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Nummer iss — 27. Jahrgang Erschein, smai wSchenil. mi« den lllnstr. WraNsbellagen .Die M Well' nnd „Fllr nniere Heine,, Leute', sowie den Terlbellaaen M ,8t. Benno-Rlnkt'. ..NnlerbnUung und Wissen'. .Die Well der Fra»'. .Aerzllicher Nat«eber'. .Das ante Buch". .Fllmrund- schau'. Monatlicher Bezuasvreis 2 Mk. elnschl. Bestellgeld, eiiuelmimmer 1« Z Sonnabend- n. Sonntagnummer SO z. Hauvtschriftleiter- Dr. G. Desczhk. Dresden. Sonnkag- den 15. Juli 1928 VerlagSorti Dresden Anzeigenpreise, Die lgespaltene Petitzeile »O Familien- anzeigen „.Stellengesuche »oz. Die Petitrellamezeiie. 89mm breit. 1 Für Anzeigen ankerhalb des Verbreilnngsgebietes 40 z. die PetilreNamezeile I.NO^k. Offeriengcb.tro ^. Im Falle hüherer Gewalt erlischt jede Beipflichtung ansLiesernng'sowle Erfüllung v. Anzeigen.Auslrügen n. Leistung v. Schadenersatz. Geschäftlicher Teil. Artur Lenz, Dresden. 61 Geschäftsstelle, Druck ».Bering: Germania, A.-S. iür Verlag nnd Druckerei, Filiale Dresden. Dresden-A. 1. Polierslratzel?. FenirnsSlMS. Postlchecklonlo Dresden 2708. Bankkonto Gtndtbaiif Dresden Nr. 8171« Für christliche Politik und Kultur Dresden Redaktion de« Sächsischen BolkSzeitnng >Slllftadt 1. Polierstrahe >7. Fernruf 2M1l nnd rlvIL 61 <S Slreit beiseite! Ein Wort zur poliltschen Arbeit -er katholischen Vereine »Stecke dein Schwert in die Scheide!' Ioh. XVIII. Es hat immer kleine Geister gegeben. die in der Politik etwas Trennendes, ja Niedriges und Gemeines erblickt haben, und der Geist so mancher Par teipolitik mag auch dieser Auffassung in manchem Sinne recht geben. Man darf den Ausspruch wagen, das; über all da, wo die Partei das erste und die Politik, die sie mockt, nur eine Aeußerung dieses Parteilebens ist, meist die Politik tatsächlich zu einer Sklavin niederer Leiden schaften herabgewürdigt wird, das; sie dann jeden, dem es ernstlich um Volk und Vaterland geht, anwidern und nuckeln kann. Wir alle kennen und verabscheuen diese Art von Politik, die in egoistischen Einzel- und Massen- inslinkten ihre einzige Wurzel hat. Wir wissen aber auch — und das sollte man nie übersehen —, das; diesem Zerrbilde der Politik bei vielen wahren Patrioten (um dieses Wort hier anzubringen) ein tiefernstes Ringen um die großen Lebensfragen unseres Volkes gegenübersteht, also eine Auffassung von Politik, die aus tiefinnersten Quellen, aus der sittlichen Kraft einer positiven Weltanschauung schöpft. Diesen Unterschied muß man in seiner ganzen grundlegenden Bedeutung erfassen, ehe man es wagt, jede politische Betätigung schlechthin als Nebel, als mit dem Aussatze des Privat- oder Grup penegoismus behaftet zu verketzern. Vielleicht ahnt man bereits die Tragweite dieser Unterscheidung. Es gibt Kreise, die nicht müde werden, immer wieder von einem Problem vor aller Oeffent- zu reden, das für uns Katholiken bis 1918 eigent lich nie ein Problem gewesen ist und das es auch nach her im Grunde nie hätte werden dürfen, wenn wir unsere Pflichten und Aufgaben stets voll und ganz begriffen hätten: von der sogenannten „politischen Betäti- gung in den katholischen Vereinen". Nach dem von anderer Seite dieses „Problem" immer wieder in den Vordergrund gerückt wird (vgl. „Warmia" Nr. 151. S. 1), ist es notwendig, auch an dieser Stelle in aller Sachlichkeit einiges zu der für uns durchaus klar- liegenden Sache zu sagen. Etwas Selbstverständliches sei vorausgeschickt: So weit katholische Vereine die Fortbildung und Schulung ihrer Mitglieder als Programmpunkt auf ihre Fahne ge schrieben haben, haben sie sich auch nie gescheut, an die großen Fragen heranzutreten, die jeden Deutschen als Glied seines Volkes im tiefsten berühren: die Fragen der staatl eben und sozialen Entwicklung schlechthin, der Ge setzgebung und Verwaltung, kurz alle die Fragen, die mit dem Gedeihen des Volkes ebenso sehr im Zusammen hänge stehen wie mit dem Leben unserer kirchlichen Ge meinschaft und dem unserer Familie. Der Beschäftigung mit diesen Lebensfragen verdanken einzelne große Organisationen, wie der Katholische Volksver ein . die G e s e ll e n - und Arbeitervereine überhaupt erst ihr Dasein. Niemand hat je gewagt, darin einen Uebergriff zu erblicken, daß man sich in diesen Or ganisationen in jahrelangem ernsthaften Ringen mit dem Sozialismus und dem Kommunismus, oder mit dem wirtschaftlichen und geistigen Liberalismus auseinandergesetzt hat. Im Gegenteil, in diesem Ringen um den christlichen Staats- und Familiengedanken hat man die Lebensaufgabe dieser Vereine und Organisatio nen und ihren Daseinszweck erblickt. Es gibt fast keine Frage des Glaubens und der Moral, die heute nicht irgendwie auch entscheidende Fragen des öffentlichen, also auch des politischen Lebens berührte. Trotzdem kommen, in den letzten Jahren immer wieder Stimmen (sie sind bisher glücklicherweise ohne besonderes Echo geblieben) und erheben gegen alle die, welche öffentliche, politische Fragen im Heiligtum katholischer Vereine zu erörtern wagen, den Vorwurf, sie tragen in die Vereine einen Sprengstoff hinein, der den Gemeinschaftsgeist zerstören und das Vereinsleben schädigen muß. So etwa lautet der einzig sachlich erscheinende Einwand dieser eigenartigen Bewegung. Es lohnt, diesem Einwand etwas nachzugehen. Keule: Die Welt (Illustrierte Wochenbeilage) Unterhaltung und Wissen Fllmrundschau Turnen. Sport und Spiel Der Reichstag in Ferien Nach Annahme -er Amnestie-Vorlage mil Zweidrittelmehrheit Berlin, 14. Juli. In der gestrigen Reichstagssitzung wurde der von dem Zentrum, den Demokraten, der Volkspartei und den Sozial demokraten eingebrachte A m n e st i e g e s e tz e n t w u rf in nicht namentlicher Abstimmung unter Ablehnung aller Abände rungsanträge gegen die Stimmen der Bayerischen Volkspartei und der Deutschhannoveraner angenommen. Die Amnestie soll einen Schlußstrich machen unter die Ereignisse der Inflations zeit und der erregten Jahre nach dem Umsturz und umfaßt Straftaten, die aus politischen Beweggründen begangen mor den sind. Anhängige Verfahren werden eingestellt, wenn die Tat vor dem 1. Januar 1928 begangen worden ist: neue Ver fahren werden nicht eingeleitet. Von der Amnestie bleiben u. a. ausgeschlossen Landesverrat und Verrat militärischer Ge heimnisse ans Eigennutz, ferner Verbrechen gegen oas Leben. Lebenslängliche Zuchthausstrafen werden in Gefängnis von 71t- Jahren umgewandelt. Am Schluß der Sitzung erhielt der Präsident die Er mächtigung. den Termin der nächste» Sitzung selbst zu be stimmen. Er erklärte die Sommertagung des Reichstages für geschlossen und entließ die Abgeordneten mit den besten Wün schen in die Ferien. Die nächste Sitzung des Reichstages dürste Ansang November stattfinden. In der gestrigen Sitzung -es Reichstags wurden zunächst die Novellen zur Unfall-Versicherung dem Sozial politischen Ausschuß überwiesen und das Gesetz über Ein stellung des Personalabbaues bis 31. Januar 1929 verlängert. Es folgte dann die zweite Beratung der Amnestie- Vorlage. ""Der Reichsjustlzinlnffter Kock drückte seine Freude aus über die große Mehrheit mit der der vorliegende Entwurf im Ausschuß angenommen worden ist. Daraus ergibt sich schon, 7>aß es sich nicht um eine einseitige parteipolitische Maßnahme, sondern »m einen Akt wohlverstandener Volkssonveränität han delt. Die Notdelikte konnten aus praktischen Gründen nicht unter die Neichsamnestie fallen, aber wir wollen gern den Ländern Begnadigungen für solche Fälle empfehlen. Wenn >as Reich die Amnestie für politische Delikte auch ans die Län ger ausgedehnt hat, so ist das keine unitarische Rechthaberei sondern oer einzig praktische Weg. Um aber alle Bedenken aus dem Wege zu räumen, wollen wir den versassungsändernden Charakter des Gesetzes betonen. Nachdem der Neichsjustizminister Koch und Evcrling ge sprochen hatten, erhielt der Abgeordnete Geschke (Koinm.) das Wort. Er richtete heftige Angriffe gegen die Sozialdemokraten und bezeichnet« die Vortage als unzureichend. Bon den Sozial demokraten wird ihm wiederholt zugerusen: „Wollt Ihr denn die Vorlage ablehnen?" Die Erregung der Sozialdemokraten steigert sich bei den weiteren Angriffen des Redners. Mit lautem Gelächter wird von den Sozialdemokraten die Schlußerklärung des Abgeordneten Geschke ausgenommen, daß die Kommunisten dem Entwurf zustimmen würden. Abgeordneter Dittmann (Soz.) erklärt zur Geschäfts ordnung: „Wir haben nach schweren Bedenken den vorliegenden Entwurf unterschrieben. Wir rechnete» damit, daß wir trotz unserer Unterschrift von den Kommunisten beschimpft werden würden Daß die Beschimpfungen einen derartigen Grad er reichen würden, wie wir es jetzt bei dem Auftreten des Ab- ötnnde zu unterbrechen, damit unsere Fraktion beraten kann, ob sie unter diesen Umständen ihre Unterschrift unter dem An trag aufrecht erhalten kann." (Händeklatschen bei den Sozial demokraten, Lärm bei den Kommunisten.) Gegen die Stimmen der Kommunisten. Deuts,hnationalen und Nationalsozialisten wird die Unterbrechung der Sitzung be schlossen. Nach Wiedereröffnung der Sitzung — die Panse halte sich ans IX- Stunden ausgedehnt — gab Abg. Dittmann (Soz.s folgende Erklärung ab: Die sozial demokratische Fraktion hat sich nach der Rede des Abg. Geschke, die mil Beschimpfungen gegen die Sozialdemokraiie angcsüllt war. die Frage oorgeleg!. ob sie ihre Unterschrift unter der Vorlage anirechterhalien könne. Der Sozialdemokratie ist es darum zu tun. die wegen politischer Delikte in Haft befind lichen Arbeiter zu befreien. Sie betrachtei die Ainnestissrage nicht als Parteifraoe. Die schmähenden Urteile, die der Abg. Geschke über das Gesetz abgegeben hat, finden ihre treffende Widerlegung in der Tatsache, daß die Kommunisten selbst dem Gesetz znstimmen wollen. Die Sozialdemokratie wird deshalb ihre Unterschrift nicht znrückziehen. lFortsetznng nächste Seiten Positiv ansgedrückt, will inan doch offenbar nicht mehr oder nicht weniger, als das; die katholischen Ver eine selbst und die Redner, die diesen Vereinen ihre Zeit nnd ihr Wissen zur Verfügung steilen, streng gehalten sein sollen, alles Politische peinlietzsi zu vermeiden. Alles Politische sagen wir mit Bedacht. Denn wenn man nach der Meinung dieser Richtung schon die Auffassung katholischer Politiker, die gewöhnlich mit der der Zentrumspartei wesentlich übereinstimmt, als Sprengstoff betrachtet, dann muß jede andere politische Haltung in diesen Vereinen tödlicher als Phosgengas wirken. Man wird aber doch ohne weiteres zngeben, daß diese edle Selbstbeschränklmg der katholischen Ver einsarbeit schon mehr als Selbstverstümmelung bedeuten würde. Und dielen Gedanken wagt man zu vertreten, während im Lager der Christentumsgegner schon die Jugend systematisch politisch geschult und in die Klassenkampffront eingegliedert wird, während eine ver derbliche Politik schon gierig ihre Hände nach der Schule ausstreckt, um hier so weit als möglich die ganze Erzie hung in ein politisches System hineinzuzwlngen. Sieht man diese Dinge nicht, daß man es unternimmt, hier eine Dolchstoßaffäre am katholischen Pereinsleben zu propagieren? Auf die politische Schulung unserer katbo- lischen Vereine verzichten, hieße, unsere katho lischen Mitbrüder, die umworben und umfochten an der Werkbank und im Bureau im Kreuzfeuer einer zersetzen den Politik nnd Weltanschauung stehen, ihrer Umwelt preisgeben, sie widerstandslos dem Moloch Libera lismus, Nationalismus oder Sozialis mus opfern. Wenn in der Vorkriegszeit der Volksver ein für das katholische Deutschland eine unbedingte Not wendigkeit war. und er war seiner ganzen Zielsetzung nnd Arbeit nach seit Windtharsts Zeiten Schulung für das öffentliche Leben, so brauchen mir heute, wo die Pro bleme um uns nur noch größer und verworrener gewor den sind, erst recht die katholischen Vereine, u in unser katholisches Volk vor dem Indifferentis mus in öffentlichen Dingen zu bewahren. Das wird auf die Dauer nur durch eine systematische und gründliche Schulung der Massen möglich sein. Es ist ebenso kleinlich wie irrig, die Dinge so dar- zustellen, als ob das Ziel dieser politischen Schulungs- arbeit ein parteipolitisches im üblen Sinne des Wortes wäre, nämlich die Stärkung der Zeiitriunspartei nur um dieser Partei und ihrer Politik willen. Wer die Dinge allerdings so sieht, der beweist damit nur. daß er über den Horizont einer verengten Parteipolitik noch nicht bis zu den. gestaltenden Ideen einer Staats. Politik voroedriingen ist. lieber der Zentrnmsportei steht für uns Katholiken immer die Gestaltnng der Politik ans unserer Weltanschauung beh aus Diese Art der politischen Betätigung ist das Ent scheidende. Die Zentrumspartei als solcke ist für uns die maßgebende, solange und soweit sie sich mit unseren weltanschaulichen und politischen Grundsätzen deckt. Wenn die Zentrumspartei je in wesentlichen Punkten diese weltanschauliche Fundierung unserer Volitik außer acht lassen wollte, dann wäre die Unabhängigkeit der katholischen politischen Haltung wohl sofort gegeben. Die im wesentlichen übereinstimmende Haltung ist der tiefere Grund, weshalb die große Mekrzcchl der deutschen Katholiken bis ksinanf zu den deutschen Bischöfen stets der politischen Arbeit der Zentrumspartei Aner kennung und treue Gefolgschaft geleistet hat und noch heute leistet. Es hat noch niemand zu verneinen gewagt, daß der Katkolizismus unserem öffentlichen Leben Wesentliches- zu sagen habe. Der Katholizismus hat zu allen Zeiten und für alle Verhältnisse im privaten und öffentlichen Leben seine Richtlinien gehabt. Das ist nicht nur unter Leo dem Dreizehnten so gewesen, das ist auch unter Pius dem Elften noch so. An die großen Grundsätze unseres heiligen katholischen Glaubens ist jeder einzelne Katholik moralisch ebenso stark gebunden, wie die Gesamtheit der katholischen politischen Vertre ter der Zentrumspartei. Diese gemeinsame Bindung an die gleichen Lebensgesetze schafft auch gegenseitige Ver pflichtungen. Das find die gesunden Wechselbezie hungen zwischen Katholizismus und Zentrumspartei. Für diesen besonderen Charakter unserer Politik, den man im Lager der Gegner hinreichend falsch ausschlach tet, sollten doch wenigstens alle Katholiken vollstes Ver ständnis haben. Wenn es der Verständnislosigkeit vie-