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Nummer 300 — 23. Jahrgang «mal wöchtl. Bez»llSpreiS: f. Dezber. 2 R.-M. auSickl. »estellgeld. Berechnuu» de» Aazetaen nach Rent-Mark. Preise: Die einpespaltene Petitzeile 30 f. Familien« « «ereindan,., Gesuch« 22 H. Tie Pettt-Reklamezeil« 69 mm breit. 1 Ofsertengebühr für Selbstabholer LS H. bei Uebersendung d. d. Post außerdem Porto« »uschlag. Prei« s. «. Einzelnummer 10 Uenten-Psenutg. WejchSltltch«, Letlr Lojef Fohmana, L»«»d«n- SüÄslsctie Dienstag, 30. Dezember 1924 Im Malle höherer Gemalt erlischt sede Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung v. An,.-Aufträgen «. Leistung v. Schadenersatz Für undeutlich u. d. Fernipp übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Per« autlvortung. Unverlangt eingesandte u. mit Rückporto nicht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrt, Sprechstunde der Redaktion 6 bi» 6 Uhr nachmt/tags, Hauptschriftletter: Dr. Aofef »lbeit. Lritiddu, 0 o Mzeitun a d», »«»stich,» «,lt«»,tti,», und »o<r «»» M,»Iaa> »aron>a-vu»druik,r«t «mbH. keSden-N. lS. Solvrtnstratze -18, gernrni 3NS2, Poit- s ilbelslonloDresden 147M Kür ckriZtlicke Politik unä Kultur R«dal«i»n der Sä»sifch«u Wan-,«nun- 8. Solbeinslms;kt8. ftermnj L27, und Wr.»8 Dresden - A. >8. Der Befchlutz -er Botschasterkonserenz Der Beschluß der Botschafterl,onfereilz. daß die Räu mung der Kölner Zone nicht am 10. Januar erfolgen wird, war vorauszusehen. Man gewann in den letzten Wochen mehr und mehr den Eindruck, daß England dem französischen Bruder recht hilfebereit die Hand drückte und deshalb den französischen Besatzungsforderungen Nachkommen werde. Man weiß zu genau, daß England und Frankreich auch noch außereuropäische Interessen haben, die gerade in letzter Zeit wieder stärker denn je gegen die nach Selbständigkeit ringenden Kolonialvölker zu verteidigen waren. Für gegenseitige Hilfeleistung in Viesen auswärtigen Kontinenten muß man dann in Europa selbst einigermaßen Zugeständnisse machen. Es ist nun selbstverständlich, daß es in der Beurtei lung des Pariser Beschlusses für die gesamte deutsche Presse nur eine einzige einheitliche Auffassung gebeu kann. Selbst vorausgesetzt, daß einige kleine Funde an Waffen usw. hätten gemacht werden können, so würde das doch mit dein eigentlich zur Debatte stehenden Problem nichts zu tun haben. Es handelt sich letzten Endes darum, daß Deutschland gemäß des Borsailler Ver trages außerstande gesetzt ist. irgendwelche kriegerischen Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Sinne aber spielen etwaige kleine Funde überhaupt keine Rolle, wie ja schließlich auch die ganze Deutschlandfahrt der Kontroll kommission nur die Fahrt einer Komvdiantentruppe war. die nichts weiter zum Zwecke hat. als sich die Zeit zu ver treiben und von dem gequälten Publikum auch noch die reichlichen Spesen zahlen zu lassen. Die spätere Geschichte wird einmal das Urteil über diese Gaukler sprechen und ilmeu den Lorbeer umhängen, den sie „ehrlich ver dienen". Durch den Pariser Beschluß verdichtet sich von neuen, die ganze europäische politische Atmosphäre. Deutschland ist wieder um eine Enttäuschung reicker ge worden. Es empfindet diese Enttäuschung um so härter, als sich einmal in den letzten Monaten eine allgemeine außenpolitische Entspannung eingestellt hatte, zum an deren Mal gegen diese neue Willkür dem deutschen Volke keine genügende, das Recht absolut sichernde Macht zur Verfügung steht. Vichts destoweniger aber ist hier für die deutsche Regierung, die sich bisher in ihrer politischen praktischen Arbeit so hervorragend bewährt hat. auch ein Zeitpunkt gekommen, wo sie den Ehrenstandpunkt des deutschen Volkes in einer ganz gebührenden, wenn auch rein äußerlichen Form zu verteidigen hat. Der Vertrag von Versailles wird jetzt offiziell von neuem ge brocken und das erfordert einen harten Gegenstandpunkt der Reichsregierung. Daß uns hier kein Wortschwall „sogenannter" Deutscher rechtfertigen kann, ist klar, und daß wir mit Säbeln und Sporen keinen Eindruck machen, ist ebenso klar, aber es gibt doch eine ge wiss e A r t, in der selbst ein besiegtes Volk in gewissen Zeiten sich zu benehmen hat. Wir haben das Vertrauen zu der Neichsleitung, daß sie diese Art aufbringen wird. Wie dann praktisch (bekanntlich können wir die Räumung nicht erzwinge n) die Lösung des Problems vor sich gehen soll, ist eine andere Sache. Man glaubt, daß der deutschen Regierung eine wirtschaftspoli tische Waffe in die Hand gegeben sei. und zwar so, daß Deutschland am 10. Januar seine bandelspolitische Frei heit zurllckgewinnt und die französischen Eisen- und Tex- tilkontingente nicht mehr zollfrei nach Deutschland einge führt werden können. Man müßte allerdings bei eine», Abbruch der Wirtschastsverhandlungen alle Umstände in Erö» ierung ziehen, ob ein solches Vorgehen einen Gewinn verspreche oder letzten Endes nur noch einen größerer, Verlust für die deutsche Wirtschaft bedeute. Dieses Problem kann nur von den maßgebenden Sachverstän digen selbst gelöst werden. Und in Wirtschaftsdingen ist es am allerwenigsten mit einer großen Geste getan. Im merhin scheint hier eine Möglichkeit des Druckes für eine schnellere Räumung zu liegen. Des weiteren glaubt man, daß bei engeren Verhandlungen zwischen Deutsch land. England und Frankreich es vielleicht dahingebracht werden könnte, daß die Alliierten wenigstens das Recht Deutschlands auf Räumung offiziell anerkennten, dafür aber dann von deutscher Seite den Alliierten das Zuge ständnis gemacht würde, über den 10. Januar hinaus bis zun. Tage der Nuhrräumuug in Köln zu bleiben unter der Bedingung, daß die Ruhrräumung dann er heblichfrüher erfolge als vorgesehen. Diese Lösung könnte manchen als annehmbar erscheinen, weil Deutsch land dann ja einen Vorteil für das Ruhrgebiet daraus schlüge. Man muß aber bedenken, daß, wenn die Alliier ten das Recht auf Räumung grundsätzlich erst anerkennen sollen, ihnen dann auch der eigentliche Grund für die Weiterbesetzung fehlte. Sie würden sich dadurch bloß stellen und ihr Unrecht noch offenbarer machen. Auf diese offizielle Anerkrimpiig wird man sich deshalb kau», ein- Die Pariser Entscheidung Beschleunigte Verhan-lungsaufnahme zur Bildung einer kragfühigen Regierung M «W des Kanzlers M Win Berlin. L9. Dezember. sDrahtbericht.) Reichskanzler Dr. Marx wird morgen, spätestens übermorgen in Berlin zu rückerwartet. Wie verlautet, werde» ivegen der Dringlichkeit der bevorstehenden außenpolitische» Entscheidungen die durch den Beschluß der Botschasterkouserenz die Räumung Kölns am 10. Januar nicht vorzunehmen, not wendig geworden sind. Die Verhandlungen zur Bildung einer tragfähigen Regierung sollen sofort nach Neujahr ausgenommen werden. Man erwartet, daß auch die Fraktionen frühzeitig genug in Berlin versammelt sein werden. M..MliillU" M Parls. 2S. Dezember. Am Sonnabend hat die Botschaf terkonferenz den einstimmigen Beschluß gefaßt, die Kölner Zone auf Grund der vorläufigen Bericht« der In« terallilerten Milltärkontrollkommission in Berlin am 10. Ja nuar nicht zu räumen. Der deutschen Regierung wird über diesen Entschluß eine vorläufige Note zugehen. Den Text dieser vorläufigen Note wird die Botschasterkonserenz in einer neuen Sitzung festlegen, dl« am kommenden Mittwoch stattsinden soll. Eine endgültige Note an Deutschland wird die Botschasterkonserenz erst absassen, wenn der abschlie ßende Bericht der Interalliierten Militiirkommission in Berlin vorliegen wird. In der vorläufigen Note, die bereits misgeorbeitet ist, heißt es: Die allierten Mächte stellen fest, daß am 10. Januar ION gemäß dem Versailler Vertrag die Kölner Zone von den alliierten Truppen geräumt werden sollte, vorausgesetzt, daß Deutschland alle im Vertrag festgesetzten Verpflichtungen erfüllt hat. Die Botschasterkonserenz ist noch nicht im Besitze eines definitiven und abgeschlossenen Berichtes der Militärkontroll kommission. Dieser wird erst gegen den 20. Januar abgegeben werde». Ohne ihn jedoch erwähnt zu haben, gestatte» die vor läufigen Berichte der Botschafter-Konferenz den einheitlichen Ein druck, daß deutscherseits zahlreiche und sehr ernste Berfeh- lnngen begangen worden sind und noch begangen werden. „Es folgt eine ausführliche Darstellung dieser Verfehlungen, Ins besondere in bezug auf die Abrüstung. Die Schlußfolgerungen sind sehr kurz gehalten: Die Frage der Räumung Kölns kann nur dann in Betracht kommen, wenn Deutschland die Verträge beachtet. Zwischen den Zeilen dieser Note ist heranszulesen, daß die Verlängerung der Besetzung der Kölner Zone ebenso lange dauern soll wie die angebliche Nichteinhaltung der Ver träge. Der Stan-punkt -er englischen Regierung Paris, 29. Dezember. Gewisses Aufsehen erregt hier ein mit Vorbehalt aufzunehmender Havosbertcht, der angeblich den offiziösen Standpunkt englischer Regierungskreise über die Räumung Kölns wiedergeben soll. Es heißt darin: Es ist anzu- nehmen. daß die Ennländer im besten Falle die Uebersnhrung ihrer Truppen aus Köln nach England oder in die zweiie Ae- setzungszone nicht vor dem Monat Juli ins Auge fassen können. Weiter betont der Havasbericht, daß die Note, mit deren Abfassung die Votschafterbanfere»., begonnen Hai, lediglich eine Antwort auf die deutsche Protestnote gegen eine eventuelle Fortsetzung der Kölner Okkunation darstelle. Eine zweite Nale dagegen, die in der Zeit zwischen dem 0. und dem 10. Januar auf Grund des Schlnßberichtes der Kontrollkommission aus gearbeitet werden soll, sei dazu bestimmt, die endgültige» Beschlüsse der Verbündeten über die Räumung Kölns und di« Aufhebung der Militärkontrolle mitzuteilen. Es ist unmöglich, in hiesigen diplomatischen Kreisen eine Bestätigung dieser Havasineldung zu erhalten. Unwahrschein lich ist, daß der Schlußbericht der Kontrollkommission bis zum 10. Januar vorliegen wird. Erst »ach Empfang dieser letzten Berichte wird die endgültige Entscheidung der Botschafterkon ferenz formuliert werden Vorläufig enthalten sich die Blätter jeder Anspielung ans die zweite Note, beschäftige» sich dasür umso ausführlicher mit der Mitteilung, in der Deutschland der gestrige Beschluß der Botschafter-Konferenz bekanntgeaeben worden ist. Berlin, 20. Dezember. Der Rcichswehrnünister Dr. Geßl: r sprach sich gegenüber einem Pressevertreter über die Entwnfmmg und die Räumung der ersten Zone folgendermaßen aus: Man hat ganz allgemein behauptet, es seien große heim liche Wasfenlager anfgesnnden worden. Tie Warheit ist, drß dm Kommission keine» Fund von irgendwelche,: Bedeutung ge macht hat. Dis erste große Sensation war die Nachricht von einem große» Gcschühfmw auf dem TruppeuübuugSplak Köuigs-- h rii ck. Es stellte sich hier heraus, oaß die angeblich verheim- lickten Geschütze 14 alte Zielgeschütze waren, die seit laugen Jahre» als Zielscheiben dienten und die auch die Spuren dieses Ge brauches zeigten. Die nächste große Nachricht war der angebliche Fund von AnSrüstnngsmaterial für orei Divisionen. Den Kern dieser Sac^ b'lbete der Fund vvn 20 alten Sätteln, 40 verrosteten Karabi nern und Gewebren, 15 alte» Maichincngewelirgestellen ohne Gewehre und einigem Zubehör bei einem Dresdner Reiterregi ment. Merkwnroigerweise wurde ein Fund von 277 Seiten gewehren und 01 Läufen in Dessau wenig ansgeschlachtet, oagegen reizte es die Phantasie der französischen Berichterstatter, daß >n einem alten, man oenke zngebanten, Gang der Schießstände in Ankleben ein Fnno gemacht wurde. ES handelt sich aller dings n„r um verrostete Aasserknste» für Maschinengewehre, die nicht einmal mehr das Einschmelzen lohnte,,. Die Weihnachtsüberrasclinng bildest dann ein angeblicher Rstse«,f,,„d von 40000 Stahlstäben für die. Fabrikation von Ge wehren und von Maschinenaewehren. An diesem Fall ist die Reichswehr überhaupt nicht beteiligt. Am 20. Tezbr. hat die Kontrollkommission in den Berlin- Karlsrnber Indnstrstwcrkc» in Wittenau in einem Lagcrschnoven 40-Z5 000 sogenannte „Rohlinge" gesunde». Das sind Stahl- siäbe, ans denen man Geivehrlänfe machen kann. Nun fabriziert dt: Fabrik aber Jagd- und Sportmaffen, irgendein Indizium, daß geplant war, auS diesen Rohlinge» Militärgewehre und nicht Jagd- und Sportwaffen zu machen, liegt nicht vor. Di« Stäbe waren auch nicht etwa versteckt, sondern lagern seit IstlO oder vielleicht noch länger in alte,, Holzverschlägcn, deren Türe» nicht einmal verschließbar waren, und die deshalb mit einem Naaes notdürftig zngeschlagen waren. Rund 10000 von diesen Rohlinge» habe» ein elivaS größere? Format. Um diese Stäbe verwerten zu tonnen, bat die Firma »hon vor längerer Zeit d r Interalliierten Militärlonlrolllommissio» einige Mnsterstn le da von mit Vorschläge!! »brr die Verarbeitung in doppelläufig: Jagdflinten geschickt. Auch dies spricht nicht gerade für die. Heim lichkeit dieses Lagers. Geradezu unerfindlich ist es mir, daß die Meldungen über da? Fortbestehen einer organisierten geheimen Massenfabrikation in Deutschland nickt verstumme» wollen. Die Interalliiert« lassen und h ö ch stens die frühere Räumung des Nuhr- gebletes in Erwägung ziehen. Bevor all diese Dinge in Deutschland praktisch zur Erörterung stehen Kannen, ist aber noch ein anderes not wendig: nüinlich die schleunige Bildung der neuen Regie rung. Alan sollte annehmen, daß die gegenwärtige außen politische Lage die Parteien nun eher zusammenbrächte, aber wir geben uns auch in dieser Beziehung keinen Illu sionen hin. da es bekanntlich in Deutschland Blade ge worden ist, in Zeiten der äußeren Bedrückung auch noch die innere Fehde heraufzubeschwören. Vielleicht koinint einzig und allein eine schnellere Lösung in dein Sinne, daß die alte Koalition die Geschäfte wieder übernimmt und dann auf die Güte der übrigen Parteien bei entschei denden Fragen angewiesen ist. Damit sind wir aber der Not noch lange nicht überhoben, daß in absehbarer Zeit eine neue Regierungskrise da ist. Der gute Wille der bisherigen Oppositionsparteien liegt jedenfalls noch in weiter Ferne, wenn man beispiels weise die gegenwärtigen Kommentare der Rechtspresse zu dem Pariser Beschluß nimmt. Es wird bereits wie- der in den Berliner deutschnationaleil Blättern (das Dresdner Organ können wir ruhig außer acht lassen, da die letzte» Wochenleistungen dieses Blattes in bezug auf Kanzler und Reichsregierung jeden einigermaßen vernünftigen Leser längst als Possenspiele klargeworden sind) voll dem Zusammenbruch der deutschen Verständi gungspolitik geredet. Man war schon ans solche Dinge gefaßt und nimmt das an und für sich auch weiter gar nicht mehr tragisch. Man sollte sich aber über eins im heutigen Moment klar sein: daß eine deutschnatio- nale Lärmpolitik die Dinge nur verschlimmern kann, lind man sollte statt der Opposition endlich auf einer festen gediegenen Basis sich zusammenfinden, um so dem Ausland das Schauspiel des geeinten statt des zer rissenen und verhöhnten Deutschland zu geben. Diese Basis ist auch heute noch, trotz des Zwischenfalles mit der Kölner Zone, nur die Politik der Mitte. Man muß es in aller Oeffentlickkeit sagen, daß. wenn nach dem Rezept der Deutschnatlonalen in der Vergangenheit Politik getrieben worden wäre, heute allerdinas gar kein derartiger außenpolitischer Zustand vorhanden wäre, daß die Alliierten von der Pahn der Versöhnungs politik wieder herabgleiten könnten. Die Zustände wären dann eben so. daß man esgar nicht merkte, wenn ein derartiges Unrecht geschähe, wie es nun mit Köln der Fall ist. Daß aber tatsächlich diese Versöh- »unospolltik in die Wege geleitet wurde, ist das Ver dienst der Reichsregierung, und gerade deshalb springt nun das Kölner Unrecht um so mehr in die Augen und sein« Brnndmarkung kann deshalb heute um so schärfer ge schehen. Blau sollte also recht sauber den Mund hal ten und stattdessen sich die Erkenntnis aneignen, daß ein Deutschland, das sich innerpolitisch in Parteikämpfen aufreibt. auch außenpolitisch schließlich den letzten Ein fluß auf die Neugestaltung unseres Vaterlandes und dt» Befreiung unserer Grenzgebkcte untergräbt. I. A