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Nummer 11t — 27. Jahrgang bmal wSchentl. mit den tlluslr. DrattSbetlagen .Di« und .Für unsere »einen Leute", sowie de» rerlbettagen Sl. !^»no-BIatt". .llnlerhalkmg und Wissen". .Die Weil der Ncn'u" .Aerztlickier Ratgeber". .Da» gute Buch" .Ftlmrund. ichuu". Monatlicher Bezugspreis 3 MI. einschl. Bestellgeld, kiujeluummer ltt 1. Sonnabend- u. Sonntagnummer »U HauvllchrtsNeiter! Dr. <S. LeSeitzk, Dresden. SmliMhe Mittwoch- den 16. Mat 1928 BerlagSurt, Dresden «nzetgenpreise r Die Igewaltene Betitzcile SV «. Familien, an,eigen ».Stellengesuche SI» Z. Die Pelttreklamezeil». 80mui bretl. > ^ Für Anzeigen autzerhalb des Verbreitungsgebiete» ^. die PelilreNainezeile 1.»<»^.Osserieiigeb.«0 ^.Jm Falle bbherer Bewall erlischt >ede Verpflichtung aus Lteserung s«vt« Erfüllung v. Anzeigen-Auflrügen u. Leistung v. Schadeneri«-, «eschüsllicher Teil: Artur Lenz. Dresden. 0 olrssettuna (NelchästSftelle, Trnitu.Berlag: Nermanta. A.-G. ,iir Verlag und Druckerei, Filiale Dresden. Dresden.A. 1. PoiierslratzeN. Fenir»«2wl2. Volttchecklonto Dresden ^ ?7gr Banlkonto Etndtban" Dresden »!r 01719 Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen VolkSzettnug DreSden-Altstadi t Potierstrahe 17. Fernrui 2MU und »WI2. Die Sache mikWulfmeyer Diese Überschrift ist nicht der Titel eines neuen, großen Romans oder der anlockende Raine eines Riesen filmes. wie sie vor ihrem Erscheinen wochenlang von Pla- latsäiilen und Mauerflüchen, aus dem Anzeigenteil der Tageszeitungen und illustrierten Blätter knalligbunt und ausfordernd uns Zeitgenossen anschreien. Um Familie Wulfmeyer rankt sich kein literarisches Efeu, um Familie Wulfmeyer bangt kein Filmdetektiv, müht sich kein Dichter, keine Diva: diese Familie ist kein Traumprodukt, sie lebt leibhaftig, besteht aus Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Sie ist in der vergangenen Woche in die An nalen deutscher Parlamentsgeschichte eingezogen,' alle Zei tungen haben von ihr berichtet, und wenn wir als 30. der 3! Wahlvorschläge zur Reichstagswahl die „Partei für Rechts- und Mieterschutz" finden, so müssen mir wissen: das ist die Liste der Familie Wulfmeyer, der die bestehenden Parteien und Gruppen nicht genügten und die daher einen „eigenen Laden" aufmachte. Niemand konnte diesen Un sinn verhindern, den die geltenden Wahlbestimmungen er lauben. Für die vor der Tür stehende Wahl ließ sich das absurd gewordene deutsche Wahlrecht angeblich nicht mehr ändern. Das Zentrum hatte den Anstoß gegeben, fand aber keine Gefolgschaft, und so müssen wir zum 20. Mai die Tatsache der 31 Wahlvorschläge hinnehmen! Mehr Parteien, als Deutschland während des Krieges Feinde hatte, marschieren im Kampf um den nächsten Reichstag auf, hoffen auf Sieg und Mandate; mit nur zwei Listen weniger als das Reich wartet Preußen auf. das 29 Landesvorschläge zählt. Fast harmlos wirkt dagegen Oldenburg, wo „nur" 19 Parteien von sich behaupten, die einzig wahre und gute zu sein. Uebertroffen werden an politischem Unverstand und eigenbrötlerischem Klüngel Städte und Dörfer, wo man es schon erlebt hat, daß die kommunale Vertretung nach den partikularistischsten Ge sichtspunkten etwa der Vereinszugehörigkeit oder Sport freund- und Gegnerschaft zusammengesetzt wurde. Den Vogel schießen die Reichstagswahlen ab, auf deren Ergeb nis die ganze Welt mit Spannung wartet, aus denen sie ein Selbsturteil des wählenden Volkes über die deutsche Politik und die Stellung Deutschlands zur Weltpolitik liest. Und da sollte sich der lachenden Mitwelt die Groteske bieten, daß Herr Wulfmeyer senior und junior, Frau und Fräu lein Wulfmeyer in die parlamentarischz; Vertretung des deutschen Reiches einziehen, daß diese gewiß ehrenwerte Familie Richtlinien für deutsche Völkerbundsarbeit gibt. Handelsverträge begutachtet, die Reichswehr berät, die Slot der Landwirtschaft und der Erwerbslosen lindert, das neue Strafrecht schafft und das Schulgesetz zustande bringt? Offiziell und formell gibt es unter den 31 Vorschlägen zur Reichstauswahl — die von 33 eingereichten Listen nach ernstlicher Prüfung gebilligt werden mußten — nur eine Wulfmeyer-Liste. Geht man aber die stattliche Reihe in Muße durch, guckt man hinter hochtrabende Namen und Bezeichnungen, prüft man auf Leistung und Lkfolgsaussicht, so muß man feststellen, daß nahezu jeder zweite Wahlvorschlag das Gesicht und die Seele einer Wulfmeyeriad« hat. Es sind die zahllosen Splitterparteien, Gruppen und Erüppchen, wie wir sie bereits aus den verschiedenen Landtagswahlen des vergangenen Jahres kennen, Gebilde des Ehrgeizes und der egoistischen Ziele einzelner Männer, die robust genug sind, die persönlichen Nöte und Wünsche einzelner Stände und Volksteile für ihre Ambitionen mobil zu machen, die zur Unfruchtbarkeit verurteilten Schöpfungen von Eigen brötlern und Nörglern, die nichts bedeuten als Ballast und Verwirrung der politischen Arbeit und Erschwerung des parlamentarischen Schaffens. Diese Splitterparteien geben vor, daß die wirtschaft lichen.Belange bestimmter Nolksteile bei den politi schen Parteien nicht genügend gewahrt seien, daß die politischen Parteien in dieser Beziehung versagt hätten, daß deshalb an ihre Stell« ständische Organisationen zu treten hätten, die allein berufen und befähigt seien, dem Volke Glück, Zufriedenheit, Wohlfahrt zu bescheren. Mit bombastischen Programmen und Versprechungen, die billig sind wie Fallobst im Herbst, ist man durch däe Lande ge zogen und hat zeit- und stellenweise beträchtliche Stimmen- zahlen für diese und jene Splitterpartei gewonnen, bis bei letzthin vorgenommenen Wahlen in einzelnen Landes teilen — u. a. in Hamburg —. dem gutgläubigen Wühler ei» gewaltiges Licht aufging, das die Sondergruppen Hin wegschmelzen ließ wie verspäteten Schnee in Maientagen. Aber diese Mißerfolge schrecken die Splitterparteien nicht ab. im Gegenteil, je mehr sich in den Wählermassen die Er kenntnis von der 1l e b e r f l ü s s i g k e i t und Unfähig keit dieser Erüppchen Bahn bricht, um so lauter rühren sie die Trommel, um so. voller blasen sic die Backen auf. Ja. wenn es nach der Größe und der Schönheit ihrer Ver sprechungen ginge, dann säßen im künftigen Reichstag lauter Wulfmeyerleutc, daun gäbe cs Wohnungen in Hülle und Fülle, Goldstücke für alte Tausendmarkscheine, Kar toffeln so dick wie Kinderlöpse, «in Paradies auf Erden, 'm. wenn...! Erwachen die Gewissen? Das Echo -er -eulschen Proleslkun-gebungen gegen -en mexikanischen Kulturkampf Beredtes Schweigen Da s Echo oer Berliner P r o t e st v e r sa in m l u n g gegen die Katholikenverfolgung in Mexiko ist für die Katho liken ungemein lehrreich. Bekanntlich Hallen sich am Monrag. den 7. Mai im großen Saalbau Friedrichshain unter gewal tigem Andrang. Tausende zusammengefunden, so das; der Saal bereits nach Beginn polizeilich geschlossen werden mußte. Drei Bischöfe ivaren zugegen, darunter der mexikanische Erzbischof von Turango. Als Hauptredner war der bekannte Kenner der Verfolgung. Iesuitenpater Mariaux, geworden worden, der, ivie wir berichteten, in klar gegliedertem Ausbau alle seine Aus führungen mit einwandfreie» Zeugnissen belegte. Es kommt hinzu, daß der mexikanische Erzbischof die Berichte, die P. Mariaux angeführt hatte, auch seinerseits ausdrücklich bestätigte. Alan hätte nun wahrhaftig auuehmen sollen, daß dieser am Sitz der Reichsregierung erschallenden Stimme der Katho liken auch das entsprechende Echo in der gros; en nicht- katholischen O e f f e n t l i ch k e i t zuteil geworden wäre. Hatte maii doch n. «. die gesamte Presse Berlins, gleichviel welcher Schattierung, zu der Versammlung geladen. — Was war tatsächlich der Erfolg? Alles in allem: Wir Katholiken stehen wieder einmal vollstänüig allein! Viele Blätter behielten ihre seit langem beliebte Taktik bei: Sie schwiegen! — auch eine Antivort! Andere berichteten, aber in ganz un genügender Weise. Die Voss. Zig. und die Deutsche Allg. Zig. taten das Ganze mit ein paar Zeilen ab. Die Tgl. Rundschau raffte sich zu einem Bericht van etwa 12 Zeilen auf und kriti sierte den Vortrag des P. Mariaux mit ein paar haltlosen Bemerkungen. Der „Vorwärts" stellte wieder einmal einen Rekord an Gehässigkeit auf. Nicht nur. daß er dem Protest redner Demagogie und Lügen vorwirft, — ohne wohlgemerkt auch nur eine seiner Behauptungen entkräften zu können. — das Blatt versteigt sich unter der Ueberschrist: „Mittelalter im Saatbau Friedrichshain" zu Sätzen wie folgt: Hvsterisch aufgeregter Beifall eines kleinen Teiles (!) der Versammlung begrüßte jeden der geistlichen Herren, die ibre Oberen auf dem Podium knieend begrüßten und dann am Vorstandstisch Platz nahmen. Unter ihnen, in roter Robe. Erzbischof Gonzales von Durango in Mexiko: gemessen an der gesundheitstrotzenden Leibesfülle seiner Berliner Kollegen konnte die schmächtige Gestalt des Mexikaners mit dem bleichen Indianergesicht schon ein wenig wie die eines Märtyrers wirken. . Man möchte sich unwillkürlich fragen: Sind diese Sätze vielleicht aus einem Calles-Organ ausgeschrieben? Aber nein, das Blatt erscheint in Berlin! Nun. die Katholiken werden sich diese Sätze merken. Es wird sich schon Herausstellen, daß wir bei uns doch noch nicht ganz soweit sind wie — in Mexiko. Eine Stimme aus Gens Die gewaltigen Protestkundgebungen der deutschen Katho liken gegen die Verfolgungen der katholischen Kirche in Mexiko scheinen im neutralen Auslande allmählich ihre Wirkung zu tun. So bringt neuerdings unter dem Titel „Das mexikanische Drama" das „Journal de Göneve" vom 10. Mai einen sehr bemerkenswerten Artikel, der. von einigen Komplimenten Calles gegenüber abgesehen, festgehalten zu werden verdient. Dem Artikel kommt umso größere Bedeutung zu. als er am Tagungs ort des Völkerbundes erscheint und von allen politischen Kreisen Genfs gelesen wird. Man kann daher mit guter Berechtigung sagen, daß in dem internationalen Genf das Schweigen ge - brachen worden ist, wenn auch die Mentalität der großen Welt- vlätter immer noch nicht ihre so „demokratische Haltung für Menschenrechte und persönliche Gewissensfreiheit" aufzngeben Veranlassung nimmt. Hatte schon kürzlich die freisinnige „Neue Zürcher Zeitung" mit bemerkenswertem Freimut erklärt, man könnte zu Ealles stehen, wie man will: auf alle Fälle sei es unerhört, daß Calles katholische Priester z. V. zum Heiraten zwingen wolle, wenn er persönliche Gelübde untersage, so wird das „Journal de Ec-neve" noch etwas deutlicher. Es schreibt unter anderem: „Präsident Calles leugnet es nicht: seine Negierung wütet mit äußerster Strenge gegen die Priester und Gläubigen, die sich seinen Befehlen nicht unterwerfen. Nach seinen Worten sind 80 Priester durch die Waffen umgekommeu. Aber nach anderen Ouellcn ist eine viel größere Zahl umgekom men. Hier wird ein Vater „nt seinen drei Kindern zum Tade verurteilt, weil er sich geweigert hat, au der Zerstörung der monumentalen Christus Staiue durch die Regieruugsiruppen teilzunehmen, die sich auf dem Berge Cubilete mitten in den mexikanischen Staaten erhebt. Dort wird eine Frau mit 33 Ge fährtinnen ins Gefängnis geworfen weil sie die hl. M'sse in ihrer Wohnung hat nbhalten lassen llcberall Blut und Tod. Alle Leidenschaften sind entfesselt. Rache und Repressalien sind an der Tagesordnung " Nachdem der Artikel sodann von der mexikanischen Ver fassung und den angeblichen Verdiensten Calles gesprochen hat, fährt der Artikel weiter fort: „Kein Christ, mag er der römischen Kirche angehörcn oder nicht, könnte letzten Endes gleichgültig bleiben, wenn er ver nimmt, daß so viele Morde begangen worden sind, daß so viele Menschenleben geopfert wurden. Es interessiert heute nicht, ob der Klerus mit seinen Vorrechten Mißbrauch getrieben hat oder nicht: Hunderte von Gläubigen, von Unschuldigen fallen für ihren Glauben als Märtyrer. Märtyrer zu schassen, bedeutet aber für einen Staat nicht nur eine Untergrabung der mora lischen, sondern auch der materiellen Lage. Die Geschichte be weist es auf allen ihren Blättern. Mexiko will in der Welt- politik immer eine bedeutendere Rolle spielen. Das ist sein gutes Recht, ja sogar seine Pflicht . . . Aber sein Werk wird vergeblich sein, wenn es nicht durch oie Prinzipien der Mensch lichkeit unterstützt wird, wenn die Hände, die es vollführen, mit Blut befleckt sind." Wenn auch in dem Artikel einige kleine Schiefheiten ent halten sind, so darf die katholische Welt doch mit Genugtuung diese Stime des protestantisch-konservativ-demokratischcn Genfer Blattes begrüßen und zwar um so mehr, als der Verfasser mit viel Mut hier vor allem der starken Genfer Frei, maurerei mittelbar Wahrheiten zu kosten gibt, die mög licherweise zu einer Intervention bei der Zeitung führen können. Wir werden abzuwarten haben, ob der Kampf gegen die Frei maurerei, der in Genf sehr heftig geführt wird, zu einem Erfolge führt. Der katholische „Courier de Een ave" nimmt die große Protestkundgebung der Berliner Katho liken zum Anlaß, überall zu Protesten aufzurufen und spendet begeistertes Lob der Haltung der deutschen Katholilen. das Nach eiferung verdiene, um die gesamte europäische OefsenUichkeit aufzuklären. Bei der Betrachtung der oben zitierten Aeußerung des „Journal de Gcnöve" spricht er die Vermutung aus, daß Calles sich durch die Proteste nicht beeinflussen lassen werde. „Ein derartiger Mensch", so schreibt er „wcicku nur der Gewalt. Daher müßten die europäischen Kanzleien mit Energie inter venieren. Aber leider, seitdem cs sich nicht mehr um Petroleum handelt ....!" Haben denn nun wirklich diese Splittergruppen, die sich fast alle um materielle Interessen sammeln, irgendwie Berechtigung, den großen politischen Parteien Tier- nachlässigunq der wirtschaftlichen Notwendigkeiten vorzu- werfen? Wir fordern alle Wulfmeyergruppen, mögen sie sich nun Wirtschafts-. Aufwertungs-, Volksrechts-. Mieter- sthutzpartei oder sonstwie nennen, auf, den Nachweis zu er bringen, daß etwa die Zentrumspartei irgendwie die be rechtigten Interessen dieses oder jenes Volksteiles vernach lässigt oder vergessen habe. Man hat die Zentrumspartei ein Parlament im Parlament genannt, weil sie sich aus allen Bevölkerungsschichteu zusammeusetzt, weil sie eine Partei der Mitte, des Ausgleichs ist, die für alle Platz hat, die sowohl den Arbeiter der niedrigsten Lohn klasse wie den vermögenden Industriellen, den Großgrund besitzer wie den kleinen Pächter, den Handwerker wie den Fabrikanten erfaßt, die wie kaum eine anders die Soli darität sämtlicher Berufs st än de darstellt, die in der Sorge für alle Schichten aufgegangen ist. Die Zentrumspartei kann die Taten für sich sprechen lassen, die sie in neunjähriger verantwortungsbewußter Arbeit kür das ganze Voll verrichtet bat. kür den Mittelstand k » d den Dauern und den Arbeiter. In der Zentrumsnartei ist Organisation, d. h. bewußte Einheit aus be wußten Teilen, Zusammenarbeit und Erfolg für des ganzen Volkes und damit jedes einzelnen Wohlfahrt. Hier gilt noch das große Gebot der Nächstenliebe, welches Verständnis für die Nöte und Sorgen auch des anderen Standes, in den der einzelne nicht yineingeboren oder hin- eingewachsen ist, fordert. — Wenn man so schon aus einer politischen Anschauungsweise, die sich in ihren Grundsä'zen, Voraussetzungen und Zielen nicht in rein materiellen Din gen erschöpft, zur Ablehnung dieser Splitterparteien kom me» muß, so sollte allen denjenigen, für die Erwägungen der Zweckmäßigkeit ausschlaggebend sind, schon ihr eigener Vorteil verbieten, ihre wertvolle Stimme solchen von vornherein aussichtslosen Gruppen zu geben. Die Leute, die erkannt zu haben glauben, daß die poli tischen Parteien unfähig sind, finden sich naturgemäß nicht in einer Gruppe zusammen. Der eine hat diese, der andere jene Wünsche, und heraus kommt hierbei jene lange Liste oer Wulfmeyer. die sich selbst aä sbouräum führt. Da ist zunächst die W i r t s ch a f t s p a r te i, die im verflosse nen Reichstag bereits mit einer Reibe von Abaeordneten