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Sächsische Volkszeitung : 17.09.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192409172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240917
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240917
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-09
- Tag 1924-09-17
-
Monat
1924-09
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 17.09.1924
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Zeppelin Die Gefchichle -es lenkbaren Vuflfchifss — Zur «merikafahrl -es Z.«. M Wo Iminer ein großes Werk geschaffen wurde, war auch jene Erscheinung tätig, die wir Menschen „Aufall" nennen. Es geschah irgend einmal jenes Zusammentreffen von Ereignissen und Gedanke,», das dem Schöpfer die Grundidee gab. So war es auch bei den, Werk, das einst eines der größten technischen Siege Teutschlnnds werden sollte, bei der Erfindung des lenk» baren Luftschiffs. Ein junger deutscher Offizier, Graf Ferdinand Zeppelin, der am amerikanischen Bürgerkriege im Jahre 1866 teilnimmt, wird, zum Dienst! bei den neueinge- führten Fesselballons kommandiert. Hier, bei seinem ersten Auf enthalt in schwankender Gondel hoch über dem Erdboden, über- kommt ihn blitzartig der Gedanke, daß es möglich sein müs>e, ein brauchbares lenkbares Luftschiff zu konstruieren. Ter junge, deutsche Graf war im Grunde kein Zünftiger, kein Mann ver Maschine» und mathematischer Berechnungen. Sein Name hatte jahrelang nur den Klang, der einen, kühnen Reiterofsizicr und verdienstvollen Patrouillensührer gebührt. In dem jungen Grafen lebte aber der feste unerschütterliche Glaube au den Sieg seiner Idee. Diese Idee gab ihm eine restlos« Unermüdlichkeit und eine unerschütterliche Willenskraft, die auch bei Mißerfolgen und Unglücksfällen nicht erlahmte. Jahrelang hat Graf Zeppelin mit der theoretischen Lösung des Problems gerungen. Mißgunst, Neid, Spott und Feindschaft blichen ihm nicht erspart. Wenige nur waren es, die an ihn glaubten und sein Werk fördern halfen. Endlich am 2. I u n i 1900 konnte er oasersteL-Schifs über oen Boden- see führen. Tie Welt staunte und war voller Bewunoerung, doch die Fachleute blieben kühl. Noch lag das Ziel fern. Neue Jahre des Ringens vergingen, neue Opfer mußten gebracht werden, bis im Jahre 1905 der zweite Zeppelin in die Lüfte stieg. Aber noch waren die Elemente stärker als des Menschen Werk. Der erste Ausstieg des Z. Il war auch sein letzter. Bei Kißlegg im Algäu zur Notlandung gezwungen, wnroe die Frucht jahrelanger Arbeit in einigen Stunden vom Sturme zer stört. Die große Idee schien vernichtet. Doch Graf Zeppelin ver zagte noch nicht. Trotz neuem Hohne, trotz Spott und Nngläubig- keit der Mitwelt ging er nochmal an den Vau eines neuen Luft schiffes. Was schadete es, daß der Graf den Rest seines Vermögens dabei verlor. Die neue Konstruktion wies in glänzenden Dauer fahrten eine wesentliche Vervollkommnung anf. Nun begann da« Reich helfend einzugreifen. Es ließ die sogenannte „Neichs- ballonhalle" erbauen und stellte die Erwerbung zweier L-Schiffe in Anssicht. Noch einmal riß die Katastrophe von Echter dingen im Jahre 1908 oie Entwicklung zurück, doch der Sieg war nicht mehr anfzuhalten. Durch eine Nationalspenoe wurde der Verlust bald wieder eingeholt und wie Phönix aus der Ajche erhob sich der Ersatz Z III bald wieder in die Lüfte. — Tie folgenden Jahre brachten im steigenden Maße Vervollkommnung des Projekts. Zeppelins Name klang bereits über den Welt ball. Friedrichshafen wurde eine Sammelstätte der besten Pio niere auf dem Gebiete des lenkbaren Luftschiffes. Das Werk gedieh weiter. Die Heeres- und Marineleitung stellte „L u ft k r e u z e r " als neueste und modernste Waffe in ihren Dienst. Aber immer noch forderte der Kampf mit der Natnr seine Opfer. 1913 wird das Marinelnftschisf L I am 9. September bei Helgoland von einem Orkan völlig vernichtet. Ter Führer, Kapitänlentnant Hanne und 14 Mann kommen in den Wellen um, der Rest, 7 Mann, wird gerettet. Am 17. Ok tober des gleichen Jahres gerät L II beim Aufstieg in Johannis tha. in Brand nno stürzt ab. Die ganze Besatzung, 28 Köpfe stark, finoet dabei den Tod. Allen Katastrophen zum Trotz aber förderte oie Marine, der die Zeppeline hauptsächlich anver traut waren, die kräftige Weiterentwicklung der neuen Waffe. Neue Marineformationen, die ausschließlich der Spezialwasfe ge widmet waren, wurden gegründet, das Projekt eines Luftschiff« Hafens bei Cuxhaven wurde in Angriff genommen. Tann kam der Krieg. Die deutschen Luftkreuzer flöge« gegen den Feind. Panischer Schrecken enstand in den feindliche« Hauptstädten bei dem Auftreten der in ihrer Wirkung noch unbekannten und darum unheimlichen Waffe. T«r Name „Zep-> pelin" wurde zum Schreckensruf ,n Paris und London. Tocst lag der militärische Wert der Luftschiffe hauptsächlich in de» moralischen Wirkung, und diese nahm während der wei« teren Tauer des Krieges immer mehr ab. Trotzdem die de« kannten Bombardements auf London durch deutsche Lnstkrenzev von anerkanntem örtlichen Erfolg waren, wurde eine eingreikenvS Wirkung nicht erzielt. Der Aktionsradius der Luftkreuzer blieb ebegl immer nur ein beschränkter, auch boten die großen Fahrzeug» zu bequeme Zielflächen. So konnte es nicht ausbleiben, daß bck der wachsenden Erfahrung der Gegner in der Abwehrtechnik schwere Verluste entstanoen. Unser Flugwesen mußte sich im Verlaufe des Krieges mehr auf oie Benutzung der kampffähigerer« und kür den Aufklärungsdienst besser verwendbaren Flugzeug« uinstclle». Immerhin leistete auch das Luftschiff noch hervorra gende Dienste, wobei nur an die Dauerfahrt jenes ZeppelinS erinnert werden soll, der mitten im Kriege von Deutschland nach den afrikanischen Kolonien flog, um unsere« dort kämpfenden Kolonialtrnppen unter Hettow-Vorbeck Waffe« und Munition zu bringen. Ter Wert des deutschen lenkbaren Luftschiffes als Kriegs- Waffe und als modernstes Verkehrmittel fand dann durch unser« einstige» Gegner im Frieoensvertrag von Versa il« les eine bittere Anerkennung. Die Artikel 198—210 dieses Do kumentes bestimmten, daß Teutschland Luftstreitkräste weder zu Lande noch zu Wasser unterhalten dürfe. Und ausdrücklich wurde in diesen Bestimmungen auch der Ban und Beibehaltung von Lenkluftschisfen verboten. Teutschland mußte sich obendrein verpflichten, eine bestimmte Anzahl von Luftschiffen an verschieden« unserer früheren Gegner abzuliefern. Dies ist auch geschehen und Z R III ist oas letzte dieser Luftschiffe, das abgeliefert werde« muß. Kure Zeit noch, und Deutschlands vorläufig letztes Zsv- pelinluftschiff steigt zum letzten Male ans aus der Halle i« Friedrichshafen, um oen Flug über den Ozean nach Neuyort anzutreten. Unendlich lang und mühevoll war der Weg von jenem kleinen Z 1 im Jahre 1900 bis zu dem riesigen 70 000- Raummeter-Schiff L Z 126. Welche Opfer und Katastrophen auf diesem Wege — aber auch welche Erfolge! Es geht ein Trauern durch unser Volk um das große und stolze Werk, das jetzt deutschen Händen für immer zu entgleiten scheint. Und doch dürfen wir die Hoffnung nicht verlieren. Kein Opfer ist umsonst nach den Gesetzen der Menschheitsgeschichte. Untergang uno Ausstieg wechseln ewig. Man spricht von einem Silberstreifen, der den Anbruch eines neuen Morgens am Hori zonte oes europäischen Völterlcbens nach grauenhafter Nacht verkündet. Hoffentlich gelingt es uns, in friedlicher Uebereinknnft. jene drakonischen Bestimmungen zu beseitigen, die uns eines unserer glanzvollsten Werte berauben, oamit bald ein neuer „Zeppelin" als deutsches Eigentum stolz über den Ozean kreuzt. « Inzwischen konnten wir meloen, daß der Abbau der Zep- pelinwe.rft in Friedrichshafen auf das Abreißcn der großen Finglchifshalle beschränkt werden soll. Es darf angenommen werde«, daß die Feindbunbstaaten nicht auf dem Verbot des Baues von Zeppelinschiffen beharren werden. Tic Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit haben gezeigt, daß der Zev- pelin als Kampfmittel von geringer Verwendbarkeit, aber als Verkehrsmittel von höchster Beoentung ist. WI Ms HI. a« tie WMen MM Am 9. September hielt der Heilige Vater, wie wir bereits berichteten, an die katholischen Hochschiller eine Ansprache, die zwar vorwiegend italienische Verhält nisse im Auge hat, aber auch darüber hinaus noch Gel tung besitzt. Wir geben sie deshalb ungekürzt wieder: „Der Heilige Vater beglückwünscht sich mit den katholischen Universitätsstudentcn zu dem in diesen Tagen ausgeübten praktischen Apostolat und erinnert an das ebenso wirk same wie stillschweigende, durch bescheidenes Benehmen allein betätigte Beispiel des heiligen Franziskus und an den Ausspruch des heiligen Cyprian: Non multa loquimur, sed vivi- mus. Und umsomehr freut sich der Papst, als er weih, dah die jungen Studierenden zu Palermo durch ihre Präsidialgruppen die Vorsätze erneuert lzabcn, ihre Mission mit immer größerem Eifer und mit Ausdauer zum eigenen Vorteile und dem der Seelen fortzusetzen. Indem er sich Söhnen gegenüberbefinde, die sowohl vorbereitet sind, das Wort des Vaters zu vernehmen, wolle dieser die Gelegenheit benützen, ihnen einige Gedanken anzuvertrauen. Es vergehe kein Tag, fuhr der Papst fort, ohne dah Wir dem Herrn zu danken haben sür die Tröstungen, welche, wie aus einer großartigen Quelle, aus jenem herrlichen Zusammen spiel von Personen, Einricktungen und Werken, aus der katho lischen Aktion rings um Uns her entspringen. Wenn Wir je doch, geleitet von väterlicher, instinktiver Sorgfalt, aufmerksamer Zusehen, geivahren Wir so manches, was Uns Besorgnis, wenn nicht sogar Schmerz und Kummer verursacht. Es will Uns scheinen, dah Wir da und dort Ideen und Urteile, Stellung nahmen und Haltungen hervortreten sehen, die nicht dazu an getan sind, Uns zu beruhigen. Da sagt zum Beispiel der eine: Der Heilige Vater sollte sich nicht mit Politik befassen, das sollte er uns überlassen. Wir, der Papst, brauchen keine Belehrungen. Wenn die Politik bis zum Altar vordringt, dann haben Reli gion und Kirche und der Papst, der sie vertritt, nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Anweisungen und Richtlinien zu geben, welche katholische Seelen zu verlangen das Recht und zu befolgen die Pflicht haben. So wurde die große Linie der Politik gezeichnet vom göttlichen Lehrmeister als der sprach: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist. Und auch die Apostel berührten die ernstesten politischen Fragen, als sie lehrten: Alle Gewalt' stammt von Gott. Andere beklagen sich wieder, dah der Papst der katholischen Aktion zu wenig Politik ge statte. Liebe Söhne, die Wahrheit ist klar, wenn sie auch nicht immer leicht ist, denn ivahr und klar sind einander nicht gleich und es gibt keine noch so klare Wahrheit, dah sie nicht ver dunkelt werden könnte. Auch Manzoni mit seiner gewohnten Feinheit pflegte zu sagen, daß selbst das geometrische Axiom, dah die Winkel eines Dreiecks gleich zwei Rechten sind, von jemand angezweifelt iverden könnte, wenn sich daraus für das praktische Leben Folgerungen ergäben. Wir sollten es nicht nötig haben, weiter auf diesem Thema zu bestehen, denn Wir haben immer eindeutig gesprochen: Politik um der Politik willen, politischen Kampf, Parteipolitik darf und kann von der katholischen Aktion nicht getrieben werden, weil sie katho lisch ist. Sollen wir also die Politik ganz ausschliehen? Auch nicht! Wir erinnern euch an das, was Wir das erstemal sagten, als Wir mit der katholischen Jugend im Damasushose Uns trafen. Die Politik zu ihrer Zeit, wann es nötig ist, wem sie zu kommt und mit der nötigen, vollständigen, religiösen, kul turellen, wirtschaftlichen und sozialen Vorbereitung, kurz mit der besten Ausrüstung: denn wenn auch die katholische Aktion nicht selbst Politik treibt, so will sie doch die Katholiken lehren, von der Politik den besten Gebrauch zu machen, denn eben dazu sin- alle guten Bürger und die Katholiken ganz besonders gehalten, nachdem ihr katholisches Bekenntnis von ihnen fordert, daß gerade sie die besten Bürger seien. Es ist die Vorbereitung, welche jeder Beruf verlangt: wer gute Politik machen will, kann sich der Pflicht einer entsprechenden Vor bereitung nicht entziehen. Wir erinnern Uns, viele Mitglieder dcsaltendeutschenZentrums gekannt zu haben, welche bei sich zu Haus« ein« theologische Bibliothek besahen, die selbst sür einen Priester, wenn schon nicht ausreichend, doch auch durch aus nicht zu verachten gewesen wäre; eine solche Bibliothek fehlte bei keiner Organisation. Und so sah selbst Bismarck sich von jenen Laien, Katholiken zum Schweigen gebracht, so oft er sich auf das Gebiet religiöser Fragen wagte. Nun machen in unseren Kreisen leider Ideen die Runde, weiche einen ge fährlichen Mangel an Vorbereitung verraten. So sagt man z. B., dah, um zu einem Uebel beizutragen bezw. daran mit- zuwirken, jede Begründung mit dem öffentlichen Wohl genüge. Aber das ist falsch: eine derartige Mitwirkung, welche wohlver standen nur eine materielle sein kann, kann nur gerechtfertigt werden durch die unvermeidliche Notwendigkeit, ein größeres Uebel zu verhindern. Man beruft sich auch auf die Zusammenarbeit der Katholiken mit den Sozialisten in anderen Län dern, aber wenig gewohnt, zu unterscheiden, verwechselt man von einander ganz verschiedene Sachlagen. Abgesehen von der Verschiedenheit der äußeren Umstünde und ihrer historischen, politischen und religiösen Verhältnisse, ist es doch nicht das selbe, ob man sich gegenüber einer bereits zur Macht gelangten Partei befindet, oder ob man dieser Partei den Weg frei macht und ihr die Möglichkeit, zur Macht zu gelangen, verschafft. Es handelt sich hier um etwas wesentlich Verschiedenes. Und es Ist für das Herz des Vaters wahrlich schmerzlich, gute Söhne und gute Katholiken sich trennen und sich gegenseitig bekämpfen zu sehen. Weshalb im Namen der katholischen Interessen ver pflichten oder sich verpflichtet halten, dort mitzumachen, wo man auf dem Boden einer Akonsessionalität steht, welche von selbst dazu führen würde, auch von der katholischen Konfession Um gang zu nehmen? Doch verstehen wir uns recht: es ziemt sich auch nicht für Katholiken, die Gemalt zum System zu erheben, die Be drohung zu verewigen, und die Verwirrung und die Gleich setzung des gemeinsamen Wohles mit dem des einzelnen sort- zusetzen, sowie eine Lage der Dinge wie der Geister zu begün stigen, welche zu schmerzlichen Gegensätzen und he.Ilosen Fol gen für das Gemeinwohl führen muß. Wäre es nicht ersprich- licher, ja notwendiger und pflichtgemäßer für alle Katholiken, zur Grundlage ihres Tuns, auch in der Politik die großen Grundsätze des Glaubens und der Religion zu machen, zu denen sie sich bekennen und denen sie in keiner Lebenslage sich ent ziehen können noch dürfen? Das wollten Wir euch zu verstehen geben, euch, die ihr so ernstlich euch auf das öffentliche Leben vorbereitet. Ihr werdet ein gutes Werk tun, wenn ihr diese väterlichen, ver traulichen Mitteilungen dorthin gelangen laßt, wo sie gut aus genommen werden und einiges Gute wirken können." F. R. von Lama. Quarkettsatz von SchSnberg von Arnold Zweig. Der Komponist Arnold Schönberg hat am 13. Sep tember seinen 5 0. Geburtstag gefeiert. Was man bei »iner Gelegenheit wie dieser über Schönbergs Lebensweg zu sagen hat, das ist bald gesagt. Er wurde als Sohn eines Kaufmannes am 18. September 1874 in Wien geboren. Bald vaterlos, erhob sich fein Leben nie ganz aus einer Dürftig keit, die ihn lange Zeit zum Dasein eines Bohemiens ver urteilt«. Er lernte Geige spielen, bracht« sich selbst manches bei und komponierte bereits im jugendlichen Mter, ohne je regelrechten Unterricht genossen zu haben. Einfluß übte als erster Alexander von Zemlinsky aus, der, fünf Jahr« älter, sich Schönbergs Schaffen annahm. In Berlin, wohin er 1901 zog, wurde Schönberg Operettenkapellmeister. Zwei Jahre später zog er wieder nach Wien, wo er seine Lehrtätigkeit mit großem inneren Erfolg« begann. Nun wuchs sein Ruf als Lehrer. Einen Niederschlag seiner theoretischen Wirksam keit faßte Schönberg 1911 in seiner „Harmonienlehre" zu- sammen. Kurz darauf berief man ihn an die Wiener Aka demie, versagte ihm aber di« Professur. Er zog im Herbst 1911 nach Berlin und hielt Kurse am Sternschen Konser vatorium ab. Das nächste Jahr sieht Schönberg in Amster- dam. dann wieder in Wien. Im Jahre 1913 werden seine Werke in Paris, London und Amsterdam mit großem Er folge gespielt. Der Krieg unterbricht diesen ersten inter nationalen Aufstieg, zu dem das Meiste beigetragen zu haben, das Verdienst des Wiener Verlegers Hertzka und seiner muti gen Universal Edition ist. Schönberg wird zu den Waffen gerufen. 1918 gründet er in Wien den „Verein für musika lische Privataufführungen", der von einer ungeahnten er zieherischen und künstlerischen Wirkung begleitet ist und heute noch existiert. Das Wiener Musik fest 1920 bereitet ihm den ersten gang großen Erfolg in seiner Vaterstadt mit der Auf führung der „Gurrelieder" in der Oper. Ein späterrungener, ivohlverdienter Ruhm ist Schönberg seither beschieden. — Die Wirkung Schönbergscher Musik aus einen Hörer schildert mei sterhaft A. Zweig in feinem „Neuen Geschichtenbuch" jA. Langen, München, 1929) in einer Novelle, deren schönste .Stelle wir abdrucken. „Nach Applaus und Pause begann's von neuem: und die Musik griff nach ihm, griff, ritz ihn hinein in eine strömende Glut, schüttelte ihn. Erst klang's herb, aber gleich merkte er die Herbheit einer neuen Süße, wie das Grau einer bewegten Straße vor dem gesammelten Blick in allen Farben zerfällt: da ist brauner Kot und grüner. Rasenstreif, Häuser weiß und rosa, Mensch«, in Dunkelblau und Trambahnen gelblich. Stimmen sprachen, lockten und verklangen in der Bratsche, auserstanden triumphierend in den Geigen, angedetet vom Cello, Stimmen warm wie Haut, duftend wie Haar, geschieden wie Finger, ge ballt wie Faust, wehend und fallend wie Atem und Puls. Es floß: ja, so sließt's. dachte er ausgerührt, so herb ist's, so ver worren, so neu; er fühlte dumpf das ganze Leben dieses Erd teils unter dem unablässigen Tönen einer kämpfenden Melodie: so zieht'» einen an sich und bettet ihn wie Hören selig aufgeregt geschmiegt ist in di« Vielfalt neuer Harmonie. Da steigen Kampanfles in eine perlmutterne Luft, sie zittern im Spiegelbild von Kanälen und der Lagune: da rauscht die Mitternacht von Glockentürmen und taumelt trunken von allen Sternen durch die Wipfel des halbgeleerten Parks; da brüllen tiefstimmig wie schwere Saiten elektrische Wagen unter dem Asphalt von Stra- hen voll trommelnden Gefährts, und die Geige singt, die Geige — der Geist singt in einsamen Lampen von Petrol und Strom, und das Licht fällt aus Stirnen, die sich furchen, auf mathe matische Zeichen und Zeilen von Zahlen, auf Zeilen von Wor ten gedruckter Bücher, und in den Hirnen bilden sich Sätze, von Logischem trächtig, Erkenntnis, Wahrheit; da schweift das Cello im Schwellen auf und ab wie Bogen von Brüchen über alle Flüsse, Brückenbogen aus Stcchlnetz auf steinernem Fuß, und die Äsenbahn dröhnt von Ufer zu Uferland, voll Guts und Menschen, die in Schiffe steigen — ja. bald hebe auch Ich den Fuß; da meißelt ein Greis am Turm der Arbeit, da Kreisen elektrische Wellen von Türmen als hörbares Wort um den Erdenball, und di« Geige singt, die Geige. Da werfen die Wäl der ihr Laub von sich und stehen nackt wie Gerichtete, und Richter mühn stch überall um neue Gerechtigkeit aus totem Recht, und in den Feldern keimt die Saat. Da sitzen die Klas- senbänk« reihenvoll von Jugend in abertausend Räumen. Da stehn bemalte Menschen Nacht für Nacht vor satten Menschen, das Wort toter Dichter pocht von Herz zu Herz. Und das Volk rührt verschlafen Fittiche, die noch rascheln, die noch nicht rau schen; über wilde Krankheit gebückt forscht zäh der Arzt, sie auszurotten: Reagenzglas, Messer, dunkel strahlende» Erz, — ah, die Geige singt, die Geige! Von Kanzeln her in halblecre Kirchen sprechen sie Halbleere Worte vom alten Gott, aber die Jungen suchen den neuen Gott und das neue Jauchzen. Ueberall sind sie ein wenig Affen und halb voll Scham und etwas müde und schnell im Ekel. Aus lebenden Fichten mahlen sie grünes Papier, Myriaden Seiten voll toter Worte schleudern sie in den Tag, schnell zu wirken und schnellstens vergessen. Mit allem zu handeln sind sie bereit, Geld zu ziehn, aus Geld brüsten sie sich. Metallne Insekten werfen sie in die Luft, draus zu schweben, in Schiffe von Metall strömt Gas und siehe, sie flie gen; ja, di« Geige singt, die Geige. Da fallen sie brennend ans dem Raum, da zerschellen sie knirschend auf Grab, aber andere überfliegen das Meer. Ihre Weisen raten am Sinn des Seins, ihre Mengen hasten am Leben entlang, und die Städte fressen den Acker: die Lust schnellt in ihnen an Mauern und erstickt in Rauch. Es fließt und flieht, das Leben bricht herein über alle Saiten, schlägt daskadisch von Geige zu Geige, dauert ohne Paus«, ohne End«, ohne Schlaf, springt über Abgründe vom Cello zur Bratsche — da singen alle vier Eintracht und Hiise, Zwietracht und Qual, und das Herz entbrennt; auf Oberfläche« geht'» dahin, blind vor Zweck, indes der Stolz der Fronen er« wacht. Jauchzt, Klänge, atmet, ihr Lungen, stöhnt. Rhythmen der Arbeit durchstoßen von der Hast gekaufter Lust — dennoch rührt sich das Echte in hundert Herzen! Ihre Toten scharren sie in den Leib der Erde, verbrennen sie in der Seele der Flammen; sie gießen Kanonen zu Kriegen, aber die Völker lauschen aufeinander friedlich. Aus den Geiveiden der Finster« nis schlagen die Knappen Kohle, die bunten Feuer entwische« lachend den Riesenschloten hingedehnter Hütten. Die Dichte» formen neues Schauen aus der Sehnsucht, und über den große« Städten Kämpfen Maler um die Einfachheit der Dinge. Büche» flattern überall, es gibt nichts Neues mehr. Worte schalle« überall, es gibt kein Schweigen mehr, Jagd rast überall, es gitst kein Langsam mehr. In den großen Städten ist jeder allein aber neue Seelen plagen sich durch sieben Häute und werde« einander finden, und es fließt und tönt. Da werfen sie von sich die U^berhelle, da tauchen sie sich ins Einfach-Dumpfe, d» nehmen sie Räusche von Trank und Spiel und Lüste vom Mod, chen der Gassen. Da sind sie Kluge. Arme und Tiefe. Blödt und Bunte, Einfältige, Dumpfe, da treiben sie hin, da wehen sie her, da stehn sie fest und graben sich ein. Lust und Elen!^ Gier und Pein und die Geige schweigt "
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