Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 22.08.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192808224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19280822
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19280822
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-08
- Tag 1928-08-22
-
Monat
1928-08
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 22.08.1928
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Speisekarle -er Nalwnen Loopings, Rückenflug. Vollgaskurve usw. Die Fallschirm. Zielsprünge wurden aus 500 Meter Höhe ausgeführt von Frau E. Kröhl, Dresden. Herrn R. Boehlen, Basel, und Frau Dr. Schröter-Borescou. Am nächsten kam dem auf dem Flugplätze befindlichen weißen Kreuz« bei dem Folkschirmsprunge Herr R. Boehlen. An dem Publikums-Wettbewerb mit Pilotballonen beteiligte man sich lebhaft. Gegen ^6 Uhr war die Veranstal tung beendet. 5>UL riet I-suritr l. Falscher Zollbeamter. Ein falscher Zollbeamter, vor dem Gastwirte und Geschäftsleute gcivarnt seien, war in Zschorna, Amts- gecichtsbezirk Löbau, bei einem dortigen Schankwirt erschienen und nahm eine Nachprüfung der vorrätig getialtenen Tabakwaren vor. Beim Weggang erklärte er, daß ihm seine Briestasche verloren ge. gange» sei. Auf diese Weise erschwindelte sich der angebliche Zoll beamte, der sich als Zollinspektor Neußendorf ausgab, ein Darlehen von 45 Mark. Nach dem Betrüger wird lebhaft gefahndet. l. Sächsischer Gemeindebeamtentag. Am 23. und 24. September hält der Sächsische Gemcindcbeamtenbund seine diesjährige Bundes- hauptvcrsammlung in Löbau ab. Auf der Tagesordnung stehen neben dem Geschäfts- und Kassenbericht der Haushaltplan und Satzungsänderungen. Gleichzeitig Hallen die Wohlfabrtskasscn ihre Hauptversammlung ab. Mit der Tagung ist auch eine Fachausstellung von Bürobedarssartikcl» verbunden. l. Fabrikbrand in Wilthen. In der vor einigen Jahren neu er bauten Weberei der Firma Henke u. Zenker in Wilthen entstand auf bis jetzt nicht geklärte Weise ein größerer Brand, der das Dach bis aus die Umfassungsmauern einäscherte. Exerzilien Sohenetchen Soslerwitzr Priester: 3. bis 7. September. Kloster Marienlhal bet Zittau r Jungfrauen: 25. bis 29. August, Jungfrauen: 10. bis 14. September. Frauen: 15. bis 19. September. Gottesdienstordnung während der Leipziger Herbstmesse. Am Sonntag, den 26. August 1928, wird aus Anlaß der Leipziger Messe in Leipzig folgender Gottesdienst gehalten: Katholisch« Propsteipsarrkirche, Leipzig, Weststr. 2. 6 Uhr HI. Messe, 7 Uhr hl. Messe mit Predigt, 8.30 Uhr feierlicher Er- vfsnungsgottesdicnst aus Anlaß der Herbstmesse mit Predigt, Hoäiomt' und hl. Segen, 10.15 Uhr Schulgottesdienst mit Pre digt, 11.15 Uhr letzte hl. Messe. — Pfarrkirche St. Laurentius, Leipzig-Reudnitz. Friedrich-Wilhelm-Str. 20. 7 Uhr Frühmesse, 0 Uhr Predigt, Hochamt und Segen. — Liebsrauenkirche. Leipzig. Lindenau, Karl-Hcine-Str. 112. 6 Uhr Frühmesse, 7.15 Uhr Kommunionmesse, 8.15 Uhr Schulmesse, 9.30 Uhr Hochamt. — St.-Georgs-Kirche, Leipzig-Gohlis, Garnisonstr. 14. 7 Uhr hl. Messe und Altarrede. 9 Uhr Hochamt und Predigt, 10.30 Uhr Kindergoltesdicnst. — Katholischer Gottesdienst in Leipzig- Connewitz im Lichtspielhaus, Bornaische Straße 3c. 7.30 Uhr Frühmesse, 9.30 Uhr Hanptgottesdienst mit Predigt. — Gottes dienst In Lelpzig-Schöneseld, Rathaussaal, Breslauer Str. 37. 94i0 Uhr hl. Messe. Wetterbericht der Dresdner Wetterwarte Witterungsaussichten. Meist stark bewölkt, zeitweise kräftige Bcwölkungsschwai'kungcn, bei denen keine oder nur geringe Niederschläge auftretcn können. Temperaturen wenig geändert. Schwaäw westliche Luftbewcgung. Dresdner Schtachtviehmarktt v. 2«. August Auftrieb: 178 Ochsen, 423 Bullen, 430 Kühe, 64 Färsen, 610 Kälber, 914 Schafe, 2958 Schweine, zusammen 5577 Stück. Die Preise betrugen nach amtlicher Feststellung für 50 Kilo gramm Lebendgewicht in Reichsmark: 1. Rinder: A) Ochsen: 1. ai 56—601, b> 44-52, 2. a) 34-40, b) 30—32: B. Bullen: 1. 53—57, 2. 45-51, 3. 41^4: C. Kühe: 1. 45—50, 2. 38—42, 3. 27-33, 4. 21—25: D. Färsen (Kalbinnen): 1. 53—57, 2. 38 bis 48. 2. Kälber: 1. —, 2. 72—78, 3. 60—70. 4. 55—58, 3. Scha se: 1. a> — b) 65-68, 2. 58-64, 3. 48-52. 4. 40—45. 4, Schweine: 1. 78—79, 2. 79X-. 3. 77-78, 4. 75—76. 5. —. 6. —, 7. 66—72. Geschäftsgang: Rinder schlecht, Kälber, Schafe und Sckpveine mittel. Ueberstand: 110 Rinder (24 Ochsen, 46 Bullen, 40 Kühe), 81 Schafe, 24 Schweine. Kaust bei unseren Inserenten! Sage mir, was du ißt, und ich werde dir sagen, wer du bist! Essen und Trinken ist zwar für das Leben keine wichtige Angelegenheit, aber doch um zu leben höchst ausschlaggebend. Mit vollem Bauch sind nie Revolutionen gemacht worden, da gegen wurden viele Schlachten gewonnen, weil man auf der Gegenseite beträchtliche Vorräte an Speck und Schinken ver mutete. Aber über die bloße Stillung des Hungers und Durstes hinaus, haben nicht nur Feinschmecker und Müssiggcmger Kunst und Kultur der Ernährung gepflegt, sondern die Art, im täg lichen Leben sich auf die eine oder andere weise mit der not wendigen Aufnahme flüssiger und fester Dinge abzufindcn, ist zugleich typisch geworden für die Art und Lebensanschauung ganzer Völker überhaupt. Selbst die Russen von heute haben nicht mit der alten Tradition gebrochen, daß zwei Dinge für Ge spräch und lange Abende wichtig sind: Der Tee und die Zi garette. Teedampf und Zigarettenrauch passen durchaus zu russischer Art. Sie schaffen jenen Dunst der Atmosphäre, jenes leichte Verschwimmen des Raumes in Farbe und Geruch, das einmal erst eine Neutralität des Gedankens begünstigt und eine wolkige Atmosphäre schafft, in der im Halbdunkel Ideen und Pläne wie Blasen aufsteigen und verschwinden, die Stimme der Diskutierenden, deren Gesichter nur undeutlich zu sehen sind, wie aus der Ferne kommt, und ein leiser Duft, gemischt aus Un wirklichkeit und Vision über allem liegt. Der äußerlichen Anspruchlosigkeit des Russen steht der Fran zose diametral gegenüber. Er hat immer mehr den Augenblick, das bunte Leben, die Begeisterung der Minute geschätzt. Und daher pflegt er auch den Augenblick des Essens und stattet ihn mit liebevoller Sorglichkeit aus. Kein französischer Arbeiter, der nicht Wert darauf legte, wenn es irgendwie geht, nicht nur ein Gericht, sondern mehrere, wenn auch in kleinen Portionen, zu genießen, der nicht Freude hätte an einem netten Tischtuch und Anspruch machte auf einen Schoppen Wein. Daß die gut situierten Franzosen in ihren Restaurants nur Küchen erlauben, die jedes Raffinement der Zubereitung kennen, ist bekannt. Aber wichtiger ist das große Vergnügen des einfachen Mannes an einem neuen Gericht und an einem gutgedeckten Tisch. Die Verabredung in Frankreich wird selten in der Wohnung ge troffen. Man erledigt alles beim Dejeuner. Man geht mit dem, mit dem man verhandeln will, frühstücken. Essen und Trinken stimmt milde, macht bereitwillig, schafft für beide Teil nehmer eine freundschaftliche Grundlage. Die moderne Unrast hat den Franzosen noch am wenigsten gepackt. Das Cafe, ob es aus den großen Boulevards liegt oder in den kleinen Vierteln, reicht immer hinaus auf die Straße. Selbst im strengsten Win ter, wo die Koksöfen vor der Tür stehen. Es ist Paradestand platz, von wo aus die Welt und die Vorübergehenden abgenom men werden. Legt der Franzose bei seinem Wirtshausleben Wert auf eine gewisse Intimität der Oosscntlichkeit, sind seine Lokale alle platzmüßig sehr beschränkt und führen sie meist irgendwelche Spezialitäten, durch welche sie berühmt sind, so ist das deutsche Kennzeichen der Massenbetrieb, die Prunkabfütterungsstätte in schloßartigen Sälen mit Talmiansstattung und möglichst einer Einheits-Speisekarte, die überall in der Stadt und im Land dieselbe ist. Als letzter Ort privaten Verkehrs hält sich zwar noch die sogenannte Stammkneipe, aber auch sie wird durch die „Wanderung" der Viertel, die Wandlung von Wohnviertel in Eeschäftsviertel usw. allmählich immer mehr lahmgelegt. Liebt der Franzose kleine und pfiffig zubereitete Portionen, legt der Deutsche mehr Wert auf große. Sitzen tut er ebenso lange, und die Gäste der deutschen Cafes haben es darin meist zu einer großen Uebung gebracht. Als politischer Treffpunkt dient das Cafö nach der Ent- romantisierung Italiens wohl am meisten in Spanien und Por tugal. Zumal in Portugal haben die politischen Parteien ihre bestimmten Cafehäuser, und hier ist mancher Putsch und manche Revolution unmittelbar entstanden und zum Ausbruch gekom men. Die spanischen Casus mit ihrer dicken Schokolade, die mit Biskuits viertelstundenlang aufgestippt wird, dienten ^ bis zur Einrichtung der Diktatur gewöhnlich den gemde nicht an der Regierung befindlichen Beamten und Stellenanwärter» (in Spanien wechselten mit dem Sturz Hes jeweiligen Minist«, riums gewöhnlich sämtliche Anhänger, auch also die Beamten in allen Acmtern ihre Posten) dazu, als Warteräume, in denen sie diskutierten und den gegenwärtig an der Regierung Befind lichen zusahen, bis die Reihe wieder an sie kam. Dem hitzigen Temperament des Südens entsprechen überall die hitzigen Spei sen. Die Suppen und die anderen Gerichte sind wie die Reden, Alles Mögliche geht in ihnen durcheinander, und darunter ist ein Unterton von Pfeffer und scharfem Gewürz. Dafür ist aber auch alles Süße übersüß. Vor allem wird das ganze Mittel meer entlang geknabbert. Man knabbert, um nicht immerzu« beim Reden zu heftige Bewegungen zu machen: Nüsse, Oliven« auf Stäbchen, Kirschen in Alkohol, getrocknete Fischchen, und vor allem die heißen Maronen. Herrscht in Nord- und Mittel europa die Butter, hier das Oel, und je weiter man nach Osten kommt, je fetter wird das Essen, bis schließlich der Mund in der Türkei vom Saft des Hammelfleisches trieft. Ls ist kein Zufall, daß die Wiener Küche so ist wie das alte Wien selbst: Mit viel Mehl, viel Ei und viel Zucker gibt u hier Gerichte, von denen eine leise und müde machende Behag lichkeit ausgeht, während schon in Tirol oder erst gar in Bayern, von Unkultur und Gleichgültigkeit durchsuppt, sich die ganze Dichtigkeit des altösterreichischen Essens zu einer indifferenten Sauce auflöst. Die Mitte Deutschlands ist lau wie jede Mitte, im Mittel- und Südosten wird eine an sich schwere Kost durch Einflüsse der jüdischen Küche aufgelockert und mit schmackhaften Nuancen versehen, im Westen sorgt der alte französische Ein schlag für eine gute Zubereitung und Abwechselung. Die kom- kapte Massivität des Ostsee-Essens ist in Hamburg und an der Nordsee, von England her beeinflußt, durch Aufmachung und Sorgfalt gemildert. Mit Schleswig-Holstein geht es in die Welt der skandinavischen Futterei, die mit tausend Vorspeisen, viel Fisch, Hummer und Austern und scharfen Schnäpsen ein delikates und friedliches Tafeln ist, kulturvoll zusammengestellt wie aller in den drei Reichen, die so glücklich waren, dem verrückt gewor denen Europa die neutrale Achsel zu zeigen. Wo der Körper wieder Wärme braucht, ganz im Norden, endet dann schließlich alles im dicken Fischfett und in viel Whisky. Je älter ein Volk ist, je größer ist nach historischer Fest stellung die Pflege, die es dem leiblichen Wohl angedeihen laßt. Fast überall in Asien ist das Essen eine Zeremonie geworden. Die Mahlzeit wird zelebriert. Man braucht gar nicht an das wunderschöne Lehrbuch von Okakuro Kakuzo denken, das die Kunst der Teebereitung und des Teeeinschenkens lehrt (und in dem eine Seite an Aesthetik und Psychologie mehr enthält als das ganze Fresserbuch des dicken und ziemlich mit Unrecht berühmten Brillat Savarin), sondern man braucht nur einem Durchschnittsdiner in Japan oder China beizuwohnen, um in der unendlichen Folge der Gänge und der Winzigkeit und Eigen artigkeit der Gerichte und ihrer Herstellung zu erkennen, welche tiefe Bedeutung im Tagestreiben des Ostasiaten die weihevolle Ruhepause des Essens hat. Es ist ganz typisch, daß selbst der einfache Kuli, der nichts weiter hat als seine Schale Reis, sich keineswegs rasch und schlingend faustgroße Ballen in den Mund stopft, sondern zierlich Korn für Korn der Speise, auch sie in ihrer Einfachheit ein Produkt und Geschenk der Götter, mit der kunstvollen Handhabung der Eßstäbchen bewältigt. So die allen Völker, denen noch in der gewöhnlichsten Bewegung Grazie und Disziplin anhaftet. Die wilden stopfen, schlingen, würgen und verdauen. Und die jungen — haben keine Zeit zum Essen. Jagd. Drell, in Firma Drell u. Inlett, läßt sich in die Geheimnisse der Jagd einweihen und macht die erste Birsch aus Hasen. Wütend kommt er heim. „Das ist nichts für einen soliden Kaufmann. Seit frühester Jugend bin ich an drei Monate Ziel gewöhnt, da kann man sich nicht plötzlich umstellen." Der Enkel. „Verzeihung, arbeitet nicht mein Enkelsohn in Ihrem Bureau?" „Jawohl, er war neulich zu Ihrem Begräbnis." Das Fräulein v. Scuderi Erzählung aus dem Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten. Bon E T- A. Hoffman n. (16. Fortietzung.l , Meine Angst stieg bis zur Verzweiflung, als andern Tages Car- dillac von nichts anderem sprach als von dem köstlichen Schmuck, der ihm in der Nacht vor Augen gekommen. Ich konnte das nur auf Eucrn Schmuck deuten, und cs wurde mir gewiß, daß er über irgend einem Mordanschlag brüte, den er gewiß schon in der Nacht aus- zusührcn sich vorgcnommen. Euch retten mußte ich, und sollte es Cardillacs Leben kosten. Sowie er nach dem Abendgebet sich wie ge wöhnlich eingcschlosscn, stieg ich durch ei» Fenster in den Hof, schlüpfte durch die Oefsnung in der Mauer und stellte mich unfern in den tiefen Schatten. Nicht lang« dauerte cs, so kam Eardillac her aus und schlich leise durch die Straße fort. Ich hinter ihm her. Er ging nach der Straße St. Honorc. mir bebte das Herz. Eardillac war mit einem Male mir entschwunden. Ich beschloß, mich an Eure Haustür zu stellen. Ta kommt singend und trillernd wie aamals, als der Zufall mich zum Zuschauer von Cardillacs Mordtat machte, ein Ostizicr bei mir vorüber, ohne mich zu gewahren. Aber in demselben Augenblick springt eine schwarze Gestalt hervor und fällt über i.ui her. Es ist Eardillac. Diesen Mord will ich hindern, mit einem lauten Schrei bin ich in zwei — drei Sätzen zur Stelle. Nicht der Ossizier — Eardillac sinkt zum Tode getroffen röchelnd zu Boden. Ter Offizier läßt den Dolch fallen, reißt den Degen aus der Scheide, stellt sich, wähnend, ich sei des Mörders Geselle, kampsscrtig mir entgegen, eilt aber schnell davon, als er gewahrt, daß ich, ohne mich um ihn zu kümmern, nur den Leichnam unter suche. Eardillac lebte noch. Ich lud ihn, nachdem ich den Dolch, den der Offizier hatte fallen lassen, zu mir gesteckt, auf die Schultern und schleppte ihn mühsizm fort nach Hause und durch den geheimen Ekrng hinauf in die Werkstatt. Das übrige ist Euch bekannt. Ihr seht, mein würdiges Fräulein, daß mein einziges Verbrechen nur darin besteht, daß ich Madclons Vater nicht den Gerichten verriet und so seinen Untaten ein Ende machte. Rein bin ich von jeder Blutschuld. Keine Marder wird mir das Geheimnis von Cardillacs Untaten abzwingen. Ich will nicht, daß der ewigen Macht, die der tugendlmstcn Tochter des Vaters gräßliche Blutschuld verschleierte, zum Trotz das ganze Elend der Vergangenheit, ihres ganzen Seins noch jetzt tötend ans sie einbrechc, daß noch jetzt die weltliche Rache den Leichnam aufwühle aus der Erde, die ihn deckt, daß noch jetzt der Henker die vermoderten Gebeine mit Schande brandmarke. Nein! Mich wird die Geliebte meiner Seele beweinen als den unschuldig Gefallenen, die Zeit wird ihren Schmerz lindern, aber unüberwind lich würde der Jammer sein über des geliebten Vaters entsetzliche Taten der Hölle. Olivier schwieg, aber nun stürzte plötzlich ein Tränenstrom aus seinen Augen, er warf sich der Scuderi zu Füßen und flehte: Ihr seid von meiner Unschuld überzeugt — gewiß, Ihr seid es! Habt Erbarmen mit mir, sagt, wie steht es um Madclon? Die Scuderi ries der Marliniere, und »ach wenigen Augenblicken flog Madclon an Oliviers Hals. Nun ist alles gut, da du hier bist — ich wußte es ja, daß die edelmütigste Dame dich retten würde! So ries Madclon ein mal über das andere, und Olivier vergaß sein Schicksal, alles, was ihm drohte, er tvar frei und selig. Auf das rührendste klagten beide sich, was sie umeinander gelitten, und umarmten sich dann auss neue und weinten vor Entzücken, daß sic sich wicdergcfundc». Wäre die Scuderi nicht von OlivicrS Unschuld schon überzeugt gewesen, der Glaube daran müßte ihr jetzt gekommen sein, da sie die beiden betrachtete, die in der Seligkeit des innigsten Licbcsbündnisses die Welt vergaßen und ihr Elend und ihr namenloses Leiden. Nein, rief sie, solch seliger Vergessenheit ist nur ein reines Herz fähig. Die bellen Strahlen des Morgens brachen durch die Fenster. Desgrais klopfte leise an die Tür des Gemachs und erinnerte, daß cs Zeit sei, Olivier Brusso» fortzuschafscn, da ohne Aussehen zu er regen das später nicht geschehen könne. Die Liebenden mußten sich trennen. — Die dunklen Slhnungen, von denen der Scuderi Gemüt besangen seil Brussons erstem Eintritt in ihr Haus, hatten sich nun zum Lebe» gestaltet ans furchtbare Weise. Den Sohn ihrer gelieb ten Anne sah sie schuldlos verstrickt auf eine Art, daß ihn vom schmachvollen Tod zu retten kaum denkbar schien. Sie ehrte des Jünglings Hcldensin», ücr lieber schuldbeladen sterbe», als ein Ge heimnis verraten wollte, das seiner Madclon den Tod bringen mußte. Im ganzen Reiche der Möglichkeit fand sie kein Mittel, den Aermsten dem grausamen Gerichtshöfe zu entreißen. Und doch stand es fest in ihrer Seele, daß sie kein Opfer scheuen müsse, das himmel schreiende Unrecht abzuwenden, das man zu begehen im Begriffe nuir. Sie guälte sich ab mit allerlei Vorwürfen und Plänen, die bis an das Abenteuerliche streiften und die sie ebenso schnell ver warf als auffaßte. Immer mcbr verschwand jeder Hoffnungsschim mer, so daß sie verzweifeln wollte. Aber Madclons unbedingtes frommes, kindliches Vertrauen, die Verklärung, mit der sie von dem Geliebten sprach, der nun bald, frcigcsprochcn von jeder Schuld, sie alz Gattin umarmen werde, richtete die Scuderi an la Regnie wieder auf, als sie davon tief bis ins Herz gerührt wurde. Um endlich etivas zu tun, schrieb die Scuderi an la Regnie einen lange» Brief, worin sie ihm sagte, daß Olivier Brusso» ihr auf die glaubwürdigste Weise seine völlige Unschuld an Ear- dillacs Tode dargetan habe, und daß nur der heldenmütige Entschluß, ein Geheimnis in das Grab zu nehmen, dessen Enthüllung die Un schuld und Tugend selbst vcrvcrben würde, ihn zurückhaltc, de», Ge richt ein Geständnis abzulegen, das ihn von dem entsetzlichen Ver dacht nicht allein, daß er Eardillac ermordet, sondern daß er auch zur Bande verruchter Mörder gehöre, befreien müsse. Alles, ums glü hender Eifer, was geistvolle Beredsamkeit vermag, hatte die Scu- deri aufgcbotc», la Regnics hartes Herz zu erweichen. Nach wenigen Stunden antwortete la Regnie, wie cs ihn herzlich freue, wenn Olivier Brusso» sich bei seiner hohen, würdigen Gönnerin gänzlich gerechtfertigt habe. Was Oliviers heldenmütigen Entschluß betreffe, ein Geheimnis, das sich auf die Tat beziehe, mit ins Grab nehmen zu wallen, so tue es ihm leid, daß die Chambre Ardente dergleichen Heldenmut nicht ehren könne, denselben vielmehr durch die kräftigsten Mittel zu brechen suchen müsse. Nach drei Tagen hoffe er im Besitz des seltsamen Geheimnisses zu sein, das wahrscheinlich geschehene Wunder an den Tag bringe» werde. Nur zu gut wußte die Scuderi, was der fürchterliche la Regnie Mit jenen Mitteln, die Brussons Heldenmut brcchclr sollten, meinte. Nun >var cs gewiß, daß die Tortur über den Unglücklichen verhängt nmr. In vcr Todesangst siel der Scuderi enslich ein, daß, um nur Aufschub zu erlange», der Rat eines Rechtsvcrständigen dienlich sein könne. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)