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Sächsische Volkszeitung : 30.10.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192410300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19241030
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19241030
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-10
- Tag 1924-10-30
-
Monat
1924-10
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 30.10.1924
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Donnerstag, den 30. Oktober 1924 Nr. 253. Seite S Eine gewonnene Schlacht Gedanken eines Teilnehmers über den Parteitag Dieser Parteitag ist «ine gewonnene Schlacht". Dieses Wort, das der Reichstagsabgeoidnete Professor Dr. Schreiber in der Diskussion aussprach und das Echo, das diese Formulierung bei den mehr als 30t) Delegierten und bei den nach Hunderten zählenden Besuchern der Tribüne» fand, zeigt Resultat und Fermvirknng zugleich dieses Parteitages der Zen- truinspartei aus. Wohl kann, mi einem anderen Parteitag wie an diesem ha ben sich die Hoffnungen der Gegner geknüpft, ja förmlich sehn süchtig gehalten, dah er eine Zersplitterung der innerhak» der Zentrumspartei wirkenden Kräfte herbe «führe. Denn immer noch bedeutet es für diese Kreise geradezu ein politisches Wunder, daß es der Führung der Zentrumspartei trotz der verschiedenen In teressen und Auffassungen, die sich innerhalb der Zentrumspartei politisch, wirtschaftlich und sozial geltend machen, immer wieder gelingt, ein« imposante einheitliche Linie zu finden und die Ge schlossenheit der Partei auch in den schwierigsten Situationen zu wahren. In der Tat ist di« Zentrumspartei in sich ein kleiner Reichstag. Sowohl die politischen Strömungen, die sich im gro- tzen Reichstag zwischen rechts und links zeigen, wie aber auch die wirtschaftliche Gruppierung finden sich konzentriert inner, halb der Zentrumspartei wieder. Während andere groß« Par teien fast ausschließüch Glieder und Gruppen bestimmter sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Richtungen in sich haben, während beispielsweise di« Sozialdemokratie sich auch heute noch fast aus schließlich als di« Berlretung der Handarbeitenbon Klassen be trachtet, während die Volkspartei oftmals geradezu als das Mo nopol für die Angehörigen der Industrie, zum mindesten der Großindustrie angesehen wurde, während bei den Deutschnatio« nalen das agrarische Element iiberwiegt, hat das Zentrum in einträchtigem Zusammenwirken Angehörige sowohl der Arbeiter schaft, wie des Unternehmertums, sowohl der Handwerker und Angestellten wie aber auch der Beamten in sich vereint und im mer wieder, so auch jetzt auf diesem Parteitag haben sich die Ver treter dieser einzelnen Stände unter Rückstellung ihrer eigenen wirtschaftlichen Auffassungen auf der einen großen politischen Linie zusammengefunden. Diese Linie heißt Marx. Und die Parole, mit der das Zen trum nach diesem dritten Reichsparteitag in einen nicht leichten Wahlkampf geht, heißt wiederum: Marx! Marx als politisches Programm und feine Politik, die Zen- trumspolitik ist, Politik der Mitte, Politik des Ausgleichs, das sind die lebenden Kräfte, die, wie Prälat Kaas zutreffend sagte, sich geradezu mit Inbrunst auf diesem Parteitag immer wieder heoausarbeitete. Auch dann, wo es Meinungsverschiedenheiten gab, traten sie niemals in den Grundlinien der Politik, sondern lediglich in der Methode hervor und auch dann nicht so sehr bezüglich der Methode der Anwendung der Grundsätze im beson deren Fall, sondern bezüglich der Form, in welcher wir unsere Auffassungen im Zusammenwirken mit anderen politischen Kräf ten geltend machen sollen. Dieser Parteitag ivar aber auch ein Parteitag der Kraft und des S c l b stb e wu ß t s ei ns. Es hat eine Zeit gegeben, in der mir die historische Aufgabe zu erfüllen hatten, den großen revolutionären Stoß von links auszufangen und unser armes niedergebrochenes Volk wieder der Ruhe und Ordnung zuzu- fiihren. In jenen Tagen der Revolution hat es sich, wie eben falls ganz zutreffend aus dem Reichsparteitag gesagt wurde ganz sicher nicht darum gehandelt, daß wir mit den Sozialdemokraten, wie überhaupt mit der Linken zusammen Politik machen, son. dern einfach darum, daß wir als Zentrumsleutc cs mit unserem Verantwortungsgefühl gegenüber Staat und Volk nicht verein baren konnten, das Feld frei den Gegnern zu überlassen und. wie soviel andere, aus dem Hintergründe zuzuschaue», was nun wird. Wir haben uns mitten in den Strudel der Zeit Hinei,i- geftellt, haben, wie Fahrenbach sagte, Hohn und Spott, ja sogar Mord über uns ergehen lassen, »mi mir dem einen Ziele zu die. neu: Dem deutschen Volk« und unserem lieben Vaterlande. Und jetzt haben /vir wiederum ein« große Aufgabe als Partei des Ausgleichs, nämlich die Kräfte von rechts, soweit sie sich gegen den Staat und seine Verfassung auswirken, auszufangen, ober auch andererseits diejenigen Kräfte von rechts, die zu posi tiver, schassender Arbeit für das Volk jetzt sich zur Verfügung stellen wollen, der Volksgemeinschaft nutzbar zu machen. Das ist's. Dieser Gedanke der Volksgemeinschaft ist, wenn auch gegenwärtig iu den Hintergrund gedrängt, lebendig. Er wird, dessen sind wir ganz gewiß, sofort nach den Reichstags wahlen wieder in die Erscheinung treten, ja er wird letzten Endes im ganzen Reichstagswahlkamps die Kernfrage bilden. Und zu dieser Volksgemeinschaft, zu einer ehrlichen, treuen, opservollen Arbeit für das ganze Volk hat der jetzige Reichsparteitag des Zentrums ein machtvolles Bekenntnis abgelegt. Nicht in den abgebrauchten Schlagworten von rechts oder links erschöpft sich das Maß dessen, was wir politisch zu erfassen und zu erfüllen haben, mit solchen Formeln lassen sich die großen Aufgaben der Politik nach innen und außen nicht erschöpfen. Da hat Steger- mald recht, wenn er sagt, dah es unsere Ausgabe ist. Brücken zu schlagen zn den Kräften im nationalen Lager, Brücken auch zu den im evangelischen Lager lebendigen staatspolitischen Kräften, wie endlich zu den Elementen im sozialistischen Lager. Das Zen trum wird, wenn es dermaßen Politik macht, auch weiterhin den festen Kern bilden, um den sich alles sammelt, es wird in Wahr heit der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht sein, cs wird seine Stellung als Ausbaupartei, die cs sich im harten Kampfe bis heute errungen hat, auch weiterhin zum Nutzen des ganzen deutschen Volkes, zum Nutzen aber auch der friedlichen Entwick lung in Europa und der Welt behaupten und verstärken Imparität Rede des Neichsminlster» a. D. Bell auf dem Reichsparteitag am 27. Oktober Der Ncichsparteitag kann an einer für uns wichtigen Lebcnssrage nicht vorübcr^ehcn, die weit über die Kreise der davon betroffenen 'Akademiker und Beamten hinaus im Lande begreifliche Erregung und starke Erbitterung hervorgeruse» hat, ich meine die Paritssrage. Die Geschichte der Parität oder richtiger gesagt der Imparität ist alter als die Geschichte unserer deutschen Parlamente und die Zentrumssraktionen. Wer sich die wahre Leidensgeschichte des katholischen Volkstciles in Deutschland und in den Länderw bei Besetzung der Beamten stelieil seit einem Jahrhundert vergegenwärtigen will, der befasse sich mit dem Studium der Paritälsgeschichte von Julius Bachem und des nicht minder verdienstvollen Grunenbergschen Werkes über das Religionsbekenntnis der Beamten. Solange die Zen- trumsfraklioiien bestehen, haben sie es sich neben der Verteidi gung unserer idealen Interessen für Kirche und Schule zu einer Hauptaufgabe gemacht, der Imparität im Reiche und in de» Ländern nachdrücklich entgegenzutreten. Freilich haben sie da- mft sowohl bei den übrigen Parteien als auch bei den Regie rungen die betrübendste» Erfahrungen mache» müssen. Die Hanpteinwendungen gegen die Paritätsbeschwerde, die in der Vorkriegszeit uns im Reichstage und in den Landtagen entgcgengestrllt wurden, konzentrierten sich wie folgt: Es sei ein Mangel an katholischen Bewerbern vorhanden. Weiter sei die beanslandcle Disparttät darauf zurückzusühren, dah die katholischen höhere» Beamten in mehreren Provinzen oder Lan- dcsleilen mit überwiegend katholischer Bevölkerung zusammen- geballt seien, und daß sie nicht gern in andere Provinzen gingen: endlich seien in de» letzten Jahren Besserungen eingetreten. In Verbindung mit diesen Argumenten wurde vom Regierungstische Jahr aus Jahr ein die nachdrückliche Versicherung abgegeben, daß gleichmäßig ohne Rücksicht auf die Konfession bei Besetzung der Stellen und Aemter verfahren werde, und dah die bean standete Disparität nur aus Zufall beruhe. Daß wir diese haltlosen Einwendungen nicht gelten ließen, sondern uns ent schieden zur Wehr setzten, bedarf keiner Erörterung. Selbst während der Kriegszeit, io» man doch alle Veranlassung hatte, aus durchschlagenden Gründe» paritätisch zu verfahren, sahen wir uns gezwungen, im Reichstage und in de» Landtagen Uber unerträgliche Imparität Klage zu führen. Tatsächlich liefert das von uns beigebrachte statistische Material derart unwiderlegliche Beweise ür systematische Imparität, daß demgegenüber alle entgegen- tcbcnden Argumentationen vom Negierungstisch und von anderen Parteien in sich zusammenbrechen. Bei einer derartige» Paritätsdebatte glaubte ich einmal dem Regierungstisch Vor halten zu sollen, daß offenbar auch der sogenannte Zufall der hier immer als spiritus rector vorgesührt werde, offensichtlich parteipolitisch abgestempelt sei. In welcher Weise in der Vor kriegszeit und leider sogar in der Kriegszeit unsere Paritäts beschwerden abgetan worden sind, dafür glaube ich an vieler Stelle aus der leider allzu überreichen Fülle des Materials ein charakteristisches Moment herausschälen zu sollen. Als ich im Preußischen Abgeordnetenhaus in der Sitzung vom 14. Januar 192t an Hand reichen Materials der unerträglichen Zurück setzung des katholischen Volksteiles und seiner politischen Ver tretung mit allem Nachdruck entgegentrat und daraus hinwies, daß sich der katholische Volksteil eine solche Mißachtung nicht mehr gefallen lasse, glaubte der damalige Minister des Innern sich mit folgendem Beruhigungspulver begnügen zu sollen: „Ich kann dem Herrn Abgeordneten Dr. Bell die Ver sicherung geben, daß innerhalb meines Ressorts — und ich bin überzeugt, daß dasselbe auch bezüglich der anderen Ressorts Geltung hat — die Frage der Konfession bei der Annahme eines Anwärters zum Beamten oder bei der demnächstigen Besetzung von Beamtenstellen nicht die mindeste Nolle spielt. Solange ich die Ehre habe, an dieser Stelle zu stehen, habe ich mich noch in keinem Fall dadurch leiten lassen, ob der even tuell in Frage kommende Beamte der evangelischen oder katho lischen oder einer sonstigen Konfession angehört. Ich habe mir im vorigen Jahr bereits auszuführen erlaubt, datz ich mich lediglich von sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen wolle, und ich glaube, dies auch durchgcfiihrt zu haben. Es freut mich aber, dah ich gerade zufällig — der Herr Abge ordnete Bell sprach auch vom Zufall —, der in diesen Dingen eine große Rolle zu spiele» pflege — in der Lage bin, dem Herrn Abg. Dr. Veil Mitteilen zu können, daß bei den Asses- sorenprüsungen in meinem Ministerium in den letzten Wochen nicht weniger als drei katholische bürgerliche Referendare die Prüfung mit „gut" bestanden haben, und ich glaube der Hoff nung Ausdruck geben zu können, daß, wenn diese Fälle sich häufiger wiederhole», demnächst auch eine Reihe höherer Stellen mit Katholiken besetzt sein werden, in einem Maße, daß die Wünsche des Herrn Abg. Bell befriedigt sein dürften." Es hat im Lande ein lebhaftes Echo gefunden, als ich damals dem Herrn Minister antwortete, datz diese Form eines Rechtfertigungsversuches gegenüber unseren offensichtlichen und unbestreitbaren Paritätsbeschwerdcn dem Ernste der Situation und der Würde der Regierung keineswegs entsprechen. Bevor ich zu einer Kritik der heutigen Art und Form der Beamtenbesetzung und der gegenwärtigen Paritätssrage über gehe, glaube ich eine allgemeine Bemerkung voranstellen zu sollen. Nachweislich bestand vor der Umwälzung im ganzen Deutschen Reich und zwar sowohl bei den Neichsbehörden, wie bei den Landesbehörden, den Organen der Selbstverwaltung und in der Privatwirtschaft, eine geradezu schreiende Imparität. Bei allen Beamtenkategorie», höheren, niederen und unteren Beamten. Das hat auch im großen und ganzen ei» Man» aner kannt, auf den ich mich als Kronzeugen berufen darf, da er die Verhältnisse sicherlich aus seiner ganzen Amtsführung genau übersehen konnte und man bei ihm eine Voreingenommenheit sür Katholiken und Zentrum sicherlich nicht vermuten wird, nämlich der frühere Reichskanzler und Ministerpräsident Fürst Bülow. Der katholische Volksteil hat sich mit Recht darauf berufen, daß er sich diese Zurücksetzung, die er als eine unerträg liche Mißachtung ausfassen mühte, auf die Dauer nicht gefallen lassen kann. Wenn wir gut genug dazu sind, an den gesetz geberischen Arbeiten in den Parlainenten mitzuarbeiten und mit Ausbietung aller unserer Kräfte, namentlich auch in den Aus schüssen, das Staatswohl zu fördern, dann sollte doch das ein fachste Gerechtigkeitsgefühl dazu führen, uns auch bei Besetzung der öffentlichen Aemter und Stellen in gebührender Weise zu berücksichtigen. Wir sind sicherlich Freunde einer gute» Tradi tion. Aber die leider bestehende Tradition der Imparität steht unserem berechtigten und entschiedene» Wünschen gegen über. Wir verlange» sicherlich keine mechanische Parität. Was wir aber verlangen könne» und verlangen, besteht darin, daß man keinen Beamten wegen seines katholische» Glaubens bekenntnisses ablehnt, und wir verdichten unsere berechtigten Ansprüche auch dahin, daß man an der Zcntrumsgesinmmg eines Beamten oder Anwärters für Anstellung oder Beförderung keinen Anstoß nimmt. Nachweislich haben sich aber in geschicht licher Entwicklung die Dinge im Reiche und in Preußen so ge staltet, daß die „Qualifizierung" — ich gebrauche ge flissentlich dieses von den zuständige» Stellen systematisch ver wandte Fremdwort — der Beamtenstellen umso mehr abnimmt, se höher die Stellen steigen. Welch schwere. Kränkung und Be leidigung für den katholischen Volksteil darin liegt, daß man allen Nachweisen entgegen eine gleichmäßige Behandlung der Konfessionen behauptet, bedarf keiner Erörterung. Denn darin liegt ossensichtlich neben der unerträglichen Zurucksetzung de» katholischen Volksteiles noch der weitere ungleich schwerere Vorwurf der Unfähigkeit zur Begleitung öffentlicher Aemter, dementgegen hat die Erfah rung gelehrt, daß der katholische Volksteil mit tüchtigen und zuverlässigen Beamten für alle Kategorien auszuwarten in der Lage ist, die es durchaus mit ihren Kollegen ausnehmen könne». Man hätte es erwarten sollen, dah nach der Umwälzung unter Durchführung des parlamentarischen Systems in den neu gebildeten Freistaaten des Reiches und der Länder diese gegen Recht und Billigkeit und gegen alle demokratischen Grundsätze verstoßende Imparität mit eisernem Besen weggesegt würde. Aber auch hier hat uns die praktische Erfahrung darüber beleh ren müssen, daß der Geist der Iinparität erhaben ist über Zeit und Raum und über alle Verfassungssormen. Dieser Geist der Imparität, der über eine vorzügliche Organisation und über eine viele Jahrzehnte hindurch reichende praktische Erfahrung ver fügt, hat sich auch in dem neuen Zeitalter der demokratischen Republik mit Erfolg durchzusetzen verstanden. Bei den Etats- Beratungen des Preußischen Abgeordnetenhauses hat der Frak- tionsredner des Zentrums, soweit die preußischen Verhältnisse in Betracht kommen, darüber ein sehr deutliches Wort gesprochen. Leider müssen wir das Geständnis oblegen, daß die Verhältnisse im Reiche in bezug aus Parität noch viel trauriger sich gestaltet haben, als in Preußen. Darüber gibt eine vor einigen Tagen in der Germania erschienene statistische Uebersicht Aus schluß. Zuscnnmensassend ist folgendes zu bemerken: von ins gesamt 18 Staatssekretären iin Reiche sind 2 katholisch: von 39 Ministerialdirektoren im Reiche 10 katholisch, davon 3 abge baut sind: von 307 Ministerialräten 25 katholisch davon 5 abgebaut; von 159 Oberregierungsräten 18 katholisch, davon 5 abgebaut: von 157 Regierungsräten 25 katholisch, davon 10 abgebaut. Schält man aus diesen katholischen Beamten die Zahl der Zentrumsanhänger heraus, so wird das Verhältnis für uns noch viel ungünstiger. Dabei fällt noch ins Gewicht, daß mir in einem Zeitalter des parlamentarischen Systems leben und folglich auch Anspruch darauf haben, in den Regierungsstellen der Zentrale entsprechend berücksichtigt zu werden. Das gilt vor allem dann, wenn wir den Träger des Kabinetts stellen und darin noch mehrere andere Mitglieder delegieren. Man kann uns unmöglich zumuten, die Verantwortung sür die Politik der Regierung zu tragen, wenn wir in unerträglichem Maße aus den höheren Regierungsstellen geflissentlich aus geschieden wurden. Dabei wirkt es geradezu grotesk, wenn fortgesetzt in so manchem Presseorgan uns zum Borwurs gemacht wird, daß wir die Umwälzung dazu ausgenutzt hätten, um in die höheren Regierungsstellen unsere Anhänger hineinzubringen. Wollte man einmal eine Statistik über die Parteistellung der Beamten in den Reichsstellen anfertigen so würde sich für diejenigen, die in die einschlägigen Verhältnisse nicht eingeweiht sind, eine außerordentliche Ueberraschung ergeben. Die ein- geweihtcn Kreise wissen freilich, auf welche Weise man es in jahrelanger Arbeit und Organisation verstanden hat. systematisch unsere Anhänger heraus zu drängen, natürlich stets mit der Versicherung, durchaus korrekt und paritätisch allen Kon fessionen und Parteien gegenüber zu verfahren. Dieses System hat sich vor allem bei dem Beamtenabbau herausgestellt. Von den insgesamt abgebauten planmäßigen Beamten ent fallen etwa 4—S Prozent aus den Abbau in den Ministerien. Gegenüber dem Gesamtabbau In den Ministerien von 4—8 Prozent steht ein Abba» der vorhandenen Katholiken in den Ministerien von 28,7 Prozent, so daß also die Katholiken 8 bis 0 mal so stark abgebant worden sind, wie die Nicht katholiken. Es ist eine starke Zumutung für die Katholiken, wenn man ihnen glauben machen will, daß auch hierbei wieder lediglich der „Zufall" der entscheidende Charakter sei. Nimmt man die praktische Handhabung der „Grundsätze" des Beamtenabbaus unter die kritische Lupe, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß das berühmte geflügelte Wort: „Wie ich sie auffc> ss e". Schule gemacht hat. Das für die Paritätssrage so bedeutsame Snstem der geheimen Personalakten ist offiziell ab- geschaffi. Aber es ist ein Veilchen, das im Verborgenen blüht Merkwürdig, wie immer die Würfel nur nach der einen Seite rollen. Mit besonderer Betonung weisen wir darauf hin. daß der Angelpunkt unserer Beschwerden nicht bei den Spitzen der Behörden liegt. Eine nähere Erörterung behalten wir uns zur gegebenen Zeit vor. Mag bei der sorgfältig durchgearbeiteten Statistik sich vielleicht die eine oder andere Unrichtigkeit Heraus stellen. so kommt es darauf selbstverständlich nicht ausschlag gebend an. Wir sind es ja aus jahrzehntelanger Hebung ge wöhnt, daß die durch solche Statistik belrasfenen Kreise sich alle mal an einzelne Irrtümer oder Unrichtigkeiten anklammern. An den Gesamtergebnissen, nämlich an der nachgewiesenen syste matischen Zurücksetzung des katholischen Völlrsteils und insbesondere der Zentrumsanhänger läßt sich nicht rütteln. Die Zentrümsfraktion des Deutschen Reichs tages hat, ebenso wie die Preußische Landtagsfraktion, dieser Imparität ihr Hauptaugenmerk zugewendet. Es wird im gegen wärtigen Augenblick nicht ratsam sein, im einzelnen darzulegen, in welcher Weile wir sür gründliche Abhilfe sorgen werden. Darüber aber mögen unsere Parteifreunde im Reich und in den Ländern beruhigt sein, daß wir die Hand auf diese Wunde legen und mit aller Entschiedenheit dafür sorgen werden, daß der katholische Bolksteil und unsere Zentrumsanhänger zu ihrem Rechte kommen werden. Insbesondere sollen unsere Akademiker die Gewißheit haben, dah wir uns schützend vor sie stellen, unv daß sic sich bei Wahrung ihrer berechtigten Interessen auf uns verlassen dürfen. Wir müssen aber auch hier erwarten, daß Treue um Treue gilt, und daß sie durch tüchtige Leistungen und einwandfreies Verhalten uns die Durchführung der Paritäts- beschiverden möglichst erleichtern. So muß auch der gegenwärtige Wahlkampf ein Kamps um unsere Gleichberechtigung sein. — Ein Schluß appell! Unsere gesamte politische Lage zwingt uns mehr denn je auch zum erfolgreichen Paritätskampf das einigende Band zu festige», unsere Reihen geschlossen zu halten und vor allem auch heranzutreten an unsere Jugend und an unsere F^iuen. Darum: Fort mit dem Gerede von Flügeln und Richtungen! Zentrum soll die Parole, die Losung soll Volkswohl sein! Mit dieser Parole und mit dieser Losung werden wir auch im bevorstehenden schweren Wahlkampf oben bleiben und gegen den Ansturm von rechts und links ?er staatserhaltenden Reitungs. Politik der Mitte vaterländische Zukunftsarbeit sichern." Sie WM« rm AeRMiMM Am Dienstag wurden di« Auwahlen zum Reichsparteivor- stcmd vorgenommen. Vorsitzender der gesamten Partei und des Reichspartei vorstandes bleibt Reichskanzler Marx. Ehrenvorsitzende: Fehrendach, Reichskanzler a. D.. Freiburg-Bade»: Herold, Land-esölronomierat, Lövelinkloe lPost Münster/Westf.j, M. d. R. und M. d. L.; Dr. Povsch, Geh. Iustizrat, 1. Vizepräsident des Pr. Landtages, Breslau, OHIau-Ufer 14: Dr. Spahn, Staaismi- nister a. D., M. d. R„ Verl in-Lichter seid«, Hobrechtstrahe 1. Stellvertr. Vorsitzende: Dransfeld, Frau Hedwig, Schriftstellerin, M. d. R., Werft Wests.: Klöckner, Florian, M. d. R., Löttringhausen/Wests,, Haus Waldhugel: Mönnig, Iustizrat, Köln/Nhein, Gereonshof 23:'Ste- gerwald, Ministerpräsident a. D., Wilmersdorf, Kaiserallee 25. Beisitzer: Dr. Brauns. Reichsarbeitsminister, M. d. R.. Berlin, Schm n- horststraße 35; Esser, M d. R., Euskirchen, Gcnossenschastsdirek- tor; Beyerle, Iustizministcr. Stuttgart, Justizministerium: Graw, Landesökonomierat, M. d. L., Wormditt^Ostprentzen: Hosmann, Oberlehrer, M. d. R., Lud>vigsl>asen.Rl-ein, Heinigstraße 33; Ioos, Schriftleiter, M. d. R., München-Gladbach, Schürenweg; Fvh. v. Kerckeriny zur Vorig, Rinkerode,Wests.; Leasing, Ver leger, Mitglied des Reichsrats, Dortmund, Vorsitzender des Augu- stmusvereins; Fürst zu Löivenstein-Wertheim-Rosenberg, Klein- Heubach/Bayern oder Haid/Westtböhme»: Dr. v. Martin, Professor, München, Panzivalstrahe 19; Philipp, Frau Klara, Stadtverord nete, Karlsruhe, Hoffstratzc 1; Dr. Schofer, Prälat, Freiburg/Ba- den, Rosastraße 9. Schriftführer: Astor, KaufiN'NiN, Berncastel-Cues, Bahnhofstraße: Elses, Redakteur. München-Gladbach. Kysfhäuserstraße 6; Ulitzka, Ka nonikus. Ratidor/Oberschlesten. Rechner: Dr. Lremcr, Dortmund, Kronprinzenstmßc 22; Itschert, Senatsprästdent, Berlin-Wilmersdorf, Xantenerstraße 4. In den Reichsparteivorstand wurden hinzugewählt: Universitätsprosessor Dr. Dessauer. Frankfurt a. M.: Reichs kanzler a. D. Dr. Wirth, Freiburg; Prälat A. Pieper, München- Gladbach: Frau Teusch, Köln; Kaufmann Linskens. Hamburg: Rechtsanwalt Nuß, Worms: Geiuerkschastssekretär Kaiser, Köln; Beigeordneter Kloft, Essen; Prälat Dr. Schreiber. Münster i. Wests. - -" .' -'.l Die Liste findet die Genekmiauna der Versammlung.
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