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Nummer 255 — LS. Jahrgang »mal wöchtl. Bezugspreis: f. «ovbr. L R.-M. auSlchl. Bestellgeld. Berechnung de, «ngetge» nach Rent.-Mark. Preise: Di« e'ngespaltenr »etttzeil« »»,' ». Ve«t»«an,.. ----- »» mm dealt. 1 ««such. 2» Die ^d. Offertmi^dghe » s. fta> PeMchiekla fit. Selbst« lamezeil» Selbstabholer »« bei Uebersenbun, d. d, »oft außerdem Porto« Uschlag. Hrch« L » PejchäsUich«, teilt Pstuelnummr, lv Renten-Pfeualg. L»I«t Sstzman». »eeghe», SMllstde Dienstag, 4. November i9A Im Falle höherer Gemalt erlischt !ed« Verpflichrunt auf Lieferung sowie Erfüllung o. Anz.-Aufträaen » Leistung v. Schadenersatz Für undeutlich u v. Fernlp« übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Be« antwortung. Unverlangt etngesanvte u. mit Nückportz nickt versehene Manuskripte werven nicht aufbewahrs Sprechstunde der Redaktton 5 bis 6 Uhr nachm inazi Hauptschriftletter: Dr. Joses Albert. DreSde» volHMung Tage-zeitung für? christliche Politik und Kultu r^^^ »k,»«tiefte»« na»ftsche» «»>k«<»tr> «« UN» kn« NN» m»»ta»> «avmt»»ua»m«r«««i »«»ch. re -^r,tnswich» «N fteenaul V«n- «»e«ft»in»Dr»et>rn I«7V? MWllW M VW» * Ae Veil »er Mli' M M M« 'Nedaktiun v,r Dre-ds" B m - »'irnfn-eil ^oH-zeiiurift ^c'fsü.ra»t»' er"!' t27W Am das „Weihe Kaus" Die amerikanische Priisi-enkenwahl am 4. November Zum englischen Wahlergebnis Man beginnt bereits damit, das englische Wahl ergebnis in deutschen rechtsgerichteten Kreisen für sich auszubeuten. Der scheinbar so gewaltige Sieg der eng lischen Konservativen gibt den Deutschnationalen wieder Hoffnung und Lust zum Leben. Während seither die Ar beiterpartei lLabour Party) mit Unterstützung der Libe ralen am Ruder saß, ist jetzt erneut das englische Geschick in die Hand der Konservativen gegeben, da diese weit über die absolute Mehrheit errungen haben. Wir nennen dieses Wahlergebnis ein scheinbares. In der Tat ist es so. In England wird nämlich heute immer noch gewählt, als ob nur zwei Parteien da wären. Bis vor einigen Jahren war das ja in der Tat der Fall, da bis dahin die Labour Party gar nicht bemerkenswert in die Erscheinung trat. Konservative und Liberale be haupteten das Feld. Seit den letzten Wahlgängen aber waren plötzlich drei große Parteien in England vorhan den. Nach diesem alten Wahlsystem ist es nun möglich, daß eine von diesen drei Parteien, wenn sie nur um ein geringes über den Dritteil der Wählerstimmen in den meisten Wahlbezirken für sich gewinnt, die übrigen Par teien aber sich in den Rest so teilen, daß keine über das Drittel hinwegkommt, die absolute Mehrheit im Parla ment erringen kann. Es gibt in England keine Verhält niswahlen. Derjenige Kandidat ist gewählt, der in einem Wahlkreis die höchste Stimmenziffer erreicht, selbst wenn er nur eine Stimme mehr gegenüber dem nächsten Kan didaten erlangen sollte. Somit gibt es auch keine Stich wahlen. Auch wenn die übrigen zwei Parteien in den einzelnen Wahlbezirken zusammen fast das Doppelte von sener um ein Geringes über den dritten Teil der Stimmen verfügend»« Partei besitzen stm einzelnen aber nicht über die Stimmenzahl sener ersten Partei hinaus- kommen), so gehen diese beiden Parteien doch ohne Sitze ans. Nehmen wir beispielsweise in einem Wahl kreis 96 000 Wähler an. Wenn von diesen 90 000 die Konservativen 30 020 Stimmen. Liberale 30 010 und die Arbeiterpartei 29 970 bekommen, so ist elnztg und allein der Konservative endgültig gewählt. Nur auf Grund dieses Systems war es tatsächlich den Konservativen im letzten Wahlkampf möglich, eine starke Zweidrittelmehr heit aller parlamentarischen Sitze zu erringen. Und zwar mit einer Minderheit von Wählern. Denn die Wählerschaft der Konservativen bedeutete gegenüber der Wählerschaft der beiden übrigen Parteien zusammen- aenommen doch nur eine Minderheit. Man erkennt so fort, welcher Widersinn in diesem System liegt und fin det es unbegreiflich, daß so etwas heute im modernisier ten England noch möglich sein kann. Aber man hat sich eben zu einer Wahlreform noch nicht entschließen kön nen. Sie scheiterte zum Teil an den Intrigen jener, die mit dem alten System die größten Gewinne erhofften und zum Teil an jenen, die in ihrem siegesbewußten U ebermut die Realitäten vergaßen. Nach denk jetzt vorliegenden Gesamtergebnis haben die Konservativen im neuen Unterhaus 408 Sitze, die Arbeiterpartei 152, die Liberalen 40, die Kommunisten 1 und die Unabhängigen 3. Das sind im ganzen 604 Sitze. Die Konservativen haben also mehr als Zweldrittel aller Sitze für sich. Der Vergleich mit den früheren Sitzen und Stimmen gibt einen interessanten Einblick in den Unfug des Systems. Die Liberalen verloren 118 Sitze bei einem Stimmenverlust von rund 1 Million. Die Arbeiterpartei verlor 41 Sitze, trotzdem sie rund 1 Million Stim men gewann. Man kann die Sache auch noch anders darstellen: Für etwa 5N Millionen konservativer Stim men erhält die konservative Partei 408 Mandate, wäh rend die Arbeiterpartei für etwa 5 Millionen Stimmen nur 152 Mandate bekommt. Für rund N Millionen Stimmen bekommen also die Konservativen 256 Man date mehr als die Arbeiterpartei. Man muß die jetzigen Wahlen nun auch psychologisch werten. Das Ergebnis ist zweifellos ein erneutes Be kenntnis zum alten Zwei-Parteten-System. Allerdings werden diese zwei Parteien nicht mehr wie früher von den Konservativen und Liberalen, sondern von den Kon servativen und der Arbeiterpartei gestellt. Die Unsinnig- keit de» jetzigen Wahl systems bleibt natürlich trotz des Bekenntnisses zu dem Zweiparteiensystem be stehen. Die Liberalen haben also in diesem Wahlkampf durch den gewaltigen Stimmenverlust eine derartige Nie derlage erlitten, daß sie kein ausschlaggebender Faktor mehr sind. Es ist also insofern mit der Ausschaltung der Liberalen eine Neuorientierung entstanden. Wenn aber die Arbeiterpartei Infolge des ungerechten Wahlsystems politisch ausgeschaltet bleibt, so bezeugt dock der starke Stimmenzuwachs von rund 1 Million, daß diese Partei nicht im Sterben begriffen ist, sondern im Wachsen. Man wird also auch in Zukunft mit ihr rechnen müssen. , Witzes MtzmW Mer? London, 3. November. Der Washingtoner Korrespondent de« „Observer" meldet: Die Priisidentschastslrampagne ist gestern beendet worden. Am Montag wird ein Ruhetag sein, um den Wählern Gelegenheit zu reiflicher Ueberlegung zu geben. Am Dienstag wird die Wahl stattsinden. Man glaubt, das; di« Deutschamerikaner die Sozialisten und auch eine Anzahl Demokraten für Senator Lasollette stimmen werden, der der Kandidat der sogenannten dritten oder Fortschrittspartei ist, doch gilt die Wahl von Coolidge zum Präsidenten und von General Dawe» zum Vizepräsidenten als sicher. Neuyork, 3. November. Neuyork stand gestern Im Zeichen des Wahlkampfes. Fast alle Häuser hatten geflaggt. An jeder Straßenecke begegnete man Rednern der einen oder anderen Partei. Umzüge, bei denen die Bilder der Kandidaten und bunte Plakate umhergetragen wurde», waren an der Tages ordnung. Der Beschluß des Gewerkschaftsrates, von Lasollette abzurücken trug eine neue Note tn den Wahlkampf, die von den Zeitungen lebhaft besprochen wird. Gestern gab allerdings der Gewerkschaftsführer Gompers öffentlich eine Erklärung ab. die beweist, daß eine Spaltung der Gewerkschaften unvermeid lich, wenn nicht schon vollendet ist. In der Erklärung heißt es. das; der Beschluß des Gewerkschaftsrates gegen den Willen der Leitung von einem durchaus nicht bevollmächtigten Nebenaus- schuß angenommen sei. Die demokratische Presse fährt dessen ungeachtet fort, den Beschluß zu bejubeln. Sie hosst. daß in Neuyork die Stellung der Demokraten so stark gekrästigt lei. um mit erheblichen Gewinnen rechnen zu können. Wenn Coo » lidges Gegner geschlossen zusammenständen, dann wäre er geschlagen und Davis hätte zweihundert Stimmen sicher. Wenn die Oststaaten sich dem Vorgehen anschlössen, würde Davis unzwetselhaft gewählt. Allerdings müßten viele Anhänger Lafol- lettes für Davis stimmen. Die Anhänger Lasollettes sind, trotz der demokratischen Prophezeiungen, nicht mutlos. Sie nehmen an, daß ihr Kandidat mindestens fünf Millionen Wühler auf sich vereinigen wird. Auch die Lobredner Coolldges sind steges sicher und rechnen mit glatter Wiederwahl. Im Augenblick machen alle Parteien die letzten Anstrengungen, um aus der Volksstimmung Kapital zu schlagen. Lasollette sprach gestern zum letzten Male vor der Wahl. Coolidge und Davis hielten ihre Schlußreden durch Radio. BärNn. 3. November. Senator Lafolette hat von Cleveland aus, von wo er seine Wahlkampagne leitet, eine Botschaft erlassen, worin er die Republikaner anklagt, Pro pagandagelder von den geheimen Alkoholverkäufer n er halten zu haben. Morsen «lrlll MtzMs London, S. November. Das endgültige Wahlresnltat. soweit es bisher bekannt ist, lautet: 408 Konservative. 1VL Sozla- listen, 4Ü Liberale, 1 Kommunist, 8 Unabhängige. Es könnte verwunderlich erscheinen, daß bisher eine höhere Anzahl von Konservativen angegeben wurde. Dies erklärt sich daraus, daß elf Abgeordnete ihre Parteistellung offiziell nicht bekanntgaben. Von diesen gehörten acht dein letzten Unterhause der Konservativen und drei der Liberalen Partei an. so das; sich also die Ziffern in dieser Weise werden richtigstellen lassen. Die Meldung, Macdonald sei nicht miedergewählt ivorden, bestätigt sich nicht. Macdonald wird voraussichtlich dem König sofort seine Demission anbieten und im Unterhause die Führung der Opposition übernehmen. London, 3. November. DaS Arbeiterorgan „Daily Heralo" meldet, Maedonald habe beschlossen, den Rücktritt des Ka binetts morgen dem König mitzuteilen. Die Untersuchung der Sinowjewnngelgge»heit werde nicht weitergefiihrt werken, als die? Maedonald und seinen Kollegen in der noch vor ihre!» Rücktritt persügkaren Zeit möglich ist. — Laut „Westminster Gazette" wird erwartet, daß das neue Kabinett am Sonnabend Trotzdem wir nicht allzuviel Ursache haben, für die englische Arbeiterpartei als solche einzutreten, so muß man doch all diese erwähnten Umstände der Reihe nach abwägen, um den „deutschen Enthusiasmus" über das englische Wahlergebnis gerecht beurteilen zu können. Man kann also nicht in dem Sinne von einer konser vativen Reaktion in England reden, wie es augenblick lich in den deutschnationalen Blättern geschieht. Noch viel weniger aber kann man die englischen Verhältnisse aus die deutschen anwenden. Das Ganze ist natürlich wieder eine Irreführung der öffentlichen deutschen Mei nung. Statt solcher Klügeleien sollte man in Deutschland lieber die eine Lehre aus den englischen Wahlen ziehen, daß e» bei uns nicht wieder zu einer so großen Partei- Zersplitterung kommt, wle im vorangegangenen Wahlkamof. In diesem Sinne denkt gerade das eng lische Volk sehr nüchtern. Bekanntlich aber eignet man sich in Deutschland nie oder höchst selten die guten Eigenschaften anderer Völker an. am Guildhallbaiikett teilnehmen werde. — „Dcnly Graph'«" '.„folge wird in gutlinlerrichteten Kreisen angenommen, dag iwrd Ba-wur den Posten des Lordpräsidenten os the Council angedolrn w ^drn wird. Das kommende Kabinell Baldwiu London, 3. November. Bei Zusammentritt des Unter hauses wird Baldwin zweifellos die Bildung der Regierung übernehmen. Es versteht sich von selbst, das; die lwnjervaiwen Blätter keinerlei Mitteilung über die künstige. Zusammensetzung dieses Kabinetts enthalten, die liberalen Blällcr dagegen um so mehr. Die neueste Ministerliste, die heute von ihnen veröiient- licht wird, lautet: Premierminister: Baldwin: Lordprenuer des Geheimen Rates: Lord Curzon: Lordkanzler: Lord Cover Schatzkanzler: Neville Chamberlain oder Sir Hieks: nneres: Ionston Hicks oder Neville Chamberlain: Kolonien: ord Birke nhead: auswärtige Angelegenheiten: Austen Eham derlei»: Krieg: Lord Derby: Indien: Vis count Peel, Luftfahrt: Sir Samuel Hoare: Marine: Lord Amery: Handelsomt: Philipv Lord Grean: Hvglene: Worthing« ton Evans.- Unterricht: Edward Wood: Herzogtum Lancaster: Bridgemcm: Attorney: General Sir Douglas Hood: öffentlich« Arbeiten: Lord Eustache Percy Auch Gemein-eralswahlen in England London, 3. November. Am Sonnabend haben die Ge meindewahlen im Lande stattgesunden. deren Resultate in den Sonntagsblättern veröffentlicht wurden Demnach haben die Konservativen 55 Sitze gewonnen und 4g verloren, die Liberalen 15 gewonnen und 41 verloren, die Arbeiterpartei 52 gewonnen und 27 verloren, die Unabhängigen 14 gewannen, 18 verloren. Danach hat die Arbeiterpartei einen nicht unbedeu tenden Gewinn zu verzeichnen. Dieses Ergebnis und die Stimmenzahlen der Unterhauswahl beweisen, das; die Arbeiter partei keineswegs ungünstig abgeschnitten hat Nur hat di« Stimmenzersplitterung, die 1923 den Konservativen geschadet hatte, diesmal sich gegen die Partei Macdonalds gewandt. M W MW- z» MM? Berlin, 3. November. Sämtliche Londoner Morgrnblätter bestätigen, baß der Außenminister im konservative,, Kabinett Chamberlain sein werbe. Das Portefeuille sei ihm von Baldwin bereits «„geboten, und er habe «» angenommen. Die Grundsätze seiner Politik würben lauten: Engste politische Zusammenarbeit mit den Be reinigten Staaten bei der Lö>u„g aller großen weltpolitischen und welt- wirtschaftlichen Fragen, wle Abrüstung, Schiedsgericht, Reform der Völkerbundes, interalliierte Schulden und endgültig« Lchuida- tion der Neparationsfrage, Frrnhaltung von jeder irritieren!,-» Einmischung. In der Sicherungsfrage würde Ena aiid bereit sein, Frankreich und Belgien gegen einen unberechtigten Angriff zu schützen, doch müßten Deutschland die Grenzen, die es im Versailler Vertrag erhalten Hab«, garantiert werden. Besonders das Rheinland könne über die Wahl Cham- berlains erfreut sein, denn Chamberlain, der in Deutschland slu- diert habe, gehöre zu den wenigen englischen Politiker», die ans Grund einer umfassenden und völkerpmchologischen Bildung wissen, was das Rheinland für die deutsche Kultur und di« die seelische Verfassung des deutschen Volkes bedeute, und daß nichts gefährlicher für den Frieden Europas sei, als eine Loclerniig oder eine Untergrabung der Zugehörigkeit des Rheinlandes zu Deutschland. London, 3. November. Der diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph" schreibt: Eine unionistische Reg:-rang werde eintceten für eine vernünftige Reichsvolitik, in der die An sichten und Interessen der Dominions in Betracht gezogen v>.'» o.-n. Was die unterbrochenen deutsch-englische,, Verhand lungen über einen Handelsvertrag betreffen, so werde dir nächste britische Negierung energisch, sei es gegenüber Deutschland oder sedem anderen Lande, den britisch, Handel und die britische Industrie gegen de» unbilligen Wettbewerb perteidiaen. Sie werde auch sicher im Zusammenhang damit den von M.c- donald versprochenen jedoch niemals ernannten repräsentative,»' Ausschuß beranziehen. Naturgemäß interessiert uns die Stellungnahme des kommenden englischen Kabinetts zu Deutschland. In der außenpolitischen Linie wird sich kaum etwas ändern, denn man muß bedenken, daß das je'hige Anwachsen der Konservativen vorwiegend auf inner politische Gründe zurückzufllhren ist. Außenpolitisch sind auch die Konser vativen an die Ausführung der Dawes-Gesetze gebunden. Es befinden sich ja gerade in dieser Partei bedeutende Kreise der Industriellen und der Finanzwelt. Die liebe« zeichnung der englischen Anleihe für Deutschland seiten» dieser Kreise liegt tn oer Richtung der Erfüllung des Lon>, doner Abkommens. Es ist aber möglich, daß in Zukunssj ein viel engeres Zusammengehen mit Amerika von Eng« land erstrebt wird. So wird die wirtschaftliche Einstett lung bet der neuen Regierung wohl das stärkste Momentj bedeuten gegenüber der seitherigen Regierung Mae« donald, die sich immerhin häufig von reinpolttischen Ge sichtspunkten, vor allem gegenüber Frankreich, leiten ließ. ' I. A.