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Onter^altuns und V^i88en fts. 183 — 12. ^UßsUSj 1^28 8üolmi'-wii^ V^Iba^k-itun 8ück8lsc1ie Volksreitunß Aus dem Inhalt. »lbert Leitich: Der kleine Wohltäter. Franz Lächler: AltL Wahrheiten. Walter v. Rumm.el: Der Eoldschmiedegesell. Hans Blunck-Oldemaren: Triebsand. Lisa Nickel: Runkelstein. Vulkanausbrüche bestimmen das Erdklima. Zeitschriften. Der «eine wohllüler Von «lbert Leitich. Als der Zug langsam die Hänge erstieg, ging auf dem Bahnsteig der Station Saalfelden eine junge Frau mit ihrem elfjährigen Knabe« auf und ab. Auf dem Stationsgebäude lag schon gesättigte Mittags sonne. Flimmernd stieg die Sommerglut an den weißen Mauer« empor. Die Maschine drüben schlich jetzt in den niederen Tunnel, Wagen um Wagen tauchte hinein, und ein Dröhnen, wie aus Orgeklang und Elockenton, erfüllte das Ohr der Wartenden, die den Zug nun bald besteigen konnten. Die junge Frau stand regungslos. Ein dunkles Spitzenfichu '' «m die Schultern und von vielen Falten ihres bauschigen ' schwarzen Seidenkleides umwallt. Ihre Wangen waren kühl und von dem matten, farblosen Glanze weißer Perlen. „Wir warten, bis der Zug ganz still steht, Roby. Ich werde dich zuerst einsteigen lassen und reiche dir den Koffer hinauf. Herstehst du?" „Ja. Mutter." „Gib acht, Roby, suche ein leeres Kupee!" > Der Schnellzug hielt. Die junge Frau zeigte auf ein leeres Abteil dritter Klasse und ließ den Jungen aufs Trittbrett ^ steigen. Dann hob sie ihm die Tasche hinauf und eilig ver schwanden beide in dem Richtraucherkupee, in dem nur ein atte» Ehepaar saß. ' „Sv. Roby, mach es dir bequem . . . Zum Fenster willst du? . . . Gut, aber beuge den Kopf nicht hinaus, sonst kommt Ür Nutz ln die Augen I Und inkomodiere die Dame nicht!" i Die alte weißhaarige Frau sprach mit einem nachsichtigen, mütterlichen Lächeln, das für alle kindlichen Unarten ein Ver zeihen hat: „Lassen Sie ihn doch ... er soll nur fleißig Hinaus gucken. Ich habe Platz genug. Und mein Mann benützt ohne hin nie einen Fensterplatz." „O, dk Dame ist wirklich zu liebenswürdig. Bedanke dich, Roby. artig . . ." Der Zug kam wieder aus der Senke, schwarz, mit einem weihen Rauchwirbel über der Lokomotive, der noch lange auf den Geleisen flatterie, als sie schon längst die große Kurve genommen hatten. Di« warme Luft schlug herein. Die früher angeknüpfte Unterhaltung zwischen den Fahrt genossen nahm ihren Fortgang. Die beiden Frauen lüfteten gegenseitig ein wenig die Schleier ihres persönlichen Lebens. „Die Dame ist gewiß Witwe?" „Ich weiß es nicht", versetzte die jung« Frau mit traurig lächelnder Miene. „Mein Mann hat mich nach fünfjähriger Ehe verlassen . . . Roby war damals drei Jahre alt. Ich bin geschieden worden und habe nichts mehr von meinem Manne gehört." Ein peinliches Schweigen trat ein; der schlanke Junge wandte sich jetzt an seine Begleiterin: „Mutti, darf ich auf den Korridor hinausgehen?" „Ja, mein Junge, aber gehe nicht in die Näh« der Türen." „Nein, Mutti!" Er beeilte sich, von der Erlaubnis Gebrauch zu machen, kam aber schon nach einigen Minuten zurück. „Denk dir, Mutti, in unserem Wagen wird ein Gefangener transportiert." „Ein Gefangener?" „Ja, Mutti, im letzten Abteil, ganz knapp bei der Türe. Ein Soldat sitzt rechts von ihm, ein anderer ihm gegenüber." Der alte Herr, neugierig geworden, stand auf, ging bis an das Ende des Ganges und ergänzte die Mitteilung Robys: Der Gefangene trüge tadellose Kleidung und sehe gar nicht wie ein Walkrür eiten Die Flieg« hat das größte Recht in der Kirch«. Man glaubt einem Auge mehr, als zween Ohren. Die Wahrheit ist eine Arznei, di« man zur rechten Stunde reichen soll. - ... Die Wiege ist dem Menschen das ruhigste Beit. ' . * Kein Schatten kann von der Sonne beschienen werden I« mehr Einsicht, je mehr Nachsicht. Aufschub ist ein Tagedieb. * Beinahe bringt keine Mücke um. * Einem Lügner Sann man seine Geheimnisse am sichersten vertrauen. Das Glück hat mehr Schulden ausstehen, als es selbst schuldig ist. Die Erfahrung soll dir dienen, nicht du der Erfahrung. Bei einer Erbschaft ist es ut, daß der Mensch allein sei. ' ammelt von Franz Lächler.) Verbrecher aus. Sein Antlitz hätte einen gewinnenden Ein druck. „Wie leicht kommen rn diesen unruhigen, schweren Zeiten Menschen in die Lage, verhaftet zu werden. Sehr oft entpuppten sie sich schon nach sehr kurzer Zeit als Unschuldige." „Ja, du hast recht, Clarisse", sagte der alte Herr. Der Junge war nicht mehr im Abteil zu halten, immer trieb er sich in der Nähe des geschloffenen Abteils umher, um durch die Glasscheibe den Gefangenen zu mustern. Ab und zu kam er zurück, um seine Beobachtungen der Mutter mitzuteilen. ,/Venk dir, Mutti, der arme Mann steht mich ununter brochen an." „Du wirst dich irren, Roby, wahrscheinlich schämt sich der Gefangene und blickt starr in die Luft . . ." „Nein, Mutti, die ganze Zeit, während die Soldaten ihr Mittagbrot aßen, sah er mich an. Und weißt du: er hat das selbe Lächeln wie ich, du sagst dann immer, daß ich die Tränen verbeißen will." „Was du dir einbildest, Roby; komm, setz dich zu mir!" „Ich bin nicht müde. Aber ich möchte dich bitten, gib mir ein Butterbrot mit Wurst und Schinken darauf." Die junge Frau wandte sich zu der gütigen alten Dame: „Immer ist der Junge hungrig; wir haben in Saalfelden Mittagbrot gegessen und nun will er schon wieder futtern . . ." „Lasten Sie ihn doch, wenn es ihm schmeckt . . ." Der Junge bekam sein Schinkenbrot und entfernte sich. Nach langer Pause stürzte er mit freudestrahlendem Gesicht herein: „Mutter, gut hat dem armen Mann mein Schinkenbrot geschmeckt." „Roby, wie hast du das gemacht? Haben dich denn die Soldaten zu dem Gefangenen gelaffen?" „Ja, Mutti, ich habe an die Scheibe geklopft, da fragte mich der ältere Soldat, was ich wünsche. Ich bat, daß ich dem armen Mann das Brot geben dürfe ... Da lachte der Soldat, sprach leise mit dem zweiten, dann wandte er sich an den Gefangenen und dieser sagte laut: „O ja, sehr gerne"." Da reichte ich dem Soldaten, der an die Türe kam, das Brot, und der Gefangene dankte mir und aß. Und während er aß, kamen ihm die Tränen in die Augen . . ." Roby verließ wieder das Kupee. Auch der alte Herr ging auf den Gang und unterhielt sich mit dem Schaffner. Als er zurückkam, meinte er: „Es soll sich um einen Gentleman-Verbrecher handeln, der in Salzburg einen Juwelier bestahl. Der Mann, erzählte mir der Schaffner, stamme aus einer hochangesehenen Familie und hätte schon ost durch ab sonderliche Streiche von sich reden gemacht. Der Schaffner kenne ihn, da er aus demselben Orte stamme. Der Mann hätte eine junge Frau aus guter, achtbarer Familie geheiratet, diese aber samt dem Kinde verlassen, um ein Nomadenleben zu führen, dessen Einzelheiten sich erst jetzt anläßlich seiner Ver haftung aufklären würden. Uebrigens sei der Mann nach der Sek GÄ-schinie-egesell Eine Altmünchener Geschichte. Von Walter v. Rummel. Jungfer Ebkrl und Franz Dominikus Thaddsi, ihr Herz- «üersiebfter, standen betrübt beisammen, denn es hieß, Abschied stehmen. Der Franzi sollte als Gesell, wie die Zunftsatzung es vorschrieb, sich auf dir Wanderung machen, hatte auch bereits seinen Viesbezüglichsn Lauf- und Fahrzettel mit der vorgeschrie benen Reiseroute in Händen. Nordwärts sollte es zunächst gehen und das Hochstift Freifing war die erste größere Stadt, fir der er um Arbeit Nachfragen sollte. Morgen schon wollte er turfbrechen , . . . „Wart' noch einen Tagt" bat das Everl und bettelt« gar schön mit seinen großen, braunen Augen, „wart' «och'öinen einzige« Tag, ich wUl heute Abend mit meiner Frau HritUr reden, damit ich dir aus den Weg einen guten Bescheid «itgeben kann. Morgen Abend auf Wiedersehen beim schönen Turq, beim Buchlade« vom Johann Nepomuk Fritz. Behüt dich Gott, Feanzls" Fort war das Everl, seine resolute Figur strebt» bereM eilig dem Srndlingertore zu. Franz Dominikus ThaLdej abdr ging in Gedanken vertieft zu feinem Meister, dem Herrn Siwtg,Kurzmüller zurück -. . Da» Everl durcheilte das Tor mid'schrD dem Häusl zu, das ihre Mutter, Frau Barbara l Weißt«, «ne WtHkrui, v« d« StM Hätte. In dem daran an- ils schlisßeMn aWHWMn Garten zog M Hr Obst, baute sie ihV EemDt Hohne«, Spinat und wie das ganze Kritutlwerk noch'!: heißen'Äocht«, dcks sie in der Stadt verkaufte. Früher am Eier- stmrkt. Dort hatte denn auch das Everl, das der Frau Mutter fleißig halk vor einem Jahre den Franzl, der für seine Meisterin Ankäufen gegangen war, kennen gelernt. Als dann durch Ver fügung der hochpreklichen Obrigkeit Frau Barbara Weißin ihren Stand im Dal beim Hriligengeistfpital erhielt, war noch «in anderer junger Mann nicht fetten vor ihren Körben auf. hetauchckj der He« BartholvmS, der Sohn vom benachbarten Bchlickeruürt. Der hatte nun ganz andere und viel namhaftere Ernftdchk betittkA, ak» Vtzes d»m Franzl, dem armen Schlucker je möglich gewesen, stand also daher bei der Frau Wcißin in besseren Gnaden als er. Ihr Gesicht strahlte, wenn der Bar- tholomä, den dicken und groben Schlickerhausknecht hinter sich, gnädigst an ihren Stand herantrat. Dis Tochter aber, der es letzten Endes gleich war, wer schließlich das ganze Geraffel und Kräutlwerk zusammenkaufte, hatte dafür den braven Franzl ein um so freundlicheres Eeschau. . . Als das Everl nun heute nach Hause kam, half es der Frau Mutter noch fleißiger wie sonst, alles für den morgigen Markt tag zurechzurichten. Dann aber und nach dem Abendbrot faßte es sich ein Herz und begann über die Zukunft zu reden, über ihre und des, Franzl Zukunft. Frau Barbara Weißin war so fort ganz und mitten im Bilde. Ihre Nase, die dicht mit Erd beeren bepflanzt schien, ihr ebenfalls roter, runder Kopf nahmen sofort eine noch tiefere Färbung an. Rasch hob sich ihre rüstige Rechte empor. „Da hast eine Tachtl, Lallen, dumme!" Es klatschte zweimal ein wenig laut aus die linke und rechte Wange des armen Everl und das gute Kind vermeinte, dl« brennenden Augen müßten ihr auf das aufgegangene Schuh bande heruntergefallen. „Nichts da," eröffnete und beschloß die Frau Mutter die gemeinsame Besprechung. „Za, wenn es ^wenigstens der Herr Bartholomä wäre!" „Der?" verzog das Everl ihr Mäulchen, „der mit seiner reichtm Weste? Seine Gnaden, der Herr Wirtssohn nimmt nie «in« arme Eärtnerstochter." „Aber der hungrig« Gold schm iedlehrliNg schon-" „Gefell," fchmEe das Everl zurück. „Ja, ein Gesell, ein windiger Gesell, ei» falsche, Projeklist, Pulbermacher und Seifensieder. Weil «r dich frech auf der Gaffe angasst, brauchst du ihm nicht gleich ein gehorsames Buck«rl zu machen. Meinerwegen kann er sich in den nächsten Haderlumpenorden aufnehmen lassen." Wütend verließ di« Frau Mutter die Stube und warf di« Türe mit gewaltigem Krach hinter sich zu. Ltn „Potz Elefantcnschlänkl!" donnerte noch in das Zimmer zurück, wo das Everl allein und einsam vor sich hingrollte. Hatte die Frau Mutter einmal ihren r- ten Kopf aufgesetzt, dann war nicht» zn wollen dann war nur Furcht bet« Hält». Am nächsten Abend aber, als das Everl ihren Franzl beim schönen Turm traf und sie zusammen langsam die Kaufinger gasse herunterschlenderten, war die Welt schon wieder bcdeuiend Heller geworden und besser bestellt. Denn gute Nachricht brachte der Franzl mit. "Sein Meister, der gutherzige Herr Georg Kurzmllller, hatte eine Menge Arbeit daliegen, zur Zeit aber außer ihm keinen einzigen Gesellen. Kurzmllller wollte ihn daher gerne Lei sich behalten. Da aber der Franzl bereits auf Wanderschaft abgemeldet war, hatten sie sich dahin geeinigt, daß dieser oben in der Dachstube, nicht gesehen von aller Welt, fürs erste Weiterarbeiten solle. Besserer Vorsicht halber, hatte der Meister gemeint, möge der Franzl auch immer erst bei ein setzender Dämmerung ausgehen. . . . Wer war glücklicher als die beiden Liebesleutc? Das kluge Everl wußte auch schon das schönste abendliche Stelldichein. Im großen Garten des Angerklosters, der da vor dem Tore neben dem ihren lag. Dort war vom Spätnachmittag an niemand mehr, war cs ruhig und einsam. Zudem hatte die Frau Mutter, die den Klosterschwestern manchmal an die Hand ging, den Schlüssel dazu, man brauchte ihn nur von der Wand nehmen. Ungestört konnten sie sich in dem Garten treffen. . . . Bereits am nächsten Abend, der warm und mild ins Land zog, sahen sie sich dort, kamen ans diesem gesegneten und geweihten Fleck Erde noch an so manchem schönen Sommerabend zusammen. Dann aber war plötzlich alles zu Ende Nicht etwa durch den Machtspruch der frommen Klosterfrauen, sondern durch den des Meisters Kurzmüller. Von dem und jenem war der Franzl beim Passieren des Einlaßtores gesehen worden. Kostete es nun schon einem Hausvater, der irgendeinem Fremden nur für eine Nacht in sein« Behausung nahm, ohne ihn bei der Hauptwache anzu melden, bare zwei Reichstaler Strafe, um wie viel mehr würde er, Kurzmüller, zu zahlen haben, da er den Franzl nun schon einen ganzen Monat lang unberechtigt bei sich beherbergte! Nein, er konnte ihn nur mehr bei sich behalten, wenn der Franzl ihm in die Hand gelobte, sich nie mehr auf der Straße blicken zu lassen, immer in seiner Dachkammer zu verbleiben . . . Was konnte dieser anders tun, als gehorchen, Ja und Amen zu sagen, di« Trauerbotschaft durch eine Vcrtrauen--person dem Everl oer«