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Donnerstag, den 5. Juli 1928 Verlagsort! Dresden Slnzcineupreise, Die l gespaltene Petitzsilc N« Z.FamUien- anzeigen ».Stellengesuche SNz. Die PeUIrellamszcile. 8« mm breit. > Für Anzeige» auherhalb des VerbroiilingSgebietes st» Z.diePeiiircklamezeiie I.NttUr.Offcriengeb.irn Z.JmFalle HSlisrer Gewalt erlischt jede Verpflichtung ans Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigen-Aufträgen n. Leistung v. Schadenersatz^ Weschäftiicher Teil, Artur Lenz, Dresden. Nummer IS« — 27. Jahrgang Erich eint bnial wöchentl. mit den Musik. Gratisbeilagen „Dce «eli" und »Für unsere «einen Leute", sowie den T«Obeilagen ,vt. Benno-Blatt". .Unierhaltung und Wissen", .Die Welt der jfrau". „Aerzilicher Ratgeber". „Das gute Buch". „Filmrund, schau". Monatlicher Bezugspreis l> Mt. elnschl. Bestellgeld, klnzelnummer IN 4. Sonnabend- u. Sonntagnummer »N Hauvtschrtstleiter- Dr. (S. Tesezyk. Dresden. >« (»eschäftsftcll«, Drnttu.Berlag: Germania. A.»G. sür Verlag und Drnlkerei, Filiale Dresden, Dresden-A. 1. Poliersirasze t7. FemrnfLlvlll. Posilchecklonio Dresden Bankkonto Stadtbant Dr-Sden Nr. cUVt» Für christliche Politik und Kultur volre^eltuna Dresden-Altstadt 1. Polierstras;e 17. ^ernrui 20711 'md 91012. Oesterreich und Südiirol Auriti kehrt nach Wien zurück Nom, 3. Juli. Die „Agenzia Stefans" veröffentlicht folgende amtliche Mit teilung: Um die herzlichen Beziehungen, die vor den Kund gebungen für Oberetsch in Oesterreich zwischen den beiden Re gierungen bestanden, wieder herbeizuführen, fand zwischen Ministerpräsident Mussolini und dem Bundeskanzler Dr. Seipel ein B ot s ch a f t e n w e ch s e l statt, worin der Bundes kanzler feststellt, daß es sich für die Bundesregierung in dieser Sache um eine rein kulturelle Angelegenheit ge handelt habe. Der Bundeskanzler hat dabei erklärt, daß er nie aufgehört habe, die Südtiroler Frage als eine rein innere italienische Angelegenheit zu betrachten, und daß die italienischen Staatsbürger deutscher Nationalität ihre Wünsche und Einwendungen nur an Italien richten müssen. Der Kanzler erklärte weiter, daß die verantwortlichen Per sönlichkeiten Oesterreichs immer darauf bedacht waren, sich nicht in die inneren politischen Angelegenheiten einzumischen, und daß sie auch in.Zukunft diese Richtlinien einhalten werden. Diese Persönlichkeiten hätten nie an antiitalienischen Agi tationen teilgcnommen und sie auch nicht ermutigt. Wenn un verantwortliche Elemente diesen Weg einschlagen werden, werde die Bundesregierung mit allen ihr im Rahmen der Gesetze zur Verfügung stehenden Mitteln dem entgegentreten. Infolge dieses Notenwechsels hat Ministerpräsident Musso lini verfügt, daß der italienische Gesandte in Wien, Cominen- datore Auriti, aus seinen Wiener Posten zurückkehrt. * Wenn sich der östcrr. Bundeskanzler, sicherlich schwe ren Herzens, entschlossen hat, die so weitgehenden Zusiche rungen über Schicksal und Zugehörigkeit Südtirols zu geben, so glauben wir, daß er dies nicht ohne bindende Zu sagen von italienischer Seite getan hat. Bereits seit Wochen waren hinter den Kulissen Versuche im Gange, einen „moclus viclovcli" für Südtirol zu schaffen, der es Oestereich erlauben konnte, ohne Schädigung seiner Ehre «>,d berechtigter Volkstumbelange die kulturelle Zukunft Südtirols'in die Hände Italiens zu legen. Es ist ja kein Geheimnis, daß bis in die letzte Zeit die Anordnung Mussolinis bezüglich der Entlassung deutscher Lehrer und Beamter, des Verbotes deutschen Schulunterrichts, selbst der religiösen Unterweisung, strikt durchgesührt wurde, und daß in den letzten Monaten hier eine Verschärfung der Italienisierungsmaßnahmen sestzustellen war. Ganz Deutschland würde es mit dem österreichischen Brudervolks dem Duce Dank wissen, wenn er den für das Verhältnis der drei Staaten so bedeutungsvollen Schritt einer Revision der Italienisierungsmaßnahmen tun und Südtirol d i e kulturelle Freiheit gewähren würde, die es kraft seiner staatsbürgerlichen Loyalität und seiner tausendjährigen Kulturtradition wohl verdient hat. Nicht ohne Schmerz, aber vielleicht doch erleichterten Herzens wird man im deut schen Nordtirol von diesem Friedensschluß (oder Waffen stillstand?) zwischen Rom und Wien Kenntnis nehmen. Die Sozialisten gegen AlsuWs ..Skaaksskreich" Warschau, 3. Juli. Die Ausfälle Pilsudskis gegen den Sejm in der Unterredung des Marschalls mit polnischen Pressevertretern haben in ganz Polen schärfsten Widerspruch gefunden. Am Montag hat der Parteirat der bisher stets Pilsudski treuen Sozialisten eine Entschließung gefaßt, die sich in scharfen Worten gegen die in der Unterredung geäußerte Absicht auf Ver fassungsänderung zum Zwecke der Beschneidung der Rechte des Sejms verwendet. Der Versuch, dem Staat neue Gesetze auszuzwingen, sei ein Staatsstreich. Die Ent schließung stellt weiter fest, dast die Aeußerungen Pil- ludskis eine schwere Schädigung des polnischen Staates bedeuten und wirft den Mitgliedern des gegen wärtigen Kabinetts Charakterlosigkeit vor, weil sie einen der artigen Schlag ohne Widerspruch hingenommen hätten. Diese Entschließung ist deshalb besonders bedeutungsvoll, weil die sozialistische Partei damit zum ersten Male gegen Pilsudski auftritt. Das sozialistische Partei organ „Robotnik" bringt einen in gleichem Sinne gehaltenen Leitartikel, in dem die Absichten Pilsudskis als eine Katastrophe bezeichnet werden. Die „Rzeczpospolita" erklärt, daß das Kennzeichen der Politik Pilsudskis während der letzten zwei Jahre nicht nur ein Kampf gegen den gegenwärtigen Sejm, sondern gegen den Parlamentarismus über haupt gewesen sei. Durch die Uebernahme der Regierung durch Bartel sei keine Aenderung der Verhältnisse zu erwarten. Englische Katholiken und Gebetbuchskreil Von Clemens Graf Podewils. London, Ende Juni. Durch Jahrhunderte hat sich der Kampf Englands um die Beherrschung Irlands gezogen, bis Irland schließlich durch das „Irische Verfassungsgesetz" vom 5. Dezember 1922 aus dem großbritannischen Staatsverbnnde ausschied, um wie Kanada oder ein anderes Dominion die Stellung eines freien Mitgliedes der britischen Staatengemeinschaft ein zunehmen. Gar oft hatte diese englisch-irische Machtprobe Formen des Vernichtungskrieges auf Leben und Tod ange nommen, und die neuere Geschichte dürfte weniges aufwei sen, was den Kämpfen, die der Befreiung unmittelbar vorausgingen, an gegenseitiger Erbitterung gleichkommt. Bei der überragenden Bedeutung, welche der kon fessionelle Gegensatz hierbei spielte, konnte man geradezu von einem Religionskriege sprechen, der sich in unser Zeit alter verirrt hatte, und es erscheint auch verständlich, wenn sich im Ausland die Anschauung festsetzte, als sei irisch und katholisch ebenso gleichbedeutend wie englisch und protestan tisch. Diese Vorstellung hatte noch eine gewisse Berechti gung zu der Zeit, in der die Iren im Parlament von Westminster als irisch-katholische Partei ihre nationale und kulturelle Autonomie vertraten und gerade für letztere die Unterstützung der englischen Katholiken fanden. Dieser Vorgang gemahnt an die Stellung, welche die Polen im alten Reichstag einnahmen. Die staatliche Loslösung hat aber hier wie dort manches Vorurteil zerstört. Seit den Zeiten der Reformation hat sich in England ein bodenständiges Katholikentum erhalten, das vorzüglich alte und führende Adclsfamilien umfaßte und in seiner politischen Prägung konservativ war. Demgegenüber drang der Katholizismus in den Jahren nach 1816 besonders in die unteren Volksschichten, als infolge der Hungersnot in Irland sich ein starker Strom irischer Auswanderung über England ergoß. In Schottland war die keltische Urbevölke rung der „Highlander" ebenfalls dem alten Glauben treu geblieben. Von größter Bedeutung für den modernen Katholi zismus Englands wurde die Oxford-Bewegung, deren Anfänge in die vierziger Jahre des vorigen Jahr hunderts fallen und die sich zunächst in den Grenzen der Staatskirche hielt. Ihr bedeutendster Führer, Newman, trat jedoch zum Katholizismus über und starb als Kardinal der römischen Kirche; den gleichen Weg ging Manning. Während Newman als Schriftsteller, dessen Werke zur klassischen englischen Literatur gehören, und außerdem als einer der größteir katholischen Denker gefeiert wird, war Manning vielmehr Organisator, hauptsächlich aber führend im neuzeitlich-sozialen Christentum; einen „mosaischen Radikalen" nannte sich der Kardinal einmal selbst. Noch in anderer Richtung, auch soweit sie nicht zur katholischen Kirche führte, wurde die Oxford-Bewegung von neuartiger Bedeutung, indem sie nämlich innerhalb der Church of England eine Richtung schuf, die sogenannte hochkirchliche, welche sich in Glaubenslehre wie in der Litur gie fast völlig der katholischen Kirche anglich, mit Aus nahme des letzten Schrittes, der Anerkennung des päpst lichen Primates. Die Gründe dieser Inkonsequenz — denn als solche muß sie jedem Außenstehenden erscheinen — sind wohl mehr im politischen Ressentiment einer jahr hundertelangen Geschichte gelegen als aur spekulativem Gebiet. In zunehmendem Maße finden jedoch Abbröckelun gen von der Hochkirche zur katholischen statt. Was dem Katholizismus in England heute seine be sondere Stoßkraft verleiht, das ist seine Stellung als Min derheit und die völlige Freiheit von aller staatlichen Bin dung gerade im Gegensatz zur Staatskirche, deren Abhän gigkeit von der politischen Volksvertretung viele Angriffs flächen bietet. Don ihr hebt sich die steigende Macht des Katholizismus als Idee auf allen Eeistesgebieten ab, be sonders aber in der sozialen Frage. Die politische und rechtliche Gleichstellung der Katho liken ist zwar seit der Emanzipation im wesentlichen durch« geführt, trotzdem bestanden mancherlei Zurücksetzungen weiter: so mußte noch Eduard XII. bei seinem Regie rungsantritt nach dem alten Zeremoniell als evangelischer König feierlich das Messeleien als Blasphemie verurteilen. Erst Georg V. ließ diese den Grundsätzen demokratischer Toleranz wenig entsprechende Kundgebung endgültig fallen. Solche Beschränkungen für die Katholiken hatten jedoch keinerlei angewandte Bedeutung mehr, sondern sie ragten als Bestandteile eines schier unantastbaren Staats zeremoniells aus vergangenen Jahrhunderten in unsere Zeit herein. Allerdinas dauerte die Ausschließung der K"- Die heutige Nummer enthält die Beilage „Unlerhal» tungundWisse n". ZW« »ers M« Umfangreich und unbesiimml Berlin, 4. Juli. In der gestrigen Sitzung des Reichstages gab Reichskanzler Hermann Müller (Franken) im Namen der Regierung folgende Erklärung ab: Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause das neue Reichskabinctt vorzustellen, das aus dem am 20. Mai gewählten Reichstag hervorgcgangen ist. Der Wahlkampf hat der Welt bewiesen, daß das Deutsche Reich nach den schweren Nachkriegsjahren in eine Periode ruhiger und steter Entwick lung getreten ist. Die Fundamente des neuen Staates, der deutschen Republik, stehen sicher und unerschütterlich. Die Reichsregierung hat die Ausgabe, aus dem nun fest gefügten Grunde weiterzubauen und unablässig dahin zu wirken, daß die Wunden des Krieges und der Nachkriegszeit sich immer mehr schließen und auf asten Gebieten entschlossene Reformarbeit geleistet wird. Denn nur entschiedenes Weiterarbeiten auf dem Weg des sozialen und politischen Fortschrittes entspricht dem Willen, den das deutsche Volk bei -er Reichstagswahl bekundet hat. Solchem Ziele dient die Zusammensetzung der Reichsregie rung. Beruht sie auch noch nicht auf koalitionsmäßiger Grund lage, so hat doch ihre Zusammensetzung die Zustimmung der in Betracht kommenden Parteien gefunden. In der a u s w ä r t i g e n Politik ist der Weg, den die Nsichsregierung gehen wird, klar vorgezeichnet. Die deutsche Außenpolitik verfolgt ihre Ziele in dem Willen zur friedlichen Verständigung und unter Verzicht auf den Gedanken der Re vanche. Nur noch eineinhalb Jahre trennen uns von dem für die Räumung der zweiten Zone vorgesehenen Vertrags termine. Käme cs wirklich dahin, daß die Räumumngsfrage einfach dem Zeitablauf überlassen bliebe, so wäre damit eine bedeutende Gelegenheit versäumt, die Politik der Verständigung in die Tat umzufetzen. Mit der Grundlinie unserer Außenpolitik hängt unsere Betätigung im Völkerbund aufs engste zusammen. Die Entwaffnung Deutschlands ist bis zum letzte» Ende durcl-gesührl. dos gibt uns das Recht und die Pflicht, mit allem Nachdruck die Forderung zu erheben, daß jetzt endlich mit der Durchfüh rung der allgemeinen Abrüstung Ernst gemacht wird. Vor eine weittragende Aufgabe wird uns die kommende Entwicklung in der Reparationsfrage stellen. Die Sachverständigen selbst haben ihren Plan nur als eine vorläufige Regelung bezeichnet und es als notwendig hingestellt, diese vorläufige Regelung durch eine endgültige zu ersetzen, sobald die Verhältnisse dies ermöglichen. Der Erfolg aller Bemühungen um die endgültige Regelung des Reparationsproblems wird davon abhängen, daß sie von allen beteiligten Seiten mit dem erforderlichen Maß von Weitsicht angefaßt, und daß dabei auf dem Wege der gegenseitigen Verständigung, nach den Methoden einer vernünftigen Wirtschaftspolitik und selbstver ständlich unter Sicherung einer angemessenen Lebenshaltung des deutschen Volkes vorgegangen wird. Weiteraufbau der Weltwirtschaft und eigene Interessen der deutschen Volkswirtschaft fordern gleichermaßen Erleich terung und Pflege des Handelsverkehrs. Wichtig sür die Ge staltung der Ausfuhr sowohl als für die Sicherung eines an gemessenen Neallohns der werktätigen Bevölkerung ist die richtige Einstellung des Staats zu den großen, in Kartell-, Trust- und ähnlichen Formen unser Wirtschaftsleben beein flussenden monopolistischen Organisationen. Die in diesen Ge bilden der wirtschaftlichen Entwicklung wirkenden, der All gemeinheit nützlichen und die Leistung steigernden Kräfte sind zu fördern, die nachteiligen hintanzuhalten. Dazu muß die Lei tung eines Staatswesens den unbedingt nötigen lieberblick und Einblick in diese Organismen erhalten, um sich ein Urteil über Art und Auswirkungen ihrer Betätigung bilden und ihre Maß nahmen entsprechend einstellen zu können. Weite Kreise des Mittelstandes befinden sich in schwerer Notlage. Diesen Kreisen Schuh und Förderung an gedeihen zu lassen, wird sich die Reichsregierung besonders an gelegentlich bemühen. Dem Handwerk gegenüber soll durch als baldige Vorlage und Verabschiedung der Handwerkernovelle das gegebene Versprechen der Regelung einiger wichtiger Organi sationsfragen eingelöst werden. Eine der wichtigsten und ersten Aufgaben des endgültigen Reickiswirtschaftsrats wird es sein, Vorschläge zur weiteren Ausführung des Artikels 16ö mit dem Ziel einer steigende» Mitbeteiligung der Arbeitnehmer an oer gesamten wirtschaftlichen Entwichlung der produktiven Kräfte zu beraten. (Fortsetzung nächste Settel)