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Nummer 2V6 — 27. Jahrgang «richet», «mal wSchenli. mit den Mnslr. Gratt«»etlagen .Di« Seit' und .Für »liiere kleinen Leutes towte den repbetlagen «t. Benno-Blatt'. .llnlerhallung und Wissen'. .Die Welt der Krau'. .Nerztltcher Ratgeber' Da« «nie Buch'. .Fllmrimd« tchan'. Monatlicher «ezugSVretS S Mk. einschk. Restellgeld. iilnzelnummer 1« 4- Sonnabend- u. Sonntaqnnmmer »« Hauptschrisiielier, L».«. L»»«,«,». Dre»d«n. SachMe Sonnlag» den S. Sepkember 1928 «eeiagSort, Dresden »ln,eigenpreiser Die igetpaitene Petltzeile »O ^.Familirn- anzeigen ü. Stellenaeluche Die Petittellamezeile. 89 nun breit. I Für An,eigen außerhalb de» VerbrettungSgebiete» 40 >1. die PetitreNamezeile 1 .»O^.Offerlengeb.»«» >s. Fall, »öderer Gewalt erlischt iede Verpflichtung aus Lieferung Io«i« lkrfltllung v. An,eigen-«nttrSgen u. Letliung v. Schadenersatz- GrlchSttltch« Lell- tUrtur Len». Dresden. - tlolksseimna kk«n ebnINliek» «aliltk UN- Kultur Redaktion der Sächsischen Bolk«,eitn»g >« 1 Polierstrahe 17. Nernrii« Ml> not, ottlia DreSd-n-AttNadt Der Kanzler klagt an! Der -euksche Dorsloh ln -er Vollversammlung -es Völkerbundes Um -eulsche Kriegsanleihe! Herbere Enttäuschungen hat wohl nie ein Volk aus gekostet als das deutsche in den letzten zehn Jahren. Mit derselben Heldengrötze, mit der es vier lange Jahre un vergleichbare Leistungen seelischer Volkskraft bewiesen hat, hat es doch schließlich trotz mancher trüber Neben erscheinungen, die Bürde seiner Leiden zu tragen gewußt. Es sah sich diesen Ereignissen einem großen unentrinn baren Schicksal gegenüber. Diesem Schicksal beugte sich ein physisch zermürbtes Volk im Jahre 1918. Dieses Schicksal empfand unser Volk in den tollen Wirrnissen der Inflation. Unter dem Eindruck dieses Schicksalhaf ten hat sich heute bei der übergroßen Mehrheit des deut schen Volkes die Ueberzeugung duräMsetzt, daß unser Weg zur Freiheit auf absehbare Weiten hinaus nur ein Weg neuer Opfer, großer Opfer ist und sein kann. Und der unerschütterliche Wille des deutschen Volkes zum Leben, der sich in der zähen, erfolgreichen Aufbauarbeit der letzten Jahre längst die Bewunderung der ganzen Welt errungen hat, ist trotz aller parteipolitischen Zer rissenheit ein neues heldenmütiges Opfer dieses Volkes auf den Altar des Vaterlandes. Diesem Volke soll scheinbar auch die bitterste Ent täuschung nicht erspart bleiben, die Erkenntnis nämlich, daß es Volksgenossen gibt, denen auch dieses Größte, was unser Volk hat, nämlich den Opfergeist für das Vaterland, nicht mehr heilig ist. Die Öffentlichkeit ist seit Wochen in Aufregung über angebliche Riesen schwindeleien mit Kriegsanleihe. Die Ver haftung von Hugo Stinnes jun., die im Zusammen hang mit diesen Schwindeleien erfolgte, hat diese Er regung im Volke gesteigert. Der Sachverhalt ist kurz folgender: Bei der Aufwertung der Kriegsanleihe hatte man bekanntlich die Unterscheidung zwischen Altbesitz und Neubesitz getroffen. Während die Neubesitzer, die also die Anleihe nicht persönlich gezeichnet, sondern die Anleihestücke aus dritter Hand, wohl in der Regel zu Spekulationszwecken, erworben hatten, sich mit eine» Zweieinhalbprozentigen Auswertung begnügen mußten, stellte sich die Aufwertung bei den Altbesitzern durch die sogenannten Auslosungsrechte fünfmal so hoch, also auf zwölfeinhalb Prozent. Das Finanzministerium hatte er rechnet, daß für die erhöhte Aufwertung rund 20 Mil liarden Mark Altbesitz in Frage kämen. Die bisherige Anmeldung hat aber zur größten Verwunderung der zu ständigen Stellen 42 Milliarden Mark Altbesitz, also mehr als das Doppelte der Satzung ergeben. Man nahm so fort an, daß diese Riesendifferenz von 22 Milliarden Mark nur auf Schwindeleien zurückzuführen sein könnte, die darauf beruhen, daß .Neubesiher ihre Anleihe auf irregulärem Wege als Altbesitz angemeldet haben. Die Riesendifserenz ließ vermuten, daß es sich dabei nicht um Kleinigkeiten gehandelt haben kann. Es stellte sich sehr bald heraus, daß im Auslande, für das durch das Londoner Abkommen eine Sonderregelung in dieser Frage getroffen werden mußte, ganze Organisationen be standen haben, die den Kriegsanleiheschwindel betrieben. In diesem Zusammenhänge tauchte dann auch der Name Hugo Stinnes jun. auf. Der Verdacht stieg auf, daß Stines jun., bzw. zwei seiner Mitarbeiter, in zwei Fällen 400 000 Mark für den Ankauf von Kriegs anleihe im Auslande verwandt und deren Anmeldung als Altbesitz versucht hatten. Bei der Anerkennung als Altbesitz hätte die für den genannten Betrag erworbene Anleihe aufgewertet überOMillionen Mark aus gemacht, um die der Staat betrogen worden wäre. Klar heit über diesen Verdacht, der bekanntlich zur Verhaf tung von Hugo Stinnes jun. führte, muß freilich erst die weitere Untersuchung bringen. Jedenfalls scheint es sich aber bisher nur um die Aufdeckung eines Bruchteiles des Niesenbetruaes zu handeln, den die Reichslinanzbehörde hinter der Altbesitzanmeldung vermutet. Es wird dann erst noch zu klären sein, wo die restlichen 22 Milliarden Mehranmeldung Herkommen. Mer schon dann, wenn I Keule r Die Wett (Illustrierte Wochenbeilage) t Unterhaltung und Wissen ^ Filmrundschau s Turnen. Sport und Spiel Die Verzögerungstaktik in -er Aüumungssrage Genf, 8. September. Der gestrige Freitag war der erste Tag von gröberer poli tischer Bedeutung der jetzigen Völkerbundstagung. In der Voll sitzung am Nachmittag nahm als erster Reichskanzler MiillerdasWort. Seine Rede war eine schwere Anklage gegen die Verzögerung der Sl b r ii st u n g s p o l i t i k. Sie fand bei der Versammlung starken Beifall, der sich wiederholte, als die Rede Ins Französische übertragen worden war. lDer Wort laut der Rede folgt nachstehend. D. Red.) Nach Schluß der Sitzung stattete Briand dem Reichs kanzler Müller im Hotel „Metropole" den fälligen Gegen besuch ab. Ausfällig war, daß der Besuch nur eine Vier telstunde dauerte. Briand hat dem Reichskanzler mitgeteilt, daß er es aus Grund seiner Sondierungen für erforderlich halte, datz der Kanzler vor der gemeinsamen Konferenz erst noch E i n.- zelbesprechu n ge nmitdenVertreternder übri gen beteiligtenMächte herbeisühre. Dies solle in ganz zwangloser Form geschehen, und Zwar gegebenenfalls im Lause des Sonnabends, so datz frühestens am Montag vermutlich aber erst später, dte geplante gemeinsame Konferenz stattfinden Stinnes nur in den zwei genannten Fällen des Betruges überführt werden sollte, hätte man es mit einem ganz außergewöhnlichen Betrugsfall zu tun. der wegen des Objektes, weil er mit Kriegsanleihe begangen worden wäre, ganz erheblich an Schwere gewinnt. Die Kriegsanleihe war der Ausdruck der größten Opfergesinnung eines ganzen Vol kes. Sie war mit dem Herzblut der kleinen Leute ge zeichnet. die mit ihren letzten Ersparnissen meist ihre ganze Habe auf dem Altäre des Vaterlandes niederleg ten. Der Soldat vorn an der Front, der sich seine Löh nung kürzen ließ, opferte mit dem Schulkinde und dem alten Rentner in der Heimat, dem der Dienst mit der Waffe nicht mehr möglich war. Man schätzt die Zahl der Aermsten, denen die Entwertung der Anleihe in der In flation alles nahm, auf etwa dreidreiviertel Mil lionen. Ihnen war meist nichts mehr geblieben als der schwache Trost, dem Vaterlands in der Stunde der höch sten Not auch das letzte Opfer an Besitz gebracht zu haben. könnte. Briand soll dem Kanzler auch nachträglich zum Erfolg« seiner Rede beglückwünscht haben. Das politische Ergebnis der ersten Genfer Woche ist somit reichlich negativ. Der Taktik Briands ist es gelungen, die Verhandlungen über die Rheinlandsrage zumindest bis auf nächste Woche hinauszuzögern. Heute Sonnabend wird die Generaldebatte fortgesetzt. Man hält es sür möglich, daß Briand seinem Kollegen Paul Boncourt, der bekanntlich ein ostentativer Gegner der Abrüstung ist, das Wort überläßt. Lord Cushendun wird erst am Sonntag früh zu Baldwiri nach Aix-le-Bains fahren. Man hält es sür wahrscheinlich, daß Reichskanzler Müller bis Ende nächster Woche in Genf bleiben wird. Skeptiker halten es überhaupt sür ziveifelhaft, das; die Konferenz mit den Besatzungsmächten noch zustande kommt. In Kreisen der deutschen Delegation hält man noch immer an der Hoffnung fest, datz sich in der nächsten Woche die Gelegenheit bieten wird, die deutschen Forderungen nach Ge samträumung des Rheinlandes vor versammelten Vertretern den Bcsatzungsmächten vorzutragen, und eine materielle Basis zu finden, auf der dann über die Bedingungen der Gesamträumung an anderer Stelle weiter verhandelt werden kann. Die „Neuqork Times" will von einem neuen Vor schlag wissen, den Deutschland den Vertretern der Be satzungsmächte z» machen gedenkt. Es soll sich angeblich um eine ausschließlich aus Neutralen bestehende Kommission han deln, die die Kontrolle der deutschen Wcstgrenze an Stelle der Besatzung übernehmen soll. Diese Kombination ist nicht mehr ganz neu. Die weiteren Verhandlunaen werden erst zeige« müssen, ob sie einen echten Kern enthält. Diese Millionen litten furchtbar daran, daß zehntausend andere aus der gleichen Inflation Kapital schlugen, an der sie elend zugrunde gingen, bloß weil sie zum Staate standen, der unentwegt an dem Satze „Mark ist gleich Mark" festhielt, bis er dann über Nacht befahl, daß eine Billion Mark gleich einer Rentenmark sein solle. Es hatte ein ganzes Volk verbittert, daß einige wenige auf den wirtschaftlich und moralisch falschen Staatsgesetzen ihre „Königreiche der Inflation" aufbauen konnten, wäh rend Millionen zu Bettlern wurden. Derjenige, der das Rezept der „Uebermindung" der Inflation von innen her aus zuerst begriff und dann am virtuosesten beherrschte, war HugoStinnes. Er ist seit vier Jahren tot. Von seinem „Warenhaus der Sachwerte" ist nur noch ein Torso übrig geblieben. Die Flotte mit den schwarzweiß roten Schornsteinen hat längst die Segel gestrichen. Die Zeitungen, die er einst beherrschte, reden andere Spra chen. Die Wälder, Holzmühlen und Papierfabriken sind längst in anderen Händen. Es ist doch, als ob die Ge- Der Wortlaut -er Kanzlerreöe Reichskanzler Müller führte in seiner Rede vor dem Plenum des Völkerbundes folgendes aus: Ich bitte, mir zunächst eine Bemerkung persönlicher Art ge statten zu wollen. Es ist mir ein Bedürfnis mein Bedauern darüber auszusprechen, datz mein verehrter Kollege, der Herr Reichsminister des Auswärtigen, Dr. Stresemann, der vor zwei Jahren an dieser Stelle die deutsche Mitarbeit im Völker bund einleitete, und seither als erster deutscher Delegierte im Rat und in der Bundesversammlung tätig gewesen ist, nicht auch diesmal wieder Wortführer Deutschlands sein kann. In dem Telegramm, mit dem er die freundlichen Grütze der Bundes versammlung erwidert hat, kommt zum Ausdruck, mit welcher Anteilnahme er unsere Verhandlungen verfolgt, und wie bitter er es empfindet, im Augenblick an der ihm so am Herzen liegen den Mitarbeit in Genf verhindert zu sein. Lassen Sie mich aber dabei eines sofort hinzufügen: Wenn ich in diesem Jahre hier die Auffassung des deutschen Volkes vermittele so geschieht das in dem gleichen Geist und in dem festen Willen, in der Organisation des Völkerbundes durch offene und auf richtige Zusammenarbeit mit den anderen Nationen auf die Erhaltung des Weltfriedens hinzuwirken und kein anderes Gesetz für die Gestaltung der internationalen Beziehungen anzuerkennen als das Gesetz der friedlichen Ver ständigung und des friedlichen Ausgleichs. Der bisherige Verlauf der Debatte hat bereits deutlich er kennen lassen, welches die Fragen sind, die augenblicklich im Vordergrund der Völkerbundspolitik stehen. Sie sind von autzer- ordentlicher Bedeutung, und ich lege deshalb Wert darauf, den grundsätzlichen Standpunkt Deutschlands dazu heute kurz dar- zulegen. Ich möchte ausgehen von dem großen internationalen Ereignis, bas sich vor kurzem in Paris vollzogen hat und das mit den Zielen, die wir hier in Genf zu verfolgen haben, aus das enaste zukammenhänüt. Die Bedeutung des in Baris Unter zeichneten Paktes zur Aechtuiia des Krieges ist von verschiedenen Vorrednern bereits in Helles Licht gerückt worden. Ich kann mich ihren Ausführungen nur aus vollster Ueber zeugung anschlietzen. Die breiten Massen sind bei allen Völkern für die Aechtung des Krieges. Die verantwortlichen Re gierungen aber dürfen in ihrer praktischen Politik nicbt dar über in Zweifel sein, was es bedeutet, wenn sich die Staaten in einem feierlichen und bindenden Vertrage sür alle Zukunft verpflichten, auf den Krieg als Instrument der nationalen Politik zu verzichten, und wenn sie ihn damit aus der Reihe der legitimen Mittel zur Gestaltung der zwischenstaatlichen Be ziehungen ausstreichsn. Die Männer, auf deren weitblickende Initiative das Zu standekommen des Paktes zurückzuführen ist, haben Anspruch auf unseren aufrichtigen Dank. Es bedeutet keine Einschräniung dieses Dankes, wenn ich die beste Garantie für die Wirksamkeit des Paktes darin sehe, datz er letzten Endes nicht- in will kürlichen Entschlüssen der Kabinetie, sondern in dem Emp finden wurzelt, das heute durch die ganze Mensch, heit geht. Mehr als in allen Epochen der Geschichte werden gegenwärtig fundamentale Staatsaktionen dieser Sli-e non den Kräften diktiert, die in den Völkern lebendig wirken. Die Welt sucht heute nach neuen Formen des inter nationalen Levens, weil sie immer mehr erkennt, datz es i» hohem Matze andere Faktoren sind, die heute für das Welt geschehen bestimmend sind, weil sic sieht, datz wir die Dinge nicht mehr allein mit den Methoden zu meistern ver mögen, auf deren Anwendung die frühere Politik im wesent lichen beruhte. - (Fortsetzung nächste Seite!)