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Sächsische Volkszeitung : 22.01.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192501226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250122
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-01
- Tag 1925-01-22
-
Monat
1925-01
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 22.01.1925
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I7nterlialtun6 WiLSr» UMMMMMMUMMiMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMWüMl Zeppelin und Sevilla Sin Brief ans Spanien Po» unserem Sonderberichterstatter ' ^ (Nachdruck verboten.) Seit vckener den neueste» Zeppelin so sicher über den Atlan- tncheli Ozean nach Nordamerika steuerte, sprechen amerikanische Zeitungen auch von einem regelmäßigen Flugdienst, der durch Zeppelinluitschisse zwischen Spanien und Südamerika unterhalten ,verden solle. Statt wie bisher mit 10—l4 Tagen Neberfahst würde man dann mit 4 Tagen Ileberslug hin und mit virrejlnbalb Tagen zurück rechne» können. Ter Flugdienst ersparte soviel Zeit >m Post und Personenverkehr, daß Spanien das allergrößte In teresse habe, den Flugdienst recht bald eiuzurichten. Es könne nicht wünschen, daß ihm rFankreich auch hier beträchtlich zuvorkomm«. Ten sich erneuernden Eifer Spaniens, mit den spanisch'ame- rilanischen Ländern, seinen ehemaligen Kolonien, in inniger tvirt- schastlicher und kultureller Arbeitsgemeinschaft zn leben, will Franlrcich schon seit langem vereiteln. Mit der ihm eigene» svip- smdigen Mschichtsverdreherei möchte es durch bas blendende und leere Schlagwort vom „Lateinischen Amerika" und mit der bjSher großen Macht des sranzöstichen Buches aus dem Wege des geistige» VertehrS auch den wirtschastlichen Verkehr Südamerikas pflegen und so viel wie möglich beherrschen. Wenn es damit weiter Er folg hat, so bereichert es sich nicht nur um eine neue Krastguelie sondern cs schlägt dann auch Spanien so empfindlich, daß der süd liche Nachbar, der in letzter Zeit schriftstellerisch und bnchhandlrrisch kampsfähiger wird, ans viele Jahre hinaus ungefährlich bleibt Man siebt, welch eine politische und wirtschaftliche Nolle die Einrichtung einer regelmäßigen Flugpost zwischen Spanien und Südamerika spielt. Hier Spanien zur Seite stehen, >st auch von deutschen, Interesse. Tie Städte, die als Landungshäfcn in Frage kommen, sind Buenos Aires und Sevilla. Keine Stadt wäre sür Spanien auch besser dazu geeignet als Sevilla. Nicht nur, weil cs, von hohen Bergen geschützt, inmitten einer weiten Ebene liegt, t»o die Seoil- laner „Erde der heiligsten Jungsran" nennen; anch nicht nur, wci, der Fluß Gnadalguivir diese Ebene kennzeichnet durch seine brerlen User, in denen das Meer durch Ebbe und Flut fällt und steigt, ,o daß Schisse bis zu 7 Metern Tiefgang vor der Stadt ankern können. Sevilla bietet nicht nur den besten und leichteste» Lan dungsort sür die Zeppelinriesc», sondern es scheint anch sonst, was nicht >o »»wichiig ist, „vorherbestimmt" für einen Lnstschiffhafen. Sie ist nämlich die spanische Stadt des Verkehrs cm tiefsten und weitesten Sinne. Seit Anbeginn ist der Wechsel, der Austausch >bre Seele. Man bedenke, was in dieser Hinsicht Vergangenheit ist. Tie Iberer gründeten die Stadt, Julius Caesar herricht- gr ähr. ES folgten die silingischen Vandalen, die Westgoten, die Mau ren und schließlich die KasiÜier, jene Abenteurer- und Soldaten-, rasse, die unter Kolumbus Amerika entdeckte und unter dem S-vil- lancr Cortes Mexiko eroberte. Sevilla war die Stadt, wo sieh KolmiibuS nach seiner ersten Fahrt wieder einschisste und seinen riiunphierendeii Einzug hielt. In der Kathedrale von Sevilla, wo die reinen Säulenhallen so stark wie nirgendwo die Unendlich keit ivachrnsen, landeten anch seine irdischen Reste »ach Irrwegen, die die Schinerzensivege der spanischen Nation sind. Sevilla hatte dann das Monopol des überseeischen Handels nnd wurde Sitz der höchste» Behörde» sür die damals Indien genannten neuen Länder Es war der fabelhafte .Hase», der Spanien bis zum Verderben intt (hold speiste. Bon hier aus begann MagelhancS seine Welt umsegelung. Als die französischen Bnrbonen den Thron bestiegen, wurde der höchste Rat beider Indien zwar nach Nadir verlegt, Sevilla ging zurück, doch es kanalisierte seinen schönen Fluß, sS sicherte dadurch den Schiffsverkehr, und eS blühte wieder von Nein»,. Jetzt ist es durch Handel, Industrie und Kongresse eine höchst regsamo Stadt. Berühmt ist ihre Töpfer- und Masoliia-- Jndnstrie. Durch die groß angelegte manisch-amerikanische Ans- siellnng, die. wahrscheinlich im Jahre 1927 stattfjndct und woran seit Jahren gebaut wird, wird Sevilla zeigen, daß es auch in moderner Z.it noch Bö. e: anzu,ziehen ver'i.az. Das war i nmrr ilr Reiz Eine eigentlich soldatische hetdenhaste Geschichte hat es nicht gehabt. Ihre Bewohner zogen der Tapferkeit „bis in den Tod" jene Gclenligkeit der Wetterfahne vor, die ans ihrem berühmten Giraldntnrnie thront als die christliche Spitze eines mnhanieda- nlsche» MinaretS. Es ist der anmutigste aller Türme und mit Recht das Wahrzeichen der Stadt. Tie Eigenschaft der Wettcrsaline, — im feinsten Sinne weiblich, eS ist wahr — sich der Panel oder der Macht oder der Unternehmung zuznwcnbcn, der >hr zum Leben das beste Gleichgewicht gewährte, hat der Stadt -'inen ge heimnisvollen Vcrsührnngszauber verliehen. Ans ihren nianrisch ornamental gewundenen Straßen, mit den vielen Klöstern und Psarrtirchen, von denen die traulichsten und gelicbieste» alle etwas maurisches an sich haben, spricht er am ehesten. Ja spricht! Jedes der ganz hell grün, rosa, bläulich oder weiß angestrichenen Backsteinhäuser will sich ganz wie die Bewohner „anpassen", »cimlich dem Licht mit seinen tausend Far- benstimmungen. Im Innern haben sie fast alle sänlengetr.igene Hose gemäß maurischer Art, sich mit dem Innern als dem wichtig sten z» beschästigen. Diese Höfe schmücken Palmen und Blumen Güter von der erlesensten Schönheit trennen sie vom Eingang. Tee Straßengänger kann in diese köstlichen Höfe hineinguckcn, und sei» Gang durch die Stadt wird zn einem Panorama von feinsten lleberrasch,ingen. In den Gärten der Plätze ruht er sich aus, dort entzücken ihn die Blumen, worin die Fröhlichkeit Farbe erhält und durch die Schwärme weißer Tauben, worin die Anmut traulich sogar mit dem fremdesten Menschen verkehrt, sich locken und ermuntern läßt. Alls Gärten find aufs Innere konzentriert, d. h. kn Vier ecke, Rechtecke und Kreise ansgetcilt, und zwar mal höher mal tiefer gelegen mit Hilfe der buntfarbigen Majolikasteiue, Aznlechvs ge nannt, die zu den heitersten Bänken, Brunnen und Zierstücken dienen. Die seltsamsten Pflanzen und Blumen verkörpern hier die faunische Phantasie vieler Erdteile, lind so erhalte» nur auch in diesen Zaubergärten unter dein weichsten und mildeste» Himmel den befreienden Eindruck von einem Wechsel und einen- Verkehr wahrhaft rnndwclilicher Art. Kein Wunder, daß hier die Maler Murillo und Beslnsgncz geboren wurde». In den Bewohnern von Sevilla, deren Phantasie sich den Rausch und die Größe von Sprüche Von heiligen Männern und non weisen Lieh ich mich recht gern unterweisen; Aster es mühte kurz gescheh'n. Langes Reden will mir nicht ansteh',i. Wonach soll man am Ende trachten? Die Welt zu kennen und sie nicht verachten. Das Tüchtige, und wenn auch falsch. Wirkt Tag sür Tag. von Haus zu Haus. Das Tüchtige, wenn's wahrhaft ist, Wirkt Uber alle Zeiten hinaus. Man könnte erzoaene Kinder gebären Wenn nur die Eltern erzogen wären. * Sollen dich die Dohlen nicht umschrei'n Muht nicht Knopf auf dem Kirchturm sein. * Was mich tröstet in solcher Not: Gescheite Leute, sie finden ihr Brot, Tüchtige Männer erhalten das Land, Hübsche Mädchen verschlingen das Band, Wird dergleichen noch ferner gesch h n So kann die Welt nicht unterstehn. I. W. Goethe. .Heeresflngcln schon deshalb lieber i» Windmühtenslügeln vor stellt, weil cü witziger und heiterer ist, fand Cervantes de» Anreiz zu seinem Don Quichote. Ter Rhhchinns seiner Sprache paß, ganz zum Rhythmus dieser Stadt. Aber von dem Stierzirkns in Sevilla starb auch Carmen, und Ton Juans Frauen uckend« Seele machte die Straßen Sevillas unsicher, bis daß sie hier in einem Kloster Stetigkeit fand. Unzählige Bühnen- und andere Schrist-- stetler erzeugte diese Stadt, so reichlich wie Btnme». Eie ist billig, denn sür 5 Mark hat man volle Pentton, e ne fürstliche, wenn man an dentiche Berhättniste dentt. Mit mehr Freude als in Nizza kann i»an in Sevst n anch im W nler leben, wo die Rose des Nachts erschauert, um sich tagsüber wieder zn er hole». Sie bietet so viele Fas-I- . . i. Am Treitönigstngc schreibe ich dies. Am Abend vorher hielten die drei heiligen Könige Ea'par, Melchior und Balthasar ihren Einzug, um über Sein ia »ach Bethlehem zn reuen, »ich dem sie — ähnlich bei uns der YeUige NÜo'.ans — die armen Kinder der heitersten Stadt mit Gescheuten nnd guten Worten beglückt hatten. Kamen mit allem maurische» Pomp, mit Scbatz- trnppen, .Hofherren nnd Edelknabe», alte herrlich beritten. Sech st der Stern des Orients, jener Wniiderstern, dec sie führte, wac n»t ihnen. Es-'l trugen ihre Gescheine und Ochsonkarcen ihre Kostbarkeiten. Jeder König hatte auch seine Musik In oer Farojg. kcit der Kostüme, der Papierlaternen, ver Gelichter, wand'üe eine Vision aus de» Märchen von tausend und einer Nächst Tie ganze Stadt war dabei nnd halte geduldige B.i'.e, leuchtend: Äugen und scöhticha Zungen. Tie zauberische Ferne und ihre Wunder erlebten die Kinder hier ans den Straßen und verkehrten mit ihr. Keine Stadt des Auslandes wird die Zeppelinsckist'e je pintt tisch versieben und ihre Ankunft zugleich so poetisch ,» sei n Wilsen wie Sevilla. Das verschwundene Gold Wie groß ist der Goldschatz der Erde? Auf diese Frage ver sucht ein englischer Finanzmann im „Taily Mirror" eine Antwort zn geben. Ter Plan der englischen Finanzvcrwaltnng. Gold,nän;e!! zn prägen nnd sie wieder in Verkehr zn bringen, vert-'iht de», Problem >n England eine gewisse Aklnalität. Ter statistische Ausweis der Banken der Vereinigten Staaten ,nid des Wasbingtvner Finanzministeriums viel.'! nach der Ansicht des englisch:» Plaites di: sicherste Grundlage zur richtigen B-aiitwortnng dieser Frage. Nacn den am' üauii'che. Quelle» sott der Wert des internationalen Goldmünzen,'hatte ge geniväktig eine Milliarde und 812 Millionen Pfund Sterling tt- tragen. Dieser Müiiardenbetrag, so ungeheuer er auf den erste» Augenblick erscheinen mag, ist verhältnismäßig niedrig zu nennen Ans den zeitgenössischen Auszeichnungen gebt hervor, das: zur Jest der Entdeckung Amerikas, also am Ende des 15». Jahrhunde't-> die Alte „nd die Nene Weil Gold in: Werte von drei Milliarden tttzä Millionen englischer Pfund besaß. Dieser Bestn,stand ist »»- gesahr bis z»m Jahre ttll! nnveränderr geblieben. Zwischen dem Goldschatz des letzte» Friedeiisjahres und dein gegenwärtigen Miinzenbesland besteht der enorme Unterschied van amiährend zwei Milliarden Pfund. Es taucvt daher die Frage auf, wo sich das große Quantum nngeiiinnzlen Goldes be smdet. Ein Teil, »„nährend die Halste dieses Goldschatzes, dürsi: >n Juwelen nnd Schmnckgegenstände verwandelt morden 'ein. Dis anders Halste liege, nach der Ansicht des eng che» Fach n.annes, in der Form voll Goldbarren oder alten Goldmünzen in den Safes der Geldinstitute und in Aerthei,„lassen oer Pr-ivai- btt her. Tee betannte amensanüche Finanzinanil Mae C o n, der. Tirekior der Staatsbank in Waihington, meint, daß Goldschiine im Werte von 45» Millionen englischer Pfund sich in Händen reicher Privatleute in der Union befinden, die es verziehe,», d>e Barren und Münzen in ihren Wohiinn.,en Niifziibewahren. da sie e>» gewisses Mißtrauen den Geldinstitute,i enttegenbriiige». a lest Millionen Pfund in Gold und in den Städte» der Vereinigte» Staaten zn suchen, während die bäuerliche Bevölkerung der Dürste etwa 25, Millionen Psiind Sterling, meist alte Münzen, ver steckt halte. Die aiiierikgnische Union ist jedoch keineswegs jenes Land der Erde, dessen Bewohner über das meiste Gott verfügen. T>e Begierde, Gold zu besitzen, und die Gewohnheit, es trotz des große.» Im-Verlustes in Verstecken anszubeivahren, ist in Alien heimstck:-» c.!s >n Amerika. In Indien gibt es vielleicht keine einzig wonlhabcnde Familie, die nicht über eine beträchtliche An. ist vr:i Goldbarren verfügen würde. Ter Goldschatz wird oan einer Generation auf di: andere vererbt, »nd es kcmiiit oft vor, das: wohlhabend« Leute, die über t«in Barvermögen, nur über „„ge münztes Gold verfügen, es verziehen, allere: Entbehrungen »ns sich zn nemiicii, als sich von dem Goldschatz ihr»' Ahnen zn lrennen. Etter der indischen Rajahs tief; die geerbtni Ettdbarrcii zu eine!,: Tisch und zn vier Stühlen ans massivem G»!o verarbeiten. Nicki der Angabe voll Augenzeugen dürste der Wert dieser goldenen Möbelstücke über eine Million Pfnnd Sterling erreichen. - Cs ist bekannt, daß die meisten Götzenbilder in den großen '„di'chen Pagoden aus seinem Gold verfertigt ind; in Kal'ut'ta g.bt es alle'» zwei Pagoden, deren herrliche Kuppeln ans Gold gebaut >ind. Ter Wert deS in indi'chen Pagoden nnd Mönchsklöstern verbor genen Goldes ist unermeßlich hoch. Ta weder Europäer noch Ame rikaner diese Stätte zn betreten vermochten, ist es ganz nnbekann' welch phniitasti'ches Onanttnn Gold Indien biegt. Nach Indien durste China als das goldreichste Land der Erde gelte». Ter Wert der Gttdbarre», die die chinesische Poltte' l-1 Besitze, von Schmugglern i» den vergangenen zehn Jahren bei vlagnahmt hat, wird allein aus vier Millionen Pfund Sierttng aelchätzt. U, ber die Goldschätze der Bevölternng im Transvaal seilen noch zuverlässige Tate». Tie Gewohnheit, Goldmünzen zn verbergen, riß in England während der Kriegsjabre ein. Nach der Schätzung eines Fach mannes erreicht der Wert der verborgenen Goldmünze» in England etwa drei Millionen Psiind. kin blüMlibliMtt Tickiml Von Hans Francli. Zn den Zeiten, da man in Deutschland bei der Auswahl der Diplomaten nach der Größe der Fähigkeiten und nicht nach dem Adelsaltcr ihres Namens fragte — also nicht etwa zu den Zeiten unserer Väter und unserer Großväter, noch etwa gar i» den erste» Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts, sondern: unter der Negierung des Großen Kurfürsten wurde ein Man» zum Gesandten des Brandenbnrgischen Hofes ernannt, der Besser hieß. Einfach Besser! Johann Besser! Nichts davor nnd nichts dazwisch»n! Dieser Besser war der Sohn eines Predigers und obendrein — für einen Diplomaten schrecklich zu sagen! — auch noch Poet. Daß er es als Poet nur bis zu der Kleinen Unsterblichkeit gebracht hat, welche die Mitwelt ver schwenderisch an ihre Günstlinge verleiht und der Großen Un sterblichkeit nicht teilhastig wurde, über welche nur der unbe stechlichen Nachwelt das Schenkungsrecht zusteht, will gegen sei nen Dichterruhm nichts besagen. Denn bekanntlich gelten jeder zeit als die größten Dichter fast immer solche Männer, welche alles andere, nur eben keine Dichter sind. Denen aber, welche in Wahrheit die größten Dichter einer Zeit sind, billigt diese ge meinhin alle möglichen Kräfte zu, nur eben nicht die eines Dich ters. Daß der Große Kurfürst mit der Wahl des Predigersohnes und Poeten Johann Besser anfangs zum holländischen und später zum englischen Gesandten keinen Fehlgriff getan hatte, hat dieser ihm durch manches diplomatische Bravourstückchen erwiesen. Dasjenige, welches seinen Diplomatenrnhm in höchstem Glanz erstrahlen ließ, war das folgende: Im Jahre 1684 galt es, dem König Jakob II zu seiner Thronbesteigung die Glückwünsche des Brandenbnrgischen Kur fürsten z» Überbringern Mit dieser überaus wichtigen diploma tischen Mission wurde Johann Besser betraut. Ter Große Kur fürst bestimmte, daß sein Gesandter durchzusehe» habe, inner halb der Gruppe von Gratulanten, der er nach dem Range seines Heimatfürstenhofes angehörte, als erste r, also vor dem Venetia- nischen Residenten, dem Monarchen seine ehrfurchtsvollste Gra tulation zu Füßen legen zn dürfen. Denn obwohl selbst der Große Kurfürst nicht so vermessen war, anzustreben, daß sein Gesandter in eine höhere Gratulantengruppe ausrückte — die unauslöschliche Schmach, daß innerhalb der ihm zustehenden Gruppe der Beauftragte eines Kurfürstentums hinter dem Be auftragten einer Republik rangiere, konnte und wollte er seinem ßtaat nicht antun. Johann Besser reiste also mit dem unerschüt terlichen Entschluß, diesen huldvollen Auftrag seines Herrn, koste er, was cs wolle, der erteilten Anweisung gemäß auszuführen, vom Haag nach London. Dort erwies sich ihm bald, daß er die Schwere seiner Aus gabe keineswegs unterschätzt hatte. Ter Benctianische Gesandte, Namens Vignola, ein in seinem Fach vielersahrcner aller Mann, machte dem jungen Johann Besser gegenüber hundert und noch einige Gründe geltend, die sein Recht, vor dem Brandenbnr- gischen Gesandten seine Glückwünsche anznbringen, sonnenklar erwiesen. Obwohl Johann Besser in der Beibringung ebenso zahlreicher, noch sonnenklarerer Gründe sür das Gegenteil kei neswegs müßig war, blieb schließlich nichts anderes übrig, als die Entscheidung des Tiplomaten-Ehrenrales anzurusen. Dieser, dem nur Gesandte der damaligen Großstaaten, also nur zweifel los unparteiische Männer angehörte», fällte »ach sorgfältiger Erwägung aller Gründe und Gegengründe das salomonische Ur teil: Es sollte derjenige von beiden zuerst in den königlichen Thronsaal eintreten, der an dem ihrer ' Gesandtcngruppe zur Gratulation bestimmten Tage zuerst in dein Königlichen Dor- saal des Königlichen Thronsaales einträfe. Vignola und Besser mußten sich vor dem versammelten Ehrenrat feierlich die Hände darauf geben, sich an den Beschluß wie an ein freiwilliges Ehrenwort gebunden zu erachten. Als spät in der Nacht, welche dem sür Brandenburgs Schick sal bedeutsamen Gratulationstage vorausging, alles am Hose ausbrach und, sich schlafen zu legen, nach Hause ging, ließ Besser sich von dem schlüsselgewaltigen Kammerdiener — gegen ein gutes Douceur — in dem königlichen Borsaal einschlicßen und brachte den Rest der Nacht darin zu. In aller Herrgottsfrühe kam am anderen Morgen Vignola bei Hofe angefahrm. Trium phierend stellte er durch höchsteigenhändiges Rütteln an der Tür des königlichen Vorsaales fest, daß diese noch verschlossen war. Tirfbefriedigt, dem anmaßenden Brandenbnrgischen Gesandten den Rang abgelaufen zu haben, wartete er vor der Schicksalstür, bis sein Bediensteter den königlichen Schlüsselkammerdiener ge weckt hatte, damit dieser ihm ausschlvsse. Wenn Vignola auch nicht wenig erstaunt und verärgert war, als ihm bei seinem Eintreten in den königlichen Vorsaal Johann Besser mit einem höhnisch-heitere» Jch-bin-schon-da!-Gutcnmorgengr»ß empfing, so gab er dennoch sein Spiel nicht verloren. Selbstverständlich er achtete er sich — da bekanntlich noch niemals ein Diplomat sein Wort gebrochen hat — an die getroffenen Abmachungen gebun den. Aber da ec — was nicht weniger bekannt sein dürfte — noch keine ehrenwörtliche Abmachung aus Erden gegeben hat, an der ein Diplomat nicht deuteln könnte — so stellte Vignola bei sich fest, daß er nur verpflichtet sei. Bester vor sich eintreten. nicht aber, ihn vor sich verbleiben und auch nicht, ihn mit dem ersten Wort beginnen zu lassen. Darauf baute der schlaue Ita liener den Plan, der ihn trotz allein zur Erreichung seines hohen Zieles führen sollte. Als nach Stunden, während der sich der Brandenburgische und der Benctianische Gesandte, von denen keiner sich getraute. sortziigehrn, aufs sreundschasllichste unterhielten, der königliche Zeremonienmeister die Alügcliürcn des königlichen Thronsaales opneie, hielt Vignola sich streng an sei» Ehrenwort. Unter der größte» Spannung des ganzen Hoses, der bis zum König hinaus uv» dem Borgegaiigeukii unierrichtct war, trat als Erster Jo hn» Besser, der Gesandte des Großen Kurfürsten, ein. Aber schon während Besser »och in seiner allcrunierlänigsten Verbeugung erstarb, begann der wenige Schritte hinter ihm eiiigetretene Vignola, Resident der Republik Venedig, der seine Verbeugung ein wenig abgekürzt hatte, zn spreche». Und ailen höfische» Brauch und Wohlanstand außer Acht lassend, um so sein großes Ziel: als erster seiner Gralulaiitciigriippe dem König Janob >1. die Glückwünsche seines Staates zn Überbringern dennoch zu erreichen, suchte er im Sprechen an seinem Rivalen vorbeizuge? lanoc». Besser verlor auch in diesem kritischsten Augenblick seines Lebens die Fassung nicht. Er schnellte keineswegs hoch, sondern vertiefte seine Verbeugung noch um ein Erkleckliches. Aber während er scheinbar nur der Verehrung seines Auftrag gebers vor dem jungen Monarchen durch die nickt zu überbietcnde Krümmung seines Rückens Ausdruck gab. suchten — an seinen Füßen vorbei — seine Augen nach den nahenden Füßen seines Gegners. Und snst in dem Augenblick, als Vignola an dem sich verbeugenden Johann Besser vorbeitrachtete, tat dieser, sich lang sam aufrichtend mit seinem rechten Fuße einen kleinen — ver steht sich, unbeabsichtigten! — Schritt zur Seite. Ter Vcnetianer. der sich schon Sieger glaubte, gewahrte cs nicht, hakte dahinter, stolperte, glitt auf dem glatten Parkett aus und schlug der Länge lang auf den Boden hin. Besser, als ob nichts, das ihn etwas anging, geschehen sei, richtete sich nach der Vorschrift lang sam völlig auf, begann seine Gratulationswünsckc hernisagen und war damit am Ende, ehe Vignola sich von seinem Fall soweit erholt hatte, daß er mit seiner Gratulation von neuem beginnen konnte. Natürlich wurde, sobald der König sich zurückge'ogen hatte, das Mißgeschick des venetianischen Gesandten weidlich be- schmunzelt. Als dann aber der spanische Gesandte ans den wut bebenden Alten zuging und. indem er ihn die Hand mitleidig aus die Schulter legte, doppeldeutig sagte: „Caro Vecchio, havete fatta una grande cacata!" scacata kann „Fall" «nd „Fehler" bedeuten, also: „Da haben Sie einen schlimmen Fall — oder Fehler — getan!") — da war es mit der Heimlichkeit des Lachens vorbei. Astes brach in schallendes Gelächter aus, in das — was blieb anderes übrig? — zuletzt auch Vignola einstimmle. Da somit die diplomatischen Fähigkeiten Johann Bester» ninweiselhalt erwiesen waren, denn was kann es sür einen Diplomaten Größeres geben, als jemandem ein Bein — »s braucht ja nicht immer ein körperliches zu sein! — im geeigneten Moment zu stellen, verlieh der Große Kurfürst seinem englischen Ge sandten. als ihm von diesem Bravourstück berichtet wurde, den erblichen Adel
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