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Nummer 2S2 - 23. Jahrgang 6mal wöchtl. Bezugspreis: f. Oktober 2 R.-M. auSschl. Bestellgeld, verechmun, drr Anzeigen nach Rent.-Mark. Preise: Die e'ngespaltene Pettlzerle 3« f. Familien* ». BereinSanz., Gesuche 2V Die Pent-Retlamezeil« »S mm breit. 1 ^t. Ossertengebsthr für Selbstabholer W bet Uebersendung d. d. Bost außerdem Porto* ,uschlag. vrns f. ». Stnzelnumme, Ist Rcntcu,Pjcn»ig. «eschästlicher Letlr Joses Fohmana. Le«»»««. SücksWe Mittwoch, 2». Oktober 1324 Im Falle höherer Gewalt erlischt lebe VervsNckvnii aul Lieferung sowie Erfüllung o. Anz -Aufträgen » Leistung o. Schadenersav Für unveutlich u o. Fernst» übermittelte «nzergen stbecnehmen wir keine «er antwortung. llnverlangt etngesanbte u mit RückporV nicht versehene Manuskripte werben nicht aufbewahrl Sprechstunve der Redaktion S bis g Uhr nachmittags Lauptschrlsitetler: Dr.JosesAlbert. Dresoeü Tagedzeit nng für chriftlicke Politik und Kultur «»ichitllSNelt« der «iichMa,»» «vill«»»,»» ua »»» ^ « ' 1MW« IIII» M» » Ak Ml Kr NN ' r« «M Sebk« --tebarrtvn ver e' ^'or.szc'.tuiin Das Zentrum marschier Die Wahlparole Wtrlschast und KuHur Der Schlutz des Aeichskanzler-Reserats Die Politik hat auch die sozialen Gliederungen zusammen- zuführen, weil nur so das Nebeneinanderleben und das Gegen- einandcrstreben der einzelnen sozialen Gruppen zu einem Für einanderleben und Miteinanderstreben geführt werden kann. Nur so ist deutsche Staatsordnung, nur so ist Deutsche Pottlik überhaupt möglich. Die Zentrumspartei hat tn ihrer Zusammen setzung aus allen Schichten des Volkes die Kraft zum sozialen Pliteinander in ihrer ruhmreichen Geschichte stets entfaltet. Sie wird diese Tradition welterführen. Sie wird insbesondere nach wie vor bestrebt sein, gerade den sozial bedrückten Schichten wieder das Gefühl menschlicher und nationaler Wertschätzung zu geben, sie wird bestrebt sein, all den unglücklichen Millionen deutscher Volksgenossen, die in einer unglücklichen Entwick lung unseres Volkslebens Heimat lind Vaterland verloren haben, Heimat und Vaterland wiederzugeben. lieber der weltanschaulichen und sozialen Gliederung, die allzu leicht auseinander führt, fleht der natürliche Wille der deutschen Nation, ein Volk zu sein, ein deutsches Volk zu sein, eine Schicksalsgemeinschast, eine Volksgemeinschaft zu werden. Dieser natürliche Wille lebt kräftig im deutschen Volke, sonst würde es nach vier Jahren Krieg und sechs Jahren ärgster Bedrückung als Volk nicht mehr bestehen. Diesen natürlichen W,//en des Volkes beeinträchtigen scheinbar Strebungen, die aus dem Landsmannschaftlichen herfließen. Der Süddeutsche hat einen anderen Charakter als der Norddeutsche, der Westdeutsche einen anderen als der Ostdeutsche Die Verschiedenartigkeit der Stammes charaktere wird noch verstärkt durch die wirtschaftliche Entwicklung, die den einzelnen Gegenden unseres Vaterlandes den Charakter als Agrargebiet, teils als Industrie gebiet gegeben hat. In der Zentrumspartei haben sich diese Elammesverschiedenheiten so stark gezeigt, daß sie zur Absplit terung der Bayerischen Volkspartei geführt haben. Die Einordnung der Verschiedenheiten deutschen Stammes lebens ist äußerlich gesehen eine Versassungssrage. Die Wei marer Verfassung hat die Ausgabe zu lösen versucht. Eine Ver fassung legt jedoch nur die äußere Form des Staatslebens und damit auch nur die äußere Form des Zusammenwirkens der ein zelnen Stämme im deutschen Staatsmesen fest. Von innen ge sehen ist die Frage nicht nur eine Versassungssrage, sondern eine Frage des Gemeinschaftslebens im Staate, wobei die einzelnen Glieder in ihrer Verschiedenartigkeit in Selbstverwaltung, aber auch in Selbstverantwortung für das Ganze Zusammenwirken müssen. Nur dann, wenn wir diese Dinge in ihren äußeren und inneren Zusammenhängen sehen, können wir sie zum besten unseres Vaterlandes lösen. Wir sind entschlossen, die Begriffe Zentralismus und Föderalismus nicht zu Schlagworten werden zu lassen, um die ein Parteihader sich austoben kann. Bismarck hatte mit den gleichen Dingen zu Kämpfen. Er konstituierte eine Vormachtsstellung Preußens und gewährte den übrigen Bundesstaaten größere oder kleinere Reservatrechte. Bismarck hat die Frage machtpolitisch gelöst. Wir suchen sie gesinnungspolitisch zu lösen. Das Wie ist der Ent wicklung Vorbehalten. Das Ziel ist klar: Ein einiges Deutsch land mit dem fernen Ziel eines Großdeutschland in Stärke nach außen und in Geschlossenheit nach innen muß gewahrt bleiben. Dieses Ziel ist nur in natürlicher Gliederung, In einem demo kratische» Deutschland zu erreichen. Schwarz-Rot- Gold ist nicht Verkehrung und Verkennung von Schwarz-Weiß- Rot, sondern das Symbol für das politische Streben, das das ge samte deutsche Volk ln natürlicher Gliederung ohne Vormacht stellung eines einzelnen Teiles zu einem nach außen machtvollen und im Innern gesicherten und gefestigten Deutschen Reiche zu- sammensassen will. Die deutsche Republik von heute ist uns noch nicht Vollendung. Die Erhaltung Preußens, das in der nationalen Be drückung sich als ein starker Bestandteil deutscher Einheit be wahrt hat, wird dabei von ganz besonderer Bedeutung sein. Wir sehen in Preußen ja mehr als Ostelbien, wir sehen in Preußen neben dem preußisch konservativen und leider Gottes vielfach reaktionären Kräften des Ostens die volkslebendigen, fortschritt lichen Kräfte des Westens. Der natürliche Wille der deutschen Nation, Volk zu sein, wird ferner gestört durch Auffassungen, die durch bestimmte Ge fühle und durch eine bestimmte einseitig erlebte Tradition erklärt wird. Ich brauche nur einige dieser Auffassungen in Schlagworten wiederzugeben: „Nur unter einer Monarchie kann sich ein nationales Deutschland bilden"; „jeder Erfüllungspoli tiker ist ein Vaterlandsverräter": „jeder Sozialdemokrat ist ein unnationaler Volksgenosse". „Der Katholik ist bis auf rühm liche Ausnahmen ein Staatsbürger zweiter Klasse": „jeder Jude gehört nach Palästina". Diese Reihen ließen sich ellenlang ver größern, die Gefühle, die in diesen Auffassungen liegen, schwingen tausendfach mit im politischen Leben des deutschen Volkes. Sie erschweren die notwendige Schaffung eines Gemeinschaftswillens im deutschen Volke, sie verhindern das Werden einer Volks gemeinschaft. Hüten wir uns vor Verallgemeinerungen; seien wir auch darin Realpolitiker, daß wir die Menschen und Gruppen sehen, wie sie sind, und nicht durch die Brille über- kommener und oftmals künstlich gemachter Doktrin, die mit dem Leben nicht» mehr zu tun hat. E« ist nicht ohne Bedeutung, daß sich gerade im Zentrum die Politik der mittleren Linie verkörpert, die die allein mögliche Berlin. 28. Oktober. Am Ende seiner großen Rede machte Reichskanzler Marx gestern folgende Ausführungen: In kurzen Zügen habe ich Ihnen einige Gedanken über die für das Staatsleben unentbehrlichen und wichtigen Aufgaben der Zentrumspartei vortragen dürfen. Infolge der Auflösung des Reiä-stages und angesichts des bevorstehenden neuen Wahlkampfes müssen wir unsere Ziele in aller Konzentration aus die nächste Zeit einstellen. Ich glaube, die erforderlichen Schlüsse sind aus dem Dargelegten ohne weiteres zu entnehmen. Im Vordergrund muß die Außenpolitik stehen. Noch kämpft das deutsche Volk um seine Wertgeltung im Konzert der Völker. Noch ist sein Staats gebiet nicht frei von ausländischer Besatzung. Noch ist seine Wirtschaft und seine Währung aufs Aeußerste bedroht. Die Pflicht der Selbsterhaltung, die ^dein Staatswesen ebenso wie dem Einzelnen als sittliche und rechtliche Pflicht obliegt, zwingt uns zunächst für die Wiederausrichtung und Verstärkung des Hauses selbst zu sorgen. Die innere Einrichtung mag einsbveilen noch mangelhaft und verbesserungsbedürftig bleiben. Noch immer handelt es sich um Leben und Sterben des deutschen Volkes, um die Erhaltung der Einheit des Reiches. Die im letzten Jahre beobachtete Politik der Verständigung, der Anbahnung vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den übrigen Staaten, auch mit denjenigen, mit denen wir im unseligen Welt kriege die Waffen gekreuzt haben, hat unbestreitbare Erfolge gezeitigt. Es wäre geradezu ein Verbrechen am deutschen Volke, würde dieser Weg verlassen werden. Beim kommenden Wohl kampf muß mit aller Entschiedenheit die Bedeutung der Außen politik in den Vordergrund gestellt und eine Zusammensetzung nach der ganzen historisch-gewordenen Zusammensetzung unseres Volkes ist; daß im Zentrum seit je wahre Toleranz, sozialer Ausgleich, ein harmonischer Ausklang konservativer Richtung und wahrhaft liberalen Freiheit?- und Gerechtigkeitssinnes in die Erscheinung getreten ist. Ich habe die Verschiedenartigkeiten deutschen Volkslebens und deutschen Volksstrcbens systematisch vorzuführen versucht, herausgchoben aus einseitiger parteipoli tischer Betrachtung um in voller Deutlichkeit all die Schmierig keiten klar zu machen, mit denen die deutsche Politik sich abzu- mühen hat. Nur wer all die Schwierigkeiten kennt und würdigt, nur wer sie fühlt und zu meistern versucht, kann deutsche Politik verstehen, kann deutsche Politik in die rechten Bahnen lenken. Der Zentrumspolitiker hat all diese Schwierigkeiten in den letzten Jahren aus das Tiefste gefühlt und hat sie zu meistern versucht, unvollkommen gewiß, weil auch wir schwache Mensche» sind, aber doch mit dem Streben nach Vollkommenheit. Auch innerhalb der Partei sind alle diese verschiedenartigen Elemente vorhanden. Solange die Ze»trumspa>tei besteht, haben wir versucht, die Verschicdenbeiten nicht zu beseitigen, aber sie so zu ordnen, daß sie ein starkes Aktivum für das deutsche Volks- und Staatsleben geworden sind. Die Zentrumspartei ist wahrhaftig die Volksgemeinschaft im Kleinen . Darin ruht die Kraft unserer Politik. Aber neben uns und um »ns herum stehen Millionen, die unaus geglichen bleiben: auch diese müssen wir bei der Wahl der Rich tung unserer Politik im Auge behalten und berücksichtigen. Werden wir auch die Zukunft die Partei der Volksgemein schaft bleiben, haben all unsere Mitglieder den ernsten Willen, die Volksgemeinschaft im Kleinen zu verwirklichen? Das ist eine ernste Frage, die wir uns bei der Heerschau unserer Partei auf dem Reichsparteitage stellen müssen. Sie verlangt offene und aufrichtige Antwort. Die Antwort liegt bei Ihne», die Sie die beauftragten Vertreter unserer gesamten Parteimitglieder sind. — Wir haben auch in der Partei kleine Teile, die in den: Beieinander aller Strebungen eine innere Schwäche sehen und darum klare Entscheidung wünschen. In Schlagworten drückt man es so aus: rechts herum oder links herum: mit dem Besitz oder mit dem Nichtbesitz: mit dem Liberalismus oder mit dem Sozialismus: mit dem Konservativen oder mit dem Fortschritt lichen: mit dem Föderalismus oder mit dem Zentralismus: mit der Monarchie oder mit der Republik: mit Schwor,z-Weiß-Not" oder „Schwarz-Rot-Gold": mit der Diktatur oder mit dem Parlamentarismus. Wer nicht das ganze deutsche Volk in all seinem Leben sieht, der kann sich für einen Weg entscheiden, der kann Partei- und intercssenpolitische Macht über das Wohl des ganzen Volkes stellen. Wer verantwortliche Staatspolitik treiben will, kann nur den Weg wählen, der unter Berücksichtigung aller Vorgänge im Volke der Volksgemeinschaft am meisten nützt. Das ist der wahrhaft nationale Weg, ein Weg zugleich nüchterner Vernunft und politischer Moral. Solange Deutschland am Boden liegt und nur unter Zusammenfassung aller Kräfte sein materi elles und nationales Dasein fristen kan», werden wir diesen Weg gehen müssen: das ist der Weg der nächsten Jahrzehnte. des Reichstages erstrebt werden, die eins Fortkelzuna die ser Politik gewährleistet. Wenn jemals, dann ist gerade für die bevorstehenden schweren Monate das Feschalien der mittleren Linie der Politik, wie sie im letzten Jahre mit Erfolg durchgcführt worden ist. unbedingt erforderlich für die Förderung des wirt schaftlichen und finanziellen Wiederaufbaus unseres zerrütteten Slaatslebens. Die Zentrumsz'arlei ist für sich allein z» schwach, um dieses Ziel zu erreichen. Sie bedarf der Unterstützung anderer Kreise und Parteien. Sie wird, wie der Reichspartei vorstand in seiner Sitzung zu Hannover mn 31. August d. I. be schlossen hat, bereit sein, alle politischen Kräfte, die positiv zum Besten des Reiches und des Volkes mittvarbeiten gewillt sind, l>eranzuziehen und sie wird niemanden zurück weisen, der zu dieser gemeinsamen Arbeit entschlossen ist. Das Ziel unserer Politik muß. wie es in dem angeführten Beschlüsse unbestreitbar richtig heißt, „nach wie vor die Schüttung einer wahren Volksgemeinschaft sein, an der alle nationalen, sozialen und kulturellen Kräfte des deutschen Volkes zur fruchtbaren Auswirkung gelangen können." Leider ist der schöne Gedanke der Volksgemeinschaft im Wettstreit der Parteien in den letzten Monaten derart zer setzt und verwirrt worden, daß es alle Kräfte bedürfe- -nrd. Ihn wieder zu voller Klarheit und voller Anerkennung Zu er hebe». Gerade die Zentrumsvartei ist dazu geeignet und bereit, und sie schließt nach ihren allgemeinen Grundsätzen niemanden von gemeinsamer politischer Betätigung aus. der guten Willens ist und mit ihr das hohe Ziel erstrebt: Gesundung und Wiedererstarkung des deutschen Volkes durch posi tive politische Arbeit auf der Grundlage des Rechts und der Verfassung. Wir wollen einen starken Staat, dessen Macht, dessen Hoheit nicht nur auf äußerer Macht, sondern vor allem aus innerer Stärke beruht. Auf diesem Wege gehen ivir in langsamer Ent wicklung. Stürmer und Dränger mögen und solle» uns immer wieder antreiben, unseren Schritt zu beschleunigen: oicsen Stürmern und Drängern werden sich immer wieder bedächtige Menschen hemmend entgegenstellen und sie vor llcbereilung bewahren. Ich glaube an eine langsame, aber darum desto stärkere Festigung unseres inneren Volks- und Staatslebens. Alle, die mit mir diesen Glauben haben, mögen den langsamen Weg mit mir gehen. WWS-. SW- SÄ MWWM Das Wort Ralhenaus: „Deutsche Wirtschaft ist deuisches Schicksal" hat eine Berechtigung, wenn man bedenkt. da,/; die materielle und soziale Lage eines Volkes von einer linnhasten Führung der Wirtschaft abhängig ist. Die Zen!run>s"ai tei darf deshalb die hohe Bedeutung wirtschaftlicher, sozialer und finanzpolitischer Fragen für das gesamte Volks und Staots- lebcn nicht aus dem Auge vertieren. Ich werde über diese Dinge mir kurz spreche», weil ein Eingreifen des Staates und der Politik in die wirtschaftlichen und soziale» Verhältnisse von der Entwicklung der Wirtschaft in der Zukunsi abhängt, die kein Mensch bis ins Einzelne Voraussagen kann. Es steht fest, daß unsere wirtschaftliche» Verhältnisse sich langsam zu festigen beginnen. Es war ein schweres Stück Ar beit, das bei dem drohenden Zusammenbruch im Herbste des Jahres 1923 begonnen worden ist. Die Mühe hat sich gelohnt. Der Staat hat einen großen Anteil an der Wiedergewinnung einer festen wirtschaftlichen Grundlage. Die Schössling einer Währung, der Erlaß wirtschaftlicher und sozialpolitischer Not verordnungen mannigsochster Art, der Abschluß des Londoner Vertrages haben nach innen lind außen zur Festigung und Be ruhigung der deutschen Wirtschaft bcigetragen. — Die deutsche Regierung ist zurzeit bemüht, durch den Abschluß von Kanöelsoerlrägen der deutschen Volkswirtschaft die ihr gebührende Stellung in der Weltwirtschaft zu verschaffen. Es ist das ein schwieriges Bemühen, weil die Weltwirtschaft selbst nach nicht wieder in der Gleichmäßigkeit funktioniert, wie cs vor dem Kriege der Fall war. Es ist ein schwieriges Bemühen auch aus dem Grunde, iveil wir als schwacher Staat jede sür uns günstige Position uns erkämpfen müssen. Handelsverträge sind nie vollkommen gewesen: sie sind das Ergebnis von Verhandlungen, die von Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft geführt werden und in Kom promissen endigen. Ich bin mir darüber klar, daß es sich bei den jetzigen Handelsverträgen um Versuche handelt, die beste Form der Eingliederung unserer Volkswirtschaft in die Welt wirtschaft zu finden. Bei den Verhandlungen lassen mir uns leiten von der Ueberleguiig, daß der Export oberste Forderung für uns ist und daß die Erlxrltung und Förderung der inländi-'