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Nnmmer 260 — 23. Jahrgang 6»,al wöchtl. BezußSpreiS: f. Novbr. 2 R.-M. -mS'chl? Bestellgeld. Berechnuttg 0cr Anzeige» nach Rent.-Mark. Preise: Ti- e>nge,pnltene Petitzeu« 30 f. Familien- u. Vereinsam., Gesuch« 20 H. Die Petit-Reklamezeil« 89 mm breit. 1 ttt. Ossertengebühr für Selbstabholer 20 H. bei Ueberseudung d d. Post außerdem Porto- zuschlag. Preis d. SonntagSnummer 15 Sicntenpfcnnig Lejchüstltchec Letl: Aoses Fohmann. Dresden. Im Falle höherer Gewalt erlischt sed« Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. Anz-Aufträgen » Leistung o. Schadenersav Für undeutlich u d Fernipe übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Bev antwortung. Unverlangt etngesandte u. mit RückporU nicht versehene Manuskripte werden nicht aufbewabr«. Sprechstunde der iltevaktion S bis S Uhr nachm OeaaL tzauptschr.flietter: L r. Io, e f «, he r ». D 7, - oeq (0esn>a>ien«u, der SaOifts»»» ug »»d TruN und Be, lag, Lara,i>a-Vua>dr»ckere> NnibH. Tr-s^en.A m e.owe,»suake <6. gernriu NN22 Polt- >ckeWo»IoDrest>e» 14707 I'silrrWlliilii! ml! Wen. M Nei! ree Mu. M neue Lebeii «»daktton der San,»,».« * Diese-,- m snlbenilirake»^ aernrn M'.S Mehr Mut! Mehr Tal! wegenresormatton» Schlagworl oder Alarmrus? Unter diesen beiden „Spitzmarben" gibt der Evan gelische Bund zwei Flugblätter heraus. Wir haben uns schon früher mit dieser Organisation beschäftigt. In der letzten Zeit nun erhebt sie immer frecher das Haupt, so daß der Kulturkampf, der auch früher immer wieder von dieser Seite propagiert wurde, eigentlich schon an allen Enden des Reiches entfacht ist. Gegenwärtig kommt das Moment des Wahlkampfes hinzu, und das katholische Volk hat auf der Hut zu sein, wenn man es immer wie der irre machen möchte an der einzigen von katholischem und christlichem Geiste getragenen Politik des Zentrums. Es ist zunächst sehr lobenswsrt, wenn der Evan gelische Bund dem evangelischen Volksteil zuruft: „Mehr Mut. mehr Tat!" Man solle sich nicht in eine „Abbau stimmung" hineindrängen lassen, d. h. man solle die Flü gel nicht hängen lassen und dem Andrang des Materialis mus und Atheismus tatenlos zusehen. In dieselbe Reihe aber, in der der Materialismus und Atheismus steht, wird dann der Katholizismus gestellt. Und alle Schlagwörter van Klang müssen von neuem herhalten, um dem „mäch tig in die Siegestrompete blasenden Rom" beizukommen. An und für sich hat ja immer schon derjenige, um den man sich streitet, den qualitativen Vorzug vor den Strei tenden. weil in dem Streitobiekt doch etwas Vorzügliches enthalten sein mutz, das die Welt und damit die Streiten den selbst bewegt. Vor allem, wenn man weitz, datz man die Qualität dem Streitobjekt nicht nehmen k a n n. stei gert sich umso mehr der neidische Hatz. Und das ist das Kennzeichen aller unehrlich Streitenden. In diesem Geiste prägt man Worte: „Rom arbeitet inseltsamem Größenwahn, um dem Luthertum den Todesstoß zu geben." Rom Kat gar kein Interesse daran, Leichen auf dem Schlachtfelde lwenn man diesen Ausdruck be- w'tzen darf) zurückzulassen, sondern Rom hat ein Inter esse daran, lebendige Menschen in die Gemeinschaft der katholischen Kirche aufzunehmen. Dieses Ziel, im mer mehr neue Mitglieder für die eigene Sache zu ge winnen, wird der Evanaelische Bund niemand verwehren können, zumal er ja selbst mit allen Mitteln bestrebt ist. seine eiaene Mitgliederzahl zu erhöhen. Aber Rom geht in der Verfolgung dieses Zieles nicht mit dem alle Ehr lichkeit beiseite schiebenden blinden Fanatismus eines Evangelischen Bundes vor. Wenn es Menschen gibt, die den Weg mit bestem Gewissen nicht zu Rom finden kön nen. dann sollen diese Manschen zum mindesten mit Rom in christlichem Frieden leben. Ob sie sich dann protestantisch oder sonst irgendwie nennen, ist gleich gültig. Wir würden diese Friedensliebenden achten. Wenn dann in dem Flugblatt gesagt wird, datz große Massen der katholischen Welt längst entchristlickt und für Rom verloren seien, so ist dieses Verlorengeben selbstverständlich gar nickt abzuleugnen. Nur datz es nickt so gewaltige Massen sind. Ganz naturgemäk hat auch der Katholizismus unter den ungeheuren Wirren der Zeit gelitten. Es ist kein Dogma der katholischen Kirche, datz die katholisch Getauften ein für allemal in der Gnade geborgen seien. Sondern es gibt einen anderen Glau benssatz, worin es heitzt. datz die katholische Kirche nur die Spenderin der Gnadenmlttel ist, die den Menscken den richtigen Weg ermöglichen. Wir wollen ober auch die andere Frone stellen: Hat etwa der Protestan tismus nicht unter den Wirren der Zeit gelitten? Was heitzt heute Protestantismus? Mo ist die Einheit der protestontiscken Kirche? Wir stellen diese Fragen nickt etwa als Zeicken des Angriffes, sondern zur Gewissens- erforschuna. Wenn aber der Protestantismus vom Evan gelischen Bund sich gefallen ließe, alles das. was heute zur katholischen Kirche sich nicht bekennt, als Protestant anzusprechen, — weil es ja scheinbar nur zwei große Konfessionen in Europa gibt — dann könnten wir un- möolich diese protestantische Kirche beneiden. Allerdings würde eine große zahlenmäßige Ueberlegenheit heraus- kommen. Das Flugblatt führt weiter zwei Sätze an. Der erste lautet: „Die innere Haltlosigkeit der katholi schen Diaspora ist ganz ungeheuer: eine so durch und durch morsche Diaspora gibt es in der evangelischen Kircke überhaupt nicht." Daran anschließend folgt der zweite: „Und da sollen wir vor dem ultramontanen Grö ßen- und Machtwahn die Segel streichen? Mehr Mut, Lpnnnenä uncl lekrreiek Ist ciss neue llueli von Ao» -e-ÄV «SS- mit 77 ^dbllckineon uvlt I Ksrlv. Preis xeb. Elm. >. IiirSmIi. L'L Imlm-I.. «W A. ßkW Wien. 8. November. In später Abendstunde wurden die Verhandlungen mit den Eisenbahnern abgebrochen, die sofort den Streik proklamierten. Der Generaldirektor der Bun desbahnen Dr. Günther hat seinen Rücktritt eingereicht. Auch die Regierung hat ihren Rücktrittsbeschluß In die Tat um gesetzt. Die Ursache: Der Elsenbahnerstreik Wie», 8. November. Der Präsident der Bundes bahnen Günther hatte am Vormittag dem Bundes kanzler Seipel über die durch die Ablehnung der bis an die äußerste Grenze gehenden Zugeständnisse an die Eisenbahner geschaffene Lage unterrichtet und für den Fall des Streik abbruches seine Absicht angekündigt, von der Leitung der Bun desbahnen zurückzutreten, da er dann die erfolgreich eingeleitete Sanierung der Bundesbahnen als bedroht ansehen müsse. Der Bundeskanzser billigte den Standpunkt des Präsiden ten und ersuchte ihn, sich bei seinen Entscheidungen ausschließ lich von Erwägungen einer Führung der Bundesbahnen nach wirtschaftlichen Grundsätzen leiten zu lasten. Zugleich erklärte er, daß die Regierung, wenn ihr bei einem so wichtigen Teile des Sanierungswerkes, wie es die Reform der Bundesbahnen sei, unüberwindlich« Schwierigkeiten gemacht würden, nicht länger im Amt bleiben werde. Der Ministern« beschloß nachmittags im Sinne des Vorschlags des Bundeskanzlers. Dieser teilte die Entschlüsse des Präsidenten Günther und der Negierung unverzüglich den parlamentarischen Führern mit und berief Vertreter der Eiscnbahncrorganisationen, um sie eindring- lichst zu warnen, nicht noch in letzter Stunde das von der Regie rung und dem Parlament unter so großen Opfern nahe an die Vollendung geführte Sanierungsmerk zu gefährden. Der Streik der Eisenbahner ist um Mitternacht aus- gbrochen. Die um diese Zeit noch auf den Strecken befindlichen Züge wurden an ihre Bestimmungsorte weitcrgeleitet. Um 12 Uhr nachts wurden keine Passagiere mehr zu den Zügen gelassen. Lebensmittel züge werden vorläufig ohne Einschränkung verkehren. Auch gilt zunächst die Kohlen versorgung als gesichert. Man glaubt, daß der Versuch gemacht werden soll, ein Beamtenkabinett durch den Nationalrat wählen zu lassen, doch hätte ein Beamtenkabinett wahrscheinlich keinerlei Aussicht, die Schwierigkeiten beseitigen zu können. Vielfach wurde der frühere Bundeskanzler und jetzige Polizei präsident von Wien. Schober, ols kommender Mann genannt. Das Kabinett Seipel führt vorläufig die Geschäfte weiter. Schneller Zusammenbruch -es Ausslandes? Wien, 8. November. Der Präsident der Bundesbahnen. Dr. Günther erkärte in einer Unterredung u. a.: Ich habe mir bei den Verhandlungen eine Grenze gesetzt, über die nicht hinausgegangen werden konnte. Die Differenzen, die im letzten Stadium der Verhandlungen noch vorhanden waren, betrugen nicht einmal zehn Milliarden Kronen, also eine keineswegs sehr bedeutende Summe. Wir dürfen unter keinen Umständen in die Cchuldenwirtschaft zurttckverfallcn und müssen auch die An sicht bekämpfen, daß ich unter dem Drucks der Regierung ge standen hätte. Die Regierung hatte sich zwar mit mir solidarisch erklärt. Ich habe aber keinen Entschluß in vaster Freiheit unter meiner eigenen Verantwortung gefaßt. An eine rasche Beilegung des Streiks glaube ich nicht. evangelisches Volk!" Es ist selir interessant, aus den bei den Sätzen zusammen den Schluß zu ziehen. Wenn die katholische Diaspora innerlich so morsch und haltlos wäre, dann ist es doch wahrhaftig nicht mehr nötig, noch erst Mut aufzubringen, gegen diesen verfaulten Katholizis mus. Aber durch die eigenartige Zusammenstellung der Sätze ersiebt man am besten, wie der Verfasser seine Ge sinnung selbst enthüllt und gar nickt an die Inkonsequenz seiner Zeilen dachte. Nämlich: Im ersten Satz werden bewußt und mit Haß die Dinge falsch dargestellt und im zweiten seht man ans Mangel an Logik für den aufzu- bringenden Mut sden man für notwendig hält), eine nuf- wärtsblühende Diaspora voraus. Das ist ein gutes Be kenntnis für das tatsächliche Erstarken des Katholizis mus. Ueberhaupt, was will der Evangelische Bund mit seinen Kampffanfaren, wenn der katholische Gedanke trotz „der von Rom aus mächtig geblasenen Siegestrom peten" im Sterben liegt? In dem zweiten Flugblatt beschäftigt sich der Ver fasser mit der Gegenreformation des Katholizismus. Es wird ein Zitat der Trierer Petrusblätter von 1913 auf geführt, worin es hietz: „Nicht Anpassung ist die Losung, andern Gegenreformation." Daraus zieht man dann >en Schluß, datz Rom ernstlich gewillt sei, den Protestan tismus mit Stumpf und Stiel auszurotten, und zwar auf gewaltsame Weise. Es klingt sehr schön, wenn solche Zitate aus dem Zusammenhänge des Artikels herans- gerissen werden. Allerdings mutz es das Streben einer Kirche, wenn sie von ihrer Mission erfüllt ist, sein, eine Breslau, 8. November. Als heute früh die von den bürger lichen Blättern gedruckte Einheitszcittmg herauskam und'oie Setzer das Zeitungsgrundstück verließe», versuchten Trupvs von 15 bis 20 Mann, die teils zu Fuß teils zu Rad die Arbeiis- willigen verfolgten, auf diese einzudriiigen. Ein Metteur wurde von den Streikenden blutig geschlagen. In Berlin fand eine Konferenz der Vertreter van Zei- tungen aus dem ganzen Reich statt, die sich mit den schweben, den Lohndiffsrenzen im B u ch d ru ck g e w e r b e bescküitigte. Nach eingehender Prüfung der Gesamtsituation kamen die Ver sammelten einmütig zu dem Entschluß, gegenüber der durch nichts gerechtfertigten übertriebenen Forderunadel Gehilfenschaft aus mehr als 30 Prozent Lohnerhöhung eine ablehnende Haltung einzunehmen. In Breslau ist Re Gehilfenschaft unter Tarifbruch in den Streik getreten, dort wird seit heute eine Notzeitung herausgegeben. Der in einer Lieg- nitzer Tageszeitung ausgebrochene Streik ist dadurch 'llu- sorisch geworden, daß die Zeitung mit Ersakkrästen weiteiiün hergestellt wird. Die Berufsve'llrettmgen der deutschen Buck- drucker und Zeitungsverleger sind sich darin einig, daß sie selbst unter dem Druck der bevorstehenden Reichstag mahl Forderun gen nicht bewilligen können, die in ihren Auswirkungen weder von den Werken noch von der Gesamtwirtschaft getragen werden können. Das Reichsorbeitsministerium hat neue Verhandlungen aus Canabcndfrüh anberaumt. Berlin. 8. November. Eine Urabstimmung bei der Berliner Gasbetriebsgesellschaft, der frühere» englischen Gasanstalt, ergab eine überwältigende Mehrheit für einen Streik Heule mittag werden vor dem Schlichter nochmals Berbandlunaen zur Bill igung des drohenden Ausstandes stattsinden Die Gas- und Be- triebsgesellschaft versorgt einen Teil Berlins mit Gas. Eine Rede -es Reichswilkschafksmlnikkers Hamburg, 8. November. Die Einflüsse des Dawcsplanes auf Handel und Industrie, bildete das Thema eines Borttages, den der Ncichswirtschaftsminister H a m in gestern abend im Ueberseeklub hielt. Er führte dabei u. a. aus: Wir sind jetzt wieder in die Lage eines wirtschaftlich jungen Volkes gekommen. Alles, was Svarsamkeil van G.me- rationen aufgespeichert hat, ist dahin. Die eigentliche Leistung der Arbeiten der Sachverständigen in London liegt in der Lösung des Problems der Uebertragung. das aber möglich ist. wenn di« deutsche Wirtschaft gesund und leistungsfähig erhalten bleibt. Wir müssen auf dem Wege der Handelsverträge mit der gesamten Welt wieder in Anstausch kommen. Es gebe kein« Trennung in Wirtschaft und Staat. Darauf ging der Minister auf dis jetzigen Aufgaben der Regierung ein und kündigte an. daß die Einfuhrverbote bis auf einige wenige demnächst aufge hoben würden. Die gegenwärtige Teuerungswelle dürfe man nicht hochkommen lassen. An- -rauhen lauer! -je Konkurrenz London, 8. November. Der diplomatische Berichterstatter des „Dolly Telegraph" schreibt, es sei sicher, daß unter Bankiers und Industriellen die Ansicht darüber sehr geteilt sei. ob di« wirtschaftliche Erholung Deutschlands und der vorgeschlagene deutsch-französische Kohlen- und Clahlkonzcni eine ernste Be drohung für den englischen Ausfuhrhandel bedeute. Insbesondere unter den Bankiers bestehe Neigung, diese Be drohung leicht zu nehmen ans dem einsachen Grunde, daß e'st-ns Deutschland an Kapitalmangel leide, daß die Stabilisie rung der deutschen Währung die Prob u Kilo n skas!" n wesentlich erhöhen werde und zweitens, dal: die deutschen Ge werkschaften. deren Fonds sich außerordentlich vermindert kab-m. sich erholen würden, wenn die Mark wieder hergestellt sei. und auf den Achtstundentag bestehen würden. andere Konfession, vor allem eine solche, die früher mit zu ihr gehörte, wieder für sich zu gewinnen. Nicht gleich gültige Anpassung, d. h. mit allem einverstanden sein, was beispielsweise der Evangelische Bund himmsposaunt. ist die Losung, sondern seine eigenen Grundsätze wahren. Das Flugblatt real sich dann öder .geradezu ungeheuer« siche Vorrechte" Rains in den östlichen Ländern, vor allem in Lettland, auf. Rom könne dort heute die Schulen d'L Presse, das Bereinswesen und die ganze Licbestätigbeit an sich reißen. „Rom wird in nnliehsamen Zeiten seine Gegner einfach ausweisen lassen. Es schreckt auch vor Kirchenraub nicht zurück." sind cs wird im Anschluß daran das Wart vom evangelischen. Martnrium geprägt. „Rom hat die Macht, und nun mutz sich zeigen, wie weit es seinen Machtmitteln gelingt, mit Zuckerbrot und Peitsche die evangelischen Gemeinden zu vernichten und die katholischen zu mehren." Mir müssen zunächst fragen, worin denn diese ungeheuerlichen Vorrechte hestehen? Was der Katholizismus in jenen Ländern besitzt, das be sitzt er auf Grund seines vollberechtigten Anspruchs. Man kann also nicht van Vorrechten, sondern nur van Anrechten sprechen. Warum aber erwirbt sich die evan gelische Kircke nicht dieselben ihr zustehenden Reckte? Sie hat dach so viele Vertreter beispielsweise in den Reichsbehörden (s. Artikel in Nr. 245 unserer Zeitung über Imparität). Oder will der Evangelische Bund etwq verlangen, datz. wenn seine eigenen Vertreter sich als un^ tätig in kirchlichen Dingen zeigen, auch unsere Vertrete^ iv denselben Schlaf verfallen? Würde aber andererseits