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Nummer 5 — 24. Jahrgang 6»ml wöchtl. Vkzugc-pre'.s: f. Januar 2R.-M qnsschl. «rstellgeld. lverechiruiig ver «njelgen „ach Si-ut.-Mark. " - ' Famtlien« lamezetla ... Selbstabholer SO H, b»l Urbersendung d. d. Post anberdem Porto« »uschlag. Pni« s. ». Einzelnummer 10 Slenten-Pfennia. »eschäslllcher Teil: Josef Fohmann. Dresden. SiicklWe Donnerstag, 8. Januar 1925 Im ssalle HSHerer Eewalt erlischt lebe Verpflichtung auf Lieserung sowie Erfüllung v. «nz.-Aufttagen u Leistung v. Schadenersatz Für undeutlich u. d. Fernspr. übermittelte Anzeigen übernehmen w'r keine Ver« autwortung. Unverlangt eingesandte u. mit Rückporto nicht versehene Manuskripte werden nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion S bis S Uhr nachmi/tag». Hauptschriftletter: De. F»les«lbert.Dr,«den. VMzeliung ILeikloiilorresdeii l17«7 k'ür ckristlicUe Politik unä Kultur TreSde» RrdaNIon der Sächsische« 'tiolsSzeitnua rden-Sl. ik. Hoiboittilratzetb gernrn- !!27r- m,d NIM Ein Jahr italienischer Innenpolitik Von unserem römischen Korrespondenten Rom, Anfang Ionnar 1025. Alan kann nicht die Jahresbilanz der Innenpolitik ziehen, ohne einen umfassenden, wenn auch synthetischen Blick auf die Hanptereignisse zu wersen, und indem wir die kleineren Vor kommnisse des verflossenen Jahres hier nicht weiter berühren, wollen ivir in grossen Zügen den immer mehr onschmellenden Rythmns des nationalen Lebens zu einem ruhigen und geord neten Fortschritt hin, nndeuten. Ans einer selbst oberflächliche» Prüfung ergibt sich, das; das vergangene Jahr reich an wichtigen politischen'Ereignissen war; wir denken da vor allein an den Beginn einer neuen Legislaturperiode und an die Entscheidung, ihr urplötzlich ein Ende zu bereiten. Die 27. Legislaturperiode ging aus dein Willen und Wunsche der faschistischen Partei hervor, das Parlament wieder in nor male Funktion zu setzen. Nach Wiedereinsetzung und Stärkung der Staatsauoritüt, »ach Wiederherstellung der öffentlichen Ord nung, nachdem weitgehenden und gründlichen Reformen Gesetzes kraft verliehen, und die gerechten Ansprüche der arbeitenden Klassen gebilligt worden waren, war es für die faschistische Re gierung logisch und natürlich, >daran zu denken, sich eine Mehr heit im Parlament zu verschaffe». Am 27. Januar Unterzeich nete der König das Dekret der Auflösung der 26. Legislatur periode und ordnete ganz im faschistischen Sinne gehaltene Neu wahlen für den 6. April an. Ein stammender Protest der Popo- lari war die erste Ansage der Feindseligkeit gegen Regierung »nd Faschismus seitens der katholischen Portei. Znm Beginn der Wahlkampagne hielt Mussolini am 29. Januar im Palazzo Vcnezia eine polemische Rede, die darin gipfelte, das; er kein Wahlbündnis mit de» allen Parteien eingehen, dagegen in die nationale Liste solche Männer ans allen Parteien einschlietzen wolle, die namentlich während der Intervention, während des Krieges und nach demselben, sowie wegen ihrer technischen und ^sonstigen Kenntnisse in den Stand gesetzt seien, der Nation nütz liche Dienste zu leisten. Der Austritt des Abg. Colonna di Eesaro ans den; Ministerium und die damit zusammenhängende Trennung der sozialen Demokratie von der Regierungsmehrheit, die mühevolle Arbeit, die Deputierten Orlando. De Dicola, De Nava zu bewegen, sich als Kandidaten der nationalen Liste zu melden, bilden, nnfstellen zu lassen, bildeten das interessanteste, politische Motiv während der kurzen ober intensive» Periode der Vorbereitung der Wahllisten. Wie es angesichts des von der Regierung ausgeklügelten neuen Wahlsystems and gewisser Drohungen faschistischer Rädels führer nicht anders zu erwarten war, konnte das Ministerium über eine starke Majorität verfüge». Die 356 Kandidoten setzen sich zusammen aus 106 aufs neue bestätigten Abgeordneten, ans 180 Mitgliedern^ des Kriegerverbandcs, aus 116 dekorierten Mili tärpersonen: von seiten des Faschismus sind 250 Deputierte in die Kammer gewählt worden Noch während des Wahlkampfes vollzog sich unter dem Jubel der Bevölkerung die Annexion van Fiume, worauf der König dem Ministerpräsidenten Mussolini die 'höchste italienische Auszeichnung, den Annunziatenorde». verlieh, nicht ohne das; die bctr. Ordensstatnten deswegen extra abge ändert werden muhten. Wie vorauszusehen war. hat unter dein Hochdruck des Faschismus die nationale Liste triumphiert. 65 Prozent Stimmen gingen für die Regierungspartei aus der Urne hervor. Vom Balkon des Palazzo Chigi (Sitz des Ministeriums des Aenheren) verkündete Mussolini der applaudierenden Menge, das; er fest gewillt sei, der Nation fünf Jahre fruchtbringender Arbeit zu verschaffe». „Mögen alle Parteien zugrunde gehen, einschliesslich der nnsrigen, nur dah das Vaterland gerettet werde!" ivaren die Worte des Ministerpräsidenten, und zweifel los hat er sich seinerseits redlich bemüht, normale Verhältnisse im Lande miederherzustellcn. Am 24. Mai. Jahrestag der italienischen Kriegserklärung, wurde die 27. Legislaturperiode mit einer Thronrede erösjn-t. Der neue» Kammer hatte die Regierung eine wichtige Ausgabe zugedacht, nämlich in ihren Arbeiten der Stimme der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen, sie zu vervollständige», zu ver bessern und sich ihr anzuschlichen. Aber die neue Kammer be sann ihr Werk i» einer Atmosphäre übertriebener, gefährlicher Ärvenitberspannung: gleich in den ersten Sitzungen ereigneten sfich infolge Unduldsamkeit jugendlicher Onorevoli aus dem Ja- Wstenlager widerlicl-e Tumultszene», die auf der Straße fort gesetzt wurde». Vergebens bemühte sich Mussolini in der Debatte "iltder die Antwort auf die Thronrede, den Frieden wieder herzu stellen, indem er der Opposition zurief: „Latzt uns dir Asche '4nre» und unsere» Grolls in alle vier Winde zerstreuen!" Der MMWli i»tt MimislrMoil Die heutige Wahl des Reichstagspräsidiums — Für eine Kammer des Handwerks — Die Auswertungs-Frage Berlin, 7. Januar. Die Zentrumssraktion des Reichstages trat am Montag abend sofort nach Beendigung der ersten Vollsitzung des Reichs tages. die ja lediglich der Feststellung der Beschlnßsähigkeit diente, zusammen. Der bisherige Vorsitzende Fehrenbach be grüßte die anwesenden Mitglieder der Fraktion, die säst vollzäh lig versammelt >var, und sprach die herzlichsten Wünsche zum neue» Jahre aus. — Die Beratungen der Fraktion erstreckten sich zunächst lediglich auf organisatorische Fragen. Die Konstituierung der Fraktion wird verschoben, bis die neue Regierung geschaiseu ist. Der bisherige Vorstand amtiert provisorisch weiter. Ii» Präsidium des Reichstages wird die Zentrums- sraktion wieder mit ihren bisherigen zwei Mitglieder». Fra» Ten sch und Schwarz-Hessen, vertreten sein. Für das Bizspräsi- dium, das bisher Reichsmiiiister a. D. Bell innehalte, wird noch im Zusammenhang mit der Stellungnahme der Fraktion zu der Präsidentenwahl überhaupt Beschlus; gefasst. Dem Zentrum steht ein Präsident zu, und nach Lage der Dinge wird auch Dr. Bell von der Fraktion hierfür wiederum nominiert werde». Bezüg lich der Haltung des Zentrums zur Wahl des ersten Reichstags- Präsidenten. die heute nachmittag erfolgen soll, sind Entschlie ßungen noch nicht getroffen. Tie Teulschnotionalen präsentieren abermals Wnllras. Die Sozialdemokraten habe» ihre» Anspruch ans Besetzung des ersten Präsidentenpostens als stärkste Fraktion angemeidet und präsentieren hieriär Loeoe. Die Deutsche Boiirs- partei ist noch unenischiesen. Die Demokraicn haben erklärt, schon im ersten WnhPav.g für Locbe stimmen zu wollen. Die Kommunisten werden einen eigenen Kandidaten ausstellcn und zwar in dem Abgeoronelen Tbeelman». Tie Wahl selbst wird viel schwieriger sein, als es nach außen hin scheine» »rächte. Ge rade bei dieser Abstimmung wird sich auch schau ein gewisses Stimuruugsmainent siir die Scheidung der Geiste, ergebe». Iw Zentrum besteht starke Neigung, im ersten Wahtgang ebensalls mit einem eigenen Kandidaten, sa wie das seinerzeit der Fall war, hervarzntreten und hierfür Fehrenbach zu bestimme». Die endgültige Entschließung indessen ist »ach nicht getroffen. Die Zentrnmssraktian hat aber auch schon sofort ihre p r a k- tische Arbeit ausgenommen. Die ersten Fragen, mit denen sie sich beschäftigte, ivaren sozialer Natur. Es wurde einmütig einem Antrag Esser zngeslimmi. der sich mit der Wahrung der Interessen der Hand werk er besaht und folgenden Wortlaut hat: Die Reichsregieruug zu ersuchen: o> Eine besondere Vertre tung siir die Belange des Handwerks zu schassen und die erfor derlichen Mittel iw Haushalt des Reichsivirlschastsmiiiisteriuuis siir das Jahr 1025-bereitznstelle»: Ist den in Vorbereitung besind- lichen Gesetzentwurf, betreffend die Berussorgonisationen des Handwerks, baldmöglichst dein Reichstag varzrilegen. Eine weitere Angelegenheit, die die Zentrumssraktion be schäftigte. war die der A u s w e r t n n g s i r a g e. Wenn auch nach der Natur der Dinge und bei dem Zusammenhang dieser Frage mit den steuerlichen Problemen an sich der ständige Steuer- ausschus; in Betracht käme, so ist in, Hinblick aus die Wahrung der sozialen Notwendigkeiten die Reichstagssraktion doch bereit, wiederrin; deur Antrag auf Schassung eines eigenen Ausschusses aus die Behandlung dieser Fragen zrizustünmen. — Diese Aufwertungssragen sind über das Stadium, das sie i» de» Beratungen des letzte» Ausschusses erlangt habe», noch nicht hinorisgckommen. Eine Klärung isi äbsolnt noch nicht erzielt. Appell verhallte »»gehört. Der schreckliche, an dem Abg. 'Matte otti verübte Meuchelmord, der die Seele des italienischen Volkes schmerzhast bis ins Innerste auswiihlte, war die Veranlassung zu», Beginn einer neuen, traurigen Periode heftiger politischer Stürme, die bis in diesen Tagen hinein andanern, so sich znzn- spitzen drohen. I» der dramatischen Sitzung vom 13. Juni 'drückte Mussolini seinen Abscheu über das grässtiche Berbrecheu aus, und versprach der Kammer und dem Lande, das; die Misse- tütcr dem Arm der Gerechtigkeit übcrliesert würden. Einer nach dem andern sind die am Morde Beteiligten, van denen sich Lesare Rossi. Filippo Filipalli. ja selbst Amerigo Dumini der Zu neigung des Ministerpräsidenten erfreuten, hinter Schlaf; »nd Riegel gebracht worden. Noch Kaininerschlns; erhielt die Regie rung vom Senate ein Vertrauensvotum von 225 Stimmen gegen 21 gegenteilige. Während der Sommerzeit sind verschiedene deiner kenswerte Kundgebungen zu verzeichne», angesangen vom Kongreß der in Fiume anwescnden Verstümmelten bis zu jenen; der Kriegsvec- baiidsmitglieder in Assisi, von der Bersamminng des Nationnlrats der Faschistenpartei in Ra»; bis zur Tagung der liberalen Par tei in Livorno. Uebereinstiinmend machte sich das Verlangen nach Rückkehr zur Normalität kund und auch die oratorischen Leistungen Mussolinis ivaren aus denselben Ton gestimmt. Aber die parlamentarische Opposition, die sich (bildlich ausgebrückt) nach der Ermordung Matteottis ans dem Aventin zurückgezogen lMe. zeigte sich der Regierung immer mehr feindlich gesinnt »nd verlangte schließlich die Entfernung Mussolinis und seiner Mit- Auch die Reichsregieruug selber hat »ach keine endgültige Stel lung getroffen und tresse» können. Es ist lediglich ei» Anfang dadurch gemacht, das; in Sem zuständigen Ministerium, dem Reicks- sinanzministeriiun, Entwürfe für die Behandlung dieser Fr.rzen in Ausarbeitung begriffen sind. Das Zentrum legt Hauptgewich! darauf, daß das mehrfach erörterte Problem der sozialen Aufwertung nunmehr in den Vordergrund gerückt wird. Damit steht aber die Beschaffung der Mittel in engstem Zusaminenk.in,'. und es wird dann nicht ansbleiben Kannen, das diejenigen, die ans der letzten Borsenentivicklnng Kursgewinne ans Anleihen gezogen haben, auch steuerlich erfasst werden müssen. Berlin, 7. Januar. In der gestrigen Sitzung dr>" preu ßischen Staatsmiuisteriums legte der Ministerpräsident Braun seine Auslassung des Artikels >5 der preußische» Staatsversnssung dar. Dieser Artikel lauten „Der Landing wählt ohne Aussprache de» Ministerpräsidenten wi! einsamer Stimmenmehrheit." Nach der Aunassuug des Minister Präsiden teu Braun gibt dieser Arlikei lediglich die Instanz au. durch die der Ministerpräsident zu wähle» ist. — Im Ge gen salz dazu legte der Fiiiauzminister Dr. v. Richter die Auffassung der Deutsche» Bolkspartei dar, nach der der neue Landtag auch einen neuen Ministerpräsidenten zu mäkle» hat. — Noch längerer Debatte »ahm das Ministerimn mit allen Stimmen gegen die Stimmen der beiden vaiksparteilichen Minister eine Entschließung, die besuch, daß aus der preußischen Ver fassung sich kein Anlaß zum Rücktritt für das Ministerium ergebe. Finanzminister von Richter und Kultusminister Bötitz erklärten daraus, das; sie beide in Konsequenz ihrer entgegen gesetzte» staatlichen Anssassung aus dem Kabinett austrelen müßte». Damit ist der Austritt der Deutschen Bolkspnnei aus der große» Koalition i» Preußen vollzogen. Die dadurch ge schossene Lage ist höchst unklar, dein, die Restkaalilian ver fügt im Landtag nur über eine Minderheit, sie kann alia kein Vertrauensvotum erkalten. Andererseits ist cs auch nnwairr- scheinlich. daß ein Mißtrauensvotum zustande Kamm!, da Deutschnnlianale und Kommunistrii sich icbwerlich aus einen ge meinsamen Antrag einigen werden. Me MM«! Berlin, 7. Januar. Reichskanzler Dr. M arx hat sterile in Besprechungen mit den Fralrtionssührern die Absicht geäußert, aus eine schnelle Lösung der Regierungskrise zu drängen. Er iv>lt deshalb »»bedingt i» neuen Berhandtunge» ein« endgül tige Entscheidung der d e u t s ch n a t i o n a l e „ Frak tion verlangen. Berlin, 7. Januar. Die beiden der dcuttchnatianalen Pariei nahestehenden Persönlichkeiten, mit denen Reichskanzler Morr am Rio»tag verhandelt hatte, Ministerialdirektor N e u h o u s und Londtagsabgeordneter v. Kries, haben es vorläusig abgelehui. in das zu bildende Geschäslskabinstt einzutreten. Beide haben allerdings nicht endgiiltigLbgesagt und haben aus die Schwierig keiten verwiesen, die bei der Regierungsbiidnng in Preußen be stehen. Es wäre versriiht, die Verhandlungen, die vom Reichs kanzler fartgesührt werden, als aussichislas zu bezeichnen. Berlin. 7. Iannar. Die „Germanin" schreibt: Man hak die Tatsache, daß der Reichskanzler Marx zwei Dentschnalianalc zum Eintritt in sein Kabinett ausgeforderl halte, vielfach w ge- dcrttet, als habe er die Linie seiner bisherigen Politik verkitten. arbciter ans dem Kabinett. Am 13. September wurde dann unter den Auge» seiner Tochter der faschistische Abg. Easalini von einem gewisse» Lorvi erschossen, -der aber, wie sich berans stellte, nicht iw Dienste der Oppositionspartei stand. Bei Wiedereröffnung des Parlaments, an -dessen Sitzungen die gegnerische» Parteien nicht mehr teilnahmen, mnrde zwar die Prüfung und Gutheißung des Budgets gebilligt, aber Tag siir Tag verlor der Faschismus an Ansehen in der öffentliche» Meinung, so daß sich Mussolini endlich genötigt sah. ans das alte Wahlsystem mit dem nninominellen Wahlkreis znriickzu- kannnen. Die sehr geschwächte Stellung der Regierung am Mon tagabend vor Weihnachten hat sich dann bald daraus wesentlich gebessert. Nachdem Salandra das Präsidium des Bnd- getansschnsses niedergelegt, und der Abg. Riccia bekanntgegeben hatte, nicht inehr den Sitzungen des Mehrheitskamitecs beiwoh nen zu wollen, ist Mussolini die ganze Schwere der Lage klar geworden. Daher die diplomatischen Verständigungen mit den Ministern Sarocchi und De Stefan!, die plötzliche Einberufung des gesamte» Ministeriums und die Mitteilung durch die Steiani- Agentur, daß das Kabinett mit Mussolini einig gehe. »- -»»» Schon die wenigen Tage des neuen Jahres haben nun ge zeigt, daß Mussolini plötzlich gegen seine Gegner ein ganz neue» Verfahren einschlägt. In seiner großen Rede in^der Kammer hat er ihnen den rücksichtsloseste» Kampf angekündigt, Er ist ^rewillt, mit vollster Gewalt die Dinge zur endgültigen Lösung zu bringen. Wir müssen di« nächste» Tage abivarten, wie das Spiel endigen wird.