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Nummer Nr» — 27. Jahrgang rncheini 6 mal wöchentl. mit den illustr. DratiSdellagen .Dt« veil' und .Für »liiere Nein«» Leute", sowie den reitdellagen k,. ueiuw-BIatl". .Unterhaltung und Wissen", .Die Welt der Frau'. .Aerzllicher Slatgeber". .Da» gute Buch". .Filmrund. ichan". Monatlicher Bezugspreis 8 Mi. etnschi. Bestellgeld, klnjelnununer 1<» Sonnabend- u. Sonntagnummer Gv Hauplichriitlettcr- Tr. w. TeSczhk. Dresden. Freitag, den 25. Mai 1928 VerlagSort, DreSde» Slnzetgeuprets«, Die lgeipaltene Petttzetle »U ^.Familien- anzcigen u,Stellengesuche »<»4. Die Petitrellamezeile. 8» mm breit, t Für Anzeigen außerhalb de» Verbreitungsgebiete» 4V 4 die Petitrellamezeile 1 .ltv^e. Ofsertengeb.!»» 4. Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowie tSrsüllung v. Anzeige»-Austrügen u. Leistung v. Schadenersatz. Geschäftlicher Teil: Slrtur Lenz. Dresden. llolrsseiiuna i«eschästsf«elle, Truck u.Berlag: Vennanta. A.-S. ,iir Verlag und Druckerei, Filiale Dresden. DreSden-A. I. Palierstratze lV. FemrusllioiS. Poltlchecktonto Dresden 2703. Bankkonto Stadtbank TreSdrn Ar. 6NIV Für christliche Politik und Kullur Redaktion der Sächsischen Bolk-zrttung DreSden-Altstadl l. Polierstratze 17. Fenirui Mil und 2l»l!>. Benefchs Berliner Besuch Sie Rokhermere-Aktion lVon unserem Vertreter.) O I.. Prag, 22. Mai. Der Widerhall, den der Besuch des tschechoslowakischen Änsieiiiiiinisters Dr. Be ne sch in Berlin in der tschechischen Presse gefunden hat, ist weit weniger aufgeregt als in der deut sche» Presse des In- und Auslandes. Zunächst weist die tschechische Presse energisch die Kombinationen von einer „Dtmaukonföderation" der mitteleuropäischen Staaten zurück, oelin dieser Plan — den man früher und vielfach auch jetzt noch — als gegen das Deutschtum in Mitteleuropa gerichtet glaubte, wurde geschickt von der ungarischen Propaganda nuf- lscgrisscn, um die tschechoslowakische Außenpolitik in Italien anzilschwärzen, denn Italien hat kein Interesse an einer Wiederherstellung eines dem alten Oesterreich-Ungarn ähnlichen Gebildes in Mitteleuropa. Als Bundeskanzler Dr. Seipel gleich nach seinem Besuch in Prag die bekannte Rede über Süd- lirol hielt, glaubte man in Italien darin den Widerhall der Unterredungen des Bundeskanzlers mit Venesch zu erkennen. Die Tschechoslowakei hatte Mühe, diesen Eindruck zu verwischen. Wenn der Besuch Benefchs in Berlin wieder mit der „Donau- konfaderation" in Zusammenhang gebracht wird, so geht es eben nur um einen Begriff, für den alle Bedingungen zu seiner Realisierung fehlen. Deutscherseits sollte man aufhören, in Benesch nur den Intriganten der Friedensverträge von 1!>13 zu sehen. Man mag seine Persönlichkeit beurteilen, wie man will, wer weih, wie reich die tschechische Politik an politischen Utopien ist — man denke nur an die tschechischen Nationaldemokra ten. die immer noch an eine slawische Vorherrschaft in Mittel europa unter Führung Rußlands glauben! —. der wird Benesch als Realpolitiker schätzen. Vom sudetendeutschen Standpunkt wird der Besuch Benefchs in Berlin fast allgemein begrüßt und mit Genug tuung zur Kenntnis genommen. Wir Sudetendeutsche brauchen keine ,Donauföderation", aber wir begrüßen eine Annäherung zrvischen Oesterreich — Tschechoslowakei — Deutsch land. Eine solche Annäherung müßte der „Kleinen Entente" jede deutschfeindliche Spitze abbrechen. Wenn sich also Venesch tatsächlich nach Deutschland orientiert, so sind Rckriminationen nicht mehr am Platze. Die innerpolitische Lage in der Tschechoslowakei kompliziert sich immer mehr. Mitte Mai fand in Prag die große Mani festation der tschechischen Agrarpartei statt, an der zum ersten Male auch Slowaken, Ungarn und Karpathorussen in größerer Anzahl teilnahmen. Den tschechischen Agrariern, die heute die mächtigste und einflußreichste Partei darstellen. ist es tatsächlich gelungen, diese widerstrebenden Elemente auf der Grundlage wirtschaftlicher Interessen zusammenzufassen. Diese Zusammenfassung wird um so eifriger betrieben, je lauter Ungarn mit seiner Nothermere-Propaganda an die Lore der Tschechoslowakei pocht. Auf tschechischer Seite ist doch die Erkenntnis durchgedrungen, daß die Friedens vorträge Papier bleiben müssen, wenn es nicht gelingt, die verschiedenen Nationen zufriedcnzustellen. Aus diesen Gründen steht das Prinzip einer gemischt nationalen Negierung heute fester denn je, aber es tragt sich, ob dieses Prinzip — wie es gegenwärtig der Fall ist — nur von den nichtsozialistischen Parteien vertreten werden soll. Durch die Erkrankung des Ministerpräsidenten A. Svehla ist die Entwicklung, die auf eine große Koalition mit den Sozialisten hinstrebte, ins Stocken gekommen. Von etwaigen Parlamentswahlcn — die nicht einmal von der sozialistischen Opposition verlangt werden — sind keine Richtungsverschiebungen zu erwarten. Die Lage ist also ziem lich kompliziert, und man begreift die allgemeine Nervosität. schang verteidig! Peking Bor -er Entscheidung in China Peking, 24. Mai. Wie aus Nanking geineldet wird, hat die Regierung das Rncktriklsgesuch -cs Außenministers Huang-fu angenommen. Der Ministerpräsident Tang hat vorläufig die Geschäftsführung des Außenministeriums übernommen. Damit ist die Gruppe H.iang-su, die eine Annäherung zwischen Japan und Amerika erstrebte geschlagen. Marschall Tschiangkaischek hat angesichts dieser Sachlage sein Rücktrittsgesuch zurückgezogen. Tschiangkaischek hat sich wieder andie Front begeben, um den Oberbefehl an der Front zu übernehmen. — Der japanische Gesandte ha! sich nach Tientsin begeben. Marschall Tschangtsolin erklärte, er beabsichtige nicht, Peking kampflos aufzugeben. Japan treibe eine zweideutige Politik ihm gegenüber. Weil Japan an dem Ultimatum fest- halie, werde er alle diplomatischen Beziehungen zu Japan ab brechen. Er sei zu Friedensverhandlungen mit den Südtruppen bereit, wenn diese die Schantungprovinz räumten. Tschangtsolin lebt bereits seit einer Woche im Panzerzug. Die japanische Mnroedokrrln Tokio» 23. Mai. Die Erklärung Kelloggs, daß Japan in der Mandschurei Tonderinteressen verfolge, hat in der japanischen Oeffentltch- kcit ein lebhafte» Echo hervorgerusen. Die „Tokioter Zeitung" erklärt, Japan tue in der Mandschurei nichts anderes als Amerika in Nicaragua. Japan wünsche nicht» weite» als die Aiisrechterhaltung der Ordnung und di« Wahrung seine» Int«», essen. Letztere seien wohl noch von größerer Bedeutung als Amerikas Interessen in Nicaragua. Die Zeitung ».Ritscht Nitschi" kritisiert die amerikanische Außenpolitik sehr scharf, indem fi« seststcllt, daß Amerika im Fernen Osten di« Doktrin von der offenen Tür verwirklicht scheu will» dies» aber für Latein» Amerika andern verweigert. Der japanisch« Gesandte in Peking empfahl Tschangtsolin, di« Nordtruppen innerhalb der nächsten sechs Tage nach der Mandschurei zurückzuziehen, widrigenfalls Japan die Truppen entwaffnen werde. Tschangtsolin antwortete darauf, daß seine Truppen die Waffen nicht ohne Widerstand abgcben würden. Wie Haoas aus Schanghai meldet, ist der Außenminister der Nankingregicrung zurückgetreten. Seine Gegner machen ihm sein Entgegenkommen gegenüber den A'merikanern und besonders den Japanern zum Vorwurf. Die amerikanische Regierung hat der südchinesischen Regie rung eine Note überreicht, in der darum ersucht wird, daß der Mörder des amerikanischen Missionars Seymour, der in Schan- tung am 16. April getötet wurde, verhaftet und hingerichtet wird. Auch Velgieu wlll unterzeichnen Brüssel. 22. Mai. Die „Agence Belge" teilt mit: Nachdem mehrere Haupt mächte, die mit dem amerikanischen Entwurf eines Antikriegs- patte» befaßt worden sind, den Wunsch ausgesprochen haben, die Auffassung der belgischen Regierung rennenzulernen, die nicht zur Teilnahme an den Verhandlungen ausgefordert wurde, aber durch den amerikanischen Botschafter informativ von dem amerikanischen Entwurf und dem französisch-amerikanischen Notenaustausch in Kenntnis gesetzt wurde, hat die belgisch« Re gierung ihr Einverständnis mit einem Vertragswerl ausgesprochen, das di« Garantien, die Belgien aus Grund de» Locarnoverträg« und des Völkerbundes besitzt, ver stärk«« würde. Immerhin ist di« belgische Regierung wegen der Wichtig keit dieser Uebereinkommen für die Aufrechterhaltung des Friedens und die Sicherheit Belgiens der Ansicht, daß es wünschenswert wäre, jedes Mißverständnis und jede Unklar heit zu vermeiden. Deshalb glaubt sie, daß die Ausrecht- erhaltung der bereits bestehenden vertraglichen Verpfl-ich'ungen seitens aller Beteiligten eine feierliche Bestätigung rhalien sollt«. Belgien als Signatarmacht der Lvcarnovertrr.'- er wartet, zur Teilnahme an dem Meinungsaustausch, der hierüber etwa ftattfinde« sollte, «ingeladen zu wer den. Außenminister --man» hat den Botschafter der Brr- einigten Staaten gestern über seine Auftastung verständigt. Oesterreich und das deutsche Wahlresultat Leidenschaftliche Anteilnahme. 8cbr. Wien, 21. Mai 1928. Oestererich hat die Resultate der deutschen Wahlen mit leidenschaftlicher Teilnahme erwartet. In den Nacht- und Morgenstunden waren die Redaktionen mit Anfragen be stürmt, die Morgenblätter, die Mittags- und Nachmittags blätter wurden den Kolporteuren wie Sensationsmeldungen aus der Hand gerissen. Und die neue Mandatsverteilung war in den politischen und publizistischen Kreisen der Ge sprächsstoff des Tages. Die Schwenkung, die sich von Stunde zu Stunde deutlicher erkennen ließ, hat freilich keine Ueber- raschung geweckt. Der kommende „Ruck nach links" war auch hier seit Monaten ein schier selbstverständliches Schlag wort. Sehr begreiflich geht es bei allen Betrachtungen nicht ohne Seitenblick auf die österreichische Lage ab. Da es hier an jedem Gegenstück zur deutschen Rechten fehlt, regt der Zusammenbruch der Deutschnationalen nur theoretische Erörterungen an, während die Veränderungen in der Sozialdemokratie wesentliche Gesichtspunkte zur österrei chischen Zukunft bieten. Schärfer als in irgendeinem ande ren europäischen Land beurteilt man ja in Oesterreich alle Koalitionsprobleme, die nun als Nächstes her vortreten. Vor allem erkennt man sehr genau die Dop pel b e d e u tu n g, die der sozialdemokratische Erfolg in sich trägt, eine Doppelbedeutung, die naturnotwendig jene einseitig-äußerliche Stärkung ausschließt, die von der sozial demokratischen Presse aus dem Ziffernaufstieg des deut schen Marxismus abgeleitet wird. Man ist sich gerade in Oesterreich sehr klar darüber, daß nächst den deutschnatio nalen Mißgriffen doch auch die nicht zu mißdeutende Schei dung der Sozialdemokratie von dem Kommunismus den Fortschritt ermöglicht hat. Der in erbittertem Wahlkampf unverwischbar gezogene Trennungsstrich hat eine entschei dende, sozusagen negative Anziehung geschaffen. Sehr viele, die ohne auch auf dem weltanschaulichen Boden des Marxismus zu stehen, schlechthin einer Reform des Be stehenden geneigt sind, haben sich für sozialdemokratische Stiminzettel entschieden, weil sie eben zur gleichen Zeit eine Garantie dafür vorfanden, daß unter den Mitteln der erstrebten Evolution das Moskauer Rezept von vorneher- ein ausgeschlossen bleibt. Wo ist solche Sicherheit in Oesterreich? Und wenn die Sozialdemokratie an der Bildung der nächsten Regierung mitwirkt, also, trotzdem sie Parteipolitik verwirklichen will, an einer Politik der Allgemenheit Mitarbeiten muß, so findet sie gerade im Zjf- fernfortschritt, der eine breitere Zusammensetzung ihrer Wählerschaft ankündigt, die innere Voraus setzung hierfür. Gerade der große Erfolg einer Oppo sitionspartei macht eine innere Verwandlung nötig, die Negierungsmöglichkeit, die der Stimmzettel schafft, muß aus rein positiver Einstellung zu den Problemen des Staa tes zur Reg ierungsfä hi gleit werden. Was aber hätte vom Standpunkt solcher inneren Reife für die Teil nahme an der Staatsmacht betrachtet, die österreichische Sozialdemokratie heute mit der deutschen gemein, als rhe torische Aeußerlichkeiten der Parteitage? Eine einzige Hypothese erschöpft die Verschiedenheit des Sozialismus hüben und drüben: wie wäre die deutsche Lage, wenn die negative Abgrenzung der deutschen Sozialdemokratie feh len. wenn sie mit den Kommunisten eine einzige Fraktion bilden würden? Kaum eine Koalitionserwägung, die setzt selbstverständlich ist, wäre möglich! Wenn also die öster reichische Sozialdemokratie jetzt dem Einfluß des deutschen Wahlergebnisses einen möglichst breiten Weg auch nach Oesterreich wünscht, so hat die gegenwärtige Mehrheit da gegen nichts einzuwenden. Im Gegenteil! Die deutsche Sozialdemokratie wird ja nicht nur über das Resultat des 20. Mai theoretisch-überschwänglichen Jubel anzustimme», sondern sehr bald auch jene staatspolitische Hal tung zu beweisen haben, die unmittelbar daraus not wendig wird. Und das eben ist es, was hier erwünscht ist. Nicht darum handelt es sich, daß die Möglichkeit soziali stischen Stimmenfortschritts bewiesen wird. Die österrei chischen Sozialisten wissen nur zu gut, daß ihre Süttigungs- grenze längst knapper erreicht ist, als es selbst diese Wahlen in Deutschland vermochten, sondern eben jener Abstand zwischen koalitionsfähiger Mandatzahl und wirklicher Re- gierungsfähigkeit, den die Sozialdemokratie in den näch sten Monaten zu durchmessen hat, ist es, der hier die Gegner trennt . . . Mit gespanntester Teilnahme prüft man auch alle Wahlziffern des Zentrums. Wer weiß diesmal, wie viel- fehlende Stimmen der Teilnahmslosigkeit breiter Wühler kreise zuzuschreiben sind, wie viele nicht erschienene Zen- trumswähler diesmal die opfervolle Arbeit ihrer aktiven Parteigenossen geschädigt haben? Und wie viele der ver antwortungslosen Splitterparteien, die ein klares Bild der wirklichen Machtverhältnisse hindern. Noch mehr als diese kleinlichen Erklärungen überzeugt eine allgemeine. Selbst ein wirklicker Verlust des Zentrums wäre nur das e b r e n-