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Nummer 188 — 27. Jahrgang Sri Leim «mal wvchentl. «It den Musi«. Smtt«detlagen »Di« Weil' und »ssllr unlere Netnen Leute', lowie den Terlbellagen ,kl. Benno-BIatt'. .Unterhaltung und Wissen'. .Die Welt der Frau', .«erzlllcher Ratgeber'. .Da« gute Buch' .Fllinrund. schau'. Monatlicher Bezugspreis 8 Mt. elnschl. Bestellgeld, klnzelnummer 1« Sonnabend- u. Sonnlagnummer SO Haupllchrlsllelter! Tr. (S. TeSczhk« Dresden. SüchMe Sonnlag, den 19. August 1928 BerlagSort, Dresden Slnzetgenprelt«, Dle Igelvaltene Petttzell, »0 ^.Familie», mizeigen ».Stellengesuche SOI. Dle Petltretlamezrll« 89mm breit. 1 Für Anzeigen außerhalb de« Berbreltung-geblete« 401. diePelttreNamezeile ».»O^.Osferlengeb.SO 1. Im Fall« höherer Gewalt erlischt lebe Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeige».AuIlrSge» u. Leistung v. Schadenersatz. Geschüstiicher Teil: Artur Lenz. Dresden. vottssenuna (»eschäftSstell«, Druck «.Verlag: Germania. A.-G. lür Verlag und Dnickerei, Filiale Dresden, DreSden-Sl.1, Polierslratzet?. FernrusLlvlS. Posilcheiklonto Dresden ?gag Vanssonlo Stadtbank TreSden Nr 8>719 Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volkszrttung DreSdeu-Altstad« 1 Polierstratze >7. Fernru« 207I> und 7IM2. Der Kreuzerkrieg Vor den letzten Wahlen bestritt man den praktischen Gefechtswert des geplanten Panzerkreuzers A, um dessen phantastische Masten und Rahen sich seit Wochen wie zur Flaggenparade die ganze deutsche Politik rankt. Noch ehe auf der Marinewerft der erste Hammerschlag getan ist, scheint diese These sehr nachhaltig widerlegt. Denn seit Wochen ist in der deutschen Politik der schönste Kreuzerkrieg im Gange. Der Panzerkreuzer A steht unversehrt im Brennpunkte der Schlacht, ja er macht bereits durch sein ideelles Scheindasein gleich einem ge spenstischen Geisterschiff seinen Gegnern, die ihm gestern nach jeden Gefechtswert absprachen, auf das schwerste zu schaffen. Noch kein Mensch hat eine Breitseite des neuen Panzerkreuzers aufblitzen sehen. Aber die Wirkungen sind da. Das Parteischiff der Sozialdemokratie, auf dem die sozialistischen Reichsminister so mutig in See gestochen, treibt in arger Hilflosigkeit auf den Wellen, und die Besatzung streitet sich, in zwei gegnerische Lager gespalten, ob sie am Negierungskurse festhalten, oder aber kehrtmachen und in den schützenden Hafen jenes Schla raffenlandes zurückkehren soll, das unter dem Deckmantel der lustigsten Opposition den Bedürfnissen der Parteipoli tik restlose und billige Befriedigung gewährt. Am heu tigen Sonnabend hat man die Reichstagsfraktion und den Parteiausschuß der SPD. nach Berlin einberufen. Der Varteivorstand, sowie der Fraktionsvorstand der SPD. bat bereits eine Mitztrauenskundgebung gegen die abtrün nigen Reichsminister gewagt. Jetzt gilt es Mittel und Wege zu finden, um die Haltung der Sozialdemokratie in der Negierung mit der Agitation dieser Partei vor den Wahlen wieder in Einklang zu bringen. Eine Auf gabe, vor der den stärksten Männern Angst werden mutz. An sich ist der Panzerkreuzer A nicht das Alpha und Omega der deutschen Politik, wie es nach der sozialistischen Presse scheinen könnte. Der Bau des Kreu zers entscheidet sicher nicht über den Krieg und Frieden. Finanziell gibt es viel einschneidendere Dinge, man denke an die Pläne zur Heraufsetzung der Pslichtgrenze in der Krankenversicherung, die weite Kreise unseres Volkes viel schwerer treffen würden, von denen aber die sozia listische Presse kaum etwas weitz. Etwas Grundsätzliches ist also der Bau des Panzerkreuzers A sicher nicht. Erst die Auseinandersetzung, die die Sozial demokratie an diesen Kreuzerbau geknüpft hat, macht die Frage zu einer grundsätzlichen. Daß also gerade ein Kreuzer im Brennpunkt der heutigen politischen Auseinandersetzungen steht, ist fast ein Zufall. Jede andere Regierungsmaßnahme hätte früher oder später ganz ähnliche Wirkungen haben müs sen. Denn dank der sozialdemokratischen Politik, die in den letzten Jahren und in den verschiedenen Ländern un ruhig zwischen Verantwortung und agitatorischer Oppo sition hin- und herpendelt, ist die Auseinandersetzung um den Panzerkreuzer zu einer nur zu grundsätzlichen für die SPD. geworden. Zu einer freimütigen, unbeeinflußten Stellungnahme haben die sozialistischen Parteiführer heute kaum noch Zeit. Die Wogen der Verneinung, die von unten heraufdringen, schlagen fast über den Führern zusammen. Die Agitation, die man seit Monaten sorg sam gepflegt hat, ist entfesselt, und es wäre wohl das erste Mal, wenn die sozialistische Presse jetzt noch einigermaßen geschlossen hinter die Führer treten und den wilden Wo gen Einhalt gebieten würde. Es geht auch beim Panzerkreuzer A letzten Endes um die grundsätzliche Frage der Einstellung zur Verantwortung, zum Staate. Wer jahrelang sein Dasein auf Konzessionen an irrende Massen und auf Agitationsgewinne eingestellt hat, der muß solche Krisen heraufbeschwören, wie sie die SPD. augenblicklich erlebt. Man wird immer das ernten, was man gesät hat. Die blinde Agitation, die sich noch vor vier Monaten gegen die „Bourgeoisie" austobte, brandet heute in ungeminder- ter Schärfe gegen die eigene Parteiführung zurück. Fast ist es eine Ironie der Gegenwartsgeschichte, daß auf die sen Wogen ausgerechnet ein Panzerkreuzer schwimmt. Man wird die Beschlüsse der heute zusammentre tenden Parteiinstanzen abwarten müssen, ehe Keule r Die Welt (Illustrierte Wochenbeilage) Unterhaltung und Wissen Das gute Buch FilmrundschüK Turnen. Sport und Spiel Slresemann reist nach Paris Annahme der Einladung Wie wir von bestnnterrichteter Seite erfahren, hat Reichs» auhenminifter Dr. Stresemann die Einladung nach Paris an- genonimen und wird sich daher zur Unterzeichnung des Anti- kriegspaktes am 27. August dorthin i.egeben. Eine diesbezüg liche Mitteilung ist an die französische Regierung ergangen. Ueber die R e i s e d i s p o s I t i o n e n des Ministers ist im einzelnen noch keine Bestimmung getroffen worden, jedoch rechnet man damit, daß er am Sonnabend. 25. August, von Berlin absahren und in der folgenden Woche von Paris direkt nach Gens zur Ratstagung des Bölkerbundes reisen wird. Dr. Stresemann wird zunächst am Sonntagnachmittag Oberhof verlassen, um sich zur Uebernahme seiner Amtsgeschäste nach Berlin zu begeben. » Nachdem mit der Beilegung des Zweibrückener Zwischenfalles das äußere Hemmnis für die Reise des deut schen Außenministers hinweggeräumt ist, dürfte eine An nahme der Einladung durch Herrn Dr. Stresemann er wartet werden. Herr Dr. Slresemann begibt sich in diesen Tagen nach Berlin zurück und wird von Paris aus un mittelbar zur Genfer Septcmbcrtagung abrcisen. Wenn auch der eigentliche Zweck des Pariser Aufenthaltes die Paltunterzeichnung sein wird, so märe es doch begrüßens wert, wenn der deutsche Außenminister entsprechend den ursprünglich geäußerten Absichten dis Gelegenheit ergreifen würde, um mit maßgebenden französischen Stellen, vor allem mit Poincare über die schwebenden deutsch-französi schen Fragen Fühlung zu nehmen. Der Genfer Tagung wird ja wohl diesmal durch die Abwesenheit Ghamber- lains ohnehin ein Teil ihrer Aktionsfähigkeit genommen, o daß hier entscheidende Entwicklungen kaum zu erwarten ind. Slresemanns Absichten Unter der Überschrift „Stresemann reist nach Paris" schreibt die dem Außenminister nahestehende Nationallibcrale Korrespondenz u. a.: „Der deutsche Reichsanhenminister kann jetzt der feier lichen Unterzeichnung nicht fern bleiben, weil sie zufällig in Paris, der Hauptstadt Frankreichs, erfolgt. Der genesene Stresemann könnte es um so weniger, als Staatssekretär Kel logg die unvergleichlich größere und beschwerlichere Reise über den Ozean nicht scheut. Slresemanns Reise nach Paris, mit der ja nun wohl gerechnet werden muß, bedeutet mit Nichten eine Berücugung vor Paris und Frankreich, noch weniger eine Preis- gäbe deutscher Würde, sodern nur einen Akt kluger Höf lichkeit gegenüber den Vereinigren Staaten. Eine Politik fester Führung, die sich ihre Ziele gesteckt hat. kann sich nicht nach jedem Nadelstich ändern oder preisgeben. Mögen diese Nadelstiche noch so boshaft geführt sein und noch so empfindliche Teile treffen, über Nadelstiche, Entgleisungen, Zwi schenfälle oder wie man immer die mit der Besatzung des Rhein- landes im Zusammenhang stehenden höchst unliebsamen Vor kommnisse der letzten Zeit nennen will, brauchen wir uns ja nicht zu beklagen, auch nicht darüber, daß es in Europa immer nach genug Leute und Kräfte gibt, die sie gern zur Vertiefung des deutsch-französischen Gegensatzes ausschlachten. Die deutsche Forderung bleibt Abbau und Abzug der Besatzung. Durch die Zustände, die sie schafft, ist das Schicksal großer europäischer Völker täglich, ja stündlich in die Hände beliebiger, oft unverantwortlicher und unreifer Menschen gegeben. Auch wir dürfen nicht übersehen, daß es nicht immer Märtyrer aus tiefer deutscher Not sind, die Zwischenfälle schaf fen, sondern daß es hier oft genug nur um Menschlich allzu Menschliches geht. Das deutsche Volk müßte heute reif genug sein, diese Reife lediglich unter dem ausschlaggebenden Gesichts punkt des Kelloggpaktes zu betrachten. Kommt es darüber hinaus in Paris noch zu einer näheren Fühlungnahme zwischen Stresemann und dem französischen Minister, so wäre es jeden falls nicht vom Nebel." Kellogg abgereisl Reuyork, 17. August. Staatssekretär Kellogg reist am heutigen Freitag aus dem französischen Dampser „Isle de France" nach Europa ab. Gleich zeitig begibt sich Botschafter Houghton aus seinen Posten nach London zurück. Wie aus der Umgebung des Präsidenten Loolidge berichtet wird, beabsichtigt der Präsident, durch verschiedene Reden vor den amerikanischen Wählermassen für den Kellogg-Pakt in ähn licher Weise Propaganda zu machen, wie seinerzeit Wil son für den Völkerbund. Das bedeutet, daß die Republikaner beabsichtigen, den Kellogg-Pakt bei den kommenden Wah len für sich auszu nutzen, was um so näher liegt, als die Republikaner sonst mit einem großen außenpolitischen Pro gramm nicht aufwarten können. Die republikanische Presse unterstreicht, Präsident Coolidge gehe davon aus, daß der Völker bund bei der Lösung des internationalen Friedensproblemes mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt habe, da die Na tionen zu sehr an ihre eigenen Interessen dächten. Die republi kanische Presse will damit offensichtlich unterstreichen, daß der Völkerbund gerade in dieser Hauptfrage versagt habe. Bukarest, 11. August. Einer Meldung des Blattes „Cuvantul" zufolge, wird sich die Regierung nach einer Fühlungnahme mit Titulescu dem Kellogg-Pakt in folgender Weise anschließcn: Der Pakt wird, nachdem die Unterfertigung durch die eingeladenen Mächte in Paris vorgcnommen worden ist, durch den rumänischen Ge sandten Cretzeanu in Washington unterschrieben. Cretzeanu wird wahrscheinlich auch die Schiedsgerichtskonventioncn unter zeichnen. aber erst dann, sobald einige genauere Tetztsestlegungen, die durch die rumänischen Belange geboten erscheinen, vorgcnom- men sein werden. man über den Ausgang dieses Kampfes zwischen Führern und Massen etwas Zuverlässiges sagen kann. Es gibt Leute, die bereits die Sprengung der Koalition herauf dämmern sehen. Andererseits werden die sozialistischen Minister im Reichskabinett nicht so leicht von heute auf morgen die Waffen vor einer Palastrevolution strecken, die nur die traurige Erbschaft eines falsch ge führten Wahlkampfes ist. ist außerordentlich schwer zu sagen, wie sich gegenwärtig die politischen Kräfte innerhalb der sozia listischen Wählerschaft verteilen. Es gibt ganz gewiß einen starken Flügel innerhalb der SPD., der etwa mit rem Reichsbanner durchaus positiv zum Staate teht, der auch für die Uebernahme der Verantwortung n einer Koalitionsregierung das nötige Verantwor tungsbewußtsein aufbringt. Es gibt aber auch einen ver mutlich nicht minder starken linken Flügel der Partei, quasi die T r a d i t i o n s t r u p p e der noch immer nicht toten USP., der auch heute noch an die proletarische Diktatur in Deutschland glaubt und der dieses Ziel naturgemäß nur durch negative Opposition zu erringen hofft. Die Geschichte des Sozialismus in Deutschland in der Nachkriegszeit ist durch die Ausein andersetzung dieser beiden konträren Kräfte gekennzeich net. Und augenblicklich ist dieser „Klassenkampf" inner halb des Sozialismus an einem neuen kritischen Punkt erster Ordnung angelangt. Wir in Sachsen laufen weniger Gefahr, die Stärke des USP.-Flügels in der Sozialdemo kratie zu unterschätzen. Wir kennen diese Richtung aus nächster Anschauung und aus langjähriger Praxis. Im Westen des Reiches, auf dem Arbeitersportfest in Dort mund, hat jüngst die sozialistische Jugend in dieser Hin sicht wirksame Lehren ausgeteilt. Als Severing die aufmarschierten Verbünde statt mit dein Kosenamen „Ge nossen" als „Deutsche Männer und deutsche Frauen" an zureden wagte, mußte er sich lebhaften Widerspruch sei tens einzelner Gruppen gefallen lassen. Als ein zweiter, ebenfalls sozialistischer Redner, der offenbar nicht ganz die Autorität Severings auf seiner Seite hatte, die gleiche Anrede gebrauchte, machten mehrere Gruppen ostentativ kehrt und marschierten vom Festplatze. Wenn es der säch sischen Sozialdemokratie nach ginge, müßten die Severing, Hilferding, Müller und Wissel noch heute Kehrt machen und aus der Wilhelmstraße abmarschieren, weil sie es ge wagt haben, mit ihrer Gefolgschaft in der Panzcrkreuzer- frage deutsch zu reden. Eine Partei, die solche Sprache nicht vertrügt, mag der Teufel führen. Und selbst er mühte in diesem Falle ein ganz hervorragender Hexen meister sein! Das also ist der Hintergrund des Kreuzerkrie - ges, den die sonst so pazifistische Linke mit aller Schärfe gegen ihren eigenen rechten Flügel und gegen die böse Bourgeoisie eingeleitet hat. Man wird außerhalb der So zialdemokratie gut daran tun, sich durch diesen Kreuzer krieg nicht verblüffen zu lassen. Denn um die sachliche Frage, ob wir eine Marine und diesen neuen bescheidenen Panzerkreuzer A brauchen, geht es schon längst nicht mehr. Als Schutz für die Auseinandersetzungen innerhalb der sozialistischen Parteien, die auch ohne Panzerkreuzer früher oder später doch gekommen wären, ist uns die deut sche Politik und vor allein auch der Panzerkreuzer A. viel zu schade. m. I).