantinopels werde sicher wieder auslcben, wenn die Beziehungen zwischen Rußland und den Wcstmächten wieder normal werden. Zusammcnfassend erklärte Tewsik Ruschdi Bei, Kenral Pascha hoffe, daß in 25 Jahren die Türkei eine kom pakte, homogene, gedeihende Nation mit etwa 25 Millionen Menschen sein werde. Die Türkei werde dann ein asiati scher Staat mit westlicher Zivilisation und Kultur sein. Sie ersten Probefahrten des Zeppeün in der zweite» Scptembcrhälste. Stuttgart, 4. September. Die Arbeiten am Luftschiff „Gras Zeppelin" find in den letzten Tagen soweit gediehen, daß am Mittwoch oder Donnerstag die Füllung der fünf Trag-Easzellen ihren Anfang nehmen kann. Sie wird in etwa acht Tagen beendet sein. Der Einbau der fünf Maybach-Motoren ist bereits abgeschlossen, so daß nunmehr damit zu rechnen ist, daß der erste Aufstieg des Schisses in der zweiten Hälfte dieses Monats unternommen werden kann. Da angesichts der noch unzureichen den Lrieblraftvorräte für die Speisung der Motoren die Probe fahrten größten Teils mit Benzingas als Betriebsstoff durch geführt werden, wird die Zahl der bereits vorhandenen Benzin tanks des Schiffes noch vermehrt werden. Die Amerikareise des Luftschiffes wird nicht vor Ab lauf des Monats erfolgen. Der Grund hierfür liegt lediglich darin, daß die Ansammlung des Triebgases etwas langsame Fortschritte macht, d. h. täglich nur KM Kubikmeter an Stelle von 3000 Kubikmetern hergestellt werden können. Die für einen Amerikaflug erforderliche Triebgasmeng« von ungefähr 30 000 Kubikmetern wird somit erst in vier Wochen zur Ver fügung stehen. Dieder gelanbel Paris, 4. September. Die heute früh auf dem Flugplätze von Le Vourgct zur Ozeanüberqucrung aufgcstiegenen Flieger Assolant «nd Lefövre sind heule nachmittag 4 Uhr 40 wegen eines Schadens an einein Oelzusuhrrohr in Casablanca ge landet. lieber IM Todesopfer in Korea Tokio, 5. Septemebr. Die Ucberschwemmungskataftrophe in Korea dehnt sich immer weiter aus. Die Stadt Eenzan steht unter Wasser. Die Reisfelder find fast gänzlich zerstört. Die japanische Regierung hat Schiffe entsandt, um der Be völkerung Hilfe zu bringen. Flugzeuge unterrichten die Be völkerung Uber den Stand des Hochwasters und versorgen fie mit Lebensmitteln. Di« Zahl der Todesopfer beträgt «ach den letzten Meldungen 10 SV. Der Retter in -er Rok (Von unserem Vertreter.) ^ 2. Bern, Anfang September. Fürst Johannn ll. von Liechtenstein hat seinem Lande eine Million Franken geschenkt und eine Garantiesumme von fünf Millionen zur Sanierung der Landesfinanzen unterzeichnet. So hat dem einzigartigen kleinen Staate, der mit 12 000 Ein wohnern auf 150 Quadratkilometern Flächenraum zwischen der Schweiz und Oesterreich liegt, der sich als einzige Mon archie in Mitteleuropa erhalten konnte und schwerer innerer Vorkommnisse wegen in den letzten Jahren immer wieder die Ausmcrksamkeit Europas aus sich gelenkt hatte, die Munifizenz seines in Wien lebenden Souveräns auch heute wieder wie so oft in der Vergangenheit über die schwerste Not hinweggeholfen. Vor dem Kriege war das Fürstentum Liechtenstein zwar rechtlich selbständig und unabhängig, durch den Zoll- und Währungsabschluß an Oesterreich, durch eine österreichische Ver waltung, Rechtsprechung und größtenteils auch Gesetzgebung tatsächlich aber von Oesterreich abhängig, das auch die auswärtige Vertretung des Fürstentums besorgte.. Die be kannte Behauptung, Liechtenstein, das an der Seite Oester reichs am Kriege von 1868 teilgenommen hatte, sei beim Friedensschluß vergessen worden und daher heute noch mit Preußen im Kriegszustände, ist dahin richtigzustellen, daß es zwar nicht zu einem formellen Friedensschlüsse gekommen ist, daß aber der Friedenszustand durch konkludente Handlungen und Vertragsabschlüsse Oesterreichs im Namen Liechtensteins längst wieder hergestellt worden war. Von dieser engen Bin dung ist nur noch die österreichische Verwaltung der einen das Fürstentum durchziehenden Eisenbahnlinie Buchs—Wien übrig geblieben Von der Auffassung geleitet, daß Oesterreich ein neuer Staat sei und infolgedessen der alte Vertragsgegner unter gegangen sei, wohl auch der Aufforderung der Entente nach stärkerer Betonung der Souveränität nachkommend, löste Liechtenstein nach Kriegsende die alten Beziehungen zu Oester reich und fand Anschluß an die Schweiz, die heute die Verkchrsanstalten verwaltet und deren Zollsystem das Fürsten tum angeschlossen ist; 1920 wurde dank der Unterstützung des Füren bereits die Franke »Währung faktisch eingeführt. Mit dieser äußern Umstellung verband sich auch ein innerer Umschwung: hatte vor dem Weltkrieg der Fürst, der aber auch beinahe ausschließlich für die finanziellen Bedürfnisse des Lan des auskam. das Land ziemlich absolut durch seinen Ver weserin Vaduz verwalten lassen, so wurde nun unter dem Druck der namentlich den Intellektuellen aufgekommenen neuen Ideen eine demokratische Verfassung mit einem Landtag, mit einer von ihm gewählten Regierung und einem großen Ve- amtenapparat cingeführt. Es bildeten sich zwei politische Strömungen, die mehr demokrtische Volkspariei und die konservativere Bürgerpartei. Beide sind monarchistisch gesinnt und große Unterschiede sind zwischen ihnen ^nicht festzustellen, so daß lokale und persönliche Gesichts punkte sich in den Vordergrund drängen mußten. Mit dem Einzug der Parteipolitik in das Ländchen begann auch ein selten erbitterter Parteienkamps, der nicht in geringem Maße für die finanziellen Mißerfolge der letzten Jahre verantwortlich gemacht werden muß. Das Ländchen wurde zum Tummelplatz der internationalen Spekulation; es folgten die finanziell katastrophalen Transaktionen mit den Briefmarken, einem Riesenelektrizitäts werk, zwei Kassalotterien; dann ergoß sich der Rhein ver heerend über das Land und bürdete ihm eine Schuldenlast von 10 Millionen auf; schließlich kamen die Betrügereien der staat lich garantierten Spar- und Leihkasse mit einem Verlust von 1 Million an den Tag. Unter dem Drucke der Erbitterung mußte die bisher an der Negierung gewesene Volkspartei, die für alle diese Asfären verantwortlich gemacht wurde, das Feld räumen. Die Neuwahlen gaben dank des Wahlsystems der, Bürgerpartei die Mehrheit und die Rcgierungsmacht, obschon die Stimmenzahlen der beiden Parteien einander ziemlich nahe gekommen waren. Die Hoffnungen des Ländchens beruhen auf dem greifen Fürsten, der. obwohl im Besitze eines außergewöhnlichen Reichtums, nach den Umwälzungen der Nachkriegszeit doch nicht mehr über die Summen von einst ver fügen kann. In der Schweiz werden diese Ereignisse mit Interesse verfolgt, besonders da eine gewisse Presse die ans Ruder gekommene Vürgerpartei als österreichfreundlich gesinnt hinstellen und ihr die baldige Lösung des Verhältnisses mit der Schweiz unterstellen möchte. Wahrheit ist, daß die über wältigende Mehrheit 'der Liechtensteiner sich bei der Eid genossenschaft allein als sicher aufgehoben suhlt und einen A n - schluß an Oe st erreich als wirtschaftlichen Selbstmord betrachtet. Die Schweiz, die dem Ländchen wirtschaftlich großzügig unter die Arme gegriffen hat, läßt ihm seine volle innere Frei heit, hat aber keinen Zweifel darüber gelassen, daß ein einmal vollzogener Bruch unwiderruflich wäre. Daß die Schweiz nicht im entferntesten an eine Einverleibung des Länvchcns denkt, sollte das Beispiel Vorarlbergs bewiesen haben, wo die Schweiz den damals beinahe einstimmig von den Vorarl bergern angenommenen Anschluß an die Schweiz ebenso ein mütig abschlägig beschieden hat. So bleibt dem kleinen Fürsten tum neben der uneigennützigen Hilfe der Schweiz nur die wahrhaft großmütige Freigebigkeit seines Fürsten, in unfern Tagen der demokratisch-republikanischen Staatssorm und des vielfachen Versagens wahrhaft fürstlicher Gesinnung in der Tat eine interessante Erscheinung. Bettritte Zum Kellogg-Pakt Aegypten unlerjchre'ibk vorbehaltlos l. London, 6. September. Es stellt sich heraus, daß auch Aegypten zur Unter zeichnung des Kellogg-Paktes eingeladen worden ist. Die ägyp tische Antwort ist gestern dem amerikanischen Geschäftsträger in Kairo übergeben worden. Aegypten tritt dem Pakt ohne Vorbehalte bei. Die englische Reservation, die anfänglich als ein Versuch aufgefaßt wurde, Aegypten vom Kellogg-Pakt auszuschließen, läuft darauf hinaus, daß England den Schutz ge wisser Gebiete gegen einen Angriff als eine Maßnahme zur Selb st Verteidigung des britischen Reiches betrach tet. Ein juristisches Hindernis für den Beitritt Aegyptens zum Pakt scheint diese Formulierung nicht zu bilden. Es ist daher unwahrscheinlich, daß England Schwierigkeiten machen wird. Verantwortliche amerikanische Persönlichkeiten sind auch der von amerikanischen Blättern verbreiteten Darstellung entgegen getreten. daß das Vorgehen des Staatsdepartements in Aegypten als -<ne Repressalie für Englands unabhängige Politik in Mexico gedacht sei. Andererseits ist die ägyptische Beitritts erklärung bemerkenswert durch den ausdrücklichen Zusatz, daß sic keinerlei Anerkennung der von anderen Mächten im Zusammenhang mit dem Pakt gemachten Vorbehalte in sich schließe. Diese Feststellung zeigt, daß auch di« gegenwärtige Diktatur in Aegypten außer Stande ist, von der Linie der ägyp tischen nationalen Politik abzuweichen und die vorgenannte einseitig« Erklärung Englands von 1922 anzunehmen, auf die die erwähnte englische Reservation zum Kellogg-Pakt beruht. Washington, 4. September. Abessinien, Portugal, Schweden und Venezuela haben das Staatsdepartement von ihrer Absicht, dem Kellogg-Pakt beizu- treten. in Kenntnis gesetzt. Der bulgarische Ministerrat hat den Beitritt Bul gariens zum Kellogg-Pakt beschlossen. Aus Nanking wird gemeldet, daß die Nanking-Re gierung den Beschluß gefaßt habe, dem Kellogg-Pakt bcizu- treten. Am Sonnabend soll dem amerikanischen Gesandten eine entsprechende Note überreicht werden. Die Zeremonie der Unterzeichnung soll vom ehemaligen Außenminister Dr. Wu voraeno-inmen werden ^ Selloggs Rückreise nach Amerika Paris, 5. September. Staatssekretär Kellogg ist gestern mit dein Kreuze- „Detroit", von Irland kommend, in Cherbourg eingetroffen und hat an Bord des Dampfers „Leviathan" die Rückreise «ach den Bereinigten Staaten amgetrcten. Sie griechischen Aiebererkrankungen Das Volk ist um Venizelos besorgt. Paris, 5. September. Die Nachricht von der E r kr a n k u n g des Ministers Präsidenten hat im griechische» Volke eine tiefe Bewegung hervorgerufen. Die ersten Nachrichten über den Gesundheitszu stand führten an der Börse zu einer Baisse verschiedener Werte, die sich allerdings bei dem Eintreffen besserer Nachrichten teil weise wieder erholten. Die Zahl der gegenwärtigen Erkrankun gen wird mit 235 000 angegeben. 589 Todesfälle sollen in Athen und den Pyrnus eingetreten sein. Der vom Völkerbund entsandte Arzt Macenzie erklärte, daß nicht die geringste Ge- fahr bestehe, daß die Krankheit sich in Griechenland scstsetzen werde. völlige Umbildung der Navkingregierung London, 5. September. Nach Meldungen aus Schanghai ist zwischen den bisher feind seligen Verwaltungen von Nanking und Kw angst eine Einigung zustande gekommen. Danach wird die Nan king-Regierung völlig umgebildet werden. Die militä rische Macht soll zu gleichen Teilen an die Generale Tschiangkai- schel und Hu-Han-Min gehen. Der linke Flügel der Kuomin tang gilt dadurch als kaltgestellt. Für General Feng ist kein Posten gefunden worden. Shurman reist nach Amerika Der amerikanisch« Botschafter in Berlin, Ehurma«, reist Mittwoch früh an Bord der „George Washington" nach Amerika, wo er einen längeren Urlaub verbringen wird. Der Botschafter wird seinen Aufenthalt in Amerika auch dazu benutzen, isich durch einige Wahlreden für den republikani schen Präsidentschaftskandidaten Herbert Hoover, mit dem er nicht nur durch die Partei durch Freundschaft verbunden ist, aktiv an den Vorbereitungen für di« im November erfolgenden Präsidentschastswahlen beteiligen. Sie aussterbeube Raffe der Mongolen Tokio, s. September. Die medizinische Fakultät der Universität Tokio erklärt in einem Bericht, durch eine verheerende Krankheit venerischer Natur sei die ganze mongolische Rasse in einigen Jahrzehnten dem Aus st erben verfallen. Auf 1000 Mongolen trifft jährlich kaum noch «ine einzig« Geburt, doch sterben noch viele von diesen Kindern.