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isonniag, de» 22. Februar 1S2S Ar. 44. Seite H Tagesneuigketten Tscheka-Prozetz . ^ Lekpzkg, 21. Februar. Im Tschekaprozetz wurde gestern die Vernehmung des Angeklagten Pöge über den Fall Rausch fortgesetzt. Der Angeklagte Neumann habe ihm von einem Ge nossen erzählt, der sich der Spitzelet verdächtig gemacht habe und mit der Abteilung 1a des Polizeipräsidiums in Verbindung stehe. Pöge habe nur feststellen sollen, ob Rausch tatsächlich ei» Spitzel sei. Dann schilderte Pöge den ersten nntzglückten An schlag gegen Rausch genau so, wie ihn Reumann geschildert hatte. In der Nachmittagssitzung äußerte sich Pöge zu den Fällen Jauche und Wetzel. Er habe von Neumann den Befehl erhalten, Jauche zu erledigen, Nachforschungen seien unnötig, da die Spitzelet Iauches erwiesen sei. Ihm, Pöge, sei es mit der Erledigung Iauches nicht ernst gewesen, während Margies ihn über den Haufen schieben wollte. Schließlich sei er zu der Ueber- zeugung gelangt, dah Jauche kein Spitzel sei. Neumann habe ihnen dann in Stuttgart Vorwürfe gemacht, das; sie seine Be fehle nicht ausgesiihrt hätten. Auch damit, den Wetzel in Stutt gart zu erledigen, sei es ihm nicht ernst gewesen. Hieraus wurde die Verhandlung auf Sonnabend vertagt. « Hamburg, 21. Februar. In dem vor dem hiesige» Schwur gericht verhandelten Prozeß gegen die sechs Kommunisten Sel biger und Genossen wegen Teilnahme am Hamburger Oktober putsch wurde gestern nachmittag das Urteil gefällt. Selbiger wurde wegen Beihilfe zum Hochverrat zu 4 Jahren Zuchthaus und 4000 Mark Geldstrafe. Erna Daul zu 15 Monaten Festungs haft und 100 Mark Geldstrafe, Gertrud Daul, Günther und Knöpsel zu je einem Jahre neun Monaten Festungshaft und einer Geldstrafe verurteilt. Der Angeklagte Biederitz wurde wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Grubenunglück in Amerika Sullivan (Indiana), 21. Februar. Durch eine Erplosion tn einem Bergwerk wurden 25 Bergleute verschüttet, von denen bereits 2 als Leichen und drei schwer verletzte gebor gen wurden. Es besteht wenig Hoffnung auf Rettung der übri gen Verschütteten. Die Explosion ivird auf Kohle » gase zu rückgeführt. » Dortmund. 21. Februar. Zu der in der Presse verbreiteten Information über angeblich bereits erzielte Ergebnisse der Un tersuchungskommission für das Grubenunglück auf der Zeche Minister Stein wird von unterrichteter Seite mitgeteilt, daß diese Meldungen durchaus unzutreffend sind. Die Unter suchungskommission hat ihre Ermittelungen noch nicht abge schlossen. ch 25 0ü« Personen in Rntzland an der Pest gestorben. Nach einer Fourniermeldung aus Moskau sind, wie der amtliche Be richt des Gesundheitsamtes feststellt, 25 000 Personen in Rußland an der Pest gestorben. Sie Arlmssche des LeifZillk Senders Welle 454 Meter, Zwilchensender Dresden Melle 292 Meter. Glrichblcibcniüe Vortragssolgcn vom Montag bis Sonnabend 1. Wkrtichaftsrundsunk: 4.00 nachm.: Landwlrtichaftliche Preisberichte. 0.00 nachm.: Landwirtschaftliche Prcisberichte, Wiederholung. 6.15 nachm.: Londwirtichaftliche Preisberichte, Fortsetzung. 2. Rundfunk für Unterhaltung und Belehrung: 12.00 mittags: Mittagsinusik. 1268 nachm.: Nauener Zeitzeichen. 1.00 nachm.: Börsen- uno Presseberichte. 4M—6.00 nachm.; Konzert der Hauskapelle. S.30 nachm.: Presseberichte nnd Hackebeils Sports,,nkbienst. Sonntag. 22. Februar. 8(30—9.00 vorm.: Orgelkonzert aus der Univerjitätskicche (Professor Ernst Mäkler). llM-12.00 vorm.: H a n s. V r c d o w - S ch u l e. 10. Vortrag aus dem Gebiete der Elektrotechnik: Professor Tr. Bangert- Chemnitz. — g. Voclemng über Charakterköpfe aller Zeiten: Professor Tr. Georg W'tkowski: „Der junge Goethe". 121)0 mittags: Feier zur Eröffnung des Dresdner Senders. Unter Mitwirkung von Professor W lle (1. Solo cellist der Dresdner Staatskapelle). 1. Cellovortrag (Prof. Wille). 2. Begrüßung des Staatssekretärs Tr. Bredow. 3^ Red des Staatssekretärs Tr. Bredow. 4. Weitere Ansprachen. 6 C-Novortrag (Prof. Wille). SM-4.00 nachm.: Konzert der Leipziger Nnnbfunkhauskapclle. 4M—6.00 nachm.: Heiteres Konzert. Mitwirkende: TaS Gewandhaus-Bläscrquintett, die Herren: Oskar Fischer (Flöt->, Alfred Gleis,berg (Oboe-, Heinrich Babing (Klarm-lte), Karl Schaeser (Fagott-, Albm Frehse (Horn), die Nundfunkhaus- kapelle. — Am Grotian-Steinweg: Frtedbert Sammler. — 1. Variationen über das Lied „Reich mir die Hand mein Leben" aus Mozarts „Ton Juan", für Flöte, Oboe und Fagott (OSk. Fischer, Alfr. Gleißberg, K. Schaeser)... Beethoven — 2 Serenade und Thema mit Variationen (op. 34) für Flöte, vbo«, Klarinette, Horn und Fagott (das Gewandhaus-Lläiec« guintett)... Theodor Vluiner. — 3. Ein Albumblatt (die Rundfunkhauskapelle)... Wagner. — 4. Lustige Serenade für Oboe, Klarinette, Horn und Fagott. 1. Polka, 2. Walzer 3. Marsch (das Gcivandhaus-Bläserqulntett)... Wctzel-Müller — 5. a) Deutscher Tanz: b) Russischer Tanz (das Gewandhaus Blaserquintett)... H. Badiug. — 6. Legende (die Rundfunkhaus- kapelle) ... W>e»ieaw,kl. - 7. „Leipziger Allerlei" für Flöte. Oboe und Fagott (Oskar Fächer, Alfr. Gleißberg, K. Schaeser) ... O- Fncher. — 8. „Ehestandsgeplauder" für Oboe, Faaot't «nd Klavier (A. Gleißberg, K. Schaeser und Fr. Sammler-, ...iFned.'mann. ^ 9. Humoreske (die Nundfunkhanskapell-, ...Dvorak. 7-60--015 nachm.: Dresdner Abend. 1. Vortrag; vbering Filzinger-Tresben: „Allgemeines über Radiotechnik. Ratschläge für neue Funkfreunde." — 2. Vortrag: K. A. Findeisen-Trezde,,: „Bon sächsischen Hofnarren aus alten Kalendern und Chro niken." — 3. 2 Streichquartette des Dresdner Streichquartetts -> Danach heitere Darbietungen: Helga Petri (Lieder zur „Laute-, Ottvmar Enking (eigene Dichtungen). Anschließend (etwa 9.30 nachm.): Hackebeils Sportfunkdienst. Montag. 23. Februar. 7100-7.30 nachm.: Bortrag: Prof. Alfred Freund, „Führer durch d>e Betriebstechnische Ausstellung in Leipzig", veranstaltet vom Verein Deutscher Ingenieure. ^ ^800 nachm.; Vortrag: Tr. Stemltzer, „Zeltkrankhciten auf dein Gebiete der Kunst" (Fortsetzung). 815 nachm. Händel-Abend. (Georg Friedrich Händel, ge boren am 23. Februar 1685 zu Halle an der Saale) Mitwir ken!):: Cläre Hanien-Schulthcß, Mitglied der Leipziger Over. (Flöte), Alfred Gleißberg (Oboe). Mitglieder der Stadt. Theater- und Gcwandhausorchester, Emst Luh (Vio line), Felix Seliger (Violoncell). Am Grotrian-Steinweg: Fried- berg Sammler. 1. Einleitende Worte von Ernst Snngestk — 2. 2 Arien der Cleopatra aus der Over „Julius Cälar": a) Es blaiit die Nacht, b) Hast du mich ga»z beraulcht. (Cläre Haiiseu-Schultheß.) — 3. Sonate für Flöte (C-Tur). i. Lar- ghetto, 2. Allegro, 3. Larghetto, 4. Allegro, ü. Gavotte. (Os kar Fischer.) — 4. Arie d:r Israelitin aus de», Oratorium „Judas Maccabäus": „Dann tönt der Laut und Harfe Klang" (Cläre Haiiscii-Dchulthcß-. — 5. Kammertrw für Oboe, Violine, Violoncell und Cembalo. 1. Adagio, 2. Ulla brewe, 3. An dante, 4. Allegro. (Alfred Gleißberg. Emil Luh, Felix Seliger "ud Fricdbert Sammler.) — 6. Arle aus de», Oratorium gro i( pensieroso cd tl moderato" mit obligater Flöte. .(Cläre Haiiien-Schiilthetz »ul» OSkar Fischer) Werdende Reise 4. Dorlrag von N. Hermann Wuckermann r F. Der erste Eindruck entscheidet — dieser Satz gilt auch für die Stellung des Menschen zu den Lebensgesetz«». Treue oder Untreue in späteren Jahren ist meist von vornherein entschieden durch die Art. in der der Einzelne das erste Wissen über diese Lebensgesetze erlangt hat. Ob beim ersten Erkennen diese Dinge als heilig« Geheimnisse oder schmutzige Heimlichkeiten darge stellt werde», hat die größte Bedeutung für die Gestaltung des Lebens durch die nächste Generation. Eine Anzahl von dicken und dünnen Büchern ist in den letzte» Jahrzehnten über diese Frage erschienen. Freilich be schäftigen sich diese Schriften meist mehr mit dem, was nicht sein soll, als mit den Verhältnissen, die der Natur entsprechen. — P. Hermann Muckermann hat gestern auf der Grund lage, die er in seinen ersten drei Vorträgen aufgLbaut hatte, den ausgedehnte» und schwierigen Stoff des Problems der werden den Reife mit sicherer Kraft klar gestaltet. P. Muckermann führte aus: Was nützt alles Wissen um di« Zartheit, mit der das Problem der schonenden Liede gelöst werden muß. wenn die Menschen in den Jahren der werdenden Reife nicht die Erkennt nisse gewinnen, nach denen allein sie die Zukunft ansbanen kön nen? Die Menschen in diesen Jahren haben di« große Ausgabe, die E n t w i ck l u » gs ha rm o n i e zu behüten. Wenn man dieses große und schwierige Problem betrachtet, tut man gut, zunächst das Wesen der Entwicklungsharmonie sich selbst klar zu machen und dann die Einflüsse des Wissens und Wollens festzustellen, die bei der Entwicklung dieser Harmonie in Be tracht kommt. Biologisch unterscheiden wir drei Hauptgruppen von Lebensfunktionen. Erstens die Reizbarkeit des lebendigen Protoplasmas: Aus Einwirkung von außen oder von innen her kann die Intensität der Lebensvorgänge ver ändert oder die Lebenslage verschoben iverden. Der Ziveck die ser Funktion ist der Schutz des Organismus. Die Assimi- latian zweitens ist die Eigenschaft des lebendigen Protoplasmas, andere Stoffe, die tot, aber im übrigen geeignet sind, in das eigene Selbst umzuwandeln. Dies ist eine spezifisch vitale Funk tion. Wir sind zwar in der wissenschaftlick>en Synthese sehr weit gekommen, aber von der Herstellung des lebendigen Proto plasmas sind wir soweit entfernt als je. — Begleitet ist die Assimilation von dem Vorgang der Dissimilation: für beide gleich wichtig ist der Vorgang der Sekretion. Die Sekretion ist die Absonderung bestimmter Stoffe durch bestimmte Zellen zum Zwecke des Stoffwechsels. Ihr Ziel ist die Restauration -er individuellen Kräfte, die Vermehrung der Organismen. Diese Vermehrung der Organismen ist die dritte Hanpt- funktion des lebendigen Protoplasmas. Was ist die e in i ge nde Te n d e n z all dieser Vorgänge? Professor Driesch (Leipzig) hat diese Tendenz als „autoprospek- tiv" bezeichnet, d. h. hier herrscht eine selbstvoraussckmnenüe Fürsorge, die in der anorganischen Welt nicht zu finden ist. Das Wesen dieser Fürsorge ist es, erst für das Ganze tätig zu sein und dann erst an das Einzelne zu denken. Mit dieser Begriffs bestimmung ist freilich eine Erklärung noch nicht gegeben. Das Wort, das wir als Bezeichnung wählen, ist nur eine Brücke über einen Abgrund, dessen Tiefe wir nicht zu ermessen vermögen. Die ErkennOris des Vererbungsgesetzes ist nur ein leises Lüften des Schlei,..--, der über diesem Abgrund liegt. — Freilich darf uns das Bewußtsein der Beschränkung unserer Erkenntnisse nicht dazu verleiten, von vornherein auf das Forschen zu ver zichten. Man muß seine Schlußfolgerungen und Versuche soweit sortzusühren versuchen, als es nur irgendmöglich ist, um dann bei allem Wissen bekennen zu müssen, daß man im Grunde nichts weiß. Die Entwicklungsharmonie wird beherrscht von zweiSystemen: Von dem Nervensystem und der i n« neren Sekretion. Vielleicht wird es einmal gelingen, beide Systeme auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen und die Funktionen des Nervensystems als eine Art innere Sekretion zu charakterisieren. Versucl-e von Prof. Biedel (Prag) und Hans (Königsberg) bewegen sich in dieser Richtung. Das Nervensystem vermittelt uns die Reize, die von außen aus uns eindringen. Diese Eindrücke iverden auf die Nervenbahn bis zur Zentrale im Hirn geleitet. Mit dieser Ueber- mittlung ist selbstverständlich ein Lust- oder Unlusigefühl ver bunden. Das Lustgefühl, das wlr beim Anblick einer schönen Landschaft oder eines schönen Bildes empfinden, hat selbstver ständlich keinen geschlechtlichen Cl-arakter. Aber es kann sein, daß durch die Eigenart des uns vermittelten Reizes und durch die Tätigkeit der Phantasie andere Zentren des Gehirns in Be wegung geraten. Auf diesem Wege können durch die Tätigkeit der Phantasie neben den Gehirnzentren auch die Zentren des Rückenmarks beeinflußt werden. Dann allerdings kann die Lust sich in geschlechtliche Lust verwandeln. Auch die geschlecht liche Lust an sich ist etwas vom Schöpfer durchaus gewolltes. Wenn diese Lust tn Uebereinstimmung mit der Lebeusordnung sich vollzieht, dann geschieht nur der Will« des Schöpfers. Im Widerspruch zu der Lebensordming über wird diese Lust zur Sünde. Durch Verletzung der vorehelichen gesellschaftlichen Keuschheit oder durch Verletzung der Treue in der El-e, mutz die Durchführung dieser Lust zum Unheil werden. Für Volk, Familie und den Einzelnen muh Schaden entstehen, wenn der geschlechtliche Trieb nicht eingeordnet wird in den Zusam menhang der gesamten Funktion. Di« innere Sekretion wird vollzogen durch eine Reihe von Drüsen, die Wer den ganzen Körper verteilt sind, selbst im Gehirn befindet sich eine solche Drüse. Bekanntlich unterscheiden wir zwei Hauptgruppen von Drüsen: Die einen verfügen Wer einen Aussuhrgang nach autzen oder auf Schleim häute (z. B. die Tränendrüse, die Drüsen des Mundes), die 0 XV/ Lrekopsusr klotorsnvrvrks krvllsl potrckappvl, LlelnrlrsKe 2 p»rn»pr«e»,«e 234 anderen besitzen einen solchen Ansgang nicht. Diesen Drüse«; der zweiten Gruppe ist die innere Sekretion übertragen, sie sind so in di« Blnibahn hineingebettet, datz ihre Stoffe durch die Drüsenwände selbst hindurch in die Blutbahn gelangen. Mit dem Blute iverden diese Stoffe durch den ganzen Organismus verteilt, sie rufen überall weitgehende Wirkungen hervor. Zwar vermehren sie nicht die Energien, aber sie wirken als auslösend« Reize. Sie sind di« Träger des chemischen Nervensystems, ihre Aufgabe ist die Ha r in o n i s ie r u n g der E n t Wicklungs vorgänge. Durch diese Driisenstoffe, die man auch Einrich- tungsstosfe („Hormone") nennt, ivird die Entwicklung der typisch männlichen oder typisch iveiblichen Gestalt gesichert, daneben aber die normale Ausgestaltung aller Lebensfunktionen. Die typisch männliche oder typisch iv eibliche Gestalt wird durch zweierlei Merkmale bestimmt: Einmal durch die „primären", die mit der Entwicklung der Werdestütte de- Lebens selbst und mit der Nährstätte des Lebens Zusammen hängen, zweitens die sekundären, wie die Entwicklung des Haar wuchses und der Organ« für die Stimmbildung. Freilich kann man sagen, datz daneben alle Organe, ja. datz jede einzelne Zell« cntiveder typisch männlich oder typisch weiblich ist Die Unter scheidung der Geschlechter bezielst sich nicht nur auf bestimmt Organbezirke, sondern auf die ganze Gestaltung, also auch auf dasSeelische. — Von der Einwirkung der inneren Sekretion also ist es abhängig, ob die Erbanlagen ihr Matz an Begabung empfangen, und ob die Energie auslösenden Reize der inneren Sekretion zur Wirkung kommen. Eine Störung der inneren Sekretion ivird also eine H emmnng der Entwicklung in die sen beiden Richtungen bedeuten. Menschen, di« die innere Se kretion verloren haben, verlieren auch die typische männliche oder typisch weibliche Gestalt. Die normale Ausgestaltung aller Lebens« funk tionen ist in dem Matze abhängig von der inneren Se kretion. datz empfindliche Störungen des Wachstums eintreten, wenn die innere Sekretion nicht in normaler Weise verläuft. Es ist von besonderer Bedeutung, dah die wichtigste Drille der inneren Sekretion, die Pubertätsdrüse, an der Werde stätte des Lebens selbst liegt. Wird gerade diese Drüse gestört, dann mutz großes Unheil entstehen. — Der stärkste Beiveis da für ist die stumme Ge w o h n h e i ts s ü n de, deren Folgen und Symptome man nur verstehen kann, wenn man die Be deutung der inneren Sekretion kennt. Für die Zeit vor der werdenden Reife ist auch die Werdestätte des Lebens in den Dienst des einzelnen Individuums und seiner harmonischen Durchbildung gestellt. Gewaltsam kann man dies« Organe in einen Dienst zwingen, der den Jahren nach der iverüenden Reise vorbei-alten ist. Empfindliche Störungen der harmonischen Ent wicklung sind die Folge. Man kann sagen, daß die Menschen, dir von dieser Gewohnheit betroffen sind, nicht mehr jene ver jüngende Kraft in ihrem Organismus haben, die wir ihnen wünschen möchten. Der evangelische Pfarrer Martin in Kas sel hat in der Jugendbewegung vorzügliche Beobachtungen über die Folgen dieser Gewohnheit machen können. Die Knaben, die davon befallen sind, bringen es nicht einmal zu einem starken Trotz, geschweige denn zu richtiger Arbeit. Ihre Stimmung schwankt zwischen Melancholie und ausgelassener Lustigkeit. Die stille, schöne Fröhlichkeit des Kindes ist ihnen verloren gegangen. Sie sind furchtbar unglücklich. Viel Schuld an diesem Unglück trägt die moderne Erziehung und die modernen Verhältnisse. Die Frage nach der Heilung solä>er Störungen führt zur Betrachtung der Einflüsse, die der Mensch auf die Entwicklung in den Jahren der werdenden Reife hat Man kann hierbei von der Unterscheidung ausgehen, die schon Aristo teles macht, daß der Mensch durch Na t u r be gab u n g, Wis- sen und Willen bestimmt ist. Was die Naturbegabung anbetrisst, wird man zweifellos normale Verhältnisse voroussetzen dürfen. So weit sind wir in unserem Volke wohl noch lange nicht, datz mir annehmen mühten, die Unnatur sei bei einem Teil unseres Vol kes schon im Erbgefüge enthalten. Nur in ganz seltenen Fällen wird inan von wirklich erblicher Belastung in geschlechtlicher Be ziehung reden können. Der Nachiveis gelingt meist leicht, datz es sich um individuell erworbene Eigenschaften handelt. Es ist ein Fehler, datz fast alle Aufklärungsschriften allzu viel von krankhafter Veranlagung in diesem Sinne reden. Das Anormale sollte man auch auf dem geschlechtlichen Gebiet dem Arzle über lassen, wie man es aus allen anderen Gebieten tut. Vom deut schen Heim l-alte man solche Aufklärungsschriften fern. — Ein Teil der Naturbegabung wird allerdings neben all dem Krank- l>afren gar zu leicht iiberscl-en: das ist das Schamgefühl. Es ist freilich schiver, auf rein biologischem Gebiet den Nacl^iveis zu erbringen, dah das Schamgefühl ursprünglich („genotyniich") vorhanden ist. Doch wie soll es entstanden sein? Ist cs phäno typisch entstanden, wie könnte es dann genotypisch verankert iverden? Fedensalls ist cs von größter Wichtigkeit, das; das Schamgefühl erhalten bleibe, linier Schamgefühl verstehen mir die natürliche Scheu gegenüber allem, ivas geeignet wäre, den geschlechtlichen Trieb vor der Zeit zu wecken. Mit Prüderie hat das nichts zu tun: das Wesen der Prüderie ist. datz die von ihr befallenen Menschen bei den harmlosesten Dingen Unkensch- heit wittern. Das ist ebenso töricht wie schädlich. Es ist z. B. gegen eine Beschäftigung mit dem Nackten an sich nichts einzu wenden. Nur wenn das Ziel der Beschäftigung die Erregung der geschlechtlichen Lust ist, wird man eine solche (Beschäftigung ver urteilen müssen. Künstler, wie Michelangelo oder Hans Thoma. l-aben sehr oft das Nackte dargestellt, doch ist nichts in ihren Werken, was in dieser Beziehung ungehörig wäre Es kommt aus die A rt an. wie 'das Nackte dargeboten ivird. Wer wirk lich ästhetische Lebensart will, soll diese von Herzen wollen: die Erhaltung des Schamgefühls ist wesentlich für die Entwicklung zur Harmonie. Eine Beeinflussung durch das Wissen dars i» de» Jahren der werdenden Reife nur soweit vorgenommen werden, als die Entwicklung des Kindes dadurch nicht gestört ivird. Unter nor malen Verk-ältnissen wäre nichts besser als das Nichtwissen. Leider sind unsere Verhältnisse heute in keiner Weise normal. Die Gefahren sind heute unbeschreiblich groß: Zuerst die stumme Gowohnheilssünde. dann die Geschlechtskrankheiten, endlich die Untergrabung der hohen Ausfassung von Ehe und Fam-iie schon beim Kinde. — Die W o r t« d e r Eltern, zumal die der Mut- tcr, vermögen viel zur Verhütung dieser Gefahren ans.zurich'en. Voraussetzung dafür ist freilich, datz das Vertrauensverhälin-s gesichert ist. Jede Frage, die das Kind stellt, mutz init Ernst ausgegrisfen und der Wahrheit gemäß beantwortet iverden. wenn das Kind mit Ernst auf Antwort besteht. Freilich wird eine solche Frage oft gar nicht ausgesprochen, sie liegt dann in der Unruhe und der Bedrücktheit, die das Kind ergreift. Schon dann ivird es geraten sein zu svrechen. In erster Linie kommt für die Beantwortung dieser Fragen die Mutter in Betracht, erst ivenn di« Mutter versagt, soll der Vater oder andere Fa milienmitglieder an ihre Stelle treten. Drei Fragen sind es, die das Kind nacheinander stel len wird. Die erste bezieht sich auf geivisse physiologischst Vorgänge zu Anfang der Jahre der 'versenden Reife Di« Natur kündigt diese Aenderungen früh genug an. Man wirq bei Beginn dieser Entwicklung kurz und bestimmt betonen, datzi es sich um Gesetzmäßigkeiten handelt, die der Gesundheit dienen^ wenn man sie nur -er Naiur Werlätzt. Dem Mädchen kanit man auch ivohl sogen, datz die Natur allmonatlich: die Wiege unter seiirem Herzen erneuert, die tn späteren Jahren einmal!